Protocol of the Session on January 21, 2005

Verhalten der Sächsischen Staatsregierung und des Landtages zu Erinnerungs- und Gedenkveranstaltungen zum 60. Jahrestag der angloamerikanischen Terrorangriffe auf die sächsische Landeshauptstadt Dresden

Antrag der Fraktion der NPD

Zuerst hat ein Vertreter der NPD-Fraktion das Wort. Danach CDU, PDS, SPD, FDP, GRÜNE; Staatsregierung, wenn gewünscht. Die Debatte ist eröffnet. Die Fraktion der NPD hat das Wort. Herr Abg. Apfel, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Was sich die Blockparteien in den letzten Jahren anlässlich des 13. Februar geleistet haben, in diesem Jahr insbesondere, kann man nur noch als beschämend bezeichnen. Da wird pedantisch darüber gewacht, dass der Landtag hier in Sachsen zur gedenkfreien Zone ernannt wird, und gleichzeitig darf ein britischer Historiker im Stadthaus von Dresden auftreten, die Opfer des angloamerikanischen Bombenterrors zu verhöhnen und zu behaupten, dass die Luftangriffe auf Dresden legitim und rechtens gewesen seien. Da werden

perverse, Opfer verhöhnende Aktionen linksradikaler Chaoten aus dem Umfeld der PDS geduldet, verharmlost oder gar gutgeheißen, wie sie alljährlich zum 13. Februar praktiziert werden. Die CDU verschwendet nicht einmal den geringsten Gedanken daran, eventuell eine eigene Gedenkveranstaltung zum 13. Februar durchzuführen. Nein, sie plant stattdessen lieber Feierlichkeiten zum Jahrestag der Befreiung von Auschwitz oder zum 8. Mai, der vermeintlichen Befreiung Deutschlands.

(Protest bei der PDS)

Doch für die Opfer des alliierten Bombenterrors bleibt offensichtlich im dicht gefüllten Terminkalender der Sühnekultur in Deutschland kein Platz mehr übrig. Das alles, meine Damen und Herren, ist jämmerlich, ist würdelos bis zum Erbrechen.

Meine Damen und Herren! Tun Sie eigentlich nur so, oder sind Sie tatsächlich so blind gegenüber der Tragödie, die dem deutschen Volke zu Leide getragen wurde? Wissen Sie wirklich nicht oder wollen Sie nicht wissen, dass in Dresden ein kaltblütig geplanter industrieller Massenmord an der Zivilbevölkerung stattgefunden hat?

(Heftiger Protest bei der PDS)

Wissen Sie wirklich nicht, dass der britische Premierminister Churchill bereits eine Woche vor der Vernichtung Dresdens auf der Konferenz von Jalta sich dafür gerühmt hat, dass bereits sechs bis sieben Millionen Deutsche ums Leben gekommen sind?

Uns wird oft vorgeworfen, wir würden Zahlenklauberei betreiben. Aber glauben Sie mir, um Zahlen geht es uns gar nicht. Dazu gibt es viel zu viele offenkundige Aussagen, beispielsweise vom sowjetischen Außenminister Molotow, der seinerzeit von 250 000 Toten sprach. Dann hören wir ständig die Propagandazahlen von 25 000 oder 35 000 Opfern. Dieses Marginalisieren ist ein Schlag in das Gesicht aller toten Männer und Frauen, aller Kinder und Greise von Dresden.

(Beifall bei der NPD)

Nur bei anderen Opfergruppen sind Sie nicht so pingelig, wenn einmal eine Null fehlt. Sind Ihnen deutsche Opfer weniger wert als andere? Gibt es für Sie Opfer erster Klasse, die man betrauern darf, und Opfer zweiter Klasse, die man verhöhnen darf? Ist es nicht absurd, dass ausgerechnet jene an Zahlen herummanipulieren, die sonst bei jeder Gelegenheit Menschen vor Strafgerichte des BRD-Gesinnungsstaates zerren, weil sie jüdische Opferzahlen infrage stellen?

(Heftige Proteste bei der PDS)

Herr Apfel, ich bitte Sie, sich inhaltlich zu mäßigen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist nicht so, dass wir das Gedenken an den 13. Februar für uns pachten wollen.

