Bevor ich beginne, möchte ich kurz auf meine Vorredner eingehen. Herr Dr. Gerstenberg hat gesagt, dass es Konsequenzen aus den Verfehlungen geben muss, die da passiert sind. Ich möchte nur auf eine hinweisen, die sehr wichtig ist, wenn man das Gesamtprojekt Stadtumbau betrachtet. Natürlich kann man Stadtabbau nicht gleich Stadtumbau setzen. Ich bin überhaupt der Überzeugung, dass es Siedlungsentwicklung heißen müsste und nicht unbedingt Stadtumbau. Eine weitere Konsequenz ist der völlige Verlust des Korrektivs Preis. Wenn ich das vergesse, wird Stadtumbau in den Stadtzentren schwierig, gerade wenn es um denkmalgeschützte Gebäude und um das Eigentum privater Vermieter geht.
Die zweite Problematik, die Herr Dr. Gerstenberg angesprochen hat, darf ich ausdrücklich unterstützen. Natürlich ist die Altschuldenproblematik einer der Hauptzweige, die dazu geführt haben, dass diese extremen Divergenzen eingetreten sind. Die perforierte Stadt ist natürlich eine Belastung. Das ist sie schon deswegen, weil ich plötzlich mit Infrastruktur zu kämpfen habe, mit der ich nie gerechnet habe.
Wenn ich allein das Beispiel Dresden nehme: Dresdens Infrastruktur ist für 700 000 Einwohner konzipiert. Wir haben aber nur 500 000 Einwohner, positiv gerechnet. Das 1,6-Fache zahlt der Dresdner/die Dresdnerin für Infrastruktur, bezogen auf den Bedarf – und das in einer verdichteten Stadt. In vielen kleineren Städten tritt das noch viel schärfer zutage,
weil sie um 10 000 Einwohner kämpfen. Ich will es nur sagen. Das muss auch bedacht werden. Aber darauf gehe ich in meinem zweiten Redebeitrag ein.
Die stadtbildprägende Wohnqualität ist nach meinem Dafürhalten auch nicht ohne die Betrachtung der Gleichzeitigkeit von Wachstum und Schrumpfung möglich. Wir haben Städte – Sie haben schon darauf hingewiesen –, die sich in der Einwohnerzahl zumindest konsolidiert haben, und wir haben andere Städte, die in der Einwohnerzahl stark schrumpfen. Wir haben zum anderen die Gleichzeitigkeit verschiedener Stile und Epochen. Ich glaube, dass das völlig normal ist. Das eine lässt sich genauso wenig konservieren wie das andere erzwingen. Ich denke, dass,
wenn man über Stadtumbau redet, beides wichtig ist. Das heißt, ich kann nicht auf der einen Seite sagen: „Ich muss jedes denkmalgeschützte Haus erhalten“ und auf der anderen Seite: „Ich darf nur in der Platte abreißen.“ Das ist nicht nur wirtschaftlicher, sondern auch städtebaulicher Unfug.
Die demografische Entwicklung darf man nicht völlig ausblenden. Ich möchte das nicht ausbauen, möchte aber darauf hinweisen, dass man, wenn man über Denkmale spricht, auch bedenken muss, dass eine Stadt mehr sein muss als nur das Konservativ. Eine Stadt darf durchaus auch Stadtarchiv sein und ein Archiv enthält eben mehr als nur die alten Bücher.
Sachsen wird bis 2025 mehr als ein Viertel aller Einwohner verlieren. Das wissen Sie, ich will Sie auch nicht mit den Zahlen langweilen. Ich will nur mal ein Bild für Dresden bringen: Wir haben seit 1990 bis heute in Sachsen Einwohnerzahlen von der Größe Dresdens verloren und wir werden bis zum Jahr 2025 mindestens noch einmal die Einwohnerzahl Leipzigs einbüßen. Bis 2050 sind dann Einwohner in der Größe des Erzgebirges und der Lausitz weg. Das nur mal, um eine Größenordnung zu bringen. Das darf man nicht vergessen. Man muss das einfach in die Kalkulation einbeziehen. Die Wandlung der Altersstruktur kommt noch hinzu.
Die stabilisierende Wirkung der entgegen diesem Bevölkerungstrend bislang wachsenden Zahl von Haushalten – der Anteil der Singlehaushalte ist in Sachsen übrigens auf 41 % gestiegen, aber auch das werden Sie wissen – wird in Zukunft ausbleiben. Das heißt, auch die Zahl der Haushalte wird sinken. Ich erwähne das ausdrücklich nicht, um die allseits taugliche Demografiekeule gleichsam über den Kopf kreisen zu lassen, um damit Städte abzureißen, Denkmale abzuwickeln und das Primat des Abrisses über den Städtebau zu legitimieren. Trotzdem darf man es nicht ausblenden. Es darf schon deswegen nicht ausgeblendet werden, weil wir wissen müssen, wie sich die Nachfrage nach Wohnraum und die Anforderungen an Vitalität von Wohn- und Lebensräumen in den nächsten Jahrzehnten entwickeln werden.
