Protocol of the Session on March 11, 2010

Wir können zur Abstimmung kommen über die Drucksache 5/1491. Ich bitte um die Stimmen dafür. – Vielen Dank. Die Gegenstimmen? – Danke sehr. Stimmenthaltungen? – Bei zahlreichen Stimmen dafür hat der Antrag dennoch nicht die erforderliche Mehrheit gefunden und ist abgelehnt.

Meine Damen und Herren! Der Tagesordnungspunkt 6 ist beendet. Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 7

Für eine bessere Personalausstattung und Fachberatung für Kindertagesstätten und -pflege – gemeinsame Strategie von Freistaat, Kommunen und freien Trägern auf den Weg bringen

Drucksache 5/1519, Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Meine Damen und Herren! Die Fraktionen können wie folgt zu diesem Antrag Stellung nehmen: Zunächst die einreichende Fraktion GRÜNE, dann CDU, DIE LINKE, SPD, FDP, NPD und die Staatsregierung, wenn gewünscht.

Ich eröffne die Aussprache und bitte nun Sie, Frau Abg. Giegengack, das Wort für die einreichende Fraktion zu nehmen. Bitte schön.

Sehr geehrter Herr Landtagspräsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Landtag debattiert seit Jahren über eine Verbesserung der Personalsituation in unseren Kindertageseinrichtungen, insbesondere seit Inkrafttreten des Bildungsplanes 2006. Ich könnte jetzt ein Grundsatzreferat über die Bedeutung der frühkindlichen Bildung halten, immerhin bilde ich seit knapp zehn Jahren Erzieherinnen, Heilpädagogen und Sozialpädagogen aus. Doch ich glaube, dieses Referat ist gar nicht mehr nötig, denn spätestens seit Montag, an dem bei der CDU-Denkfabrik über dieses Thema ebenfalls debattiert wurde, dürfte auch dem letzten Kollegen der schwarzen Fraktion die Bedeutung der frühkindlichen Bildung bewusst sein.

Nun müssen wir vom Denken zum Handeln kommen, meine Damen und Herren. Wir haben kein Erkenntnisproblem, sondern ein Umsetzungsproblem. Die zuständigen Fachleute haben das längst erkannt, allen voran der Landesjugendhilfeausschuss, der bereits im Juni 2009 Handlungsbedarf formuliert hat.

Erstens. Der Ausschuss hält eine schrittweise Aufstockung des Personalschlüssels und die Einführung einer kinderdienstfreien Zeit in den Kindertagesstätten für unerlässlich. Die Staatsregierung wird aufgefordert, dazu einen Stufenplan zu erstellen und ihn mit den Kommunen abzustimmen.

Zweitens. Für die Kinderpflege bedarf es einer unterstützenden Netzwerksstruktur, die vor Ort in kommunaler Verantwortung und landesweit in Verantwortung des Freistaates etabliert werden muss. Die Staatsregierung wird aufgefordert, dazu mit den örtlichen Jugendhilfeträgern eine gemeinsame Umsetzungsstrategie zu entwickeln.

Drittens. Für den weiteren Ausbau der Fachberatung der Kindertageseinrichtungen soll die Staatsregierung in Abstimmung mit den Kommunen und freien Trägern eine Organisations- und Finanzierungsstrategie entwickeln.

Wir wissen alle, dass die Staatsregierung bisher keiner der drei Forderungen nachgekommen ist. Aus diesem Grund haben wir die Forderungen dieses wichtigen Gremiums

aufgenommen und bringen sie heute als eigenen Antrag im Landtag ein. Nur am Rande sei bemerkt, dass der Beschluss des Landesjugendhilfeausschusses damals einstimmig fiel. Das heißt, auch der sozialpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Herr Krauß, und der jetzige haushaltspolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Herr Rohwer, haben damals ihre Hand gehoben. Im Juni 2009 war das Wort Finanzkrise durchaus kein Fremdwort mehr, im Gegenteil. Abgesehen von der allgemeinen Presseberichterstattung hat allein das Finanzministerium von Januar bis Juni 2009 fünf Pressemitteilungen abgesetzt, wo es um Steuerausfälle und Mehrausgaben für den Freistaat in den nächsten Jahren ging.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wenn der jetzige haushaltspolitische Sprecher der CDUFraktion angesichts der Krise die Staatsregierung trotzdem auffordert, beim Personalschlüssel bei der Kindertagespflege und Fachberatung tätig zu werden, muss es ja gehen, denn sie nehmen für diesen Posten ja nicht jeden; aber das nur am Rande.

