Protocol of the Session on January 22, 2008

Herr Lichdi, bitte.

Ich möchte jetzt nicht auf die Anwürfe von Herrn Bandmann eingehen – ich glaube, diese richten sich selbst –, sondern ich will vielleicht für diejenigen, die willens sind zuzuhören, einfach noch einmal betonen, dass ich absichtlich nicht aus der Sicht der Verwaltungskraft der neuen Kreise diskutiert habe, sondern aus der Sicht eines Bürgers, und zwar nur aus der Sicht eines Bürgers, wie dieser sich wohl fühlt, wenn er von ein und derselben Behörde einen möglicherweise belastenden Abgabenbescheid bekommt,

(Staatsminister Thomas Jurk: Wie beim Finanzamt! Genau dasselbe!)

er muss irgendetwas tun, was ihm nicht gefällt. Dann legt er Widerspruch ein

(Zuruf des Abg. Dr. André Hahn, Linksfraktion)

er glaubt, er wohnt im Rechtsstaat, das hat man ihm gesagt, da hat er auch Recht – und dann kriegt er diesen exakt von derselben Behörde wieder zurück mit den formellen Sätzen – ich kenne das ja –: „Wir haben Ihren Antrag geprüft. Leider können wir nicht abhelfen. Mit freundlichen Grüßen.“ Nun frage ich Sie, wie sich dieser Bürger fühlt. Ich sage Ihnen, ich kann mich in dessen Position hineinfühlen. Wenn Herr Bandmann das nicht kann, ist es sein Problem. Aber das ist noch lange kein Grund, unseren Antrag abzulehnen.

(Beifall bei den GRÜNEN und der Linksfraktion)

Herr Bandmann, bitte.

Herr Lichdi, wir haben Ihnen im Ausschuss schon die Frage vorgelegt: Erklären Sie mal den Bürgern, insbesondere auch denen, die in der Verwaltung einer bisher kreisfreien Stadt arbeiten und die auch jetzt Widerspruchsbescheide bearbeiten, warum sie dann, wenn ihre Stadt kreisangehörige Stadt wird, diese Widersprüche mit der Fachkompetenz, die sie bisher hatten, nicht mehr bearbeiten dürfen und diese Widersprüche alle auf die Landratsebene übergehen.

Was Sie hier schaffen, ist eine zusätzliche Bürokratie, ist zusätzlicher Aufwand und eben nicht mehr Klarheit. Es muss angezeigt werden, wo die Widerspruchsbehörde ist, und es muss veröffentlicht werden. Das ist Ihnen alles erläutert worden. Sie versuchen hier immer wieder, die Dinge auf den Kopf zu stellen.

Wir werden diesen Antrag ablehnen.

(Beifall des Staatsministers Geert Mackenroth)

Meine Damen und Herren! Ich komme jetzt zur Abstimmung. Ich rufe den Änderungsantrag der Fraktion der GRÜNEN auf. Wer die Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Die Gegenstimmen, bitte! – Die Stimmenthaltungen? – Bei einer ganzen Reihe von Stimmen dafür ist der Antrag dennoch mit Mehrheit abgelehnt worden.

Ich rufe jetzt den Artikel 9 in der Beschlussempfehlung auf. – Nein, es gibt noch einen Änderungsantrag. Es gibt die Nr. 7. Herr Lichdi, jetzt hätte ich Sie fast übersehen. Drucksache 4/11033.

Frau Präsidentin! Ich habe das als eingebracht und abgestimmt betrachtet.

Abstimmen müssen wir noch über die Ziffer 2. Das machen wir noch. Möchte noch jemand zu dem Antrag sprechen? – Nein. Dann lasse ich jetzt über die Drucksache 4/11033 abstimmen, Ziffer 2 des Änderungsantrages. Wer möchte die Zustimmung geben? – Die Gegenstimmen? – Die Stimmenthaltungen? – Bei einer ganzen Reihe von Stimmen dafür ist der Antrag dennoch mit Mehrheit abgelehnt worden.

Jetzt kann ich über den Artikel 9, wie in der Beschlussempfehlung vorgeschlagen, abstimmen lassen. Wer gibt die Zustimmung? – Die Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Bei einer Reihe von Stimmen dagegen wurde dem Artikel 9 mit Mehrheit zugestimmt.

Im Artikel 10, Änderung des Sächsischen Sorbengesetzes, gibt es zu den Nrn. 1 und 2 einen Änderungsantrag der Linksfraktion, Drucksache 4/11021. Ich bitte um Einbringung. Herr Abg. Kosel, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Um es gleich vorweg zu sagen: Der jetzt hier zu beratende Gesetzentwurf der Staatsregierung ist in der vorliegenden Form bezüglich der Wahrung der Rechte der Sorben im Freistaat Sachsen nicht minderheitenschutzgerecht.

