Protocol of the Session on June 8, 2007

Am 23. Mai 2007 brannten Müllgemische auf der Deponie Gröbern (die „Morgenpost“ vom 24.05.2007 berichte- te). Der Brand konnte erst nach Stunden gelöscht werden.

Fragen an die Staatsregierung:

1. Welche Stoffe in welchen Mengen brannten auf der Deponie Gröbern am 23. Mai 2007?

2. Welche Schadstoffe wurden von den Einsatzkräften (insbesondere Dioxine und Furane) gemessen und in welcher Form wurden Bevölkerung und Feuerwehr davor geschützt?

Bei dem Ereignis handelte es sich nicht, wie dargestellt, um einen Großbrand auf der Deponie Gröbern, sondern um einen Brand auf der Lagerfläche einer Abfall-Sortieranlage im benachbarten Recyclingpark der Firma Nehlsen. Der Betreiber der Deponie, der Zweckverband Abfallwirtschaft Oberes Elbtal, hat sich deshalb bereits mit einer Gegendarstellung an die berichtende „Morgenpost" gewandt.

Insofern beziehe ich Ihre Fragen auf den tatsächlich betroffenen Recyclingpark und beantworte diese wie folgt:

Zu Frage 1. Auf der Lagerfläche des Recyclingparks brannte circa ein Drittel der abgelagerten Abfallmenge. Diese bestand aus Gewerbe- und Baumischabfällen, davon waren circa 55 % brennbare Bestandteile wie Holz, Folie und Kunststoffe.

Zu Frage 2. Eine Messung von Dioxinen und Furanen kann bei Brandereignissen durch die Feuerwehr nicht durchgeführt werden, da die öffentlichen Feuerwehren in

Sachsen nicht über die erforderliche Messtechnik verfügen.

Schadstoffmessungen wurden für Kohlenmonoxid und Blausäure durchgeführt. Die Feuerwehr schützte sich dabei durch das Tragen von umluftunabhängigen Atemschutzgeräten.

Die Messwerte erreichten in unmittelbarer Nähe der Brandstelle circa 50 % der zulässigen maximalen Arbeitsplatzkonzentration. Eine Gefährdung der Bevölkerung – die nächste Wohnbebauung ist circa 800 Meter entfernt – konnte damit ausgeschlossen werden.

Wegen welcher Katalogstraftaten wurden die zwei genannten Fälle in die Datei übernommen? (Nachfrage zu Frage 2)

Gemäß der Errichtungsanordnung des Bundeskriminalamtes zur Verbunddatei „Gewalttäter Links“ ist das Vorliegen bestimmter Katalogstraftaten Voraussetzung, um den personengebundenen Hinweis „Gewalttäter“ zu erhalten bzw. in der betreffenden Datei erfasst zu werden.

In den zwei genannten Fällen lagen als Voraussetzung für die Erfassung jeweils die Begehung der Katalogstraftaten Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte gemäß § 113 StGB und Landfriedensbruch gemäß § 125 StGB durch die betreffenden Personen vor.

Ich schlage vor, dass wir an dieser Stelle die Mittagspause einlegen. Wir treffen uns um 13:35 Uhr wieder.

(Unterbrechung von 12:26 bis 13:37 Uhr)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich begrüße Sie nach der Mittagspause wieder. Wir setzen unsere Tagesordnung fort. Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 3

Umsetzung des Bologna-Prozesses an den sächsischen Hochschulen und Studienakademien

Drucksache 4/7762, Große Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und die Antwort der Staatsregierung

Als Einbringer spricht zunächst die Fraktion GRÜNE, danach die gewohnte Reihenfolge. Herr Abg. Dr. Gerstenberg, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen, die bereits aus der Mittagspause zurückgekehrt sind.

(Vereinzelt Beifall aus den Fraktionen)

„Deutscher Bachelor ist kein Masterstück“ – titelte kürzlich die „Tageszeitung“ und brachte so launig wie treffend den bisherigen Stand des Bologna-Prozesses auf den Punkt. Anlass des Artikels war eine Umfrage unter Studierenden der Humboldt-Universität, aus der erstmals ein umfassender 320-seitiger Lagebericht über die Studierbarkeit der neuen Studiengänge hervorging. Die Hauptziele der Reform, höhere Flexibilität und Mobilität der Studierenden, sind demnach nicht erreicht worden, viele Studiengänge sind schlecht organisiert, die Beratung ist mangelhaft. Zudem zeigt sich, dass zum einen zu wenig Freiräume verbleiben und zum anderen der Bachelor als nicht ausreichend berufsqualifizierend eingeschätzt wird.

