Protocol of the Session on June 7, 2007

1960 hatte die Bundesrepublik 27 Milliarden Euro Schulden, Ende 2005 waren es 1 468 Milliarden Euro. Übrigens fallen 61 % der Staatsschulden auf den Bund, 32,5 % auf die Länder und 6 % auf die Gemeinden. Die am stärksten verschuldeten Länder sind Berlin, Bremen und das Saarland.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Wer hat denn in Berlin die Sparkasse verkauft?)

Sie haben immer etwas zu eiern und zu meckern, Herr Porsch.

(Beifall bei der CDU – Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Die CDU hat ja die Schulden angehäuft!)

Bremen ist auch stark verschuldet, das war nicht die CDU. Das Saarland ist auch stark verschuldet, dort war Herr Lafontaine lange Zeit am Ruder. Ein ausgeglichener Haushalt ist in diesen drei deutschen Ländern nicht in Sichtweite. Als vorbildlich gelten die Länder Bayern und Sachsen. In Bayern war es die CSU, in Sachsen die CDU, neuerdings zusammen mit der SPD.

Eine Rangliste der Bundesländer, meine Damen und Herren, nach ihrer Zukunftsfähigkeit sieht indessen doch etwas anders aus. Da ist nicht das einzige Kriterium die geringe Verschuldung, da liegen Baden-Württemberg, Bayern, Hamburg und Hessen vorn. Die neuen Länder liegen insgesamt hinten, wobei Sachsen die 14. Stelle einnimmt vor Berlin und Sachsen-Anhalt. Es zeigt sich hier, dass wir eben doch noch erheblichen Nachholbedarf haben und dafür weiterhin Hilfe brauchen, so wie es der Solidarpakt II vorsieht.

(Beifall bei der CDU und des Staatsministers Thomas Jurk)

Wir sind auch dankbar dafür. Ich warne an dieser Stelle davor, diesen Solidarpakt immer wieder infrage zu stellen, nur deshalb, weil wir unsere Hausaufgaben ganz gut gemacht haben und finanziell ganz gut dastehen. Aber solange junge Menschen ihr Heil in den westlichen Bundesländern suchen und nicht überwiegend hier bleiben, ist noch etwas in Schieflage, und wir müssen weiterhin etwas tun.

(Beifall bei der CDU, der SPD und des Staatsministers Thomas Jurk)

Entscheidend für die Zukunftsaussichten einer Region sind eine im Altersaufbau gut gemischte Bevölkerung und eine gut funktionierende Wirtschaft, die Arbeitsplätze zur Verfügung stellt und neue schafft, und eine Infrastruktur, mit der es sich gut leben lässt. Außer beim Altersaufbau sind wir bei diesen Zukunftsvoraussetzungen in den vergangenen Jahren gut vorangekommen. Der Ministerpräsident hat dazu im Einzelnen gesprochen. Soll das so weitergehen, bedarf es höchster Anstrengungen und des Mutes zu neuen, unkonventionellen Wegen.

Meine Damen und Herren! Wir dürfen nicht verkennen, dass die Musik mehr und mehr in den großen Ballungszentren spielt. In Deutschland sind das die Räume Stuttgart, München und Hamburg. Die Knotenpunkte der Weltwirtschaft liegen indess nicht unbedingt in Deutschland. Während hier eine Stadt mit 200 000 Einwohnern schon als Großstadt bezeichnet wird, wäre eine solche in China eine Provinzstadt. Im Jahr 2006 war Tokio mit 35,5 Millionen Einwohnern die größte Stadt der Welt. Die erste europäische Stadt unter den größten Städten der Welt des Jahres 2006 war Moskau auf Platz 19 mit knapp elf Millionen Einwohnern. Das gesamte Ruhrgebiet kommt mit 6,5 Millionen Einwohnern auf Platz 34. Das sind die Bedingungen, die wir in der Welt von heute vorfinden und die sich auswirken, ob wir wollen oder nicht, auf Wohl und Wehe unseres vergleichsweise kleinen Bundeslandes. Es ist keinesfalls resignativ gemeint, sondern soll auf die Herausforderungen verweisen, vor denen wir stehen, die wir aber meistern können.

Natürlich verfügen wir wie auch andere Regionen über hoch talentierte Menschen. Unsere Chancen liegen darin, einen großen Teil der gut ausgebildeten jungen Leute im Land zu halten und auch etliche wieder zurückzuholen. Wenn es in der Welt Ballungszentren mit großen Wachstumschancen gibt, vergrößert das unsere Exportchancen. Es ist deshalb richtig und sehr zu begrüßen, wenn sich Mitglieder der Sächsischen Staatsregierung immer wieder zusammen mit sächsischen Wirtschaftsvertretern aufmachen, um dort für Sachsen zu werben, wo die Musik spielt. Dazu gilt es, die gebotenen Hilfen aus dem Solidarpakt höchst effektiv zu nutzen und darüber hinaus nichts zu verschenken, was wir mit Reformen und neuen Organisationsmodellen leisten können.