Seine Annahme durch das Hohe Haus führt dazu, die Sorben, die sich ohnehin in einer Minderheitensituation befinden, in den beiden in der Oberlausitz geplanten Landkreisen noch zusätzlich zu marginalisieren. Oder, um es mit den Worten des Sachverständigen Prof. ScholzeŠołta aus der Landtagsanhörung zu sagen: Der vorliegende Gesetzentwurf bringt die Gefahr einer eingeschränkten politischen Partizipation der Sorben in den zukünftigen Kreisen Bautzen und Görlitz mit sich. Genau dies ist aus Sicht der Fraktion DIE LINKE nicht hinnehmbar.

Dabei hätte bereits ein Blick in die Kommentierung des Rahmenübereinkommens des Europarates zum Schutz nationaler Minderheiten – zum Beispiel in dem im Jahre 2005 erschienenen Kommentar von Dr. Ludwig Elle aus dem Sorbischen Institut in Bautzen genügt, um der Staatsregierung und den Koalitionsfraktionen Erleuchtung bringen zu können. Darin ist eine herbe Kritik der bereits vergangenen Kreisgebietsreform von 1994 enthalten, insbesondere bezüglich der Vereinbarkeit mit Artikel 16 des Rahmenübereinkommens, der die Unzulässigkeit von Maßnahmen, die auf die Veränderung der Bevölkerungsverhältnisse in Minderheitengebieten gerichtet sind, festlegt.

(Unruhe im Saal)

Ich zitiere: „Durch Zusammenschlüsse von Landkreisen und Gemeinden Mitte der Neunzigerjahre haben sich die Bevölkerungsverhältnisse mancherorts deutlich zu ungunsten des sorbischen Anteils verändert. Dies betraf in Sachsen den Kreis Bautzen mit einem sorbischen Einwohneranteil, dem der Kreis Bischofswerda und Teile des Kreises Löbau, jeweils ohne signifikanten sorbischen Bevölkerungsanteil, angeschlossen wurden. Gleiches traf den Kreis Weißwasser, dem die Kreise Niesky und Görlitz, fast ausschließlich mit Mehrheitsangehörigen bewohnt, angegliedert wurden. Der Kreis Kamenz wies Anfang der Neunzigerjahre einen sorbischen Bevölkerungsanteil von circa einem Drittel auf.“

(Glocke der Präsidentin)

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – „Ihm wurden Gemeinden des ehemaligen Kreises Hoyerswerda mit weit geringerem sorbischen Anteil sowie Teile des Kreises DresdenLand, der nur von einer einsprachigen deutschen Bevölkerung bewohnt wird, angegliedert. Dadurch sank der sorbische Anteil in der neuen Kreisstruktur auf unter 15 %“ – also eine Reduzierung um über 50 %. „Wenngleich diese Zusammenlegung in den Landkreisen nicht auf die Einschränkung von Minderheitenrechten abzielten“, so führt Elle fort, „sind die faktischen Auswirkungen für die sorbische Minderheit durchaus bedenklich. Die Möglichkeiten einer Wahrnehmung von Rechten der sorbischen Bevölkerung wurden beispielsweise in der Zusammensetzung der kommunalen Vertretungsorgane und in den Verwaltungen verschlechtert, ohne dass dabei an eine Kompensation gedacht wurde.“

Obwohl die jetzige Kreisgebietsreform noch weitaus schärfer in den Schutzbereich der Artikel 15 und 16 des Rahmenübereinkommens zum Schutz nationaler Minderheiten und damit in eine in der Bundesrepublik gültige Rechtsnorm einzugreifen droht, hat die Staatsregierung es dennoch erneut unterlassen, an solche Kompensationen für eingeschränkte Teilhabe der Sorben in den Kreistagen und Landratsämtern der Oberlausitz auch nur zu denken. Dies wäre aber, nachdem der Vorschlag der Domowina – das sorbische Siedlungsgebiet zu einem Landkreis zusammenzufassen – durch die Staatsregierung ignoriert wurde, dringend notwendig gewesen.

Die Fraktion DIE LINKE im Sächsischen Landtag gleicht dieses minderheitenrechtlich problematische Versäumnis der Staatsregierung mit dem vorliegenden Änderungsantrag aus. Die von uns hier und bereits in den Fachausschüssen geforderte Bestellung von hauptamtlichen, in ihrer Tätigkeit unabhängigen und mit speziellen Anhörungs- und Beratungsrechten ausgestatteten Beauftragten für die Angelegenheiten der Sorben in den zukünftigen Kreisen Bautzen und Görlitz ist die effektivste Form der Sicherung der politischen Teilhabe, da hierbei keine Abhängigkeit von Zufälligkeiten politischer Willensbildung bei den Vertretern der Mehrheitsbevölkerung besteht. Darauf, sehr geehrter Kollege Bandmann und verehrte Kolleginnen und Kollegen der Koalition, kommt es vor allen Dingen an.

