Unterton – konsequent und achtenswert erscheinen, wenngleich sie für uns als NPD-Fraktion politisch nicht nachvollziehbar ist.
Inakzeptabel ist und bleibt aber die unentschuldbare und eindeutig denunziatorische Spitzeltätigkeit, die er auch gegenüber eigenen Kommilitonen an der Universität Leipzig ausgeübt hat. Menschen, Berufskollegen, Verwandte oder sogar Familienangehörige zu verraten, die ihrem Gegenüber vertrauen und diesem persönliche oder politisch verwertbare Intimitäten anvertrauen, gehörte zu allen Zeiten und in jeder politischen Konstellation zum Verabscheuungswürdigsten, was Menschen einander antun können.
Was nun die politische Würdigung betrifft, sehe ich mich gezwungen, eine aus dem historischen Vergleich erwachsende Beurteilung vorzulegen, die weniger mit dem Abg. Dr. Külow ins Gericht geht als vielmehr mit seinen Anklägern. Wären Sie wirklich souverän, Herr Dr. Hähle, Herr Dr. Martens, Frau Dr. Schwarz, dann würden Sie den politischen Ansichten des ewig Gestrigen Herrn Dr. Külow mit politischen Antworten kontern und sich nicht hinter einem Sondergesetz verstecken, das für die politischen Verlierer der Weltgeschichte eigens abgefasst wurde.
Das Niveau Ihrer Debattenbeiträge, insbesondere der aus den Reihen der Koalition im Plenum, zeigt jedoch, warum Sie aus gutem Grund die rhetorische und inhaltliche Auseinandersetzung scheuen. Als Vertreter und Verfechter der parlamentarischen Demokratie schwärmen Sie doch so gern von der hohen Sittlichkeit dieser Staatsform, von der Chancengleichheit aller politischen Wettbewerber, vor allem aber vom mündigen Staatsbürger, dem Souverän, der seine Wahlentscheidung allein nach sachlichen Abwägungen trifft. Tendiert aber der mündige Staatsbürger zu aus Ihrer Sicht falschen Entscheidungen, dann treten Sie mit Verboten, ehrenrührigen politischen Entmündigungen immer wieder als Vormund auf.
In den mitteldeutschen Bundesländern leben Zehntausende, vielleicht noch mehr begabte und moralisch integre Menschen, deren Lebensweg von Personen wie Dr. Külow zerstört wurde. Es muss für die wirklichen Opfer eine quälende Tatsache sein, dass sich die Täter von gestern als Nutznießer des neuen Systems wieder parlamentarisch engagieren dürfen. Dennoch sollte es nur eine einzige Instanz geben, die einem Kandidaten den Zugang zum Parlament verwehren kann: den Wähler.
Wenn man aber unbedingt wie Sie, Herr Eggert, ein Nürnberger Tribunal errichten möchte, dann hätten Sie das 1990 oder 1991 tun sollen. Mit welchem moralischen Recht Sie Herrn Külow zum Vorwurf machen, dass er als IM arbeitete, ist mir völlig schleierhaft, wenn man sich vor Augen hält, dass ausgerechnet Sie, ein Opfer des Staatssicherheitsdienstes, als Innenminister des wieder geschaffenen Freistaates Sachsen nichts Besseres zu tun hatten, als sofort nach Ihrer Machtübernahme mit dem Verfassungsschutz dessen Nachfolgeorganisation zu errichten.
Fast als Treppenwitz der Weltgeschichte und als wirkliche Verhöhnung der Opfer muss es danach erscheinen, dass genau Sie sich bei der personellen Besetzung mit fähigen Spitzeln in Hunderten von Fällen der alten Stasikader bedienten. Andererseits: Gute Leute im negativen Sinne werden natürlich immer und überall gebraucht.
Diese Bigotterie und Heuchelei gerade der aus dem Westen stammenden Ableger der neuen etablierten Parteien im Umgang mit dem damaligen politischen Gegner wie auch heutzutage in ihrem Umgang mit der NPD ist wohl ohne die gewaltige Zahl von plötzlich zu Ministern mutierten Pastoren, Krankenschwestern und anderen Sozialtherapeuten kaum erklärbar; tun sie doch gerade so, als ob es nur auf dem Gebiet der ehemaligen DDR eine Bespitzelung der eigenen Bevölkerung gegeben habe.
