Die dritte Legende, meine sehr verehrten Damen und Herren, bezieht sich auf sein ständig wiederkehrendes Erklärungsmuster für das, was ihm die Birthler-Behörde unwiderlegbar nachgewiesen hat. Er behauptet, als Bediensteter der Universität zu Leipzig und als Staatsbürger der DDR verpflichtet gewesen zu sein, genauso zu handeln, wie er damals gehandelt hat. Abgesehen davon, dass er sich mit dieser Argumentation in die Nähe all jener rückt, die in allen Diktaturen der Geschichte erklärt haben, dass man sich doch nur an Gesetze gehalten und nur Befehle ausgeführt habe, stimmt es auch im konkreten Fall nicht, dass es keine Alternativen zu seinem Handeln gegeben hätte. Man musste sich nicht der Stasi andienen, um für sie Spitzeldienste zu leisten, auch nicht in seiner eigenen persönlichen Umgebung. Man konnte Nein sagen. Man konnte sich verweigern. Anschwärzen, verpfeifen, denunzieren aber musste man wahrhaftig niemanden, insbesondere dann nicht, wenn es sich um Wahrnehmungen zum Tatbestand des politischen Strafrechtes des Unterdrückungsapparates der SED-Diktatur handelte. Wenn jemand sein Menschenrecht auf jederzeitiges Verlassen jedes, auch des eigenen Landes, in Anspruch nehmen wollte, war man nicht verpflichtet, das als Republikflucht zu bewerten, um damit eine Denunziation zu rechtfertigen. Genau dies aber wollte uns Dr. Külow im Verlauf des gesamten Verfahrens immer wieder weismachen. Auch mit dieser Legende muss aufgeräumt werden.
Diese Überlegungen, meine sehr verehrten Damen und Herren, die bei mir und auch bei anderen Mitgliedern des GO-Ausschusses zu der Überzeugung geführt haben, dass eine weitere Innehabung des Mandats durch Dr. Külow für dieses Hohe Haus untragbar erscheinen lässt, finden Sie in der Ihnen vorliegenden Beschlussempfehlung. Ich bitte Sie, dieser Empfehlung zuzustimmen und damit den Weg für die Entscheidung des Sächsischen Verfassungsgerichtshofes freizumachen.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich mit den grundsätzlichen Bedenken der Linksfraktion beginnen. Die Fraktion DIE LINKE hält diese Abgeordnetenanklage für verfassungswidrig. Es handelt sich um eine einmalige Regelung in Deutschland und in Europa. Selbst in Sachsen war sie bei ihrer Entstehung umstritten. Auch Abgeordnete nicht nur der PDS, sondern auch der GRÜNEN und der SPD kritisierten den entsprechenden Artikel in der Verfassung und beantragten sogar dessen Streichung.
Heute wollen Sie, also auch die Abgeordneten von den GRÜNEN und der SPD, genau auf Grundlage dieses Artikels 118 eine Abgeordnetenanklage erheben. Was für eine Doppelmoral, muss ich Sie fragen, ist das denn?!
Der Abg. Volker Külow wurde von den Bürgerinnen und Bürgern in den Sächsischen Landtag gewählt. Sie haben dies in Kenntnis seiner Zusammenarbeit mit der Stasi getan, aus der Volker Külow keinen Hehl gemacht hat.
Frau Lay, Sie haben mit Ihren Ausführungen zur Verfassungsentstehung und zum Artikel 118 suggeriert, dass Abgeordnete meiner Fraktion eine Streichung verlangt hätten. Sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass wir damals eine Anhörung zu diesem Punkt verlangt und für unsere Fraktion weiteren Beratungsbedarf angemeldet haben?
Nach meinem Kenntnisstand – ich habe mich hier auf eine Debatte bezogen, die in diesem Hohen Hause stattgefunden hat, in der wir diesen Umstand sehr lange diskutiert haben und mein Kollege Dr. Hahn aus entsprechenden Veröffentlichungen zitiert hat – ist sogar die Streichung dieses Artikels von Ihrer Fraktion beantragt worden.
Das ist mein Kenntnisstand. Sollte ich mich darin irren, dann muss ich das wohl zugeben, aber das ist erst einmal das, was mir an Informationen vorliegt. Fest scheint auf jeden Fall zu stehen, dass Abgeordnete Ihrer Fraktion zu diesem Artikel zumindest erhebliche Fragen gestellt haben.