Hinzu kommt, dass die Investitionen, die in unserem Land bereits geflossen sind, nicht leichtfertig weggeworfen werden dürfen, denn wir können nicht davon ausgehen, dass uns irgendjemand auf dieser Welt diese jemals

großzügig wieder ersetzt. Ich denke hier unter anderem an die Investitionen in die sächsische Energiewirtschaft. Davon hat der Ministerpräsident schon gesprochen. Der Vorstand der CDU-Fraktion war Ende Mai in Boxberg und hat sich über den Fortgang der Bauarbeiten am zweiten Block des dortigen Kraftwerkes informiert. Meine Damen und Herren, es ist beeindruckend zu sehen, was dort entsteht.

(Beifall bei der CDU)

Nach Fertigstellung wird es das modernste Braunkohlenkraftwerk der Welt sein mit einem Wirkungsgrad von nahezu 50 %. Herr Lichdi, Sie werden mir dann noch einmal erklären, wie falsch das alles ist. Trotzdem halte ich es auch für falsch, was Sie sagen werden. Ich halte es für unverantwortlich, dass die GRÜNEN einen sofortigen Ausstieg aus der Braunkohlenverstromung fordern, wie wir es schon mehrfach gelesen haben.

(Beifall bei der CDU – Johannes Lichdi, GRÜNE, steht am Mikrofon.)

Herr Lichdi, Sie können dann reden. Ich weiß, was Sie sagen werden, und Sie wissen, was ich antworten werde. Also sparen wir uns das doch. Ich will Ihnen nur sagen, dass in der Oberlausitz niemand für Ihre Haltung Verständnis hat, denn wir können und dürfen trotz einleuchtender Klimaschutzgründe nicht das Kind mit dem Bade ausschütten. Entvölkerte Landschaften, für deren letzte Mohikaner eine fahrbare Bibliothek zur Verfügung gestellt wird, können nicht unser Ziel sein.

(Beifall bei der CDU)

Die CDU-Fraktion teilt die Klimaschutzziele, zu denen sich die CDU Deutschlands in ihrem neuen Grundsatzprogramm bekennt. Der Freistaat Sachsen hat dazu mit der Modernisierung seines Kraftwerkparks bereits einen erheblichen Beitrag erbracht, nämlich 40 % der Verringerung des CO2-Ausstoßes in Deutschland seit 1991/92. Mit Sorge sehen wir deshalb auf die drohenden Wettbewerbsnachteile, die die Braunkohle durch die Gesetzgebung des Bundes erfahren soll, indem sie die Steinkohle und Braunkohle auf einen einheitlichen Grenzwert von 750 Gramm CO2 pro erzeugter Kilowattstunde festlegen will. Da dieser Wert im Gegensatz zur Steinkohle für Braunkohlenkraftwerke technisch nicht erreichbar ist, müssten dafür zusätzliche Zertifikate gekauft werden. Das wäre gleichzusetzen mit einer Sondersteuer für die Braunkohlenverstromung, die den ohnehin hohen Strompreis hierzulande weiter verteuern würde. Wenn unsere Wirtschaftskraft – wie wir es doch alle wünschen – weiter wachsen soll, dann spielen neben anderen Bedingungen eben auch die Energiepreise eine große Rolle.

Ich will ausdrücklich darauf hinweisen und noch einmal das wiederholen, was der Ministerpräsident gesagt hat: dass die von mir erwähnte Erneuerung des Kraftwerkparks über die hohen investitionsbedingten Strompreise von der sächsischen Bevölkerung bereits bezahlt worden ist und immer noch bezahlt werden muss – wie übrigens, das darf man nicht unerwähnt lassen, die Einspeisung des

recht teuren Stromes aus erneuerbaren Energiequellen. Wir könnten ihn nicht einspeisen, gäbe es nicht eine stabile Stromversorgung aus grundlastfähigen fossilen Brennstoffkraftwerken.

(Beifall bei der CDU und der Staatsregierung)

Die Vorsitzenden der CDU-Fraktionen in Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Sachsen haben sich deshalb an den Vorsitzenden der CDU/CSU-Bundestagsfraktion gewandt mit der Bitte, das vorgesehene Bundesgesetz noch einmal zu verändern und die Benachteiligung der Braunkohle aufzuheben.

(Beifall bei der CDU, der FDP und der Staatsregierung)

Hier haben wir dankenswerterweise ein positives Signal erhalten; es wäre hilfreich, wenn sich auch die SPDFraktionen der drei genannten Länder im genannten Sinne einsetzen würden. Da sich unser Koalitionspartner erklärtermaßen auch zur Braunkohle bekennt, gehe ich davon aus, dass wir hier Unterstützung bekommen – vielleicht auch schon bekommen haben.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ja, bitte.