Da sind wir bei Folgen und Korrelationen. Da meine Redezeit eng wird, fasse ich mich kurz. Ich möchte zuletzt noch auf den Wohnungsleerstand eingehen. Trotz Rückbau – Sie hatten das gesagt – steigt der Leerstand im sächsischen Wohnraum kontinuierlich an. Wenn man also sagt: „Das war ein Erfolg“, ist das richtig. Aber rein theoretisch – ich weiß, viele mögen mich für diese Aussage nicht – müssten wir den Rückbau beschleunigen und eigentlich noch mehr abreißen. Wir haben heute 414 000 leer stehende Wohnungen. Reißen wir nicht weiter ab, bauen wir nicht zurück, dann werden wir im Jahr 2050 etwa 820 000 leer stehende Wohnungen haben.
Die bis 2006 genehmigten Abrisse – Herr Hamburger, Sie sind darauf eingegangen –, rund 75 000 Wohnungen mit
Stand 30.11., machen gerade einmal knapp 18 % des gesamten Leerstandes aus. Das heißt, wenn wir hier abbremsen, entwickelt sich das genau gegen uns. Eigentlich müsste man, wie gesagt, noch viel mehr im Rückbau tun. Man muss es aber gesteuert tun und da sind wir bei der Qualität der städtebaulichen Entwicklungskonzepte.
Sie hatten die Eigentumsquote erwähnt. Die Teilnehmer am Stadtumbau sind leider nicht die, denen die meisten Wohnungen gehören. Das ist so. Faktisch werden wir uns überlegen müssen, –
– wie wir die Eigentümer eines Großteils des sächsischen Wohnraumes mit in die städtebauliche Entwicklung einbinden.
Das Wort hat die Fraktion der NPD, wenn gewünscht. Herr Dr. Müller. Sie haben nicht mehr viel Redezeit, aber es ist noch ein wenig.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mir bleiben noch anderthalb Minuten. Ich versuche mal, das hineinzupacken, was hineinzupacken geht.
Gemäß Koalitionsvertrag strebt die Staatsregierung den Abriss von mindestens 250 000 Wohnungen an bzw. möchte diesen mittelfristig auf kommunaler Ebene so umgesetzt wissen. Es sind unter anderem auch Kollegen der Koalitionsfraktionen auf kommunaler Ebene, die von „Abriss Ost“ sprechen. Ganz so weit hergeholt ist das Thema ja wirklich nicht, denn es betrifft viele kommunale Wohnungsgesellschaften und dort die denkmalgeschützten Bereiche, weil die Wohnungsbaugesellschaften, wie Kollege Gerstenberg sagte, unter Altschulden leiden.
Diese Problematik führt dazu, dass sie von den Banken Sanierungskonzepte aufgedrückt bekommen und über diese Sanierungskonzepte in erster Linie die schwer vermietbaren Wohnungen – und diese sind oft in den denkmalgeschützten Gebäuden gelegen – dem Abriss preisgeben. Das Problem liegt zum Beispiel darin, dass die Wohneinheiten in den alten Gebäuden groß sind, dass die Decken hoch sind – und damit die Nebenkosten auch – und dass dadurch diese Wohnungen schlechter vermietbar sind als neu gebaute.
Dies führt dazu, dass wir eben in den Innenstädten immer wieder Baulücken sehen. Das sehe ich in kleineren Städten, wie bei mir zum Beispiel in der Heimat in Sebnitz, man sieht es genauso gut in Leipzig und in Dresden; Freiberg habe ich jetzt noch nicht so bewusst
wahrgenommen. Es ist ein riesengroßes Problem, dass nicht erst einmal nach einem klaren Konzept wenigstens der Erhaltung der Innenstädte vorgegangen wird, der Rückbau also von außen nach innen erfolgt, sondern man in erster Linie nach monetären Gesichtspunkten vorgeht. Das sollte wirklich hier zu denken geben, auch was die zukünftigen Entwicklungskonzepte angeht.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! „Stadtumbau“ – unter diesem Stichwort mehren sich derzeit die Horrorgeschichten über fehlgeleitete Städtebaupolitik im Freistaat Sachsen. Wo einst ein komplettes Gründerzeitviertel war, sind nach einem gezielten Rückbau – wie es so schön heißt – nur noch einzelne Häuser übrig. Teilweise sind ganze Straßenzüge ihrer Eckhäuser beraubt oder Einzelhäuser aus der Mitte herausgerissen worden. Dabei ist so manches das Stadtbild prägende Haus unwiderruflich verloren gegangen, manches Stadtviertel, mancher Straßenzug hat dabei jüngst sein „Gesicht“ verloren.
Der Stadtumbau geht weiter. In Chemnitz beispielsweise soll die Südseite der Körnerstraße zerstört werden. Nicht etwa, dass es sich hier um einen planvollen Rückbau eines Viertels handelt; nein, von den neun Häusern sollen lediglich fünf weggerissen werden. Drei Häuser sollen künftig als einzelne Zähne in der Zeile verbleiben – ein völlig absurder Plan. So werden nicht nur die verbleibenden drei Häuser entwertet, auch die Umgebung verliert an Attraktivität – und das in unmittelbarer Nähe zur Innenstadt. Für Chemnitz ist das eine kleine Katastrophe.
