Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! DIE LINKE ist bei der zukünftigen Gestaltung der Gemeinsamen EU-Agrarpolitik durchaus dafür, dass in Zukunft die Höhe der an die landwirtschaftlichen Betriebe fließenden öffentlichen Mittel auch in Sachsen offengelegt werden soll, dort also Transparenz herrscht. Wir sagen aber ganz eindeutig, dass dies nicht nur für die Landwirtschaft gelten darf. Wenn es nur für die Landwirtschaft gelten soll, lehnen wir das ab. Es muss für alle Förderbereiche gelten. Ich denke, mit einer solchen Offenlegung und Transparenz kann für sämtliche Förderungen mehr Akzeptanz bei den Steuerzahlern erreicht werden.
Uns geht es nicht darum, bei der zukünftigen Finanzierung der Gemeinsamen EU-Agrarpolitik auf dem Status quo zu beharren. Wir wollen nicht, dass bei den Fördermitteln alles so bleibt wie bisher. Wir sind aber grundsätzlich dagegen, dass – so wie es Herr Heinz heute gefordert hat – die europäische Landwirtschaft total in den freien
Markt entlassen wird. Ich denke, hier ist die CDU auch schon einmal weiter gewesen, als das heute gesagt wurde. Ich zitiere immer wieder gern unseren vorletzten sächsischen Landwirtschaftsminister, den Herrn Flath, der einmal wörtlich gesagt hat: „Ich glaube nicht, dass es so sehr sinnvoll ist, beim Handel und bei der Produktion von Lebensmitteln die Märkte völlig zu liberalisieren.“ Dazu stehen wir natürlich auch. Ich denke, bei der CDU sollte darüber noch einmal nachgedacht werden.
Wir könnten uns aber sehr gut vorstellen, dass es in Zukunft in Sachsen bei den Direktzahlungen Betriebe geben könnte, die weniger erhalten. Dabei muss aber nach ganz anderen Kriterien vorgegangen werden als bisher. DIE LINKE ist eindeutig für eine differenzierte Herangehensweise bei den Direktzahlungen. Es darf nicht nur die absolute Förderhöhe oder die Hektarzahl als Kriterium herangezogen werden. Es müssen regionale Standortbedingungen und Arbeitsplatzeffekte berücksichtigt werden.
Es müssen existenzsichernde Einkommen im ländlichen Raum dort eine Rolle spielen und es muss nach wie vor – und noch mehr als heute – ökologische Leistung eine Rolle spielen. Und auch wir, Herr Gerlach, sind der Meinung, dass die Eigentümerzahl in einem Betrieb dabei eine Rolle spielen muss.
Es kann zum Beispiel passieren, dass auch in Sachsen ein reiner Ackerbaubetrieb auf einem guten Standort, der meinetwegen auf 3 000 Hektar und mehr produziert und dafür vielleicht bloß noch drei oder vier Arbeitsplätze hat, nach solchen neuen Kriterien in Zukunft weniger Direktzahlungen bekommt, ohne dass seine Existenz bedroht ist. Ich denke, viele dieser Betriebe würden dagegen überhaupt nicht rebellieren.
Andererseits kann es passieren, dass zum Beispiel ein Milchproduktionsbetrieb im Erzgebirge, wenn dort alle diese Kriterien mit herangezogen werden, vielleicht noch mehr Direktzahlungen bekommt als heute. Das halten wir auch für gerechtfertigt, denn gerade in diesen Betrieben werden Arbeitsplätze im ländlichen Raum geschaffen – und nicht nur allgemein im ländlichen Raum, sondern in den ländlichen Räumen, die heute schon als die abgehängten, als die strukturschwachen ländlichen Räume gelten.
Gerade diese Betriebe – dafür gibt es im Erzgebirge mehrere Beispiele, zwei Betriebe davon habe ich vor Kurzem besucht – haben schon in der Vergangenheit die Zeichen der Zeit erkannt. Sie beschäftigen sich zum Beispiel nicht nur mit Ackerbau und mit Milchproduktion, sie haben auf Windkraft gesetzt, sie haben auf Bioenergie gesetzt und sie versuchen richtigerweise, Wertschöpfung im eigenen Betrieb im ländlichen Raum zu halten, indem sie die Stoffkreisläufe im eigenen Betrieb schließen und versuchen, mit der Gemeinde, mit dem Dorf zu kooperieren, was zum Beispiel Nutzung von Biogas betrifft, wobei Wärmenutzung immer das Stich
wort ist. Einer dieser Betriebe versorgt sich heute schon fast ausschließlich mit Biokraftstoff vom eigenen Acker. Das ist für mich Wertschöpfung in der Region, das ist für mich auch Ökologie.
