Vier Personen gehörten zuvor der Arbeitsgruppe des ehemaligen Ministers für Staatssicherheit der DDR, Mielke, an. 74 Personen waren in der Abteilung M, Postkontrolle, beschäftigt und 15 in den Bezirksverwaltungen des MfS tätig.
Auf meine Kleine Anfrage hin, wie viele dieser Personen gegenwärtig noch Beamte des Freistaates Sachsen sind, antwortete die Staatsregierung in der Drucksache 4/6331 am 5. Oktober 2006, dass eine Beantwortung der Frage nicht möglich sei.
Weil die entsprechenden Unterlagen nach der Auswertung für die Große Anfrage nicht mehr benötigt wurden, seien sie bereits 1995 vernichtet worden. Aktenvernichtung hat in Sachsen also durchaus eine lange Tradition, wie man sieht.
Geradezu paradox erscheint es, dass ausgerechnet jene Kreise und Parteien, die nach über 60 Jahren immer noch deutsche Soldaten des Zweiten Weltkriegs verfolgen, nur 17 Jahre nach dem Ende der kommunistischen Diktatur in Mitteldeutschland nach einem Schlussstrich rufen.
Solange bei der Bewertung historischer Vorgänge derartige ideologisch motivierte Ungleichgewichte herrschen, konnten wir als NPD-Fraktion keine andere Entscheidung treffen, als im vorliegenden konkreten Fall für die Abgeordnetenklage gegen den Abgeordneten der Linksfraktion Volker Külow alias „Ostap“ zu stimmen.
Über das weitere Schicksal des Abg. Dr. Külow mögen die Richter des Sächsischen Verfassungsgerichts entscheiden.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin nicht der Meinung, dass die Akte des einen IMs gegen die Akte des anderen IMs aufzuwiegen und aufzurechnen ist. Ich kenne sehr wohl Akten, auch
aus meiner eigenen Akte heraus, von Leuten, die für die Staatssicherheit gearbeitet haben, bei denen ich heute sagen würde: Das ist zu vernachlässigen. Sie haben an der Stelle – das kann ich selbst beurteilen – weniger geschrieben, als sie wussten, weil sie durch außergewöhnliche Umstände zu dieser Arbeit mit der Staatssicherheit gezwungen wurden.
Erstens. Es hat in der DDR viel mehr Leute gegeben, die eine Arbeit mit der Staatssicherheit abgelehnt haben, wenn sie angefragt wurden, als Leute, die zugestimmt haben.
Das muss man einmal feststellen, weil oftmals aus dem Westen Deutschlands der Verdacht aufkommt, dass wir 17 Millionen Stasispitzel gewesen wären. Ich sage aber gleich dazu: Wir sind auch keine 17 Millionen Widerstandskämpfer gewesen. Da sind hinterher auch einige Legenden gestrickt worden.
Zweitens. Herr Külow, ich habe Ihnen sehr genau zugehört. Man kann an manchen Stellen fast geneigt sein, Ihnen zu vertrauen, wenn man nur die Akte nicht kennen würde.
Wer 1990 in der PDS gesagt hat, dass er für die Staatssicherheit gearbeitet hat und er sich dessen nicht schämt, ist automatisch in den Vorstand gekommen.
Dafür gab es viel Beifall: Das ist einer, der steht zur Geschichte, der ärgert sich nicht darüber. Der ist weiter dabei.
Jetzt sage ich noch etwas in Richtung Linksfraktion: Es gibt sehr viele Kollegen in dieser Partei, die ich sehr schätze.
Nein, Ihren Namen würde ich dabei nicht nennen, Herr Hahn. Ihr Name würde da nie auftauchen, aber nicht aus ideologischen, einfach aus charakterlichen Defiziten, die Sie haben.