Worum geht es konkret? Hintergrund für den Beschluss des Landesjugendhilfeausschusses im Juni 2009 war die vom Institut PädQUIS gGmbH erbrachte Studie „Evaluation der Personalausstattung in Kindertageseinrichtungen“. Die Verfasser der vom SMS in Auftrag gegebenen Studie sind in ihrem 180-seitigen Abschlussbericht zu folgendem Ergebnis gekommen:

Erstens. Die derzeit im Sächsischen Kitagesetz festgeschriebenen Personalschlüssel für Krippe, Kindergarten und Hort können in der Realität aus vielen Gründen nicht eingehalten werden. Von daher ist eine deutliche Verbesserung des Personalschlüssels entsprechend den europäischen Standards umzusetzen.

Zweitens. Die Qualitätssicherung in der Kindertagespflege ist durch die vielfach isolierte Arbeitssituation der Pflegepersonen sehr erschwert und bedarf deshalb einer unterstützenden Netzwerkstruktur.

Drittens. Die Qualität und Quantität der Fachberatung in den Kindertageseinrichtungen ist nicht überall in gleichem Maße abgesichert, weshalb auch dort ein Ausbau erfolgen sollte.

Als kleinen Exkurs in diesem Zusammenhang möchte ich auf die Antwort auf meine Kleine Anfrage zu diesem Thema hinweisen, die sehr anschaulich demonstriert, wie unterschiedlich der Stellenwert von Fortbildung und Fachberatung in den Kitas bei den Kreisen und kreisfreien Städten ist. So gibt zum Beispiel die Landeshauptstadt Dresden 160 Euro pro Erzieherin für Fortbildung aus,

Leipzig 65 Euro, und meine Heimatstadt Chemnitz fühlt sich dafür überhaupt nicht verantwortlich.

Doch, meine Damen und Herren, ganz so überraschend und neu waren die Ergebnisse dieser PädQUIS-Studie nicht. Bereits 2007 wurde in einem 60-seitigen Bericht des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes unmissverständlich festgestellt, dass ohne verbesserte Personalausstattung die Ziele und Intentionen des Bildungsplanes in der Praxis gar nicht erreicht werden können.

Wir haben, meine Damen und Herren, –

Frau Giegengack, ich bitte Sie, langsam zum Ende zu kommen.

– ich sagte es bereits –, weniger ein Erkenntnis-, sondern vielmehr ein Umsetzungsproblem. Das haben wir auch bei den Haushaltsverhandlungen 2008 gesehen. Da gab es viele gute Absichtserklärungen, aber leider keine gemeinsame Strategie. Die Kommunen wurden nicht rechtzeitig einbezogen. Dieses Scheitern wollen wir mit unserem heutigen Antrag verhindern.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der Linksfraktion)

Vielen Dank für die Einbringung des Antrages. – Als nächste Fraktion ist die CDU an der Reihe. Frau Nicolaus, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Antrag, den Sie eingebracht haben, ist wünschenswert, aber Wünsche haben wir ja alle. Es ist nur die Frage, ob man Dinge auch umsetzen kann, und wenn ja, wie. Der Personalschlüssel liegt zurzeit im Krippenbereich bei 1 : 6, im Kindergartenbereich bei 1 : 13 und im Hortbereich bei 22 bis 25 Kindern auf eine Erzieherin. Man könnte sagen, wir wollen den Schlüssel im Kindergartenbereich unbedingt auf 1 : 12 absenken. Das wäre auch wünschenswert, aber das liegt nicht in der alleinigen Hoheit dieses Hohen Hauses, meine sehr verehrten Damen und Herren. Es bedarf der Kommunikation mit den Kommunen und den Eltern, denn, Frau Giegengack, nicht nur Land und Kommunen – die Kommunen hatten Sie angesprochen –, sondern auch die Eltern werden mit beteiligt. Das würde bedeuten, dass die Eltern einen höheren Elternbeitrag bezahlten müssten. Es ist aus meiner Sicht nicht zumutbar, dass nur der Freistaat Sachsen die Kosten zu tragen hat. Die kommunale Familie ist genauso wie die Eltern in der Verantwortung.