Was wir als sehr positiv sehen, ist, dass das Geld, wenn es zu Einsparungen bei den Direktzahlungen kommen sollte, im EU-Agrarhaushalt bleiben soll, also in die zweite Säule umgeschichtet werden kann. Damit kann das, was ich gerade von diesem einen Betrieb berichtet habe, befördert werden – und das auch über den Entwicklungsplan im ländlichen Raum in Sachsen.
Was wir als kritisch ansehen, ist das Vorhaben der EUAgrarkommissarin, Beihilfen für Energiepflanzen schon in nächster Zeit zu kürzen oder abzuschaffen. Denn wir meinen, dass die Entwicklung dort noch lange nicht da ist, wo sie hingehört, dass sie noch lange nicht selbsttragend ist.
Wünschen die anderen Fraktionen zu dieser Debatte noch das Wort zu ergreifen? – Herr Heinz noch einmal für die CDUFraktion.
Frau Präsidentin! Meine Damen, meine Herren! Ich denke, man kann nicht alles unwidersprochen lassen. Selbstverständlich geht es nicht darum, von dieser Stelle aus den kompletten Wegfall der Direktzahlungen nach 2013 zu fordern. Wer das so versteht, der versteht das sicherlich bösartig und missinterpretierend. Betrachten wir vielmehr einmal die politische Realität. Warum wird diese ganze Debatte betrieben? –Dafür gibt es eigentlich nur zwei Ursachen:
Zum einen ist das eine konsequente Neiddebatte. Wer bei dieser Neiddebatte „von den Großen zu den Kleinen“ oder „von den Konventionellen zu den Ökologischen“ – je nachdem, wer an welcher Stelle etwas fordert – glaubt, die Klientel, die er für besonders unterstützenswert hält, wird von dieser Debatte profitieren, der irrt. Die Zielrichtung geht vielmehr in eine andere Richtung, nämlich dass das Geld insgesamt von der Landwirtschaft abgezogen wird.
Das nächste falsche Argument, das hier zum Teil auch von den Kollegen vorgebracht wurde, ist: 40 % des EUHaushalts befassen sich mit landwirtschaftlichen Geldern. – Das ist zwar vordergründig richtig, aber kein anderer Politikbereich in der EU ist so finanziell zusammengefasst wie die Landwirtschaft und es gibt so wenig in den Einzelstaaten, was noch für die Landwirtschaft getan wird, sodass man hier Äpfel mit Birnen vergleicht.
Der zweite Grund, warum diese Debatte bezüglich des Abziehens des Geldes geführt wird oder womit man eine solche Debatte begründen kann, sind andere politische Intentionen. Als Schlagworte dazu hören wir öfter, dass nur 3 % für die EU-Bildungspolitik oder Forschungspolitik verwendet werden und 40 % in die Landwirtschaft
gehen. Wir werden zur Kenntnis nehmen müssen, dass bei steigenden landwirtschaftlichen Rohstoffpreisen, bedingt durch die Weltmarktnachfrage und durch das Steigen des Ölpreises, die Erlössituation der Landwirtschaft besser werden wird und dass damit der Rechtfertigungsdruck für Direktzahlungen für Einkommensbeihilfen in der Öffentlichkeit nicht mehr aufrechtzuerhalten sein wird. Vielmehr müssen wir die Zeit bis 2013 nutzen, unsere Betriebe fit zu machen für den Wettbewerb, für den internationalen Markt zu produzieren.
Wir haben dazu beste Investitionsförderprogramme für die laufende EU-Strukturförderperiode geschaffen und fordern – genauso, wie wir von unseren Landwirten eine nachhaltige Wirtschaftsweise erwarten –, dass die Landwirte sich ein Stück weit auf die Politik verlassen können müssen, dass dort auch planbare Rahmenbedingungen vorhanden sind und dass die Gesundheitsüberprüfung nicht zu einer Operation oder gar zu einer Amputation ausartet.
Gestatten Sie mir noch, auf ein oder zwei Dinge einzugehen, die von Ihnen angesprochen worden sind, Herr Weichert:
Wie man Pressemitteilungen entnehmen konnte, wollen Sie das Geld von den großen Betrieben zu den Ökobetrieben umleiten. Wir haben eine große Anzahl Ökobetriebe, die von der Flächenausstattung her den konventionell betriebenen überhaupt nicht nachstehen. Insofern müssen Sie sich dann entscheiden, ob Sie es weg von den großen hin zu den kleinen haben wollen oder nur hin zu den Ökobetrieben. Insofern widersprechen Sie sich da ein wenig.
