Protocol of the Session on July 6, 2007

(Unerhört! von der CDU)

Eine kritische Distanzierung oder gar Reue kann ich aus diesen Worten beim besten Willen nicht erkennen.

(Caren Lay, Linksfraktion: Haben Sie ihm heute zugehört?)

Selbst nach der Einsicht in seine Akten formulierte Dr. Külow, der zweifellos aus Überzeugung als glühender Kommunist für die Stasi gearbeitet hat, in seiner Presseerklärung vom 16. Februar 2007: „In diesem Übereifer habe ich die vom menschlichen Anstand gebotenen Grenzen in einigen Fällen ganz klar überschritten.“

Nein, Herr Dr. Külow, auch hier irren Sie. Es geht nicht nur um einige Fälle. Die vom menschlichen Anstand gezogene Grenze gebot es, überhaupt nicht als Spitzel zu arbeiten. Niemand war gezwungen, diese Grenze zu überschreiten, auch überzeugte Sozialisten nicht.

(Beifall bei den GRÜNEN, der CDU, der SPD und der FDP)

Veränderung in der Haltung von Dr. Külow habe ich dann erstmals während der mehrstündigen Befragung im Bewertungsausschuss wahrgenommen. Dort gab er eine differenziertere Sicht zu erkennen, auch selbstkritische Einschätzungen. Darüber hinaus sprechen für Herrn Dr. Külow aus meiner Sicht zwei Dinge: Er hat nach den Medienveröffentlichungen zu den neu aufgefundenen Akten das Gespräch mit den von seinen IM-Berichten Betroffenen gesucht und versucht, sich zu entschuldigen, und er hat sich in einer öffentlichen Bürgerversammlung der Diskussion auch mit Stasiopfern gestellt. Das ist für ehemalige IMs alles andere als selbstverständlich und es ist auch alles andere als leicht. Dass er diese beiden steinigen Wege der persönlichen Aufarbeitung geht, dafür spreche ich ihm ausdrücklich meinen Respekt aus.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe hier in diesem Haus bereits bei anderer Gelegenheit gesagt, dass es für meine Bewertung wesentlich ist, wie offen und ehrlich

ehemalige Stasimitglieder mit dieser Vergangenheit umgehen. Besonders interessiert mich diese Frage bei einem Politiker, der auf der Website zur Bundestagswahl 2005 betonte, dass ihm Werte und Ziele wie „Menschenwürde und Einhaltung der Menschenrechte“ sowie „Offenheit und Toleranz“ besonders wichtig sind. Dr. Külow hat in den letzten Jahren geradezu mit der Offenlegung der dunklen Seite seiner Biografie geworben. Bevor ich dazu spreche, lassen Sie mich bitte zuerst mit einigen Behauptungen aufräumen, bevor diese zu Legenden werden:

Erstens. Mit einer Kandidatur habe er bewusst wegen seiner Stasiverstrickung bis 2004 gewartet, wie es Herr Bartl und heute André Hahn hier im Landtag erklärt haben. Da glaube ich doch eher Herrn Dr. Külow bzw. seiner politischen Biografie, in der nachzulesen ist: Bundestagskandidat 1990, 1994, 2002. – Wie es da mit der Offenlegung war, wäre zu hinterfragen. Von einem demutsvollen Warten kann zumindest nicht die Rede sein.

(Zurufe von der CDU: Lügen! Lügner!)

Die zweite Behauptung: Der Minow-Film „Ich werde kämpfen“ dokumentiert Külow als Hoffnungsträger für einen demokratischen Sozialismus. – Während dieser Dreharbeiten lag aber seine Stasizuträgerschaft noch in den letzten Zügen, deren Zielpersonen in nicht geringem Maße eigene Genossen waren, deren Ideale vom Sozialismus in die Brüche gegangen waren. Oder es waren Menschen wie die in der „Initiative zur demokratischen Erneuerung unserer Gesellschaft“, von deren Flugblattaufruf zur Demonstration am 70. Jahrestag der Ermordung von Liebknecht und Luxemburg Külow damals eine Distanzierung erwartete. Recht auf freie Meinungsäußerung, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Pressefreiheit und Zulassung der Zeitschrift „Sputnik“ und kritischer sowjetischer Filme, das waren die Forderungen, für die sich die Organisatoren auf Rosa Luxemburg und die Verfassung der DDR beriefen. Wenn es Hoffnungsträger für eine bessere DDR gab, dann waren es diese Menschen und nicht Herr Külow.