Ich bin selbst Bürgermeisterin und habe eine kommunale Einrichtung, die sehr gut läuft – das darf ich frank und frei sagen. Wir haben steigende Kinderzahlen. Wir haben gerade erst wieder unsere Einrichtung um 20 Krippenplätze erweitert. Der Betreuungsgrad steigt fortlaufend. Das muss man hier in dem Hohen Hause einmal betonen.

Wir sind an der Mitfinanzierung und der Erhöhung der Kinderzahlen – was wir natürlich sehr begrüßen und wünschenswert ist – beteiligt. Das finanziert der Freistaat Sachsen mit. Die Kommunen finanzieren ebenfalls ihren Anteil. Es ist immer eine Drittelfinanzierung – grob gesagt. Ich möchte das einmal so pauschalieren.

In meiner Einrichtung – aus meiner Sicht das Abbild der meisten Einrichtungen im Freistaat Sachsen – ist es so, dass nicht nur Erzieherinnen betreuen, die auf den Schlüssel angerechnet werden. Vielmehr ist es so, dass uns zusätzliches Personal zur Verfügung steht: Praktikantinnen und Praktikanten. Uns steht außerdem technisches Personal zur Verfügung, welches den Erzieherinnen ebenfalls zur Hand geht.

In meiner Einrichtung ist es beispielsweise so, dass ich zusätzlich für 30 Stunden eine Dekorateurin eingestellt habe. Sie werden dazu sagen: Was macht eine Dekorateurin dort? Sie gibt Impulse – gerade was die Kreativität für die Erzieherinnen und das Spielen mit den Kindern anbelangt.

Frau Nicolaus, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein, erst einmal nicht. Später gestatte ich gern eine Zwischenfrage. Ich möchte den Bereich gern abschließen.

Aus meiner Sicht ist der richtige Weg der, dass man selbst in der kommunalen Verantwortung Dinge nach vorn bringt. Man kann es nicht nur allein vom Freistaat fordern. Man muss auch selbst kreativ sein. Man muss es sich natürlich auch leisten können. Das ist die andere Frage. Ich kann mich zurücklehnen, weil wir es uns in unserer Gemeinde leisten können. Ich glaube, dass es aber auch keine Kommunalaufsicht geben wird, die in diesem Bereich etwas herausstreicht, wenn aufgesattelt werden würde.

Es gibt ein positives Beispiel: die Stadt Zwickau. Sie betreut generell über dem Betreuungsschlüssel.

(Beifall des Abg. Mario Pecher, SPD)

Ja, das kann gern gewürdigt werden.

Ich bin sehr froh über solche Beispiele.

Nun kommen wir noch einmal zum Bereich der Fachberatung.

Frau Nicolaus, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ja, jetzt, bitte.

Finden Sie es angesichts der Tatsache, dass Kindergärten Bildungseinrichtungen sind, die alle Kinder dringend brauchen, richtig, dass nur Kinder in solchen Kommunen, die es sich leisten können, bessere Bildungsqualitäten bekommen, und nicht Kinder in Kommunen, die es sich in den Zeiten der kommunalen Finanzkrise nicht leisten können?

Ich denke, das ist nicht der richtige Ansatz. Ich sagte Ihnen bereits: Sollte man sich auf kommunaler Ebene dazu bereit erklären bzw. durchringen und die Prioritäten anders setzen, wird es niemanden geben, der dies herausstreicht. Ein ganzes Stück kommunaler Selbstbestimmung muss in diesem Freistaat gelten.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Darf ich meine Frage noch einmal wiederholen? Sie ist nicht beantwortet worden: Finden Sie es richtig, dass Kommunen, die es sich leisten können, für ihre Kinder eine bessere Bildungsqualität bereitstellen können als Kommunen, die es sich nicht leisten können?

Ihre Frage impliziert, dass die Pflichtaufgabe, wie sie im Gesetz festgeschrieben ist und umgesetzt werden muss, eine schlechte Qualität besitze. Das kann nicht sein. Die im Gesetz festgeschriebene Qualität ist gut. Sie ist im Vergleich zu anderen Ländern sehr gut. Sollte man sich noch mehr leisten wollen, kann man das gern tun. Ich tue das.

Ich stelle noch einmal die Frage: Möchten Sie noch eine Nachfrage zulassen?