Das Nächste. Es wird immer so gern von „Transparenzrichtlinie“ gesprochen, wir wollen öffentlich wissen, wer wie viel Geld bekommt. – Ich prophezeie auch hier eine unwahrscheinliche Neiddebatte. Man soll zumindest noch dazusagen, wofür die entsprechenden Landwirtschaftsbetriebe denn das Geld bekommen. Unabhängig davon gibt es da auch einiges an datenschutzrechtlichen Bedenken, zumindest was die Offenlegung von Zahlungen an Einzelpersonen betrifft.
Zu der Forderung „Klasse statt Masse“, die hier immer aufgestellt wird, kann ich nur sagen: In der sächsischen Landwirtschaft ist beides miteinander verbunden worden, dort wird Masse und Klasse produziert.
Ich kann Ihnen auch nur empfehlen, die Klischees vom überdimensionierten Antibiotikaeinsatz fallen zu lassen. Das mag vielleicht sein, wenn man Kaninchen aus China kauft oder isst. Wer sich mit dem deutschen Arzneimittelrecht ein wenig auskennt, mit den Kontrollen dazu usw., der weiß genau, welchen Einschränkungen die Landwirte hier unterliegen. Ich kann Sie mit gutem Gewissen auffordern: Kaufen Sie sächsische Produkte, lassen Sie sich diese zu Weihnachten gut schmecken! Das ist die beste Unterstützung, die Sie den sächsischen Landwirten geben können.
Ansonsten freue ich mich, wenn die Märkte sich so entwickeln, dass ich mich als Landwirt nicht ständig vor irgendwelchen Leuten, die meinen, weil sie gern und gut essen können, auch Ahnung von Landwirtschaft zu haben, für Subventionen rechtfertigen muss. Das wäre mein großer Wunsch: dass die Landwirte in Zukunft ihr Geld über den Markt verdienen können. Es wird immer Bedingungen und zusätzliche Leistungen, die die Landwirte erbringen, geben, die nicht über den Markt abgegolten werden. Wir werden auch weiterhin darum streiten, entsprechende Förderprogramme zur Unterstützung für die zusätzlichen Leistungen parat zu haben.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Landwirtschaft ist die tragende Säule im ländlichen Raum. Ich begrüße es daher, dass wir uns angesichts wichtiger europäischer Weichenstellungen für diesen Bereich auch im Sächsischen Landtag mit Agrarpolitik befassen. Trotz mancher Zwischentöne bin ich sehr dankbar für die übergreifende Einigkeit, die sich hier im Sächsischen Landtag zur Unterstützung unserer Landwirte abzeichnet.
Seit der Veröffentlichung der Mitteilung von EUKommissarin Fischer Boel im November 2007 zum Health Check wird aus verschiedenen Richtungen darüber diskutiert, ob es sich hier tatsächlich um eine Gesundheitsprüfung der reformierten Agrarpolitik oder um einen größeren chirurgischen Eingriff handelt. Mein Standpunkt dazu: Gesundheitsprüfung ja und gründlich, mit gezielten Mitteln zur Stärkung der natürlichen Abwehrkräfte.
Ich unterstütze alles, was mehr Marktorientierung und Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit für unsere Landwirtschaft bringt. Aber ich sage nein zu allen Eingriffen, die dem Patienten den Lebenswillen nehmen. Ich lehne es kategorisch ab, was erstens einseitig zulasten unserer Landwirte geht und zweitens der Planungssicherheit bis 2013 entgegensteht, die einst von allen europäischen Staats- und Regierungschefs zugesichert wurde.
Was bedeuten die Vorschläge des Gesundheitschecks im Einzelnen für uns? EU-Kommissarin Fischer Boel hat zu Recht darauf hingewiesen, dass der Gesundheitscheck vor allem genutzt werden soll, um die sogenannten Geburtsfehler der Agrarreform von 2003 zu beseitigen. Damals wurde eine Vielzahl von Kompromissen geschlossen, um das einst richtungweisende Reformpaket zu verabschieden.
Ich stimme der Kommissarin zu, dass es an der Zeit ist, dass in Europa ein einheitlicher Weg bei der Umsetzung der Agrarreform gegangen wird. Wir brauchen einfachere
Direktzahlungsmodelle, aber vor allem die weitere Entkopplung der Produktion von den Direktzahlungen.
Für alle, die sich nicht jeden Tag damit befassen: Direktzahlungen sind unter anderem Zahlungen an die Landwirte für politisch festgelegte Leistungen bzw. Ausgleich von Wettbewerbsnachteilen der europäischen Landwirtschaft. Diese werden, Herr Kollege Weichert, ab dem nächsten Jahr beginnend auch veröffentlicht. Wir sind bereit und haben, da es sich um konkrete Leistungen handelt, auch nichts zu verbergen. Sachsen setzt die Transparenzrichtlinie um. Um es klar zu sagen: Gleiche Regeln für alle.