Aber auch in Leipzig, Freiberg, Mittweida, Görlitz und vielen anderen Städten in Sachsen gibt es genügend Beispiele für eine solch fehlgeleitete Städtebaupolitik, zum Teil mit verheerenden Konsequenzen für die Attraktivität des Stadtbildes. Nicht nur, dass die Attraktivität unter dem weitgehend planlosen Abriss leidet und wir auch immer mehr sogenannte perforierte Städte riskieren.
Hier muss man auch einmal die Konsequenzen für die einzelnen Hausbesitzer schildern. Für die ist es ein schwerer wirtschaftlicher Schaden, wenn ihr Haus als einziges in einer vormals intakten Straßenzeile stehen bleibt, umgeben von einem Schrottplatz, wilden Parkplätzen und vielleicht noch einem Imbissstand. Zudem werden bei dieser Einzelabrisspraxis die Kosten für Dienstleistungen wie Müllabfuhr und Abwasser für die verbleibenden Haushalte höher, weil kein entsprechender Rückbau der Infrastruktur stattfindet.
Eine interessante Rolle scheinen dabei auch die Wohnungsgenossenschaften zu spielen. Es gibt ausreichend Beispiele dafür, dass es gerade die Wohnungsgesellschaften sind, die sich weitgehend konzeptionslos und unkon
trolliert ihres Altbaubestandes entledigen. Trotz vorhandener Kaufinteressen werden selbst Gründerzeithäuser lieber abgerissen als verkauft. Der Abbruch ist einfach zu lukrativ für die Wohnungsbaugesellschaften. Gleichzeitig sanieren sich auf diese Weise viele Gesellschaften wirtschaftlich, indem sie ihre Altschulden abbauen.
An dieser Stelle kann man nur an die städtebauliche Verantwortung der Wohnungsbaugenossenschaften appellieren und gleichzeitig eine strengere Aufsicht und Kontrolle bei der Vergabe von Fördermitteln fordern.
Meine Damen, meine Herren! Die Notwendigkeit des Rückbaus ist dabei unbestritten. Bevölkerungsschwund, Abwanderung sowie Geburtenrückgang zwingen zur Reduzierung von Wohnraum, wenn man verhindern will, dass sich einige Stadtteile zu Geisterstädten entwickeln.
In diesem Zusammenhang muss der unkontrollierte Rückbau vor allem in Innenstadtbereichen ein sofortiges Ende haben. Dafür brauchen wir dringend mehr Kontrollmechanismen. Die Zweckmäßigkeit der beantragten Abrissprojekte der Kommunen muss stärker unter Einbeziehung von Fachleuten geprüft werden. Dabei stehen für mich Denkmalpfleger mit an erster Stelle. Weiterhin muss der Erhalt von denkmalgeschützten und stadtbildprägenden Strukturen oberste Priorität haben. Die Rückbaumaßnahmen müssen generell von außen nach innen stattfinden.
Darüber hinaus brauchen wir eine intensive städtebauliche Wertediskussion. Wir müssen uns klar darüber werden, welche Rolle weiche Standortfaktoren für ein gepflegtes Stadtbild sowie differenzierte Wohnungs- und Infrastrukturangebote ausmachen.
Ich wünsche mir für Sachsen, dass die Staatsregierung die gelebte Praxis des Stadtumbaus sehr kritisch unter die Lupe nimmt und auf dieser Grundlage die Stadtumbauprogramme gemeinsam mit dem Bund überarbeitet. Nur so vermeiden wir Fehler der Vergangenheit. Wir dürfen unseren Kindern keine zerstörten Städte hinterlassen. Sachsen braucht attraktive Städte!
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Hamburger, Sie haben ja recht. Bisher lagen nur 2 % der rückgebauten Wohnungen in der Innenstadt. Aber diese erste Phase des Stadtumbaus in Sachsen nähert sich ihrem Ende. In der Zwischenzeit sind die Abbruchbagger in den Innenstädten angekommen. Der zweite Schritt im Stadtumbauprozess wird ungleich schwieriger, da die Eigentumsverhältnisse in den Quartieren, die nun im Fokus stehen, vielschichtiger sind.
Von elementarer Bedeutung ist daher die Einbeziehung privater Akteure, die Moderation von Stadtteilinteressen, Wertausgleich und Grundstückstausch, die Unterstützung kommunaler Foren, in denen sich die Bürgerschaft über die zukünftige Entwicklung ihrer Stadt verständigen kann. Hier gibt es im Freistaat reichlich Nachholbedarf. Umso unverständlicher ist es für uns, dass sich im gegenwärtigen Entwurf der Verwaltungsvorschrift „Städtebauliche Erneuerung“ gerade diese Punkte nicht wiederfinden.