Protocol of the Session on July 5, 2007

(Andrea Roth, Linksfraktion, steht am Mikrofon.)

Nein. – In unserem Land, auf dem wir noch einige Jahre unsere Zukunft begründen, wohl wissend, dass die Umstellung aus notwendigen gesellschaftlichen Gründen, weil gewisse Klimaveränderungen stattfinden und die Gesellschaft darauf reagieren muss, soll man ihn nicht verteufeln, solange wir noch keine besseren Technologien haben. Diese Botschaft, dass wir die Lausitz im weitesten Sinne nicht im Stich lassen, möchte ich, dass sie aus der heutigen Debatte ankommt.

(Beifall bei der CDU)

Wird von den Fraktionen noch das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall. Dann Herr Minister, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Frau Dr. Runge, Sie haben sehr oft im Zusammenhang mit den sächsischen Kraftwerken den Begriff „Dreckschleudern“ verwendet.

(Dr. Monika Runge, Linksfraktion: Da war die MIBRAG gemeint!)

Scheinbar wissen Sie nicht, dass die sächsischen Kraftwerke, auch die der MIBRAG, trotzdem zu den modernsten in der Mitte Europas und die Lausitzer zu den modernsten der Welt in der Braunkohlenverstromung gehören.

(Beifall bei der CDU)

Aber vielleicht beziehen Sie ja Ihren Begriff „Dreckschleudern“ – da sind wir bei den Begriffen, die ja gelegentlich dazu verwendet werden, um etwas ideologisch zu beschreiben und damit letztlich auch zu stigmatisieren – auf den hohen CO2-Ausstoß bei der Braunkohlenverbrennung. Dann muss ich Sie fragen, Frau Runge, wenn Sie Dreckschleuder dazu verwenden, ob Sie heute schon Mineralwasser getrunken haben. Wenn nicht, dann passen Sie das nächste Mal auf, dass Sie sich das Gesicht nicht beschmutzen, wenn Sie die Mineralwasserflasche öffnen. Da ist auch CO2 drin.

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Mann, ist das billig! – Beifall bei der Linksfraktion)

Herr Lichdi, die Sächsische Staatsregierung hat nie bezweifelt, dass die Braunkohlenverstromung die CO2intensivste Stromerzeugungsform ist. Sie hat auch nie versucht, das schönzureden.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Später, Frau Runge, ich habe erst zwei Sätze gesagt. Sie wissen das wie alle Fraktionsvorsitzenden, wir haben derzeit keine Alternativen.

(Beifall bei der CDU)

25 % des Stromes in Deutschland werden aus Braunkohle hergestellt. Dieser Anteil kann bei dem gleichzeitig von Ihnen forcierten Atomausstieg nicht anderweitig gedeckt werden. Das wissen Sie ganz genau. Wer beides gleichzeitig fordert – das ist ja der Titel Ihres Antrages – der hat Scheuklappen vor den Augen.

Frau Hermenau, wenn Sie von dem Energiemix sprechen, dann kann ich Ihnen nur mit einem Spruch antworten. Es ist richtig, dass er sich zu 80 % aus Braunkohlenstrom und zu 20 % aus erneuerbaren Energien bzw. anderen Energieträgern speist. Sie wissen auch, dass die Welt eine Kugel und keine Scheibe ist. Das heißt, es gibt ein Wachsen in dem Bereich. Es ist nicht die absolute Wahrheit, dass es keinen Energiemix gibt.

Bis zum Jahr 2020 sollen Kernkraftwerke mit einer Leistung von 22 500 Megawatt vom Netz genommen werden. Diese Kraftwerke produzieren Strom im Grundlastbereich. Selbst Bundesminister Gabriel hat auf der Sonderumweltministerkonferenz am 22. März dieses Jahres eingeräumt, dass es illusorisch ist, die wegfallenden Kraftwerkskapazitäten durch kombinierte Gas- und Dampfturbinenkraftwerke oder Anlagen der regenerativen Energien zu decken.

Erneuerbare Energien decken in Deutschland erst 10 % unseres Strombedarfs. Selbst importierter Solarstrom aus dem Süden Europas, so wie Sie es vorgeschlagen haben, Frau Hermenau, schafft dabei keinen Ersatz. Zuerst müssen die Leitungsverluste, die beim Stromtransport auftreten, minimiert werden. Dazu bedarf es noch einiger technischer Innovationen.