In einigen Ländern der EU sind die Direktzahlungen noch an die produzierte Menge gekoppelt. Ziel muss es sein, beides voneinander zu trennen. Die produzierte Menge muss sich an der Nachfrage am Markt ausrichten. Zahlungen dürfen nur für konkrete Leistungen erfolgen. Das baut Bürokratie und Wettbewerbsverzerrung innerhalb der EU ab. Deutschland ist mit seinem Modell bereits auf dem richtigen Weg.
Positiv sehe ich, dass die Kommissarin die Marktsteuerung durch die Politik auf ein notwendiges Mindestmaß beschränken möchte. Schauen wir uns einmal den Roggen an. Dort hat man mit der Agrarreform 2003 einen ersten mutigen Schritt unternommen. Die Interventionen, also die Eingriffe des Staates, bei sinkenden Erzeugerpreisen wurden gänzlich abgeschafft. Die Überproduktion ist verschwunden, die Produktion an der tatsächlichen Nachfrage ausgerichtet. Die Preise stimmen.
Dieser Weg ist auch für andere Bereiche der einzig richtige, um das Angebot auf die tatsächliche Nachfrage und nicht auf die Subventionen auszurichten, um die Kräfte des Marktes zu entfalten und Marktchancen besser nutzen zu können. Ich sage hier auch, Frau Kollegin Altmann – danke für Ihren Beitrag –, natürlich muss der Markt zum Zuge kommen. Aber es wird auch in Zukunft notwendig sein, diesen Marktprozess weiter zu beobachten. Wir können nicht, nur weil angesichts der Marktlage momentan eine gute Situation herrscht, davon ausgehen, dass es so bleiben wird. Der Markt hat bekanntlich nicht nur eine Richtung nach oben, sondern er kann genauso schnell nach unten gehen.
Momentan geht es der deutschen Landwirtschaft, auch der sächsischen, wieder deutlich besser. Ich sage angesichts mancher Neiddiskussion, die aufkommt: Das ist der Aufholprozess für manche versäumte Einkommensentwicklung, die wir in den letzten Jahren und Jahrzehnten zu verzeichnen hatten, meine Damen und Herren. Wir dürfen nicht alles über Bord werfen, sondern wir werden diesen Prozess aufmerksam beobachten und natürlich auch die Marktchancen, die sich daraus bieten, entschlossen nutzen.
Auch die Abschaffung der obligatorischen Flächenstilllegung ist ein konsequenter Schritt, der der Nachfrage an den internationalen Agrar- und Energiemärkten folgt. Das hat Sachsen bereits mehrfach gefordert. Bei uns werden bereits auf 60 % der Stilllegungsflächen nachwachsende Rohstoffe angebaut.
Mehr Mut hätte ich beim Thema Milch erwartet. Am Auslaufen der Quote 2014/2015 in Europa zweifelt keiner mehr. Ich begrüße, dass die Kommission diese sächsische Forderung aufgenommen und das Enddatum bestätigt hat. Allerdings scheiden sich die Geister derzeit noch am Wie.
Mitgehen kann ich bei dem Begleitprogramm für strukturschwache Räume. Aber denjenigen, die jetzt wachsen wollen und können, sollen wir keine Steine in den Weg legen. Ich stehe dafür, die in der EU vorhandenen Produktionspotenziale auszunutzen. Ich fordere auch, die Strafabgaben für die Milch, die Superabgabe, die über die bestehende Quote hinaus abgeliefert wird, abzuschaffen.
Das bedeutet auch eine Reduzierung des Verwaltungsaufwandes. Leistungsstarke Unternehmen können sofort auf die derzeit steigende Nachfrage auf dem Weltmarkt reagieren.
Sachsen hat diese Forderung kürzlich in einer Bundesratsinitiative von Schleswig-Holstein bekräftigt und die Bundesregierung aufgefordert, diese Position in Brüssel zu vertreten.
Meine Damen und Herren! Einige Vorschläge des Gesundheitschecks würde ich sogar als Eingriff mit Lebensgefahr bezeichnen. Die vorgesehene Regelung, größeren Betrieben ab 2009 trotz zugesicherter Planungssicherheit bis zu 45 % der EU-Mittel zu streichen, heißt für mich: Alarmstufe Rot! Für Sachsen bedeutet das – es ist schon zum Ausdruck gekommen – jährlich 56 Millionen Euro weniger. Das sind 56 Millionen Euro, die unseren Betrieben an Einkommen bzw. für notwendige Investitionen fehlen.