Protocol of the Session on January 21, 2005

(Heiterkeit)

Herr Staatsminister, Sie sind ein PR-Mann. Sie sind wenigstens seit 1990 – und den größten Teil Ihres Lebens vorher – in der Politik. Das merkt man auch. Sie wissen, wie es geht. Sie fangen hier an, uns – ähnlich wie Bandmann von der anderen Seite – zunächst einmal, wie Bandmann über Schmökel kommt etc. pp. und dabei Touristen und Terroristen verwechselt,

(Heiterkeit)

die Sache mit der Elbfähre vorzutragen und mit dem Hubschrauber und mit dem und dem, etwa mit dem Trend: Wie dürft ihr denn, wie könnt ihr denn im Landtag darüber überhaupt noch reden? Oder wie Herr Bandmann sagt: Wenn Herr Spang da ist, um Himmels

willen, was bekommt er oder die Polizei für ein Bild über den Landtag, dass dort etwas Abfälliges zur Polizei gesagt wird? Da sage ich wieder: Wo leben wir denn?!

Herr Staatsminister, wenn Sie sagen, es sei doch nur auf Hunde geschossen worden, Folgendes: Als Sie im Jahr 1990 in die Präambel geschrieben haben wollten, dass es um die Bewahrung der Schöpfung geht und dass dieses Land Achtung haben möge vor der Schöpfung, habe ich als Atheist – das gebe ich zu – mich gefragt, was im Einzelnen gemeint ist. Vielleicht sollten Sie mal nachlesen, was Schöpfung ist, oder in die Bibelstunde gehen, wie immer Sie wollen.

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, PDS)

Ich halte es für ausgesprochen respektlos. Bis heute steht in der Zeitung, von dem Polizeiobermeister ausgesagt – bis heute! –, dass er den Beamten gesagt habe, beide Hunde, der alte Schäferhund wie der Labrador, seien ausgesprochen friedlich, man müsse ihnen nichts tun, und zwar nachdem er bereits zu Boden gebracht war. Dennoch ist geschossen worden, 17 Schüsse – ich sage es noch einmal –, zwölf aus der langen Waffe und fünf aus der Pistole. Da sage ich schon, dass das auch unter dem Aspekt „Bewahrung der Schöpfung“ nicht koscher ist, auch wenn es „nur“ Hunde waren.

(Vereinzelt Beifall bei der PDS)

Sie sagen weiter, Sie hätten den Satz „Sage mir, mit wem du wohnst, und ich sage dir, wer du bist.“ spontan geäußert. Nach allem, was ich kenne, haben Sie ihn am 21.12.2004 geäußert.

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Richtig!)

Das war vier Tage nach dem Ereignis. Da hatten Sie genügend Abstand und ausreichend Zeit zu überlegen, was Sie sagen.

Das ist doch das Dilemma dieser Politik: Warum geht es einfach nicht mehr, dass Politiker, vor allem in Amtshöhen, schlicht und ergreifend sagen können: „Da habe ich etwas falsch gemacht“, um dann geordnet zurückzurudern? Warum muss man den verzweifelten Versuch unternehmen, etwas zu verteidigen, was wirklich falsch und unanständig war?

(Beifall bei der PDS, der FDP und der Abg. Astrid Günther-Schmidt, GRÜNE)

Wird von der SPD-Fraktion noch das Wort gewünscht? – Von der NPD-Fraktion? – BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN? – Herr Lichdi, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Staatsminister de Maizière, Sie sind nach meiner festen Überzeugung durch Ihren Redebeitrag Ihrer Vorbildrolle, die Sie für sich reklamiert haben, in keiner Weise gerecht geworden.

(Zuruf des Abg. Dr. Fritz Hähle, CDU)

Das möchte ich hier ausdrücklich feststellen. Sie haben wiederum – obwohl ich am Mittwoch versucht hatte, Ihnen meine Sicht der Dinge nahe zu bringen – Fragen

der Sauberkeit der Verwaltung vermischt mit Fragen der Rechtmäßigkeit, der Rechtswidrigkeit, der Geeignetheit, der politischen Richtigkeit, der nachträglichen Bewertung des SEK-Einsatzes in Loschwitz. Das sind schlicht und ergreifend verschiedene Paar Stiefel. Ich bin schon entsetzt, dass Sie auch heute, nach wiederholter Diskussion, offensichtlich nicht in der Lage sind, diese Unterscheidung zu treffen.

