Protocol of the Session on December 12, 2007

Aber der Vorschlag der Kommission beinhaltet auch gute Ansätze, die nicht unerwähnt bleiben sollen, wie zum Beispiel die europäische Landwirtschaft zu entbürokratisieren. Auch der Vorschlag, die im Jahre 1986 eingeführte Milchquote bis 2014/2015 schrittweise auslaufen zu lassen, findet unsere Zustimmung. Das System aus festen Obergrenzen und Strafzahlungen für zu viel produzierte Erzeugnisse gilt als überholt.

Sehr geehrte Damen und Herren! Der Milchsee ist ausgetrocknet und der Butterberg ist geschmolzen. Stattdessen kurbelt die hohe Nachfrage aus Entwicklungsländern wie China die Preise an und sorgt in Europa derzeit eher für Knappheit. Das Auslaufen der Milchquotenregelung soll dabei mit einem effektiven Programm begleitet werden.

Lassen Sie mich zum Schluss noch den Präsidenten des Sächsischen Landesbauernverbandes Vogel zitieren: “Sachsens Landwirte haben sich in ihren einzelbetrieblichen Planungen und Entscheidungen unabhängig von ihrer Eigentums- und Betriebsform sowie ihrer Betriebsgröße auf die politischen Beschlüsse, die bis zum Jahre 2013 terminiert sind, eingestellt.“

Wir brauchen politische Verlässlichkeit und Planungssicherheit für unsere Investitionen und keine neue Agrarreform, sei es bei den Direktzulagen oder bei den Ausgleichszulagen. Ein Hektar ist ein Hektar, sehr geehrte Damen und Herren. Dem habe ich nichts mehr hinzuzufügen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Für die Fraktion der GRÜNEN spricht der Abg. Herr Weichert.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der größte Posten im EU-Haushalt ist mit über 50 Milliarden Euro der europäische Agrartopf. 9,3 Milliarden Euro davon stammen von deutschen Steuerzahlern. Zurück nach Deutschland fließen rund 6 Milliarden Euro. Die spannende Frage ist: Wer bekommt das Geld?

Meine Damen und Herren! Den größten Anteil machen Direktzahlungen aus, die nach Betriebsgröße gezahlt werden, ohne dass dafür besondere Leistungen, wie beispielsweise für den Umweltschutz, den Tierschutz oder den Klimaschutz, eingefordert werden. Hiervon profitieren wenige Betriebe mit großen Flächen und wenigen Arbeitskräften. Kleinere Betriebe erhalten prozentual deutlich weniger Unterstützung. Das macht sich an folgenden Zahlen deutlich: 14 % der Betriebe kassieren 65 % der Gelder, in diese sogenannte erste Säule der

Direktzahlungen fließen rund 80 % des Etats. Für Sachsen sind das jährlich circa 240 Millionen Euro.

Herr Weichert, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ja, gern.

Kollege Weichert, Sie haben gerade gesagt, dass diese Prämien nicht mit irgendwelchen Umweltauflagen verknüpft sind. Haben Sie schon einmal etwas von Cross Compliance gehört? Mein Kollege Heinz hatte vorhin Ausführungen gemacht, dass diese unmittelbar mit diesen Richtlinien, was Grundwasser, Gewässerschutz, Nitratrichtlinie usw. betrifft, verknüpft sind und dass das gerade in der jetzigen Agrarpolitik der Fall ist.

Ja, davon habe ich gehört. Ich hatte jetzt von den 80 % gesprochen. Ich komme im zweiten Teil meiner Ausführungen auf diese 20 %, die diese Anforderungen beinhalten, zurück.

Meine Damen und Herren! In der Land- und Forstwirtschaft arbeiten circa 43 000 Personen, das heißt, auf jeden Beschäftigten kommt eine jährliche Subvention von 6 000 Euro allein aus der ersten Säule. Das sind diese 80 %. Die Mittel der sogenannten zweiten Säule der Agrarförderung fallen mit nur 20 % der gesamten Zahlungen deutlich geringer aus. Aus ihr werden jedoch die gesellschaftlich relevanten Leistungen bezahlt. Dazu gehören unter anderem Agrarumweltprogramme, das Management der Natura-2000-Gebiete und in Sachsen eine Reihe von Maßnahmen des Programms „Umweltgerechte Landwirtschaft“.