Sämtliche 1945 von den Westmächten zugelassenen Parteien konnten nur dann politisch arbeiten, wenn sie sich verpflichteten, denunziatorische Berichte bei den Besatzungsmächten abzuliefern, und zwar objektiv, wahrheitsgetreu und ungeschminkt. Jahrelang haben diese von CDU, SPD, FDP und KPD ernannten politischweltanschaulich gefestigten Sachbearbeiter, wie es damals so verräterisch umschrieben wurde, mit dem dazu erforderlichen Fingerspitzengefühl die Besatzer über die wirklichen Ansichten ihrer Mitglieder informiert.
Was ist eigentlich mit den sogenannten Rosenholz-Akten? Wenn es darum geht, wissenschaftlich, vor allem aber politisch die ungeheure Anzahl der westdeutschen Bundestagsabgeordneten, Wirtschaftskapitäne, Journalisten und anderen Personen des öffentlichen Lebens namhaft zu machen, die als IM dem DDR-Nachrichtendienst zugearbeitet haben, dann verhalten Sie sich bei der Offenlegung dieser wesentlich brisanteren Dokumente genauso restriktiv und erfindungsreich wie bei der Behinderung des Untersuchungsausschusses.
Gemessen an diesem Personenkarussell war Herr Dr. Külow nur ein kleines Rädchen im gigantischen Spitzelwesen der ehemaligen DDR. Er ist im Gegensatz zu diesen moralisch weitaus verwerflicheren Personen längst enttarnt, während Ihre Parteigenossen wohl auch deswegen so nach der amerikanischen Pfeife tanzen, weil sie erpressbar sind und bleiben.
Oder warum, glauben Sie, haben Ihre Freunde, die Amerikaner, diese Akten so sorgfältig ausgewertet und Ihnen ein gutes Jahrzehnt vorenthalten?
Deswegen, meine Damen und Herren der etablierten Blockparteien, wäre es wesentlich glaubwürdiger, würden Sie in Ihren eigenen Reihen diese Elemente ausmerzen.
Was den Fall Dr. Külow betrifft, wird die NPD-Fraktion der Abgeordnetenanklage zustimmen. Dr. Külow nimmt für sich in Anspruch, 17 Jahre in der hiesigen Demokratie keine juristisch politischen Verhaltensstörungen gezeigt zu haben, und fordert somit Rehabilitierung. Gleichzeitig treten er und vor allem seine Gesinnungsgenossin Frau Köditz aber immer gegen jegliche Verjährung in
Bezug auf angebliche oder tatsächliche Verbrechen während der NS-Herrschaft ein, auch wenn diese Männer über 60 Jahre politisch und juristisch unauffällig geblieben sind. Diesen Maßstab sollten Sie dann fairerweise auch bei sich anlegen.
Straferlass kann man erst dann gewähren, wenn das neue Logo der Linkspartei lautet „Unsere Ehre heißt Reue“.
Wird von der FDP das Wort gewünscht? – Und von der Fraktion GRÜNE? – Herr Dr. Gerstenberg, wollen Sie reden? – Sie wollen nicht mehr sprechen.
Ich frage, wer noch für die Fraktionen sprechen möchte? – Dann beginnen wir nun mit den Abgeordneten, die das Wort wünschen. – Herr Bartl, bitte.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Sinnhaftigkeit, in einer solchen Debatte das Wort zu ergreifen, mag wirklich umstritten sein. Regelmäßig steht in diesem Parlament ohnehin schon vor Aufruf der Tagesordnung bei Gesetzen und Beschlussvorlagen fest, wie abgestimmt wird; aber so wenig Luft, wie bei den bislang fünf Abgeordnetenanklagen die dort betroffenen Abgeordneten und heute Herr Dr. Külow als betroffener Abgeordneter haben, gibt es ansonsten bei keinem Beratungsgegenstand.
Das liegt nach meiner Auffassung an einem Geburtsfehler des Artikels 118 der Sächsischen Verfassung, der die Abgeordnetenanklage im Freistaat Sachsen auf etwas abstellt, was es in keinem anderen Parlament der Welt, Europas und demzufolge auch nicht im bereits genannten Deutschland gibt: Er überantwortet nämlich die Entscheidung, ob sich jemand in einer gänzlich anderen Gesellschaftsordnung, zu sehr auf die Strukturen dieser Gesellschaftsordnung eingelassen hat, den mit diesem betreffenden Abgeordneten oder seiner Partei konkurrierenden anderen Fraktionen.