Herr Hähle, ist Ihnen eigentlich bekannt – da Sie dauernd von einer Benachteiligung der Braunkohlenverstromung sprechen –, dass im Gesetz zum Nationalen Allokationsplan II eine doppelte Privilegierung der Braunkohlenverstromung vorhanden ist? Nämlich einmal eine zehnprozentige Aufstockung gegenüber der Steinkohlenverstromung und zweitens soll die Kraft-Wärme-Kopplung, von der es in Sachsen einen hohen Anteil gibt, mit besonderen Zertifikaten ausgestattet werden, sodass man von einer doppelten Privilegierung sprechen muss.

Bitte die Frage!

Ist Ihnen das bekannt?

Frau Kollegin, ich spreche gerade von jenem Allokationsplan II.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS: Sie haben von Benachteiligung gesprochen!)

Danach bekommen Steinkohle und Braunkohle den gleichen Wert von 750 Gramm CO2 pro erzeugte Kilowattstunde,

(Dr. Monika Runge, Linksfraktion.PDS: Das ist nicht das Ganze!)

wobei Braunkohle allenfalls 924 Gramm CO2 pro Kilowattstunde erreichen kann. Alles, was über 750 Gramm liegt, wird mit einer Sondersteuer belegt; das heißt, man muss zusätzliche Zertifikate kaufen. Das können Sie nicht wegreden mit dem Hinweis auf irgendwelche anderen

Energieerzeugungsformen, die nur im einstelligen Prozentbereich bisher eine Rolle spielen. Wir wollen einmal über die Dinge sprechen, die wirklich entscheidend sind.

Ich meine, dass eine Verhinderung der Braunkohlensondersteuer es erleichtern kann, die technische Entwicklung von Kohlekraftwerken mit CO2-Abtrennung und -speicherung zu befördern. Das wäre wirklich ein Exportartikel, der in aller Welt zu Fortschritten auch beim Klimaschutz führen könnte.

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS)

Vattenfall ist dabei, eine Pilotanlage zu errichten, die in Schwarze Pumpe bereits im Mai 2008 mit einer Leistung von 300 Megawatt in Betrieb gehen soll.

Meine Damen und Herren! Mein Plädoyer für die einheimische Braunkohle ist also keine Abkehr vom notwendigen Klimaschutz. Allein auf erneuerbare Energien zu setzen halte ich jedoch für die nächste Zukunft für blanke Illusion.

(Beifall bei der CDU, der FDP und der Staatsregierung)

Denn diese Energieerzeugungsformen sind im Wesentlichen nicht grundlastfähig; deshalb muss es noch eine längere Zeit Energieversorgung aus fossilen Rohstoffen geben – zumal man für die Herstellung von Energieerzeugern wie Solarzellen eine Menge Strom braucht. Rechnet man das alles drauf, käme man bei Solarstrom auf etwa 90 Cent pro Kilowattstunde. Atomstrom belastet den Kunden bisher mit 1,5 Cent pro Kilowattstunde – um einmal den Vergleich zu bringen. Ich will damit nicht sagen, dass es nicht gut wäre, solche Solarkraftwerke zu bauen und Solarzellen herzustellen und zu exportieren.

Aber eines muss auch klar sein: Sollte es tatsächlich, wie vorgesehen, zur schrittweisen Abschaltung der deutschen Atomkraftwerke kommen, die derzeit immerhin 30 % der Stromerzeugung erbringen, dann wird das unvermeidlich zum Bau weiterer Kraftwerke auf der Grundlage fossiler Rohstoffe führen – es sei denn, wir riskieren die vollständige Deindustrialisierung Deutschlands.

(Antje Hermenau, GRÜNE: Das ist doch albern, Herr Hähle!)

Dann würden wir natürlich zwei Prozent dazu beitragen, dass Klimaschutzziele verbessert werden. Zwei Prozent würde die vollkommene Abschaltung aller Industrien in Deutschland ausmachen – Werte, die wir nicht kleinreden wollen, aber die trotz allem einmal in die richtige Relation gesetzt werden müssen. Freilich gibt es neben Kohle auch Öl und Gas – auch davon leben wir –; doch wollen wir uns wirklich auf Dauer von Staaten abhängig machen, die uns möglicherweise eines Tages den Hahn zudrehen könnten? Das frage ich mich ernsthaft.

Es gibt deshalb beim derzeitigen Entwicklungsstand keine vernünftige Alternative zur Nutzung einheimischer

fossiler Rohstoffe innerhalb eines vernünftigen Energiemixes.

Ungeachtet dessen müssen die Anstrengungen zur Entwicklung neuer umwelt- und klimafreundlicher Energieerzeugungsmöglichkeiten weitergehen – dazu hat sich auch der Ministerpräsident bekannt. Das alles liegt im originären Interesse Sachsens. Deshalb halte ich es für erwähnenswert im Rahmen einer Debatte zur Regierungserklärung des Ministerpräsidenten zur Halbzeit der Legislaturperiode.