Protocol of the Session on March 11, 2010

Sie versteht sich als letzte Volkspartei, als Hyperpartei, wie Volker Ullrich vor einiger Zeit sagte, als Partei, die versucht, auf möglichst allen Politikfeldern dauerhaft die Werte, Meinungen und kulturellen Dispositionen der Mehrheit zu vertreten. Sie versucht förmlich in die Seelen der Menschen zu kriechen. Die CDU will auch das traditionelle Links-Rechts-Lagersystem durch eine Art Sonnensystem ersetzen. Unter ihrer Führung sind – mit Ausnahme der Linken – alle Koalitionen denkbar. Die FDP, die SPD, aber auch die GRÜNEN konkurrieren miteinander um einen Platz in diesem Sonnensystem.

Nirgendwo scheint es so warm wie an der Seite der CDU zu sein. Aber Vorsicht! Die SPD hat sich ja auf Bundes- wie auf Landesebene dabei verbrannt. Die sich permanent modernisierenden Christdemokraten sind eigentlich ohne christliches Profil, Herr Kollege Flath. Sie versuchen vielmehr, pragmatisch ein Politikfeld nach dem anderen zu besetzen und allen alles zu sein.

Eine offene Frage ist lediglich, wie lange die CDU diesen Spagat vom rechten Rand bis zur linken Mitte durchhalten kann, ohne an dem einen oder anderen Ende dieses weiten Spektrums derart an Zustimmung zu verlieren, dass es zu ernsthaften Erosionserscheinungen kommt. Das gilt insbesondere – das wissen Sie besser als ich, obwohl ich mich ein wenig in Ihrer Partei auskenne – für die vernachlässigten und abgedrängten Rechtskonservativen. Wie lange kann sich die CDU mit ihrem Anspruch, eine Partei für alle Deutschen zu sein, in der Bevölkerung denn noch behaupten? Verliert sie an Zustimmung, platzt ihr gesellschaftliches Konsensbildungsprojekt. Platzt dieses Vereinnahmungskonzept

(Peter Schowtka, CDU: Das hätten Sie wohl gern?!)

an der überdehnten Offenhaltung nach allen Seiten hin, dann bricht auch dieses neue Ein-Volksparteien-System in sich zusammen. Das ist für uns alle ein Riesenproblem!

(Beifall des Abg. Andreas Storr, NPD)

Am wertkonservativen rechten Rand der CDU wird mit dem „Arbeitskreis engagierter Katholiken“ und dem „Manifest gegen den Linkstrend“ in der CDU bereits jetzt einiger Protest laut. Man kann sogar sagen, da ist eine explosive Stimmung. Gestern haben wir über linke Gesellschaftspolitik, Geschlechterumerziehung gesprochen. Das alles mag der rechte Rand bei Ihnen nicht. Auch hier versucht man gegen Gender-Mainstreaming anzugehen. Das alles sind Probleme, die Ihre Partei zerreißen – eine Partei, die in diesem Land eine große Bedeutung hat.

(Gelächter bei der CDU – Peter Schowtka, CDU: Lächerlich!)

Seit 1990 haben die Parteien in Deutschland circa 40 % ihres früheren Mitgliederbestandes verloren. Die über 60Jährigen bilden die Hälfte des Organisationsbestandes oder mehr.

Ihre Redezeit läuft ab, Herr Professor.

Wenn das so weitergeht, wird es auch mit Ihrer Partei zu Ende gehen.

(Robert Clemen, CDU: Schauen wir mal!)

Wir warten ab und beobachten das genau. Sehen Sie, das Problem ist doch: Es betrifft uns alle.

Danke schön.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Es wird wieder vom Instrument der Kurzintervention Gebrauch gemacht. Bitte, Herr Kollege Piwarz von der CDU-Fraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir durften jetzt wieder einer Kurzvorlesung von Herrn Prof. Besier beiwohnen. Ich weiß nicht, ob er in eine Glaskugel oder in etwas anderes geschaut hat, um seine Weisheiten hier zu verbreiten.

Herr Prof. Besier, ich kann Ihnen nur deutlich sagen: Machen Sie sich mal um die CDU keine Sorgen! Sie weiß selbst am besten, was richtig ist. Kümmern Sie sich lieber um Ihre eigene Partei!