(Heftige Proteste bei der PDS)

Ja, Wahrheiten wollen Sie nicht hören, das ist klar, von der PDS. – Ganz im Gegenteil. Uns ist an einem würdigen, ehrlichen Gedenken zum 13. Februar gelegen. Gerade weil dem so ist, hat die Junge Landsmannschaft Ostpreußen der CDU in Person von Herrn Dr. Hähle und von Herrn Milbradt die Schirmherrschaft für den Trauermarsch zum 13. Februar angetragen, jene Junge Landsmannschaft Ostpreußen, die Gott sei Dank noch in dieser individualisierten Spaßgesellschaft heute deutlich macht, dass es junge Menschen gibt, die der nationalen Selbstvergessenheit trotzen und die für ein wirklichkeitsgerechtes Geschichtsbild eintreten. Dafür ein herzliches Dankeschön an die Junge Landsmannschaft Ostpreußen.

(Beifall bei der NPD)

Unsere Fraktion hat bereits angekündigt, dass wir auf der nächsten Sitzung den Antrag stellen werden, dass

endlich eine Staatsstiftung als zentrale Gedenkstätte für die zivilen Opfer des Bombardements als Dokumentationsarchiv eingerichtet wird. In diesem Zusammenhang sei der ehemalige Direktor des Holocaust-Museums in Washington, Michael Berenbaum, mit seiner so genannten Shoah-Stiftung zitiert: „Wir geben den Opfern ihre Namen, ihre Identität und ihre Geschichte zurück.“ Sie werden nachvollziehen, meine Damen und Herren, dass auch wir dies möchten, nämlich den Toten ihre Identität und Geschichte zurückzugeben.

Das Gedenken an Dresden war noch nie so aktuell wie heute. Die Gleichen, die damals keine Skrupel hatten, Abertausende Zivilisten kaltblütig umzubringen, kennen auch heute keine Skrupel. Von Dresden über Korea, Vietnam und Bagdad zieht sich eine Spur durch das 20. Jahrhundert, die Sie auch mit noch so viel Niedertracht nicht den Deutschen in die Schuhe schieben können. Die gleichen Massenmörder, die am 13. Februar Dresden ausgelöscht haben, sind heute drauf und dran, neue Kriege vom Felde zu ziehen.

(Heftige Proteste bei der PDS und der SPD)

Herr Apfel, ich bitte Sie, sich in Ihrer Ausdrucksweise zu mäßigen!

Sie können das gerne weiter hinnehmen. Unsere Fraktion jedoch wird es nicht hinnehmen, dass wir uns auch in der Zukunft nicht zu Komplizen angloamerikanischer Gangsterpolitik machen lassen, meine sehr verehrten Damen und Herren.

Herr Apfel, Ihre Redezeit ist um.

Da können Sie schreien, so viel Sie wollen, meine sehr verehrten Damen und Herren. Offensichtlich sind auch wir die Einzigen, die heute noch gegen Kriegstreiber – –

Herr Apfel, die Redezeit ist um!

(Der Präsident beendet die Redezeit, indem er das Mikrofon abschaltet. – Heftige Proteste bei der CDU, der PDS, der SPD, der FDP und den GRÜNEN – Beifall bei der NPD)

Wird von der CDU-Fraktion das Wort gewünscht? – Die SPD-Fraktion? – Herr Prof. Weiss, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Es fällt mir schwer, nach diesen mit Schaum vor dem Munde in Goebbels'scher Manier vorgetragenen Hasstiraden zu sprechen. Aber ich werde und ich muss es tun. In jedem Jahr gedenken die Dresdner in der Nacht vom 13. zum 14. Februar der Zerstörung ihrer Stadt. Tausende unschuldige Menschen – Frauen, Männer, Kinder –, darunter unzählige Flüchtlinge, auch verwundete Soldaten, kamen im schnell entstehenden Feuersturm auf grässliche Weise ums Leben.

In dieser Stunde spreche ich als Alterspräsident im Namen aller demokratischen Fraktionen dieses Hohen Hauses. Ja, wir gedenken, wir trauern und viele von uns beten zu Gott, dass sich Derartiges niemals wiederholen möge, in keinem Teil unserer einen Welt. Wir dürfen das Dresdner Inferno niemals vergessen, niemals. Aber wir dürfen auch niemals vergessen, wie es dazu kam.

Zuerst brannten Bücher. Im Frühjahr 1933 schon loderten überall in Deutschland die Scheiterhaufen der Nazis, auf denen sie bedeutende Werke der Weltliteratur verbrannten. „Entartete Kunst“, sagte die Intoleranz.