(Beifall bei den GRÜNEN, der CDU und der SPD)

Die dritte Behauptung schließlich: Die Arbeit der HVA habe sich zum Schutz der DDR nach außen gerichtet und sei deshalb anders zu werten. – Am Fall Külow wird deutlich, wie sehr auch die HVA im Rahmen des MfS nach innen gewirkt und zur Repression beigetragen hat. Für den konkreten Fall heißt das: Aus der Traum vom James Bond der DDR. Übrig bleibt ein gewöhnlicher Spitzel.

(Beifall bei den GRÜNEN, der CDU und des Abg. Gunther Hatzsch, SPD)

Nun zur Frage des offenen Umgangs. Die Offenlegung seiner Spitzelarbeit vor den Wählerinnen und Wählern las sich im Wahlkampffaltblatt 2004 so: „Durch meine wissenschaftliche Mitarbeit an der internationalen MarxEngels-Gesamtausgabe war ich auch im Ausland tätig und

hatte in diesem Zusammenhang ab 1988 Kontakte zur Hauptverwaltung Aufklärung des MfS.“

In Anbetracht der vorliegenden Sachverhalte kann ich nur sagen: Das ist keine Offenheit, das ist größtmögliche Beschönigung der Realität.

(Beifall bei den GRÜNEN, der CDU und der SPD)

Ob gegenüber der Öffentlichkeit oder im Bewertungsausschuss – Dr. Külow hat nach meiner Überzeugung stets nur das offenbart, was ohnehin nicht länger zu leugnen war.

(Zuruf von der CDU: Das ist richtig!)

Lange hatte ich gewisse Zweifel, ob die Ursache dafür nicht doch Verdrängung oder Vergessen sein kann. Von diesen Zweifeln hat mich – Ironie der Geschichte! – sein Führungsoffizier befreit. Seit dessen Zeugenaussage bin ich überzeugt: Dr. Külow konnte sicher darauf vertrauen, dass seine Akten vernichtet sind, dass alles für ihn getan wurde, was getan werden konnte, damit er unenttarnt bleibt. Deshalb lautet meine Schlussfolgerung in dieser Angelegenheit: Dr. Külow hat sein Mandat nicht mit Offenheit errungen, sondern mit Vertuschung erschlichen.

(Beifall bei den GRÜNEN, der CDU und der SPD)

Selbst in seiner eigenen Partei muss Dr. Külow nach den Beschlüssen zur Offenlegung der politischen Biografie in einem solchen Fall die Vertrauensfrage stellen. Umso mehr steht er nach dieser langen Zeit des Verschweigens und Leugnens in der Pflicht gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern unseres Landes.

Deshalb habe ich mich im Ergebnis meiner Abwägung dafür ausgesprochen, dass dieser Landtag als gewählte Vertretung des Volkes eine Abgeordnetenanklage erhebt. Ich vertraue darauf, dass in den Beratungen des Geschäftsordnungs- und Immunitätsausschusses allen Faktoren Rechnung getragen wird: der persönlichen Entwicklung und der Haltung von Dr. Külow ebenso wie den Fragen der Menschlichkeit und der historischen Gerechtigkeit.

(Beifall bei den GRÜNEN, der CDU, der SPD und der FDP)

Die NPD-Fraktion hat Redebedarf angemeldet. Herr Petzold, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Bewertungsausschuss hat seine Entscheidung getroffen bezüglich der Beurteilung der Tätigkeit des Abg. Külow für das Ministerium für Staatssicherheit der früheren DDR. Mit der Empfehlung auf Erhebung einer Abgeordnetenanklage gegen den Abgeordneten der Linkspartei.PDS Dr. Külow gab der Bewertungsausschuss eine Empfehlung an alle Abgeordneten des Landtages.