Auf die rechtliche Frage will ich auch nicht weiter eingehen. Das wird mein Kollege Bartl noch tun. Auch zu dem etwas eigenwilligen Vorgang, diese Beratung ausgerechnet heute Morgen entgegen dem üblichen Verfahren bei diesen Vorgängen anzusetzen, möchte ich mich nicht weiter äußern, auch nicht zuletzt wegen der Weihnachtsfeier der CDU.
Dass diese Weihnachtsfeier ausgefallen ist, kann ich natürlich aufgrund der aktuellen Lage im Freistaat sehr gut nachvollziehen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich konzentriere mich nun auf die politische und menschliche Bewertung. Doch eines vorweg: Wie kann es sein, dass genau diese rechtlichen Fragen im Geschäftsordnungsausschuss eine so geringe Rolle gespielt haben, ja von den Koalitionsfraktionen, aber auch von den anderen demokratischen Fraktionen nicht adressiert wurden? Womit, wenn nicht mit diesen grundsätzlich rechtlichen Fragen, soll sich dann dieser Ausschuss beschäftigen?
Auch ansonsten hatte ich nicht den Eindruck, dass das Verfahren ergebnisoffen war. Das muss ich Ihnen ganz ehrlich sagen. Eine der ersten Fragen, die adressiert war, war die Zeitleiste, dass auch noch alles „klappen“ sollte. Ich hatte auch nicht den Eindruck, dass die Mehrheit des Ausschusses Volker Külow überhaupt eine Chance geben wollte. Dabei hat sich Volker Külow doch genau so verhalten, wie es von Abgeordneten mit Stasivorwürfen auch in diesem Hohen Hause immer wieder verlangt wurde: Er hat sich öffentlich zu seiner Stasitätigkeit bekannt. Er hat sich bei den Betroffenen entschuldigt und das Gespräch mit ihnen gesucht. Er hat sich im Ausschuss den Fragen der Abgeordneten gestellt. Er hat sich ohne Abstriche zum Grundgesetz der Bundesrepublik bekannt und dies – das betone ich – in den letzten 17 Jahren auch gelebt. Was wollen Sie denn eigentlich noch?
All das wurde von Ihnen ignoriert, ja, es wurde auch noch gegen Volker Külow verwandt. Sein Bemühen, uneingeschränkte Akteneinsicht bei der Birthler-Behörde zu erhalten – das haben wir gerade wieder vernommen –, wurde ihm so ausgelegt, er würde immer nur das zugeben, was ohnehin schon bekannt sei, anstatt es als Versuch der Offenlegung anzuerkennen.
Der ungeheuerliche Vorgang hingegen, dass wieder einmal der „Focus“ exklusiv Informationen aus den Akten hatte, die Volker Külow selbst verweigert wurden, ließ Sie kalt.
Meine Damen und Herren! Man muss in der Demokratie auch die Chance haben, sich zu bewähren. Volker Külow hat sich kritisch mit seiner Vergangenheit auseinandergesetzt. Er hat sich bei den Betroffenen entschuldigt. Es wäre einfach nur fair, wenn Sie das wenigstens einmal anerkennen würden, und dies umso mehr, als sich einige dieser Personen schriftlich an den Ausschuss gewendet und alle explizit dargelegt haben, dass ihnen durch Volker Külow kein Schaden entstanden ist, dass sie nicht als Opfer betrachtet und vor allen Dingen nicht von Ihnen in dieser Sache instrumentalisiert werden wollen.
Niemandem, der es wirklich mit dem Verfahren ernst gemeint hat und für den das Ergebnis nicht von vornherein schon feststand, wird entgangen sein, dass Volker Külow hier tatsächlich eine intensive Auseinandersetzung geführt, er auch einen langen Weg hinter sich hat, und dem wird auch nicht entgangen sein, dass Volker Külow diese Auseinandersetzung auch persönlich sehr nahege
Meine Damen und Herren! DIE LINKE verweigert sich nicht der Debatte um die Vergangenheit, um Unrecht in der DDR und erst recht nicht um die Stasi als Repressionsinstrument. Wogegen wir uns allerdings verwahren, das ist die Instrumentalisierung des Themas, um Abgeordnete aus dem Landtag zu werfen. Eines lernen wir ganz sicher aus den Fehlern der DDR: Das ist ein konsequentes Bekenntnis zur Rechtsstaatlichkeit. Dafür hat doch auch die Bürgerbewegung gekämpft. Eines muss Ihnen jedoch dabei klar sein: Grundsätze des Rechtsstaates gelten auch für den politischen Gegner und sie gelten auch für jemanden, der für die Staatssicherheit gearbeitet hat.