Die Staatsregierung hat immer den Eindruck erweckt, der Öko-Landbau käme in Sachsen gut weg. Meine Damen und Herren! Die nackten Zahlen sprechen eine andere Sprache. In der Flächenförderung wurden 665 000 Hektar gefördert, auf den Öko-Landbau entfielen davon 11 400 Hektar. Das sind noch nicht einmal 2 % der geförderten Fläche.

Die relativen und absoluten Ausgaben für den Ökobereich sind in Sachsen im bundesweiten Vergleich mehr als unterdurchschnittlich. Wenn wir über den gesamten Bereich der Agrarförderung in Sachsen und die Neuordnung der gemeinsamen Agrarpolitik in der EU sprechen, dann hätte ich von der Staatsregierung und vielleicht auch von der Koalition doch gern gehört, wie ihre Vorstellungen hinsichtlich des Volumens und der Fördertatbestände aussehen. Bisher habe ich nur gehört: „So geht es nicht!“ – Wie aber soll es denn in Europa mit 27 Mitgliedsländern gehen?

Meine Damen und Herren! Wenn wir das seriös abhandeln wollen, dann schlage ich Folgendes vor: In einem ersten Schritt sollten wir im Freistaat Sachsen für jedermann offen legen, wer wie viel Geld aus dem gemeinsamen Agrartopf erhält – Thema Transparenzinitiative.

Die CDU/FDP-Koalition in Nordrhein-Westfalen ist diesen Weg schon gegangen. Diesbezüglich sollten Sie von der CDU und der SPD in Sachsen nicht zurückstehen. Wenn wir wissen, wer in Sachsen wie viel Geld bekommt, dann ist das eine gute Grundlage für die weitere Diskussion.

Als Zweites würde ich anregen, dass wir über die Kriterien sprechen. Frau Staatsministerin Orosz setzt sich für gesundes Essen ein. Dafür bin ich sehr dankbar. Ist es da nicht kontraproduktiv, wenn wir mit den Mitteln der Steuerzahler den Bau und den Unterhalt von Mastfabriken für Hühner, Schweine und Rinder finanzieren und dann Geld für eine Kampagne ausgeben, um den Fleischkonsum auf ein vernünftiges Maß zu reduzieren? Dass wir aus den Mitteln der Gemeinsamen Agrarpolitik auch noch den Transport von sächsischen Schweinen nach Italien mit finanzieren – dieser Unsinn sei hier nur am Rande erwähnt. Auch für das Problem des Tierschutzes bleibt im Rahmen dieser Debatte wenig Raum. Tierschutz spielt in der Gemeinsamen Agrarpolitik finanziell so gut wie keine Rolle, leider auch nicht der Klimaschutz.

Eine vernünftige Agrarpolitik würde diese Aspekte einbinden, zu sprechen wäre aber auch über die Folgekosten einer Landwirtschaft, die sich ausschließlich auf Masse statt auf Klasse – das meine ich genauso ökologisch wie geschmacklich, denn da spricht der langjährige Gastronom in mir – konzentriert.

Aus der einen Tasche geben wir den Betrieben das Geld, um den Einsatz von chemischen Düngern und Pestiziden zu bezahlen. Dann müssen wir in die andere Tasche fassen, um die Kläranlagen zu finanzieren, damit das Wasser wieder sauber wird, oder wir fassen in die dritte Tasche, um die Resistenzen gegen Antibiotika zu bekämpfen. Für Antibiotika braucht man in Deutschland kein Rezept. Sie finden es in jeder Fleischtheke ihres Discounters. Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihren Landwirtschaftsminister!

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich eröffne die zweite Runde der Aussprache. Für die CDU-Fraktion hat Herr Schmidt das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte noch einmal die Zahlen in den Raum stellen, worüber wir hier eigentlich sprechen. Es geht bei dem in Kritik stehenden Vorschlag von Frau Agrarkommissarin Fischer Boel um jährlich 56,3 Millionen Euro für die sächsische Landwirtschaft, das heißt bis zum Jahre 2013 um circa 280 Millionen Euro. Dieses Geld wird nicht etwa von den Großen zu den Kleinen umverteilt oder vom Pflanzenbauer zum Veredler oder vom Konventionellen zum Ökologischen, nein, dieses Geld wird der sächsischen Landwirtschaft direkt entzogen. Das kann doch im Ernst niemand wirklich wollen.