Soweit das Parlamentsrecht Abgeordnetenanklagen kennt – die kennen ja einige Länderparlamente; der Bund bekanntermaßen nicht –, sind Abgeordnetenanklagen immer dazu da, um Fehlverhalten im Mandat sanktionieren zu können. Man kann sie erheben. Es gibt Menschen, die sagen, es sei ein vordemokratisches Institut, das der König eingeführt habe und das in der Demokratie ohnehin nicht angewandt werden könne, da der Souverän entscheide. Dort, wo man es aber durchbricht und in der Güterabwägung einführt, sagt man, man tut es, um schwerwiegendes Fehlverhalten im Mandat sanktionieren zu können. Dabei denkt man an Bestechung und Bestechlichkeit; man denkt an schwerwiegende Fälle des Machtmissbrauches, an schwerwiegende Fälle von Geheimnisverrat etc. Nur dazu hat sich bis dato in Deutschland
Wir haben ein anderes Konstrukt; wir haben die Tatsache, dass sich hier 124 minus 31 Abgeordnete berufen fühlen, die Vergangenheit des betreffenden Abgeordneten mit einem Zeitabstand von minimal 17 Jahren seit der denkbaren letzten Involvierung zu beurteilen. Darunter sind Menschen, die dies beurteilen, die – das sage ich völlig vorwurfsfrei – nie unter diesen Verhältnissen gelebt haben und sich unter diesen Verhältnissen nicht entscheiden mussten, sich nicht überprüfen mussten, sich demzufolge auch nicht definitiv äußern können, wie sie sich unter dieser oder jener Situation, unter den damaligen Bildungs- und Erziehungseinflüssen, familiären Verhältnissen etc. verhalten hätten. Darunter sind Menschen – auch dies ohne jeden Vorwurf –, die altersbedingt nie in diese Situation kamen, wie sie in der DDR nun einmal war; wenn man sie nicht schöner deuten will, als sie gewesen ist – mit all diesen Zwängen und ideologischen Beeinflussungen usw., unter denen sie sich dort zu verhalten hatten. Das sollen hier nun Menschen vorurteilsfrei entscheiden – auch in der Reichweite, dass ich über den politischen Gegner nachdenken muss. Das hat gerade Herr Petzold deutlich gemacht. Er hat letzten Endes definitiv deutlich gemacht, dass unter anderem in der Frage des Dr. Külow die Tatsache, dass es bei Verbrechern des Dritten Reiches keine Verjährung gibt, ein Grund ist, weshalb man die Stimmen von dort holen kann. Das muss man sich einmal bis zum Ende überlegen.
Herr Gerstenberg, Sie haben ein sehr gefährliches Argument in dem von Ihnen unterschriebenen Schlussbericht, ein kreuzgefährliches Argument. Sie sagen, zu dem Ergebnis der Untragbarkeit der weiteren Innehabung des Mandates in dem vorliegenden Fall kommt der Ausschuss durch eingehende Abwägung zwischen dem Abgeordneten durch seine Wahl in den 4. Sächsischen Landtag von jenen Wählern, die für die Liste seiner Partei votierten, und dem ihm verliehenen freien Mandat mit den Anforderungen an die besondere persönliche Integrität, die die Innehabung des Mandates erfordert.
Das heißt, Herr Kollege Gerstenberg, dass Sie allen anderen in diesem Hause, die nicht in den Artikel 118 mit der Maßgabe „DDR-Vergangenheit“ geraten, diese persönliche Integrität zugestehen; auch allen, gegen die aktuell Strafverfahren laufen, wegen unerlaubten Waffenbesitzes und Sonstigem. Das ist das Problem des Geburtsfehlers des Artikel 118: dass sich im Prinzip jeder in diesem Hause auch schwerer und schwerster Straftaten schuldig machen könnte. Ihn trifft der Artikel 118 nicht.
Sie haben den Satz vorhin wieder gebraucht. Die Sache betrifft niemanden, nebenbei bemerkt, der diesem Freistaat Sachsen einen Millionenschaden bereitet, unter Umständen auch durch Untreuehandlungen; denjenigen trifft er nicht. Milliardenschäden – auch denjenigen trifft er nicht. Er trifft ja nicht diejenigen, die überhaupt keine Not haben, sich über Nacht durch einen Taschenspielertrick mal die Diäten oder Pensionen zu verdoppeln, und
Ich höre zum ersten Mal, dass die Redezeit bei derartigen Beiträgen begrenzt worden ist. Mir wurde gesagt, wir lassen unter Umständen dann tatsächlich so etwas zu.