Nun könnten die sächsischen Patrioten unter uns hier im Saal abwiegeln und sagen: Das sind typisch Berliner Probleme. Ich muss Sie enttäuschen, zum einen, weil es eher unwahrscheinlich ist, dass die als eine der besten deutschen Hochschulen eingeschätzte HumboldtUniversität den Bologna-Prozess schlechter umsetzt als unsere sächsischen Hochschulen – sie geht nur kritischer damit um –, zum anderen aber, weil die Antwort der Staatsregierung auf unsere Große Anfrage die Berliner Probleme auch für die sächsischen Hochschulen bestätigt.

Wir haben diese Anfrage bewusst zu einem Zeitpunkt gestellt, zu dem einerseits schon genügend Erfahrungen mit den neuen Studiengängen bestehen, um erste Probleme und Fehlentwicklungen abzusehen, andererseits aber auch die Möglichkeit gegeben ist, rechtzeitig gegenzusteuern und die Hochschulen bei einer qualitativ hochwertigen Umsetzung der Studiengänge zu unterstützen.

Erst kürzlich fand in London eine Bologna-Nachfolgekonferenz statt, die die bisherige Umsetzung des Prozesses kritisch bilanzierte. Zentrale Themen waren insbesondere Mobilität, Qualitätssicherung und Beschäftigungsfähigkeit, speziell auch gemeinsame Studiengänge mit ausländischen Hochschulen und flexiblere Curricula während des Bachelorstudiums. Das sind Themen, die aus der Beobachtung deutlicher Fehlentwicklungen aufgegriffen wurden und sich auch auf Sachsen übertragen lassen.

Gerade wer, wie wir GRÜNEN, zu den frühen Befürwortern des Bologna-Prozesses gehört, muss im Interesse des Kernanliegens kritisch und konstruktiv die aktuelle Umsetzung begleiten. Von lobenswerten Ausnahmen abgesehen, zeigt die Zwischenbilanz, dass die Hochschulen vor allem auf die formale und zeitlich straffe Umsetzung und weniger auf die inhaltliche und qualitative Ausgestaltung der neuen Studiengänge achten. Derzeit geht Masse vor Klasse.

Wenn wir die neuen Studiengänge zu einem echten Erfolg machen wollen, dann müssen wir jetzt auf Fehlentwicklungen achten und die Probleme ins Auge fassen.

Worum geht es? Die größten Schwierigkeiten auf den Baustellen Bachelor und Master lassen sich auf vier Feldern beschreiben: Erstens. Mangelnde Rechtssicherheit und Verbindlichkeit der Studiengänge. Zweitens. Ausbleibende Studienreform und geringe Flexibilität im Studium. Drittens. Zurückgehende Internationalität. Viertens. Unzureichende personelle Ausstattung.

Aus Sicht vieler Studierender heißt das: Sie werden in nicht rechtssichere Studiengänge geschickt, in denen sie mehr Studienstress und mehr Prüfungen denn je, aber geringere Chancen auf einen Auslandsaufenthalt erwarten. Sie werden ihr Studium mit einem Bachelorabschluss beenden, der ihnen allenfalls vage Aussichten auf dem Arbeitsmarkt beschert, aber nicht einmal den Zugang zu einem Master sichert.

Viele Studierende der neuen Studiengänge fühlen sich als die sprichwörtlichen Versuchskaninchen im BachelorMaster-Labor und die Ergebnisse unserer Großen Anfrage bestätigen leider dieses Gefühl.

Wie sieht es also aus mit Qualitätssicherung und Rechtssicherheit?

Nur ein Drittel der neuen Studiengänge wurde bisher erfolgreich akkreditiert. Für 39 Studiengänge, also jeden fünften, gibt es keine genehmigte Studien- und Prüfungsordnung. 25 Studienordnungen traten rückwirkend in Kraft. Für Tausende Studierende bedeutet das Unsicherheit im Hinblick auf den Wert ihrer Studien- und Prüfungsleistungen und die tatsächliche Anerkennung ihres Abschlusses.