(Beifall bei der CDU, der FDP und den GRÜNEN)

Herr Kollege Weichert, um gleich darauf einzugehen. Ich hatte Ihnen die Frage gestellt, ob Sie schon einmal von Cross Compliance gehört haben. Sie sagten, dass Sie davon schon etwas gehört hätten, aber Sie hatten sich scheinbar nicht damit befasst. Denn es geht bei diesen Maßnahmen nicht um die zweite Säule, sondern es geht um Kürzungen, wenn in der ersten Säule Verstöße auftreten, die auch der sächsischen Landwirtschaft am Ende wieder verloren gehen, also die Verknüpfung dieser Flächenzahlungen, über die wir mit den Umweltauflagen diskutieren, ist bereits gegeben und ist die Voraussetzung, um diese Flächenzahlungen zu erhalten.

Ich würde Ihnen empfehlen und meine Einladung erneuern, dass wir gemeinsam in einige Landwirtschaftsbetriebe in Sachsen fahren. Sie wissen, dass ich Sie für einen durchaus sachlichen Kollegen halte. Hören Sie nicht nur auf Herrn Graefe zu Baringdorf, gehen Sie selbst einmal in die Betriebe. Wir schauen uns das einmal an. Vielleicht können Sie dann Ihre Meinung ändern.

(Michael Weichert, GRÜNE: Ich komme sehr gern mit!)

Um noch einmal auf die Flächenzahlungen allgemein einzugehen: Diese Einführung hatte zur Folge, dass auf der einen Seite zwar der Landwirt Leistungen aus der Kasse des Steuerzahlers bekam, auf der anderen Seite die Preise für seine Produkte jedoch zurückgingen und gleichzeitig die Produktionsmittelkosten stiegen, was wiederum bedeutet, dass das Geld – worüber wir hier immer diskutieren –, das angeblich der Landwirtschaft zur Verfügung gestellt wird, gar nicht bei den Landwirten verbleibt, sondern einfach durchfließt hin zum Verarbeiter, zum Handel oder zu den vorgelagerten Bereichen. Wenn wir diese Zahlungen jetzt wieder kürzen, wird der Landwirt dies allein tragen müssen, weil er es nicht umlegen kann.

Zu den gestiegenen Preisen, die auch schon angesprochen wurden, möchte ich so viel sagen: Wir sind dort auf einem Preisniveau, das wir in den Achtzigerjahren schon einmal hatten bzw. sind noch leicht darunter. Wenn wir über Flächenprämienkürzungen reden wollen, müssen wir dort noch weiter hoch, muss das stabilisiert werden, müssen die Folgen, die sich in den letzten Jahren aufgebaut haben – also Investitionsstau, Lohnzurückhaltung – aufgelöst werden. Erst dann können wir über Veränderungen dieser Systeme reden, nicht zum jetzigen Zeitpunkt.

Es geht aber noch um etwas anderes; das ist auch schon angesprochen worden: Es geht um Verlässlichkeit der Politik. Wir haben zum zweiten Mal eine solche Zwischenbewertung. Beim ersten Mal hieß das damals Midterm Review, diesmal heißt es Health Check – zumindest da ist man innovativ –, aber diesmal hat im Frühjahr bzw. Sommer Herr Borchardt, der Stellvertreter von Frau Fischer Boel, auf der Agra in Leipzig und auf dem Deutschen Bauerntag in Bamberg ganz klipp und klar gesagt, dass man sich dieses Mal die Reform nur anschaut und gewisse Regulierungen vielleicht zustande kommen. Aber der extreme Eingriff, der jetzt für die

ostdeutsche und besonders auch sächsische Landwirtschaft erfolgen soll, stand bis zum Sommer überhaupt nicht in Rede. An diesen Aussagen müssen wir die EU messen. Die Fraktionen hier im Sächsischen Landtag sollten geschlossen dagegen vorgehen und die Kürzungen für die sächsische Landwirtschaft verhindern.