(Beifall des Abg. Volker Bandmann, CDU)

Klären Sie, ob Sie eine Doppelspitze haben wollen oder nicht! Klären Sie auch, wie Sie diese Spitze – gegendert oder wie auch immer – besetzen können! Kümmern Sie sich nicht um die CDU!

Aber eines finde ich dann doch spannend in Ihren Ausführungen. Ganz zu Beginn haben Sie vom unstillbaren Geldhunger der Parteien gesprochen. Das sagt sich natürlich als Angehöriger der Linkspartei oder der Fraktion relativ leicht. Da hat man das Geld ja irgendwo anders und muss sich natürlich nicht unbedingt Sorgen um Sponsoring oder andere Geschichten machen.

(Prof. Dr. Dr. Gerhard Besier, Linksfraktion, steht am Mikrofon.)

Ich will es noch einmal deutlich machen: Gregor Gysi ist ein wenig die Lichtgestalt in Ihrer Partei. Wenn er weg ist, wird es wahrscheinlich relativ dunkel werden. Er hat auf diesen beiden außerordentlichen Parteitagen der damaligen SED oder PDS – oder wie sie damals gerade hieß – im Dezember 1989 gesagt, als es um das Parteieigentum und die Parteibetriebe ging: „Wir haben kein Recht, das Eigentum daran aufzugeben, wohl aber die Pflicht, eine sinnvolle Nutzung zu sichern.“ Das haben Sie dann offensichtlich umgesetzt. So lässt es sich hier leicht reden, aber Sie sollten an dieser Stelle eigentlich ruhig sein.

(Beifall bei der CDU – Zuruf von der CDU: Hört, hört!)

Herr Kollege Prof. Besier hat die Möglichkeit der Erwiderung; bitte.

Herr Piwarz, ich verstehe ja Ihre Rolle. Sie müssen jetzt schnell beißen. Aber worum geht es denn? Ich habe versucht zu zeigen, welche strukturellen Probleme es in unseren Parteien gibt. Ich habe Ihre Partei als ein Beispiel genannt und die anderen gar nicht ausgenommen.

(Zuruf des Abg. Christian Piwarz, CDU)

Das bringt mich doch gar nicht aus der Ruhe. Sehen Sie, das Grundproblem bleibt doch, dass Sie immer mit irgendwelchen historischen Beispielen ankommen. Das Vermögen der Ost-CDU haben Sie doch auch kassiert!

(Beifall bei der Linksfraktion – Klaus Tischendorf, Linksfraktion: Genau!)

Vielen Dank. – Ich möchte an dieser Stelle darauf hinweisen, dass sowohl die CDU-Fraktion als auch die Fraktion der GRÜNEN in diesem Tagesordnungspunkt ihre Möglichkeiten zur Kurzintervention ausgeschöpft haben.

Wir kommen zum nächsten Redner. Für die SPD-Fraktion spricht Kollege Dulig.

Sehr geehrte Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich weiß, der Angriff ist die beste Verteidigung. Da ich die Rede von Herrn Herbst gehört habe, stelle ich fest, dass das solch ein Versuch war. Es geht doch darum, den Unterschied deutlich zu machen.

Meiner Meinung nach ist nicht der Unterschied, ob Gespräche exklusiv angeboten wurden, sondern inwieweit diese Exklusivität, verbunden mit einem Amt, einen zusätzlichen Geldwert hat, dass zum Beispiel das Bild des Ministerpräsidenten mit einem höheren Geldwert versehen wird. Das ist der große Unterschied. Das ist der eigentliche Konflikt.

(Beifall bei den GRÜNEN – Zuruf des Abg. Robert Clemen, CDU)

Ich bin dankbar dafür, dass es noch einmal auf den Punkt gebracht wurde. Es geht um Ihren Umgang mit dem Problem. Sie können uns nicht vorwerfen, dass wir etwas verschleiert haben. Wir haben komplett alles offengelegt. Selbst wenn dabei deutlich geworden ist, dass auch in unserem Angebot drinsteht, dass wir exklusive Gespräche vermitteln, aber ohne dass ein Geldwert dahintersteht. Das haben wir klargemacht, indem wir alle Verträge öffentlich gemacht haben. Es ist kein Cent geflossen und unsere Leute wurden nicht vermietet.

