Protocol of the Session on December 14, 2007

sächsischen Städten waren die Zellen des Protests in der ehemaligen DDR. Von hier aus sprang der Funke der friedlichen Revolution in andere Regionen Ostdeutschlands über. Ohne den Mut der Menschen in Sachsen, die im Herbst 1989, ein hohes persönliche Risiko in Kauf nehmend, den SED-Machthabern und ihrem Sicherheitsapparat mutig die Stirn geboten haben, wären Mauerfall und Wiedervereinigung nicht möglich gewesen. Ohne die Sachsen, meine Damen und Herren, würden wir heute nicht in Freiheit, Demokratie und vor allem in einem wiedervereinigten Deutschland leben.

(Beifall bei der FDP, der CDU und den GRÜNEN)

Ich will es Ihnen auch ganz persönlich sagen als jemand, der am 3. Oktober bei den überhaupt nicht friedlichen Auseinandersetzungen am Dresdner Hauptbahnhof persönlich dabei gewesen ist, und auch als jemand, der seine politischen Wurzeln ganz genau in der Wendebewegung hat: Ich halte die Entscheidung für Berlin für historisch unkorrekt und für moralisch unangebracht, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP)

Denn wenn wir uns die damalige Situation vergegenwärtigen, wissen wir noch genau, wie das gewesen ist: Während man in Berlin noch von einem reformierten Sozialismus schwafelte, während man in Berlin noch Leute wie Krenz und Modrow als Hoffnungsträger feierte und während man in Berlin noch jemandem wie Markus Wolf eben auf jener Großdemonstration am 4. November 1989 artig und brav – und aus meiner Sicht ein Stück weit auch gut organisiert – zuhörte, rief man in Leipzig, Dresden und Plauen bereits „Wir sind ein Volk!“ und „Deutschland, einig Vaterland!“.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der NPD – Dr. André Hahn, Linksfraktion: Nicht am 4. November!)

All diesen Berlin-Freunden – Herr Hahn, Sie sind ja einer – will ich eines sagen: Es gab schon mal eine schöne Aktion zu einem Hauptstadtjubiläum, die Sie alle noch kennen. Berlin ist eben nicht der Nabel der Welt und nicht alles muss unbedingt seinen Platz in Berlin haben.

(Beifall bei der FDP und des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)

Historisch korrekt und moralisch angebracht ist ganz eindeutig ein Freiheitsdenkmal in Leipzig. Ich bin der Meinung, dass wir die Enttäuschung der Sachsen über die Entscheidung des Bundestages nicht unbeantwortet lassen dürfen. Wenn der Bund nicht dazu bereit ist, dann sollte der Freistaat Sachsen selbst die Initiative ergreifen und ein eigenes sächsisches Freiheitsdenkmal in Leipzig errichten, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Aber ich bin im Zusammenhang mit der Debatte über das Freiheitsdenkmal auch von einer anderen Sache ein bisschen enttäuscht:

Nach der Entscheidung des Deutschen Bundestages hat die FDP hier im Sächsischen Landtag sofort einen Antragsentwurf zur Errichtung eines sächsischen Freiheitsdenkmals in Leipzig erarbeitet. Selbstverständlich hätten wir diesen Antrag auch am selben Tag in den Geschäftsgang geben können und damit den ziemlich unsinnigen Wettlauf – den Sie ja kennen, es gibt ihn sehr oft in diesem Parlament – unter dem Motto „Wer hat es erfunden, wer ist zuerst da gewesen?“ gewinnen können. Wir haben das nicht getan. Wir haben das absichtlich nicht getan, weil wir es bei diesem Thema für angemessen gehalten haben, eine gemeinsame Initiative der traditionsdemokratischen Parteien des Sächsischen Landtags anzuschieben.