Man muss Volker Külows Zusammenarbeit mit der Stasi nicht toll finden, aber daraus den Entzug seines Mandats abzuleiten, das ist eine ganz andere Sache. Das lehnen wir ab.
Nehmen wir das Prinzip der Verhältnismäßigkeit. Da stehen eineinhalb Jahre Zusammenarbeit mit der Stasi gegen 17 Jahre Bewährung in der Demokratie. Es gilt auch das Prinzip der Verjährung. Selbst schwerstes kriminelles Verhalten darf irgendwann nicht mehr zum Nachteil verwendet werden. Ein Totschläger darf nach 15 Jahren wieder im Parlament sitzen, aber jemand, der vor 17 Jahren Berichte geschrieben hat, soll das nicht können.
Man kann diese Berichte moralisch verurteilen, okay, aber die Schlussfolgerungen daraus sind einfach unverhältnismäßig. Nur Mord verjährt nicht, meine Damen und Herren.
Deswegen waren auch selbst einige derjenigen, die für das Stasi-Unterlagen-Gesetz waren, gegen dessen Verlängerung und haben gesagt: 15 Jahre lang hatte aus unserer Sicht das Gesetz eine Berechtigung, aber danach müssen wir andere Formen der Auseinandersetzung mit der Geschichte finden. Aber wie kann man auf Grundlage eines solchen Gesetzes eine Abgeordnetenanklage einreichen?
Meine Damen und Herren! Ich appelliere an Sie: Respektieren Sie das Wählervotum und stimmen Sie gegen diesen Antrag. Ersparen Sie dem Landtag erneut eine peinliche Blamage vor dem sächsischen Verfassungsgericht.
Selbst wenn Sie heute mit einer Zweidrittelmehrheit im Landtag Ihr Ziel erreichen sollten – auch mit den Stimmen der NPD-Fraktion –, können wir der Abgeordnetenanklage mit Gelassenheit entgegensehen. Ich bin davon überzeugt, dass auch diese Abgeordnetenanklage erneut kläglich scheitern wird.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich spreche gleich von hier als Erklärung für unsere Fraktion.
Bei dem Antrag auf Erhebung einer Abgeordnetenanklage handelt es sich um einzelne Abgeordnete des Landtages, die ihn gestellt haben, und nicht um Anträge von Fraktionen. Insofern werden wir als Fraktion dazu auch keine Meinung abgeben, sondern den einzelnen Mitgliedern unserer Fraktion zugestehen, sich dazu im weiteren Verfahren zu äußern.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir verhandeln heute einen von zahlreichen Abgeordneten des Sächsischen Landtages eingebrachten Antrag, in dem das Landesparlament aufgefordert wird zu beschließen, gegen den Abg. Dr. Volker Külow gemäß Artikel 118 Sächsische Verfassung beim Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen Anklage zu erheben mit dem Ziel, ihm das Mandat abzuerkennen.
In zahlreichen Sitzungen hatte zuvor der Ausschuss für Geschäftsordnung und Immunitätsangelegenheiten die Tätigkeit des Abg. Külow für die Hauptverwaltung Aufklärung beim Ministerium für Staatssicherheit der früheren DDR zu bewerten. Diese Bewertung erfolgte nach persönlichen, moralischen, rechtlichen, vor allem aber nach politischen Kriterien.
Die NPD-Fraktion hat sich ihre Bewertung des Vorganges nicht leicht gemacht. Trotzdem möchten wir Herrn Dr. Külow bei unserer Bewertung des Vorganges die Fairness entgegenbringen, die er uns gegenüber sicherlich niemals aufbrächte.
Zunächst einmal kann ich Herrn Dr. Külow meinen persönlichen Respekt nicht versagen, da er im Gegensatz zu manchen Wendehälsen aus den Blockparteien seinen ideologischen Idealen stets treu geblieben ist. Diese politische Beharrlichkeit erscheint zwar angesichts des ökonomischen, ökologischen und moralischen Desasters der DDR befremdlich. Aber kein System wird in der Realität seinen eigenen oder den von ihm vollmundig vorgetragenen Ansprüchen gerecht; erst recht nicht die real existierende Parteiendemokratie.
Daher wird die NPD-Fraktion Dr. Külow nicht wegen seines Engagements für den damaligen Staat, an dessen Verbesserungsfähigkeit und Vermenschlichung er vielleicht geglaubt haben mag und den er stabilisieren helfen wollte, anklagen. Auch seine politische Betätigung nach 1990 mag – und das ist ohne jeden abschätzigen
Unterton – konsequent und achtenswert erscheinen, wenngleich sie für uns als NPD-Fraktion politisch nicht nachvollziehbar ist.