Ich will fortsetzen. Es gibt einige in der Partei, die ich sehr schätze, die auch in der Demokratie angekommen sind. Es sind auch einige dabei, die 1989, als die Dinge alle am Wanken waren, sehr genau in ihren eigenen Parteigruppierungen darüber gesprochen haben, was denn
momentan in der SED falsch läuft und was sie verändern müssen. Ich wundere mich, dass sie nicht aufstehen und sagen, genau dieser Külow hat unsere Arbeit damals, in diesen Tagen, weiter an die Staatssicherheit gegeben, hat uns an dieser Stelle denunziert.
Ich kann den jungen Kollegen der Fraktion der Linken einfach nur einmal die Vorstellung offerieren, sich vorzustellen, sie wären 1989 Studenten gewesen und hätten mit Herrn Külow zu tun gehabt. Er hätte über sie Berichte geschrieben und die DDR hätte noch weiter bestanden. Wenn, wie Herr Külow sagt, kein Schaden entstanden ist, dann nicht, weil er so fürsorglich geschrieben hat, sondern weil dieser Staat hinterher keine Möglichkeiten mehr hatte, in der Auswertung repressiv zu werden.
Eine weitere Legende ist, Herr Külow hätte ehrlicherseits, weil er nicht mehr genau wusste, was er irgendwann einmal geschrieben hätte – ausgerechnet ein Historiker, der ansonsten ein gutes Gedächtnis für alles und für nichts hat, wie wir wissen – eine Anfrage an die Gauck- oder Birthler-Behörde gestellt, um sich selbst zu offenbaren. Herr Külow, Sie haben einfach nur angefragt,
ob das stimmt, was Ihnen Ihr Führungsoffizier gesagt hat und die Akten wirklich vernichtet sind und nichts mehr auftauchen muss, wofür Sie irgendwann einmal geradestehen müssen.
(Beifall bei der CDU und der SPD – Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Woher haben die Pfarrer ihr Wissen?)
Ich höre Ihnen ja gern und stundenlang zu. Ich meine, es sollten sich an dieser Stelle nicht nur alte Spitzel mit Zwischenrufen melden.
Wir müssen einfach einer bewussten Legendenbildung, wie sie auch gerade von diesen Truppen von Herrn Külow in Leipzig intensiv unterstützt und momentan in die Gesellschaft getragen wird, entgegentreten.
Jetzt kommt der letzte Punkt. Ich weiß, dass ich mich damit wiederhole. Ich bin immer noch der Meinung, dass ehemalige Spitzel, die anderen geschadet haben – interessant war ja, dass Herr Hahn darauf hingewiesen hat, dass es Opfer gegeben hat; Herr Külow hat das bestritten –, dass diejenigen, die heute im Parlament sitzen, nicht von den Steuergeldern ihrer ehemaligen Opfer ihren Arbeitsplatz finanziert bekommen sollten.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Aussprechen einer Beschlussempfehlung auf Einreichung eines Verfahrens zur Aberkennung des Mandats fällt niemandem, der in diesem Bewertungsausschuss gesessen hat, leicht. Wir sind uns dieser schweren Verantwortung durchaus im Klaren.
Der Bewertungsausschuss hat seine Arbeit – Herr Hahn, das wissen Sie ganz genau – sehr gewissenhaft gemacht und sehr sorgfältig die von Herrn Külow vorgelegten Stellungnahmen geprüft und gegen die Aktenlage abgewogen. Aber diese war eben so erdrückend, dass kein anderes Resultat herauskommen konnte.
Ich denke, alle, die diese Debatte jetzt verfolgt haben, werden mir recht geben, dass die Arbeit im Bewertungsausschuss nicht vergnügungsteuerpflichtig ist. Deshalb drängeln sich auch nicht viele Kollegen da hin, in diesem Ausschuss mitzuarbeiten.
Beim Lesen der Akten und auch bei den beiden Debattenbeiträgen des Betroffenen und des Kollegen Hahn war bei mir nach 17 Jahren wieder dieser Würgegriff der Beklemmung aus dieser Zeit da.