Der Grund dafür ist aus meiner Sicht ganz einfach und dürfte auch für jeden in diesem Raum nachvollziehbar sein: Die Wende ist nicht die Leistung einer einzigen Partei;

(Beifall der Abg. Gunther Hatzsch und Stefan Brangs, SPD)

die Wende ist nicht einmal die Leistung einer Partei überhaupt. Die Wende hat ihre Wurzeln auf den Straßen Sachsens, in den Kirchgemeinden, in vielen kulturellen und wissenschaftlichen Gesprächskreisen unseres Landes und vor allem in den Füßen, in den Köpfen und in den Herzen der Bürgerinnen und Bürger unseres Landes.

(Beifall bei der FDP, der CDU, der SPD und des Abg. Dr. Karl-Heinz Gerstenberg, GRÜNE)

Ich habe mich deshalb mit der Idee eines interfraktionellen Antrags bereits am 20. November an meine Kollegen Fraktionsvorsitzenden der CDU, der SPD und der GRÜNEN gewandt und unseren Antragsentwurf als Grundlage zur Diskussion und zur Bearbeitung weitergeleitet. Leider habe ich eine offizielle Antwort bis heute nicht erhalten. Aber ich musste feststellen – nehmen Sie es mir einfach ab, dass ich darüber schon ein Stück weit enttäuscht bin –, dass CDU und SPD am Montag, dem 3. Dezember, gerade mal 40 Minuten vor Antragsschluss plötzlich einen eigenen Antrag zu diesem Thema eingereicht haben. Ich will es ganz klar sagen: Das steht Ihnen völlig frei, Sie können das machen. – Aber ich will auch deutlich zum Ausdruck bringen, dass ich dieses Verhalten sehr schade finde und eben diesem besonderen Anliegen auch nicht für angemessen halte. Die Wende gehört eben nicht einer Partei, sie gehört auch nicht zwei Parteien, sie gehört noch nicht einmal der Mehrheitskoalition in diesem Sächsischen Landtag.

(Beifall bei der FDP sowie der Abg. Dr. Fritz Hähle, CDU, und Dr. Cornelia Ernst, Linksfraktion)

Wenigstens bei diesem einen, für viele Menschen im Freistaat Sachsen so emotionalen und so wichtigen Thema sollten die traditionsdemokratischen Parteien in der Lage sein, sich vom politischen Alltag vielleicht einmal zu lösen und ein überparteiliches Signal der

Einheit an die Menschen in unserem Land zu senden, meine Damen und Herren.

Ihrem Antrag können wir als FDP natürlich trotzdem zustimmen – das werden wir auch tun –; genauso wie wir den Antrag der GRÜNEN-Fraktion für sehr hilfreich und unterstützenswert halten. Den Bund, wie Sie in Ihrem Antrag schreiben, noch einmal aufzufordern, sich für ein Denkmal in Leipzig einzusetzen, ist sicher sinnvoll, auch wenn ich sagen muss, dass die Hoffnung darauf aufgrund der jüngsten Bundestagsentscheidung für mich im Endeffekt nicht allzu groß ist. Der Vorstoß kann mit Sicherheit dennoch nicht schaden.

Aber vielleicht erlauben Sie uns, dass wir den Grundgedanken unseres interfraktionellen Antragsentwurfes in Form eines Änderungsantrages heute, hier und jetzt trotzdem noch einmal einbringen. Denn für den Fall, dass der Bund nicht selbst in Leipzig aktiv wird, muss es für Sachsen eine Frage des Stolzes, ja, auch eine Frage der Ehre sein, in enger Abstimmung mit dem Oberbürgermeister und dem Stadtrat bis zum Herbst 2009 in Leipzig ein eigenes sächsisches Freiheitsdenkmal zu errichten, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Ich hoffe, dass Sie, liebe Kollegen von CDU und SPD, dieser aus meiner Sicht sehr sinnvollen Ergänzung Ihres Entwurfes zustimmen können. Ein bisschen habe ich die Hoffnung, dass Ihnen das gefallen dürfte; denn vieles andere aus unserem Antragsentwurf hat Ihnen ja auch gefallen, beispielsweise der Passus zur Unterstützung regionaler Initiativen oder auch viele Passagen aus Ihrer Begründung, die Sie ja ziemlich wortwörtlich aus unserem Antragsentwurf übernommen haben. Ich bin gar nicht böse darüber, wäre aber froh, wenn Sie den Rest vielleicht auch noch übernehmen würden und dazu noch das, was die GRÜNEN hier eingebracht haben.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP)