Wie die Staatsregierung selbst einräumt, ist das hohe Rechtsgut des Vertrauensschutzes für die Studierenden zu wahren. Frau Staatsministerin Stange, wir erwarten aber von Ihnen, dass es nicht bei diesen Worten bleibt, sondern dass Sie Ihrer Verantwortung auch gerecht werden.

(Beifall bei den GRÜNEN und der Linksfraktion.PDS)

Wir erwarten auch, dass für konsekutive, also fachlich zusammenhängende Studiengänge der Bachelor die einzige Zugangsvoraussetzung für den anschließenden Master ist. Es ist eine verhängnisvolle Tendenz, dass für eine Mehrzahl der konsekutiven Masterstudiengänge zusätzliche Hürden aufgebaut werden. Damit riskieren wir, Studierende mit Abschlüssen halben Wertes auf den Arbeitsmarkt zu schicken.

Aus Sicht der Studierenden und der Lehrenden ist die konkrete Studierbarkeit der Studiengänge wohl das gravierendste Problem. Das Meinungsbild in den Hochschulen zeigt, dass die Studiengänge in der Regel eine zu hohe Stoff- und Prüfungsdichte aufweisen. Allzu oft wurde einfach das auf dem Papier der alten Studiengänge vorhandene Studienangebot in die neuen Studiengänge hineingepresst. Eine starke Verschulung hat das ursprüngliche Ziel der Studienreform ins Gegenteil verkehrt. Die Chancen der Reform, innovative Bestandteile in die Module zu integrieren, Seminare, Tutorien und Selbststudium intelligent miteinander zu verbinden, wurden von den sächsischen Hochschulen bisher nur unzureichend genutzt.

In den einzelnen Modulen sind bis zu fünf Prüfungen üblich. Damit steigt die Prüfungslast teilweise auf das Doppelte bis Dreifache. Für die Studierenden bedeutet das nicht nur größeren Stress, es ist letztlich auch kontraproduktiv, weil eine wirkliche Vertiefung in die Inhalte immer schwieriger wird. Auch für den Lehrenden bedeutet die höhere Prüfungsanzahl einen erheblich gestiegenen Arbeitsaufwand.

Ich weiß aus den Hochschulen, dass diese Fragen an den Fakultäten durchaus unterschiedlich gehandhabt werden. Unser Interesse muss es aber sein, durch geeignete gesetzliche Regelungen die Prüfungsdichte generell auf ein Mindestmaß zu reduzieren.

(Beifall der Abg. Heike Werner, Linksfraktion.PDS)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Lieber Herr Kollege Gerstenberg, ist Ihnen eigentlich klar, dass Sie mit Ihren bisherigen Ausführungen den sächsischen Hochschulen und den dort sich wirklich einsetzenden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern ein völlig ungerechtfertigtes pauschales Armutszeugnis auszustellen im Begriff sind?

(Beifall des Abg. Prof. Dr. Roland Wöller, CDU)

Es ist in diesem Sächsischen Landtag üblich, Oppositionsfraktionen

vorzuwerfen, dass sie das Land schlechtreden, wenn sie ihrer Pflicht gerecht werden, Kritik zu üben.

(Beifall des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS)

Was ich ausgeführt habe, ist die mit Zahlen, Daten und Fakten nachweisbare Situation bei der Umstellung der bisherigen Magister- und Diplomstudiengänge auf das Bachelor-Master-System. Das ist die Realität. Wir sollten hier darüber diskutieren, wie wir diese Probleme gemeinsam lösen können.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die sächsischen Hochschulen sehen derzeit auch keine Studieneingangsphasen vor. Ein Blick in das angelsächsische System zeigt, dass insbesondere an den viel zitierten Spitzenuniversitäten wie Stanford zweisemestrige Studieneingangsphasen im Sinne eines Studium generale obligatorisch sind. In Deutschland gibt es das leuchtende Beispiel der Universität Lüneburg, die in allen neuen Studiengängen eine gemeinsame Studieneingangsphase eingeführt hat. Dieses Beispiel zeigt, wie Bologna umgesetzt werden kann. Von der Staatsregierung erwarten wir, dass sie solche Ideen unterstützt und den gesetzlichen Rahmen dafür schafft.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)