Entschuldigung, das ist richtig. Ich wollte nur darauf hinweisen, dass die 5 Minuten um sind, und lasse Sie weiterreden.
Herr Dr. Gerstenberg. – Sie unterschreiben den Bericht und sagen, letztlich hat Külow nur das eingeräumt, was er aus der Aktenlage nachgewiesen bekam.
Sie haben hier aber unfairerweise eines erneut verschwiegen: Er war der Erste, der gesagt hat: Ich möchte meine Akte so, wie ich sie bekomme, gegenüber den Wählern vorher offenlegen; und er hat etwas getan, was Sie hier auch nicht objektiv und sachgerecht dargelegt haben: Er hat im Juli 2004 vor der Wahl seinen Rechtsanwalt bei der Birthler-Behörde einen dringlichen Antrag stellen lassen, dass man die Akte herausgebe und die Genehmigung erteile, sie offenzulegen, weil sich sein Mandant im Maßstab des Artikel 118 gegenüber der Bevölkerung erklären will.
Man hat ihm die Akte nicht gegeben. Man hat Teile der Akte, die er nie sehen konnte, dem „Focus“ und anderen Medien gegeben, das wissen Sie auch, und Frau Birthlers Behörde hat sich auf den Artikel 16 berufen, der angeblich nicht zuließe, dass die Betreffenden selbst die Berichtsakte bekommen können – was wiederum nicht stimmt, denn Artikel 16 Abs. 4 des Stasi-UnterlagenGesetzes ermöglicht es, dass auch betroffene Mitarbeiter die Akte einsehen können, wenn es einen Rechtsgrund dafür gibt; und was anderes soll ein vornehmlicher Rechtsgrund sein als der Artikel 118, zu sagen: Ich will vor den Wählern offenlegen?
Ich gebe Ihnen gern recht, dass es in Ihrer Denkart unschädlich gewesen wäre, Kollege Dr. Gerstenberg oder andere, die diese Auffassung vertreten. Ich spreche Sie ganz bewusst an, da Sie durchaus auch konstruktiv mit
Argumenten umgegangen sind. Ich gebe Ihnen gern recht, dass es, wäre die Akte veröffentlicht worden mit dem, was vorhanden war und was wir 2005 vorliegen hatten, relativ unschädlich für ihn gewesen wäre. Aber was vorhanden war, wusste Külow, als er den Antrag über seinen Anwalt gestellt hat, nicht; und zumindest das Risiko, dass, wenn die Akte so, wie sie jetzt vorliegt, da gewesen wäre und der Anwalt daran gebunden wäre, was er als Rechtsgrund zur Einsichtnahme vorgegeben hat, die Akte auch offen zu legen, hätte dazu geführt, dass er all das, was in den beiden Ausschüssen intern eingesehen werden konnte, vor jedermann hätte offenlegen müssen – auch zu Details, die Sie jetzt mit Afghanen und Ähnlichem mehr beschreiben.
Letzter Punkt: Es ist, wenn man einen so sensiblen Artikel anwendet – auch das sage ich vorwurfsfrei – durchaus von Nutzen, wenn man sich entweder von Berufs wegen oder indem man sich bemüht, mit der ausgeprägten Rechtsprechung der Verfassungsgerichte zu dieser Frage des Artikels 118 befasst, und Artikel 118 hat eben eine klare Auslegung durch unseren eigenen Verfassungsgerichtshof, und dieser sagt: Es gibt zwei Ebenen, die ich prüfen muss. Das ist erstens die Frage: War er bewusst und final tätig? Das hat Dr. Külow nie bestritten, das hat er vor der Wahl in den entscheidenden Kriterien getan, indem er sagte: Ich war Informeller Mitarbeiter, ich hatte einen Decknamen, ich habe von dann bis dann gearbeitet, ich habe Berichte geschrieben. – Er hat alle entscheidenden Fragen gegenüber den Wählern vorher offengelegt – wie viele andere nicht; das wissen wir alle. Er hat diesen Weg gewählt; aber er hat ihm nichts genützt, dies sagte vorhin auch Frau Kollegin Lay.
Nun sagt das Verfassungsgericht, es kommt eine zweite, völlig selbstständige Stufe, in der die Tätigkeit selbst erst einmal keine Rolle mehr spielt. Sie hat die Gesamtheit des Verhaltens des Betreffenden zu werten. Des Verhaltens, sagt das Verfassungsgericht, nicht: des Denkens und des Äußerns.