Für die NPD-Fraktion war die Zustimmung hier im Plenum zur Erhebung der Abgeordnetenanklage gegen Dr. Külow nach der vorliegenden Faktenlage gegeben. Ein altes deutsches Sprichwort sagt: Der größte Lump im

deutschen Land, das ist und bleibt der Denunziant. – Dies sei vorangestellt. Doch zeigt sich hier nur eine Facette der Gesamtproblematik.

(Zuruf der Abg. Caren Lay, Linksfraktion)

Geradezu unerträglich bei der Bewertung einer geheimdienstlichen Tätigkeit in diesem Fall eines Mitglieds des Sächsischen Landtages ist die Heuchelei der CDU, die glaubt, sie könnte auf der Stasiverstrickung des Abg. Külow ihr schwarzes Süppchen kochen. Meine Damen und Herren von der CDU, wenn es Ihnen nutzbringend erscheint, sind Sie doch jederzeit bereit, die Dienste von Denunzianten und Überläufern in Anspruch zu nehmen. Wer mit Denunzianten und Spitzeln zusammenarbeitet, meine Damen und Herren von der CDU, wird selbst zum Mittäter.

Die Entstehungsgeschichte der politischen Justiz in der Nachkriegszeit auf deutschem Boden bietet viele Beispiele dafür, wie Recht in Unrecht und Unrecht in sogenanntes Recht verbogen wurde. So war es in der DDR und so ist es in der BRD. So war es bei den Roten und so ist es bei den Schwarzen.

(Heinz Eggert, CDU: Einfach ein dummer Nazi! – Zuruf des Abg. Karl Nolle, SPD)

Spitzelsysteme und ihre Zuträger bekämpft die NPD unterschiedslos mit der gleichen Entschiedenheit, gleichgültig, ob sie nun rot oder schwarz lackiert sind.

(Beifall bei der NPD)

Herr Innenminister Buttolo sprach neulich im Zusammenhang mit dem sächsischen Korruptionsskandal davon, dass ihn die ihm bekannten Akten anwidern würden. Was uns als nationale Opposition anwidert, ist die Doppelzüngigkeit der CDU in Bezug auf die MfS-Vergangenheit des Abg. Dr. Külow.

Sie möchten sich hier als Saubermänner darstellen, befürworten aber überall sonst einen Überwachungsstaat, der in seiner technischen Perfektion die frühere DDR wie einen Spielplatz geheimdienstlicher Dilettanten aussehen lässt. Sie vergießen Krokodilstränen wegen der operativen Maßnahmen der Stasi und sind heute doch ohne mit der Wimper zu zucken bereit, Ihrem politischen Gegner das Gleiche anzutun. Sie tun das bereits überall dort mit Fleiß, wo Sie die Verfügungsgewalt über das Innenministerium und die Geheimdienste haben. Die heutige Bespitzelung von Bürgern durch V-Leute des sogenannten Verfassungsschutzes oder die frühere Ausforschung durch Informelle Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit der ehemaligen DDR sind doch prinzipiell dasselbe, und zum Teil gibt es ja noch personelle Überschneidungen zwischen IMs und V-Leuten.

Man kann und man muss Herrn Külow vorwerfen, dass er im Auftrag der DDR-Staatssicherheit andere ausgeforscht und ihnen dadurch geschadet hat. Eines kann man ihm jedoch nicht vorwerfen: Er ist zweifellos kein Wendehals. Er steht zu seinen Überzeugungen. Einmal Kommunist –

immer Kommunist. Für uns Nationalisten ist ein ehrlicher Feind berechenbarer als ein falscher Freund.