Nach den Büchern brannte Guernica. Am 26. April 1937 waren nach dreistündiger Bombardierung durch die so genannte Legion Kondor drei Viertel der baskischen Kleinstadt zerstört und etwa 1 700 Menschen, fast ein Zehntel der Bevölkerung, fast ausschließlich Zivilisten, ums Leben gekommen.

Dann brannten die Synagogen in der Reichspogromnacht vom 9. zum 10. November 1938, auch das von Gottfried Semper gebaute Gotteshaus in Dresden.

In der Nacht vom 14. zum 15. November 1940 fand das weltweit erste Flächenbombardement auf eine Innenstadt als Teil der deutschen strategischen Luftkriegsführung statt. Die Angreifer waren 440 Maschinen der Luftwaffe Hermann Görings. Das Opfer war die Stadt Coventry. Propagandaminister Goebbels bereicherte die deutsche Sprache um das Wort „coventrieren“ – eine Präzisierung des bereits zynischen hitlerischen „Ausradierens“. Aber dies alles war erst der Anfang.

Das Grauen steigerte sich nachfolgend zur Apokalypse. In den Krematorien der Vernichtungslager des NS-Regimes verbrannten Millionen Juden, Sinti und Roma, und ein Weltbrand fand statt.

Am Ende, meine Damen und Herren, kehrte das Feuer in das Land der Brandstifter zurück, so wie es Heinrich Heine in hellseherischer Voraussicht einmal gesagt hatte: „Dort, wo man Bücher verbrennt, verbrennt man am Ende auch Menschen.“

Eine deutsche Stadt nach der anderen fiel den alliierten Bombenangriffen zum Opfer, und keine drei Monate vor Kriegsende traf dieses Schicksal auf besonders furchtbare Weise die Kunst- und Kulturstadt Dresden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! So wichtig es ist, diese schrecklichen Ereignisse unserer gemeinsamen Geschichte in der Erinnerung zu bewahren, so sinnlos, ja, gefährlich ist es, sie gegeneinander aufzurechnen.

„Brücken bauen, Versöhnung leben“ – das stand unlängst in großen Lettern an der damals noch eingerüsteten Frauenkirche, und das ist der gute Geist, der fortan in uns leben muss.

Deshalb, liebe Demokratinnen und Demokraten, gilt es, mit aller Entschiedenheit jenen in den Arm zu fallen, die schon wieder nach der Brandfackel greifen – ausgerechnet hier in Dresden! Dazu gehören auch Ihre Hasstiraden, Herr Apfel!

In Punkt 10 des Programms der NPD, der die bezeichnende Überschrift „Deutschland in seinen geschichtlich gewachsenen Grenzen“ trägt, steht geschrieben: „Deutschland ist größer als die Bundesrepublik“ und weiter: „Wir fordern die Revision der nach dem Krieg abgeschlossenen Grenzanerkennungsverträge.“

Meine Damen und Herren! So fing es schon einmal an! Erst wollte der größte Führer aller Zeiten Österreich, dann das Sudetenland, dann Resttschechien, dann den Korridor, dann ganz Polen und schließlich die ganze Welt. – Ein Verführer, ein verführtes Volk, das am Ende zur Rechenschaft gezogen wurde.

Meine Damen und Herren! „Das große Karthago führte drei Kriege: Nach dem ersten war es noch mächtig, nach dem zweiten war es noch bewohnbar, nach dem dritten war es nicht mehr zu finden.“

Sorgen wir Demokraten gemeinsam dafür, dass dieses Brecht-Wort nicht zur Realität wird! Sorgen wir gemeinsam dafür, dass sich Geschichte nicht wiederholt!

Das, und nichts anderes, ist das Vermächtnis von Dresden – die Lehre aus jener furchtbaren Nacht vor 60 Jahren!

(Alle Anwesenden – außer den Abgeordneten der NPD – erheben sich von den Plätzen und spenden starken, langanhaltenden Beifall.)

Wird von den Fraktionen noch das Wort gewünscht? – Bitte, Herr Gansel.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren der sächsischen Blockparteien! Ich schäme mich zwar etwas dafür, dass ich die eben aufbrausende Applausseligkeit stören muss, aber ich möchte noch einmal einige historische Sachen anbringen, denn moralische Betroffenheit ersetzt keine historischen Fakten.