Sind die Jastimmen jetzt alle klar? – Dann bitte ich um die Neinstimmen. – Jetzt bitte die Enthaltungen. –
Meine Damen und Herren! Wir werden langsam weniger, aber wir haben es noch einmal mit anderen abgeglichen. Es wird die Bitte geäußert, die Neinstimmen noch einmal zu zählen. Wir kommen nur auf 90 Abgeordnete, und das erscheint uns etwas wenig. Wir können auch alles wiederholen, aber über die Jastimmen gab es Einigkeit. Das wollte ich nur noch dazu sagen.
Gut, wir machen alles noch einmal. Ich beginne mit der Zustimmung zum Antrag. – Die Neinstimmen, bitte. Das letzte Mal: noch einmal die Neinstimmen; es hat keine Abstimmung gegeben, ansonsten schicke ich dann alle raus. – Ich muss jetzt ordnungshalber nach den Enthaltungen fragen, damit die Abstimmung korrekt wird.
(Heinz Eggert, CDU: Das wird zur Peinlichkeit! – Andrea Roth, Linksfraktion: Dann machen Sie es, dann wird es keine Peinlichkeit!)
Mit Ja haben 32 Abgeordnete zu diesem Antrag gestimmt, mit Nein 79 und drei haben sich enthalten. Wir haben uns also jetzt noch einmal den Hammelsprung erspart.
Ich habe für Aue als Kreissitz gestimmt, weil ich – erstens – Aue für die wirtschaftlich stärkste Stadt des Erzgebirges halte und – zweitens – weil der Auer Raum mit Schneeberg, Lößnitz, Schlema, Schwarzenberg und den angrenzenden kleineren Gemeinden auch der größte Ballungsraum des Erzgebirges ist. Ich bedaure sehr, dass wir uns nicht für Aue entschieden haben.
Meine Damen und Herren, ich rufe jetzt den Änderungsantrag des Abg. Wolfgang Pfeifer in Drucksache 4/10967 auf. Herr Abg. Pfeifer, bitte.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Eine Kreisneuordnung ist in der vorgestellten Form ein
gravierender Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung und deren Verwaltungsstrukturen. Im speziellen Fall von Döbeln wird dieser Eingriff noch durch die Tatsache verstärkt, dass völlig neue Strukturen entstehen, die den Landkreis als einzigen aus dem Regierungsbezirk Leipzig herauslösen.
Das hat für die betroffenen Bürger erhebliche Konsequenzen – vom Verlust der bisherigen Identität bis hin zur Verwaltungsarchitektur und Verwaltungspraxis. Für alle Betroffenen ist unter Umständen in allen Lebensbereichen eine völlig neue Orientierung notwendig. Die in 18 Jahren entstandenen und bewährten Strukturen und Arbeiten werden aufgegeben. Im wirtschaftlichen Bereich ist für regionale Unternehmen ebenfalls Neuorientierung angesagt.
Der leistungsstarke Kreis mit vielen Akteuren wird in der Bewertung zur Reform völlig außen vor gelassen.
Wo sind die Stärken? Dies beginnt bei niedrigen Abgaben der Bürger und bei Gebühren und anderen Kostenstrukturen. Die wirtschaftliche Stärke – darauf kommt es mir sehr an – zeigt sich vor allem durch bestehende vertragliche Bindungen innerhalb und außerhalb des Kreises. Die Verflechtung im Raum Leipzig ist langfristig orientiert und von heute auf morgen gar nicht veränderbar, ohne erhebliche Nachteile oder bestimmte Verluste in Kauf zu nehmen. Ich möchte es anhand einiger Beispiele aufzeigen. Wir haben beispielsweise über einen langen Zeitraum stabile Verträge mit dem Abfallverband Nordsachsen und dem Mitteldeutschen Verkehrsverbund; wir haben den regionalen Planungsverband, das Regionalmanagement, die Leitstellen und die Polizeidirektion Westsachsen.
Die wirtschaftlichen und ökonomischen Stärken des Landkreises sind das Ergebnis einer guten politischen Arbeit, eines Managements über viele Jahre: schnelle Ansiedlungen, kurze Wege der Entscheidung, einfache Verfahren. Wir haben erhebliche Rücklagen und Mittel zur Daseinsfürsorge erwirtschaftet und sicher angelegt. Wir haben über Jahre eine solide Haushaltspolitik, und die anderen Werte des Kreises sind effizient und beachtlich.