(Beifall bei der CDU, den GRÜNEN und des Staatsministers Prof. Dr. Roland Wöller)

Die Landwirtschaft wird, wenn es so kommt, natürlich reagieren. Es wird zu Betriebsteilungen kommen. Das ist eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für Betriebsberater und Rechtsanwälte. Aber ich möchte kein Förderprogramm für Betriebsberater und Rechtsanwälte, sondern eine stabile, zukunftssichere und ökonomisch starke sächsische Landwirtschaft. Das ist meiner Meinung nach das beste Förderprogramm für unsere ländlichen Räume. Das ist besser, als wenn irgendwo in Dresden in einer vornehmeren Wohngegend Leute von den Geldern profitieren, die eigentlich den Bauern und damit dem ländlichen Raum zustehen, auch wenn da jetzt der Herr Rechtsanwalt Lichdi etwas fragend schaut.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der Linksfraktion)

Meine Damen und Herren! Bei der Betrachtung dieser Vorschläge sollten wir zusammenstehen und nicht schon wieder versuchen, herumzumäkeln und den einen Bereich gegen den anderen auszuspielen. Das haben unsere sächsischen Bauern nicht verdient. Sie brauchen Verlässlichkeit in der Politik, und die CDU steht dafür.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und des Staatsministers Prof. Dr. Roland Wöller)

Die SPD erhält das Wort. Herr Gerlach, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe die Vorschläge in meiner ersten Rede positiv bewertet, aber es gibt – wie bei den meisten Dingen – natürlich auch einen sogenannten Pferdefuß. Wir haben es von meinem Vorredner schon sehr deutlich gehört. An der degressiven Kappung der Direktzahlungen für Großbetriebe hält die Europäische Kommission bisher fest. Diese Kürzung würde die Hauptlast der Einsparungen auf ostdeutsche Landwirtschaftsbetriebe verlagern. Das hätte nicht nur gravierende Auswirkungen auf diese Landwirtschaftsbetriebe, sondern auf die ländlichen Räume in Ostdeutschland insgesamt.

Bei einer Kappungsgrenze von 300 000 Euro wären allein in Sachsen 286 Agrargenossenschaften und andere Großbetriebe betroffen. Diese sind oft größter Arbeitgeber und Ausbilder in den jeweiligen Dörfern. Folglich würden sich Einnahmeverluste potenzieren. Das alles passt nicht zu den Zielen der Gemeinsamen Agrarpolitik. Die EU würde damit das Anliegen ihrer Direktzahlungen konterkarieren. Das passt auch nicht zum Konzept, die Direkt

zahlungen abzubauen und in die ländliche Entwicklung umzuschichten.

Bei einem Umbau der Agrarpolitik muss der Grundsatz gelten: Gleiche Unterstützung für alle. Für eine Gleichbehandlung aller Betriebsformen und Flächen hatte sich bei den Reformen von 2000 und 2003, das heißt bei der „Agenda 2003“ und den sogenannten Luxemburger Beschlüssen, die rot-grüne Bundesregierung erfolgreich eingesetzt. Folglich lehnen wir größenabhängige Kappungsgrenzen ab.

Im Zusammenhang mit den Vorstellungen zur Degression der Direktzahlungen hat die Kommissarin betont, dass sie die besondere Situation der ehemaligen Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften – weithin noch als LPG bekannt – im Osten Deutschlands kennt und entsprechend berücksichtigen wird. Sie wolle nicht – wörtlich – „das System in Ostdeutschland beschädigen, wo es oft mehrere Eigentümer auf einem Hof gibt“.

So ist wenigstens zu hoffen, dass Großbetriebe mit mehreren Eigentümern – das betrifft insbesondere die ostdeutschen Agrargenossenschaften – bei der Kappung der Direktzahlungen anders behandelt werden als Großbetriebe oder irgendwelche Agrarkonzerne. Das stimmt optimistisch. Wir sehen da noch Gestaltungsspielraum zugunsten der ostdeutschen Landwirtschaft.

Wir werden das kommende Halbjahr bis zum Abschluss des sogenannten Gesundheitschecks zur Diskussion nutzen. Wir hoffen, dass wir damit gemeinsam mit dem Minister entsprechende Lösungen erreichen können.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, der CDU und der Staatsregierung)

Die Fraktion DIE LINKE ist an der Reihe. Frau Abg. Altmann, bitte.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! DIE LINKE ist bei der zukünftigen Gestaltung der Gemeinsamen EU-Agrarpolitik durchaus dafür, dass in Zukunft die Höhe der an die landwirtschaftlichen Betriebe fließenden öffentlichen Mittel auch in Sachsen offengelegt werden soll, dort also Transparenz herrscht. Wir sagen aber ganz eindeutig, dass dies nicht nur für die Landwirtschaft gelten darf. Wenn es nur für die Landwirtschaft gelten soll, lehnen wir das ab. Es muss für alle Förderbereiche gelten. Ich denke, mit einer solchen Offenlegung und Transparenz kann für sämtliche Förderungen mehr Akzeptanz bei den Steuerzahlern erreicht werden.