Ich sage Ihnen eindeutig, was ich am Mittwoch nicht so klar sagen wollte: Wenn Sie als Dienstherr zu der Auffassung kommen, dass es für das Ansehen der Verwaltung und für das Ansehen und die Sauberkeit der Polizei notwendig erscheint, Versetzungen vorzunehmen, dann würde ich dem persönlich hohes Verständnis entgegenbringen. Das ist aber ein völlig anderer Sachverhalt als die Frage der Betroffenheit durch den strafprozessualen Eingriff in Loschwitz.

Herr Minister, ich diskutiere mit Ihnen auch gern über Kinderstuben und über die allgemeine Individualisierung der Gesellschaft und darüber, dass doch, wie alle Konservativen meinen, die Werte immer mehr verfallen und dass das schrecklich für unsere Gesellschaft sei.

(Zuruf des Abg. Heinz Eggert, CDU)

Ich diskutiere auch gern mit Ihnen über den Kitt der Gesellschaft. Genau das ist aber aus meiner Sicht Ihr Problem. Sie sind offensichtlich gedanklich nicht in der Lage zu unterscheiden zwischen den ethischen Fragen, die sicher stehen und über die wir gern in einem anderen Rahmen diskutieren können, und der Verfasstheit unserer Gesellschaft, die durch das Grundgesetz und die Sächsische Verfassung geprägt ist. Genau das kann aber nur unser Maßstab in dieser Angelegenheit sein.

Deswegen habe ich Sie noch einmal aufzufordern, Ihre Äußerungen richtig zu stellen. Aus meiner Sicht haben Sie diese leider bestätigt.

Herr Staatsminister, ich gebe Ihnen gern bei dem Recht, was Sie über das SEK gesagt haben. Wenn es tatsächlich in den letzten fünf Jahren nur zu drei Schusswaffeneinsätzen gekommen ist, spricht das aus meiner Sicht durchaus für einen sehr überlegten und sorgfältigen Einsatz des SEK. Von außen kann man das nicht kritisieren. Das gestehe ich Ihnen gern zu.

Warum hat der SEK-Einsatz in Dresden-Loschwitz so hohe Wellen geschlagen?

(Zuruf des Abg. Dr. Fritz Hähle, CDU)

Sie haben es angesprochen. In der Öffentlichkeit ist gerade auch aufgrund Ihrer Äußerungen der Eindruck entstanden, dass jede Bürgerin und jeder Bürger willkürlich von massiven Polizeieingriffen betroffen werden kann, auch wenn nichts gegen ihn vorliegt. Was die Bürgerinnen und Bürger in diesem Fall besonders erschreckt hat, ist doch die Angst, selbst Opfer eines nächtlichen Überfalls des SEK zu werden.

Sie werden sagen, dass ich, wenn der Einsatz rechtmäßig war, nicht von einem Überfall des SEK sprechen darf und dass das keine angemessene Sprache sei. Herr Kollege Zastrow hat es angesprochen, dass das für den, den es betrifft, irrelevant ist. Dem Bürger, der betroffen ist, nützt es in seiner subjektiven Wahrnehmung nichts,

wenn ihm ein Gericht später bescheinigt, dass der Einsatz rechtmäßig war. Hier scheint mir das eigentliche und viel tiefer greifende Problem dieses Falls zu liegen. Darüber wollte die FDP eigentlich diskutieren. Aus unserer Sicht sind in den letzten Jahren die strafprozessualen und polizeilichen Eingriffsmittel derart ausgedehnt worden, dass der Bürger tatsächlich von unzähligen Eingriffen betroffen wird, ohne dass er die Chance hat, sich effektiv dagegen zu wehren.

(Dr. André Hahn, PDS: Das ging auch von der Bundesregierung aus. Das haben Sie mit beschlossen!)

Herr Dr. Hahn, ich gebe Ihnen ausdrücklich Recht, ich habe viele Probleme mit der rot-grünen Innenpolitik in Berlin. Das gestehe ich Ihnen ausdrücklich zu. Ich erinnere an den Großen Lauschangriff, die Telefonund Videoüberwachung oder die Schleierfahndung in Sachsen, die Sie vor einigen Jahren mit dem Argument eingeführt haben, dass die so genannte grenzüberschreitende Kriminalität bekämpft werden muss.

(Volker Bandmann, CDU: Das ist höchstrichterlich bestätigt worden!)