Im vorliegenden Gesetzentwurf werden durch die gebietlichen Festlegungen der künftigen Landkreise wirtschaftliche und ökonomische Ungleichgewichte noch stärker und leider auch zum Nachteil der schwächeren Strukturen gefördert. Der Entwurf berücksichtigt die zum heutigen Zeitpunkt erkennbaren Unterschiede in den einzelnen Landkreisen und Regionen nur in unzureichendem Maße. Reformziel muss es sein, regionale Unterschiede auszugleichen, auch in der Fläche, damit eine Homogenisierung entsteht. Das ist mit der Anbindung des Landkreises Döbeln in den Landkreis Leipzig unter Umständen gegeben. Die Herauslösung des Landkreises Döbeln aus der Region Leipzig ist nicht nachvollziehbar und schwächt die Wirtschaft.
Der Landkreis Döbeln ist ungleich stärker mit der Region Leipzig verzahnt, als es bei anderen Kreisen der Fall ist.
Dies wurde im Gesetzentwurf nicht weiter diskutiert; ebenso wurde die detaillierte Bewertung des von mir vorgeschlagenen Gebietszuschnitts im Entwurf als auch in der Anhörung überhaupt nicht bewertet. Die Anhörung hat gezeigt, dass viele Varianten möglich sind.
Seit über 500 Jahren orientieren sich die Menschen in diesem Gebiet in Ost-West-Richtung und siedeln entsprechend. Es gibt also eine sozioökonomische Struktur, die alle politischen und gesellschaftlichen Veränderungen überdauert hat. Diese Bedingungen der Menschen an ihrem Lebensraum sind bedeutsam und wichtig. Der im Gesetz gewählte Kreiszuschnitt für Döbeln widerspricht diesen gewachsenen Verhältnissen.
Damit fehlt eine wesentliche Motivationsgröße und Orientierungshilfe. In dem neuen Kreis ist Mobilität für die Bürger wichtig. Alle wichtigen Strukturen orientieren sich in der von mir geschilderten Ausrichtung. Entsprechend ist die gesamte Infrastruktur über Jahrhunderte gewachsen und mit der Wirtschaft und den Städten und Gemeinden entstanden. Das Kreismodell Leipziger Land entspricht den typischen Prägungen für den ländlichen Raum: ein Mix aus Gewerbe, Industrie, Handel und Landwirtschaft.
Die Bürger im Landkreis Döbeln haben eine hohe Erwartungshaltung an die Reform. In vielen Gesprächen haben mir die Menschen signalisiert, sich für die Region und ihre Interessen einzusetzen.
Ich bin der festen Überzeugung, dass ich mit meinem Engagement in dieser Reformfrage und natürlich für Döbeln in Sachsen verstanden werde. Als Abgeordneter dieser Region ist es meine Pflicht, so zu handeln, wie ich es getan habe.
Affinität zum Leipziger Raum und zur Stadt Leipzig, aber wir entscheiden ja nicht über einen Zusammenschluss des Landkreises Döbeln mit der Stadt Leipzig. Schaut man sich die Arbeitspendlerverflechtungen an, so ist sie unter den unmittelbar angrenzenden Landkreisen am stärksten ausgeprägt mit dem Landkreis Mittweida festzustellen und auch unter den potenziellen „Heiratskandidaten“ in der zweiten Reihe wiederum am stärksten mit Freiberg und eben nicht mit denen des Regierungsbezirkes Leipzig. Vergleicht man die Arbeitspendlerzahlen, so erreichen die Werte für den Muldentalkreis nur 74,1 %, für den Landkreis Torgau-Oschatz nur 68,2 % des Wertes, der sich für Mittweida ergibt. In der zweiten Reihe ergibt sich für den Landkreis Leipziger Land nur ein Wert von 62,8 % und für Delitzsch gar nur 49,2 % des Wertes, der für Freiberg spricht. Daraus abzuleiten, Döbeln müsse mit dem Muldentalkreis und Leipziger Land fusionieren, ist schon etwas abenteuerlich.