Herr Abg. Weichert, Fraktion GRÜNE, bitte.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Dr. Hahn, Ihre Rede war für mich eine ernsthafte Mahnung, nicht nachzulassen, durchs Land zu gehen und von der Rolle der SED vor und während der friedlichen Revolution, den neuen Sachsen, den jungen Sachsen und allen Menschen, die es hören wollen, zu berichten.

(Starker Beifall bei den GRÜNEN, der CDU, der SPD, der FDP und der Staatsregierung)

Der Koalition meinen Respekt. Sie legen hier und heute zwei Anträge zum Gedenken an die friedliche Revolution vor, eingereicht in einem Abstand von zwei Tagen. Wir erkennen Ihr Bemühen an, der Vielfältigkeit der friedlichen Revolution von 1989 gerecht zu werden, haben aber einige Zweifel daran, ob Ihnen das mit den beiden Anträ

gen so gut gelungen ist. Einerseits plädieren Sie für ein sächsisches Denkmal am Standort Leipzig in Korrespondenz – wie Sie es formulieren – zum Berliner Denkmal; man könnte auch sagen in Konkurrenz zum Berliner Denkmal.

(Gunther Hatzsch, SPD: Nein!)

Denn als Leipziger würde ich sagen: Wenn es einen zentralen Ort des Gedenkens geben sollte – ich spreche im Konjunktiv –, dann müsste dieser Ort Leipzig sein.

(Beifall bei den GRÜNEN, der CDU, der FDP und vereinzelt bei der SPD)

Leipzig ist die Stadt der Montagsdemonstrationen und der Friedensgebete, meine Damen und Herren. Die Berliner werden das naturgemäß anders sehen, und es gibt auch dafür gute Gründe. Die Frontstadt stand stärker im Blickpunkt der Weltöffentlichkeit. Die Umweltbibliothek am Prenzlauer Berg beispielsweise machte als Produktionsstätte von Untergrundzeitungen früher als alle anderen kirchlichen Basisgruppen auf sich aufmerksam. Aber auch die Dresdner werden meine Leipziger Sicht nicht uneingeschränkt teilen und ihren Anteil an der friedlichen Revolution für sich reklamieren.

Die Ereignisse des Jahres 1989 sind auch nicht zu verstehen ohne die langjährige Oppositionsarbeit in den Kirchen, ohne Studentenpfarrer, beispielsweise Heinz Eggert und seine Arbeit im Zittauer Dreiländereck. 1989 ist auch nicht denkbar ohne die Arbeit der Umweltgruppen. Man denke nur an das Engagement unseres Stasi-Beauftragten Michael Beleites. 1989 ist auch nicht denkbar ohne die Kontakte dieser oder anderer Akteure zum polnischen und tschechischen Widerstand, zu Solidarność und zur Charta 77.

(Beifall bei den GRÜNEN, der CDU, der SPD und der FDP)

Meine Damen und Herren! Kann ein zentrales Denkmal, sei es ein ostdeutsches oder sächsisches, all diesen Akteuren gerecht werden? Ich als Leipziger weiß mich in der Beantwortung dieser Frage einig mit allen Mitgliedern meiner Fraktion. Einen Ort des zentralen Gedenkens an die Ereignisse der friedlichen Revolution kann es nicht geben, sei er nun sächsisch oder ostdeutsch. Eine Feststellung des Landtages, die eine oder andere Stadt herauszuheben, halten wir für einen Fehler, weil eine solche Entscheidung dem Charakter der Ereignisse von 1989 nicht gerecht wird, nicht gerecht werden kann.