(Beifall bei der NPD – Heinz Eggert, CDU: Einmal Nazi, immer Nazi! – Zuruf des Abg. Karl Nolle, SPD)

Die nationale Opposition sieht den Fall ganz nüchtern. Heute auf der Siegerseite der Geschichte zu sein bedeutet noch lange nicht, dass man es morgen auch noch ist. Im Gegensatz zu anderen war der Abg. Dr. Külow einfach nicht wendig genug, schnell die Seiten zu wechseln,

(Zuruf des Abg. Jürgen Gansel, NPD)

während einige, die es im öffentlichen Dienst ganz nach oben schaffen, ja bekanntlich gar kein Hehl daraus machen, dass ihnen Privilegien wichtiger sind als Prinzipien und Gewissen.

Demonstrativ wurden einige Informelle Mitarbeiter nach langen Querelen verdientermaßen aus den Ämtern gejagt, während hochrangige Stasibonzen noch immer in ihren Positionen verbleiben. Tausende ehemalige hauptamtliche Stasikader sowie Informanten und SED-Zuträger befinden sich heute noch in Amt und Würden. Immer dreister treten Stasioffiziere in der Öffentlichkeit auf und verhöhnen ihre Opfer, wie das im vergangenen Jahr bei einer Veranstaltung in der Gedenkstätte für die Opfer der kommunistischen Diktatur in Berlin-Hohenschönhausen im ehemaligen Stasigefängnis geschah.

Wie müssen sich Menschen fühlen, die jahrelang in den Kerkern der SED schmachten mussten, wenn sie lesen, dass sich ausgerechnet Herr Gauck, der frühere Leiter der gleichnamigen Behörde zur Aufarbeitung der Stasiunterlagen, öffentlich für einen jetzt als Eiskunstlauftrainer tätigen ehemaligen Informellen Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit einsetzt? Dieser Trainer hatte nachweislich jahrelang Sportkameraden bespitzelt und auf widerliche Art und Weise denunziert.

Damit noch nicht genug: Sogar bei der Birthler-Behörde in Berlin sind 57 ehemalige hauptamtliche Mitarbeiter und zwei ehemalige Informelle Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit beschäftigt. Bis zum Jahr 2010 plant die Birthler-Behörde die Halbierung ihrer Stellenanzahl auf 1 600 Mitarbeiter. Von den Behördenstandorten im Freistaat Sachsen – Leipzig, Chemnitz und Dresden – soll lediglich ein Standort als zentral erhalten bleiben. Den ehemaligen MfS-Mitarbeitern der Birthler-Behörde droht laut Information der Presse vom 31.05.2007 jedoch keine Entlassung.

Aber warum in die Ferne schweifen? Sieh, das Böse liegt so nah! Wie viele ehemalige Angehörige der stasigeführten Abteilung K1 der DDR-Kriminalpolizei wurden denn in den Personenschutz des ehemaligen sächsischen Ministerpräsidenten Kurt Biedenkopf übernommen? Wie ist es beispielsweise erklärbar, dass nach einer Stellungnahme des Sächsischen Staatsministers des Innern vom 29. März 1994 zu einer Großen Anfrage der SPD-Fraktion zur Personalpolitik im Sächsischen Staatsministerium des

Innern, Drucksache 1/4326, im Staatsministerium des Innern zum damaligen Zeitpunkt 362 Mitarbeiter, davon 328 Beamte auf Probe, beschäftigt wurden, die nachgewiesenermaßen Inoffizielle Mitarbeiter der Ministeriums für Staatssicherheit der DDR waren? Weitere 161 Bedienstete des SMI, davon 119 Beamte auf Probe, waren zuvor hauptamtliche Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR. Darunter befanden sich zwei Oberstleutnante, sieben Majore und 25 Hauptleute.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion: Alle von Eggert eingestellt!)

Vier Personen gehörten zuvor der Arbeitsgruppe des ehemaligen Ministers für Staatssicherheit der DDR, Mielke, an. 74 Personen waren in der Abteilung M, Postkontrolle, beschäftigt und 15 in den Bezirksverwaltungen des MfS tätig.