(Zuruf des Abg. Robert Clemen, CDU)

Es macht die Diskussion vor allem deshalb so schwierig, weil wir gestern über Kürzungen gesprochen haben und

mit Einsparmaßnahmen in Vorbereitung des neuen Haushaltes konfrontiert sind. Das heißt, auf der einen Seite diskutieren wir den sozialen Zusammenhalt dieser Gesellschaft – Stichwort: die gestrigen Kürzungen – und auf der anderen Seite ist: Wenn es um das eigene Geld geht, ist man schneller dabei. Zynisch könnte man sagen: Hätte jeder der Demonstranten gestern einen Euro in die Büchse geworfen, wäre der Ministerpräsident vielleicht herausgekommen, um mit ihnen zu reden.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Es bleibt aber dabei: Die Sponsoring-Frage dieser Denkfabrik ist doch nur der Anlass, darüber zu sprechen, welche demokratische Kultur hier in diesem Land vorhanden ist.

(Robert Clemen, CDU: Kehrt mal vor der eigenen Tür!)

Dass die CDU versucht, sich weiterhin als Staatspartei zu gerieren, haben wir auch im Wahlkampf erlebt. Da gab es aus der Staatskanzlei heraus die Nachfrage per Mail, zumindest bei einem Landratsamt, welche Volksfeste denn in nächster Zeit anstehen. Da sollten aus Volksfesten CDU-Wahlveranstaltungen gemacht werden. Im Nachhinein war das alles sicher nur ein Missverständnis, aber das stelle ich jetzt unter den parteipolitischen Mentalvorbehalt.

(Beifall bei der SPD und der Linksfraktion)

Für die SPD-Fraktion sprach Kollege Dulig. Als nächste wäre die FDP-Fraktion an der Reihe. – Kein Redebedarf. NPD-Fraktion? – Kein Redebedarf. Gibt es weiteren Redebedarf aus den Reihen der Fraktionen zu dieser Aktuellen Debatte? – Dann eröffnen wir die dritte Runde und beginnen mit Frau Kollegin Hermenau. Als nächste Wortmeldung haben wir die CDU-Fraktion mit Herrn Kollegen Flath. – Bitte, Frau Kollegin Hermenau.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Kollegen! Ich habe das Beispiel Nordrhein-Westfalen nicht bemüht. Das war Kollege Flath von der CDU. Aber ich erwarte immer noch, Herr Tillich, dass Sie bald das Wort ergreifen.

Herr Besier, das war ein interessanter Grundsatzvortrag, aber vielleicht nicht das ideale Instrument für eine Aktuelle Debatte. Sie werden jedoch in der Zukunft damit kämpfen müssen, wenn Sie dieses Thema aufarbeiten wollen, dass es Ihre Partei ist, die bis heute das SEDVermögen nicht offengelegt hat. Das ist so und das bleibt an Ihnen hängen.

(Beifall bei den GRÜNEN, der CDU und der FDP – Dr. Dietmar Pellmann, Linksfraktion: Das ist eine Lüge!)

Herr Pellmann, es hätte keiner Kommission bedurft, wenn Sie offengelegt hätten. Das ist der Umgang mit den Fehlern! Es ist der erklärte Wille nicht nur des Bundestagspräsidenten Lammert, sondern auch mehrerer Frakti

onen im Bundestag, das Parteiengesetz zu überarbeiten und dabei auch die Offenlegung des Sponsorings zu vereinbaren. Da wird also ein Fehler in Zukunft geheilt – das hoffe ich jedenfalls.

Aber gerade, wenn man sich Freiheiten wie das Sponsoring in einer Parteiendemokratie, in der wir leben und arbeiten, erlaubt, ist es meiner Meinung nach das erste Gebot, selbst für Transparenz und Differenzierung zu sorgen. Darüber reden wir immer noch. Es ist immer noch nicht klar geworden, jedenfalls nicht nach dem, was ich gehört habe. Es gibt in diesem Land zweierlei Maß, und es entsteht der Eindruck der Käuflichkeit. Die demonstrierenden Verbände, zum Beispiel draußen die Sozialverbände, von denen viele übrigens auch christlich motiviert ihre soziale Arbeit machen, hatten gestern keine 8 000 Euro zur Verfügung, um sich einen Gesprächspartner der Staatsregierung kaufen zu können. Das ist ein Unterschied, denn das bleibt bei den Leuten hängen, auch wenn es keine organisierte CDU-Veranstaltung war.