Wir als Linksfraktion sehen uns mit unserer Forderung in inhaltlicher Übereinstimmung mit der Domowina als Dachverband als auch mit deren Oberlausitzer Kreisverbänden und übergreifenden Spezialvereinen, mit dem Rat für Sorbische Angelegenheiten des Freistaates Sachsen und den beiden sorbischen Sachverständigen aus der Landtagsanhörung, Frau Maria Michalk und Herrn Prof. Dietrich Scholze-Šołta.

Dass die christdemokratischen Abgeordneten dieses Hohen Hauses sogar die Auffassung von Maria Michalk als langjährige stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und Mitglied des CDUBundesvorstandes ignorieren, bestätigt den immer wieder zutage tretenden traurigen Umgang der CDU mit ihren eigenen sorbischen Mandatsträgern.

Meine Damen und Herren von der Koalition! Lassen Sie mich zum Abschluss Folgendes sagen: Wenn Sie schon nicht auf die Linksfraktion oder ihre eigenen sorbischen Mandatsträger hören wollen, dann sollten Sie aber dringend auf den Sachverständigenausschuss des Europarates für die Europäische Charta der Regional- und Minderheitensprachen hören. Dieser fragte nämlich am 5. November vorigen Jahres – das war wohl kein guter Tag für die Staatsregierung – in Sachsen an, wie die Interessen der sorbischsprachigen Bewohner bei der Neugliederung der Landkreise berücksichtigt worden seien.

Auf diese Frage wird es bei Ablehnung des vorliegenden Änderungsantrages der Linksfraktion keine befriedigende Antwort geben können. Vielmehr wird die Staatsregierung weiterhin gezwungen sein, mit peinlichen Tatsachenverdrehungen den weiteren Fragen des Europarates zu begegnen.

Bitte zum Ende kommen, Herr Kosel.

Ich komme zum Schluss, Frau Präsidentin. – Meine Damen und Herren, dies sollten wir uns als demokratische Fraktionen nicht antun. Stimmen Sie deshalb unserem Änderungsantrag zu, denn nur dadurch werden die „sorbischen Belange angemessen berücksichtigt“, wie es die Staatsregierung den Vertretern der Bundesregierung und den Experten des Europarates versprach.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Herr Abg. Bandmann, bitte.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie sprachen in Ihrem Änderungsantrag, Herr Kollege Kosel, den Europarat an. Wenn Sie das nächste Mal Vertreter des Europarates treffen oder wieder einmal nach Moskau fahren, um über Sachsen zu berichten, dann sollten Sie ihnen sagen, dass der sächsische Finanzminister im Kabinett der Regierung von Prof. Milbradt ein Sorbe ist.

(Zurufe von der Linksfraktion)

Das heißt, der Mann, der über das sächsische Geld entscheidet und maßgeblich mit entscheidet, ist ein Sorbe. Das waren die Dinge, die zunächst den Europarat tangierten. Herr Kosel, Sie haben also gute Botschaften mitzubringen.

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Er ist Finanzminister, weil er Sorbe ist!)

Nein, er ist Finanzminister, weil er kompetent ist. Aber er ist auch Sorbe – das ist das Entscheidende. Ich denke, diese Botschaft sollten wir mit nach außen bringen.

(Beifall bei der CDU und der Staatsregierung)

Herr Kosel hat in seinem Antrag für DIE LINKE dieses Thema angesprochen. Herr Kosel, eines haben Sie offensichtlich übersehen. Wir haben diesen Dingen Rechnung getragen, und zwar umfassend. Sie haben in Ihrem Änderungsantrag das Begehr, dass dieser Beauftragte mit beratender Stimme an den Ausschusssitzungen teilnehmen kann. Wir haben gesagt, wir werden die Zahl der Kreisräte deutlich erhöhen,

(Zuruf der Abg. Dr. Cornelia Ernst, Linksfraktion)

um dem sorbischen Volk genau diese Mitsprache in den Kreistagen zu ermöglichen. Dieser Antrag ist auf Initiative meines Kollegen Schiemann hier hineingekommen, der sich für diese Sache außerordentlich stark gemacht hat und dem ich von diesem Mikrofon aus gute Genesungswünsche übermitteln möchte.

(Beifall bei der CDU und der Staatsregierung)

Ich denke, Kollege Schiemann hat in exzellenter Weise über viele Jahre hinweg die Interessen der Sorben vertreten. Es ist wichtig, dass das hier gesagt wird. Sagen Sie auch dem Europarat, dass wir die Kreistage hier extra größer gemacht haben, damit die Sorben ausreichend vertreten sind.

Diesen Antrag lehnen wir ab. Er berührt unmittelbar die kommunale Selbstverwaltung.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und der Staatsregierung – Zurufe von der Linksfraktion)

Gibt es weiteren Redebedarf? – Herr Abg. Lichdi, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir werden diesen Antrag gern unterstützen.