Frau Hermenau, Sie haben uns ja vorgeworfen, wir würden nur versprechen. Ich habe mir extra die zwei Stichworte notiert, Energieeffizienz auszuprobieren. Damit löst man das Problem nicht. Wo man ein Problem lösen kann, das ist zum Beispiel bei dem Bau der 350KV-Leitung, die durch den Thüringer Wald führen soll und wo es sicherlich erhebliche – zugegebenermaßen auch aus unserer Sicht – Eingriffe in die Natur und deswegen den entsprechenden Widerstand gibt. Das heißt auf Deutsch: Solche Leitungen lassen sich nicht von heute auf morgen errichten, selbst wenn es technisch möglich wäre.

Im Klartext heißt das: Bis erneuerbare Energien eines Tages den Anteil der Braunkohle erreichen oder übersteigen, kann eine Kompensation kurz- und mittelfristig nur durch Kohle erfolgen. Dabei sollten wir nicht nur der Importsteinkohle einen Gefallen erweisen, sondern in erster Linie dem einzigen wettbewerbsfähigen und heimischen Energieträger Braunkohle eine faire Chance einräumen.

Aus diesem Grund hat sich der Freistaat Sachsen zusammen mit Nordrhein-Westfalen für einen anspruchsvollen brennstoffbezogenen Benchmarkansatz bei der Stromerzeugung ausgesprochen und wir werden das auch weiter tun.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Bitte, Frau Runge.

Bitte.

Herr Minister Tillich, würden Sie bestätigen, dass ich nicht von Dreckschleudern in Bezug auf den gesamten Kraftwerkspark in Sachsen gesprochen habe, sondern lediglich von den drei kleineren, nicht sehr modernen der MIBRAG, die ja in der Verhandlung mit Umweltminister Gabriel auch zugestanden hat, diese drei älteren – für „Dreckschleudern“ möchte ich mich entschuldigen – durch ein modernes Kraftwerk zu ersetzen?

Also, Frau Runge, ich werde Ihnen bestätigen, dass Sie das gesagt haben. Aber Sie werden mir auch bestätigen, dass ich gesagt habe, dass die Lausitzer Braunkohlenkraftwerke zu den modernsten der Welt gehören. Diejenigen, die bei der MIBRAG am Netz sind, sind immer noch moderner als zum Beispiel vergleichbare Anlagen der RWE. Das heißt, sie sind bei Weitem nicht

die schlimmsten Kraftwerke, die wir auf deutschem, geschweige denn auf europäischem Boden haben.

Lassen Sie mich fortfahren. Wer Nein zur Braunkohle sagt, muss auf importierten Strom zurückgreifen, der unter wesentlich schlechteren Umweltbedingungen produziert wird als bei uns. Ich glaube, dieser Ansatz ist scheinheilig.

Selbstverständlich ist es einfacher, Ziele zu verkünden als diese umzusetzen, insbesondere dann, wenn man nicht in der Regierungsverantwortung steht.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Sie können sie ja abgeben!)

Diesen Vorteil haben Sie, meine Damen und Herren von den GRÜNEN. Aber haben Sie, wie es Ihnen Prof. Mannsfeld schon gesagt hat, einmal an die Menschen gedacht, die in der Lausitz Arbeit und Lohn aus der Verstromung heimischer fossiler Energieträger erhalten? Oder haben Sie an die Mitarbeiter der Unternehmen gedacht, die viel Energie zur Herstellung ihrer Produkte benötigen und diese eben in Länder auslagern, in denen billige Energie zu niedrigsten Umweltstandards verfügbar ist? Haben Sie einmal an unsere Unternehmen gedacht, die nicht nur Spitzenreiter bei modernen Technologien sind, sondern dafür auch sehr viel Energie benötigen, wie zum Beispiel Infineon oder AMD? Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, was es heißt, mit einem Viertel weniger Energie auszukommen? Wollen Sie nur noch stundenweise heizen? Oder gibt es bald Kerzen statt Glühlampen?

Die Bundeskanzlerin hat in ihrer Regierungserklärung zur Energiepolitik am 1. März 2007 im Bundestag ausgeführt, dass wir in der Phase bis 2020 den Beweis erbringen müssen, dass Ökologie und Ökonomie miteinander versöhnt und Strategien entwickelt werden können, die sowohl Wirtschaftswachstum und Arbeitsplätze als auch einen nachhaltigen Umgang mit der Umwelt ermöglichen.

(Zuruf der Abg. Andrea Roth, Linksfraktion)

Frau Hermenau, da ist, glaube ich, auch Ihre Kritik an den Kollegen der SPD nicht gerechtfertigt. Denn es ist auch unser Ansatz, dass wir versuchen, diesen Energiemix zugunsten der erneuerbaren Energie zu verändern. Deswegen stimmen wir der Bundeskanzlerin ausdrücklich zu. Aber als verantwortungsbewusste Regierung sagen wir Ja zur einheimischen Braunkohle. Sie ist im Gegensatz zur Steinkohle subventionsfrei; ich weiß, das wird sofort wieder diskutiert werden. Sie ist noch in ausreichender Menge vorhanden und sie sorgt dafür, dass die deutsche Energieversorgung von Unwägbarkeiten des internationalen Energiemarktes unabhängiger bleibt.