Aus unserer Sicht ist es ein völlig anderer Vorgang, wenn in der Leipziger Bürgerschaft die Überzeugung wächst, dass sie einen Ort identifizieren oder ein wie auch immer geartetes Denkmal errichten möchte. Solche Initiativen, meinen wir, sollten die Unterstützung des Sächsischen Landtages finden. Dabei ist es völlig gleichgültig, ob sie aus Leipzig, Dresden oder Großhennersdorf kommen.

Wir sollten uns im Landtag auch nicht anmaßen, über Ästhetik und Qualität geeigneter Orte der Erinnerung zu

urteilen. Das sollten die Kommunen in eigenem Ermessen entscheiden.

Meine Damen und Herren! Zumindest gleichberechtigt neben der Frage, ob es Denkmäler geben sollte oder Orte der Erinnerung eingerichtet werden sollten, ist meines Erachtens die Frage der Aufarbeitung der lokalen Geschichte und ihrer zeit- und jugendgemäßen Vermittlung zu diskutieren. Ist es denn nicht mindestens ebenso wichtig, Unterrichtsmaterialien für alle Altersstufen zu entwerfen, wie über die Form eines Denkmals zu diskutieren? Ist es weniger bedeutsam, stadthistorische Rundfahrten oder Wanderungen zu entwickeln, um sich die Ereignisse von 1989 zu vergegenwärtigen, als einzelne Personen zu würdigen? Ich will das eine nicht gegen das andere ausspielen. Ich will nur darauf hinweisen, dass das Erinnern und die Auseinandersetzung mit unserer Geschichte vielfältige Formen haben können.

Meine Damen und Herren! In Leipzig gibt es die Nikolaikirche. Gleich, was man für ein Denkmal plant, die Bedeutung der Nikolaikirche in jenen Tagen des Herbstes 1989 kann durch kein Monument überlagert oder gar verdrängt werden. Jene, die sich für eine zentrale Lösung einsetzen, sollten bedenken, dass sie bewusst oder unbewusst eine Konkurrenz des Erinnerns und Gedenkens befördern, statt die Vielfältigkeit der Ereignisse von 1989 wieder aufleben zu lassen.

Mit unserem Änderungsantrag zur Drucksache 4/10581, den ich hiermit einbringe und zu dem ich um Zustimmung bitte, unternehmen wir den Versuch, allen Orten in Sachsen gerecht zu werden, die sich mit Stolz und hoffentlich auch mit historisch didaktischer Absicht mit der eigenen Geschichte auseinandersetzen, daraus lernen und die Erfahrungen gern weitergeben wollen.

(Beifall bei den GRÜNEN, der CDU, der SPD und der FDP)

Herr Staatsminister, bitte.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Im Jahr 2009 werden wir der friedlichen Revolution und der Wiedergewinnung der deutschen Einheit gedenken. An vielen Orten haben damals die Menschen ihr Schicksal in die Hand genommen. Das geschah vor allem an vielen sächsischen Orten; das wurde hier schon mehrfach betont. Mutige wie Zögernde haben in den Kirchen gebetet und sind auf die Straßen gegangen. Ihr Anliegen war ein friedliches. Es war so einfach wie durchdringend: Sie wollten Freiheit und Demokratie und sie wollten die Einheit. Diese Menschen haben unser Land verändert. Dafür schulden wir ihnen für immer und allerorten Dank.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der FDP)

Wenn wir gleichzeitig der zurückliegenden zwei Jahrzehnte gedenken, sollten wir nicht allein auf Wende und Wiedervereinigung schauen. Wir sollten auch an die

Lasten erinnern, die die Menschen seitdem getragen haben, um unser Land wieder aufzubauen; Lasten, die auch getragen wurden, um nachfolgenden Generationen das bieten zu können, was ihnen selbst Jahrzehnte lang verweigert worden ist.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion: Landesbank!)