Auch in anderer Beziehung bestehen ausgeprägte Bindungen durch den Kulturraum Mittelsachsen. Ich erinnere an das Mittelsächsische Theater Freiberg und Döbeln, aber auch an den Gemeindeverbund des Klosterbezirks Altzella, der Gemeinden aller drei Landkreise umfasst.
Unter diesen kulturellen, sozial- und wirtschaftsräumlichen Gesichtspunkten ist es sehr sinnvoll, die Potenziale in einem Landkreis zusammenzuführen. Dass demgegenüber die anderen Varianten vorzuziehen wären, ist nicht überzeugend. Es spricht sicher auch etwas für einen Zusammenschluss des Landkreises Torgau-Oschatz mit dem Muldentalkreis und Döbeln. Man könnte damit einen im Jahr 2020 etwas unter 200 000 Einwohner liegenden Landkreis Nordsachsen vermeiden, aber man müsste damit einen landesplanerisch wie auch kommunalpolitisch nicht handhabbaren Landkreis aus Delitzsch und Leipziger Land bilden, der durch die Stadt Leipzig in zwei Teile zerfiele. Ich glaube, das ist nicht sinnvoll.
Im Übrigen ist gerade der Landkreis Nordsachsen, wenn man sich die Zahlen des Bruttoinlandsprodukts und zur Steuereinnahmekraft anschaut, durchaus ein leistungsstarker Landkreis. Das weisen diese Zahlen aus. Die Beziehungen des Landkreises Döbeln mit dem Muldentalkreis und dem Landkreis Leipziger Land sind geringer ausgeprägt als im neuen Landkreis Mittelsachsen. Er ist daher auch keine bessere Alternative. Dies haben übrigens auch die Anhörungen der Landkreise Anfang 2006 so ergeben. Die jetzt vorgesehene Landkreisbildung ist daher die beste zukunftsträchtige Lösung für die kommunale Selbstverwaltung und des Reformvorhabens im Ganzen. Ich bitte, den Vorschlag der Koalition zu unterstützen.
Vielen Dank. – Ich spreche ausdrücklich nicht für meine Fraktion, sondern als einzelner Abgeordneter.
Natürlich ist das Argument vom Kulturraum her stimmig, den Kreis Mittelsachsen zu bilden, aber es gibt genügend andere Argumente, die dagegen sprechen. Ich darf an den Mitteldeutschen Verkehrsverbund und den Regionalen Planungsverband erinnern. Ich habe heute früh dazu gesprochen, dass das hochkomplexe Werk eines regionalen Entwicklungsplanes, der jetzt kurz vor Vollendung seiner Fortschreibung steht, durch das doch willkürliche Herausbrechen eines im Übrigen zu großen Teilen sehr leistungsstarken Landkreises entwertet wird. Das ist ein ernst zu nehmendes Argument. Deshalb kann ich mich mit dieser Neuordnungsvariante nicht anfreunden.
Ich habe heute früh schon gesagt, dass eine Zuordnung zum Landkreis Leipziger Land selbst mit dem vorhandenen Leitbild ohne Weiteres leitbildgerecht gewesen wäre. Dass man es nicht macht, hat vielleicht auch den Grund, dass dann umso mehr, hätte man Döbeln dort, zu einer Dreikreisvariante Leipziger Land plus Muldentalkreis zugeordnet plus Döbeln erst recht Grimma als in der Mitte liegender Kreisstandort infrage gekommen wäre. Vielleicht ist auch das ein Grund.
Ich darf an die regionale Initiative der IHK und der Handwerkskammer erinnern, die sich mit sehr einschneidenden und gewichtigen Argumenten aus der Wirtschaft für das Verbleiben des Landkreises Döbeln im Raum Leipziger Land ausgesprochen haben. Zu guter Letzt erinnere ich an einen Brief des Personalrates des NochRegierungspräsidiums Leipzig. Wir sind zwar keine Freunde der Regierungspräsidien, aber uns liegt das Schicksal der Menschen am Herzen. Dort ist definitiv davon die Rede, dass die Herausnahme von Döbeln aus dem Verwaltungsgeflecht im Leipziger Raum einen Tod auf Raten bedeutet. Das kann wohl niemand wollen.