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion)

Braunkohle darf deshalb nicht benachteiligt werden, Herr Porsch. Die im Zuteilungsgesetz vorgeschlagene Zuteilung von Emissionszertifikaten auf der Grundlage eines Benchmarksystems diskriminiert den Energieträger

Braunkohle gegenüber der Steinkohle. Ich glaube, es kann von keiner Privilegierung die Rede sein.

(Beifall bei der FDP)

Die weltweit modernsten Braunkohlenkraftwerke können den im Gesetz, Frau Dr. Runge, vorgesehenen Wert von 750 Gramm CO2 je Kilowattstunde technisch nicht erreichen.

(Dr. Monika Runge, Linksfraktion: Das ist wahr!)

Dies widerspricht der Europäischen Emissionshandelsrichtlinie, wonach die Menge der zuzuteilenden CO2Zertifikate mit dem technischen Potenzial zur Emissionsverringerung im Einklang stehen muss. Das kann man nicht wegreden.

Dagegen wird mit dem jetzt vorgeschlagenen Benchmark nur den Steinkohlenkraftwerken ein erreichbarer Wert zugestanden. Deswegen kann, Frau Hermenau, von keinen Geschenken die Rede sein. Sondern diese Ungleichbehandlung ist auch dann nicht nachvollziehbar, wenn man einmal die Treibhausgasemission für die dem Kraftwerk vorgelagerten Prozessketten Kohleförderung, Aufbereitung, Brennstofftransport, Bau der Anlagen und Import betrachtet.

Nach den vom Öko-Institut – also nicht von meinem Ministerium – veröffentlichten Daten liegen die CO2Emissionen in diesen vorgelagerten Prozessketten – Herr Prof. Porsch, Sie werden staunen – bei Steinkohlenkraftwerken sechsmal höher als bei Braunkohlenkraftwerken.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Ich staune nicht!)

Zusammen mit den CO2-Emissionen aus der Verbrennung, die zweifelsohne bei der Braunkohle höher liegen als bei der Steinkohle – das habe ich ja gesagt –, nähern sich die spezifischen CO2-Emissionen einander an.

Für die Erzeugung einer Kilowattstunde Strom im Neubaublock am Standort Boxberg werden in der Gesamtbilanz annähernd genauso viele Treibhausgase emittiert werden wie durch ein herkömmliches Steinkohlenkraftwerk. Deshalb muss die jetzt mit dem Zuteilungsgesetz geplante Ungleichbehandlung beendet werden. Darum geht es.

Auch Braunkohlenkraftwerke brauchen anspruchsvolle, aber erreichbare Benchmarks. Es geht nicht um Sonderregelungen für die Braunkohle, sondern nur darum, dass die Braunkohle eine faire Chance im Wettbewerb zur Importsteinkohle – ich betone das – erhält.

Frau Hermenau, Sie müssen sich nicht wundern, dass Ihnen Vattenfall sagt, dass sie in Boxberg diesen neuen Block bauen werden. Denn Sie haben es wahrscheinlich nicht verstanden oder wollen es nicht verstehen, worum es wirklich geht. Sie wissen, dass es uns um die Chancengleichheit auch im Strombereich geht.

Wenn Sie wissen, dass zum Beispiel die RWE-Kraftwerke aufgrund ihrer Laufzeitlänge mittlerweile längst abge

schrieben sind, dass ihre Umweltstandards bzw. ihr CO2Ausstoß hoch sind, dann wissen Sie auch, dass bei RWE die Investition in neue Kraftwerke ansteht. Es sei denn, man baut sie gar nicht. Deswegen wundere ich mich darüber, dass Sie hier immer wieder die sächsische Braunkohlenwirtschaft angreifen und dementsprechend für einen Wettbewerbsnachteil der sächsischen Braunkohlenverstromung streiten.

Die größte Herausforderung für die Braunkohle im derzeitigen Energiemix liegt in der Erfüllung der langfristigen Klimaschutzziele. Das ist doch auch für die Braunkohlenwirtschaft klar. Daher unterstützt die Sächsische Staatsregierung Projekte wie die von Vattenfall, den modernen Technologien zur Abschaltung und Speicherung von CO2 zum Durchbruch zu verhelfen.