Mittlerweile – das weiß leider auch keiner – werden die meisten Eingriffe der Schleierfahndung innerhalb Sachsens und nicht in der 30-km-Zone ausgeübt. Im Polizeirecht – Sie wissen das, Herr Staatsminister – ist die Anknüpfung eines Polizeieinsatzes an eine akute Gefahr für die öffentliche Sicherheit dem Grunde nach aufgelöst worden. Damit fehlt systematisch jeder Ansatzpunkt für eine Prüfung der Verhältnismäßigkeit. Genau darum geht es. Herausgekommen ist ein polizeiliches Ermittlungs- und Gefahrenabwehrrecht, das zunehmend allein an polizeilichen Effektivitätsvorstellungen orientiert ist. Ich habe tatsächlich den Eindruck, dass Ihnen das Spannungsverhältnis zwischen polizeilichen Effektivitätsvorstellungen und dem Bewusstsein, Herr Spang, dass es sich, wie etwa beim SEK-Einsatz, um massive Grundrechtseingriffe handelt, systematisch abhanden gekommen ist. Wir können das auch mit einem aktuellen Anlass verknüpfen, und zwar mit dem Fall Moshammer und dem genetischen Fingerabdruck. Herr Staatsminister Mackenroth, Sie haben sich dafür ausgesprochen, dass das ein Standardmittel der Polizei wird. Es ist schlicht und ergreifend ein weiterer Dammbruch, wenn wir die so genannten nicht codierenden Teile jetzt als polizeiliche Standardmittel verwenden wollen. Es geht dabei – was viele nicht wissen – eben nicht mehr wie beim Fingerabdruck um die einfache Identifizierung. Denn auch die so genannten nicht codierenden Teile der DNA geben Auskunft über Geschlecht, Herkunft und anderes, was wichtig ist. Ich sage Ihnen, Herr Mackenroth und Herr de Maizière: Was mir wirklich Sorge macht, ist nicht so sehr der SEKEinsatz – der ist aufzubereiten, auch wenn Ihre Äußerungen eine andere Geschichte sind –, sondern die uferlose Ausweitung der polizeilichen Eingriffsmittel und die Art und Weise, wie darüber in der Öffentlichkeit ge

sprochen wird. Dafür tragen Sie, auch mit Ihren Äußerungen, Verantwortung. Das bedaure ich sehr. Ich fordere Sie auf, auf einen rechtsstaatlichen Weg zurückzukehren! Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den GRÜNEN, der PDS, der SPD und der FDP)

Wird von den Fraktionen noch das Wort gewünscht? – Herr Dr. Hähle, bitte.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe mir die ganze Zeit überlegt: Welchen Eindruck werden denn die Bürgerinnen und Bürger auf der Besuchertribüne von dieser Debatte gewinnen? Welchen Eindruck haben diejenigen, die unsere Landtagssitzung von außen verfolgen? Es wird hier von einigen Fraktionen der Eindruck vermittelt, als müsse sich unser Volk insbesondere vor dem SEK in Acht nehmen.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD – Zuruf von der PDS: Unsinn!)

In Wirklichkeit besteht doch bei den Leuten Angst vor Verbrechern. Es wird immer wieder gefragt: Macht ihr genug, um dem um sich greifenden Unwesen von Banden- und Rauschgiftkriminalität etwas entgegenzusetzen? Das ist eine Abwägungsfrage. Natürlich ist es auch unsere Aufgabe, über den Schutz der Freiheitsrechte zu diskutieren.

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Nicht nur auch, sondern vorrangig!)

Wenn es gang und gäbe wäre, wenn jeden Tag ein Polizeieinsatz in diesem Lande drohte, bei dem unschuldige Bürgerinnen und Bürger betroffen wären, dann wären wir weit in Richtung Diktatur und Polizeistaat vorgedrungen. Das ist wohl wahr. Aber ich glaube, unserem demokratischen Staat kann man doch wohl am wenigsten vorwerfen, dass er zu locker und nachlässig agiert und zu rigoros gegen Unschuldige vorgeht. Die Meinung der Bevölkerung ist immer noch die, dass zu wenig getan wird und die Polizei nicht schlagkräftig genug ist.

(Beifall bei der CDU)

Ich will das gar nicht verniedlichen. Es ist einmal etwas schief gegangen. Es war nicht so optimal. Das hat der Innenminister mehrfach zugegeben.

Aber wir wollen auch an die vielen zielführenden Einsätze denken und wollen dankbar sein, dass sich der demokratische Rechtsstaat bei Wahrung unserer Freiheitsrechte trotz allem als wehrhaft erweist.

Vielen Dank.

(Starker Beifall bei der CDU – Zuruf des Abg. Prof. Peter Porsch, PDS)

Wird von den Fraktionen noch das Wort gewünscht? – Die Staatsregierung? – Meine Damen und Herren! Damit ist die 1. Aktuelle Debatte, beantragt von der Fraktion der FDP, „Probleme bei der Planung und Durchführung von Einsätzen des Spezialeinsatzkommandos der sächsischen Polizei“, beendet.

Wir kommen zu

2. Aktuelle Debatte