Herr Kollege Lichdi, Sie sagten, dass Herr Paeffgen den Untreuetatbestand erfüllt sah. Ist Ihnen bekannt, dass im Ergebnis des Untersuchungsausschusses die Vertreter der damaligen PDS-Fraktion Strafanzeige gestellt haben und dass diese Strafanzeige durch den Generalstaatsanwalt unter anderem mit dem einzigen Verweis eingestellt worden ist, dass die Straftaten inzwischen verjährt seien?
Herr Kollege Hahn, dies ist mir sehr wohl bekannt, und genau darauf beziehe ich mich: auf diesen Einstellungsvermerk von Herrn Schwalm. Insofern kann ich Ihrer Fraktion nur zustimmen, wenn sie Herrn Schwalm für die denkbar ungeeignetste Person zur Aufklärung hält.
Meine Damen und Herren! Die feingliedrigen juristischen Argumentationen Paeffgens kommen einer juristischen Hinrichtung erster Klasse gleich. Ich bin gespannt, ob sie den brutalstmöglichen Aufklärer Mackenroth zu Taten veranlassen.
Der Freistaat Sachsen hat seit 1990 leider noch keinen Regierungswechsel erlebt, sondern die nunmehr 17-jährige Alleinherrschaft einer Partei erlitten. Diese Partei hat in schier unglaublich vollständiger Weise über Sachsen geherrscht, und die CDU hält diesen Zustand immer noch für naturgegeben. Alle in diesem Hause wissen, dass Milbradt und die CDU die Koalition mit der SPD als lästigen und vor allem vorübergehenden Betriebsunfall betrachten. Diese CDU-Alleinherrschaft schafft Gemeinsamkeiten, Abhängigkeiten und Vertraulichkeiten, die nie aufgebrochen wurden und aus denen ein ähnlicher Geruch aufsteigt wie aus dem Leipziger Sumpf.
Anders als in anderen Bundesländern hat es der derzeit amtierende Ministerpräsident aufgrund eigener Verstrickungen und politischer Schwäche nicht geschafft, für ein Klima der Aufklärung und Offenheit in der sächsischen Regierung und Verwaltung zu sorgen. Es ist sehr aufschlussreich, die Aktionen und Nicht-Aktionen des Ministerpräsidenten in diesen Tagen zu beobachten. Herr Milbradt eilt seinen bedrängten Ministern in einem gezielten Ablenkungsmanöver auf Kosten der Verfassung zu Hilfe. Er fordert schnell einmal die weitere Beobachtung der OK durch den Verfassungsschutz. Als ob Sachsen der schweren Kriminalität hilflos gegenüberstünde, wenn man die Schlapphüte nicht heranließe!
(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der Linksfraktion.PDS – Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Einfallslosigkeit!)
Dieser Tage erst hat LKA-Chef Scholz breit über die Aufklärungsarbeit seiner Behörde gegen die Organisierte Kriminalität berichtet, und, Herr Staatsminister Buttolo, ich kann es Ihnen nicht ersparen: Was Sie heute zum wiederholten Male – auch schon im Ausschuss – vorgetragen haben, ist schlicht und ergreifend die Unwahrheit.
Sie behaupten die ganze Zeit, dass es der Polizei – namentlich dem Landeskriminalamt – nicht möglich sei, im Vorfeld Strukturen zu ermitteln.
Ich bitte Sie um die Lektüre des § 1 Abs. 1 Nr. 2 des Sächsischen Polizeigesetzes. Darin steht ausdrücklich etwas von der „vorbeugenden Bekämpfung“, und in Nr. 3 steht etwas davon, dass „Vorbereitungen zu treffen sind, um künftige Gefahren abzuwehren“.
Außerdem wissen Sie genau, dass die sogenannten nachrichtendienstlichen Mittel, die klassischerweise dem Verfassungsschutz zugestanden werden, seit ihrer nachholenden Legalisierung hier in Sachsen seit spätestens 1994 auch der Polizei zur Verfügung stehen. Es ist also schlichtweg nicht wahr, wenn Sie hier laufend den Eindruck erwecken, als ob wir den Verfassungsschutz bräuchten, um gegen die OK vorgehen zu können.
Es verhält sich andersherum: Sie haben dem Verfassungsschutz diese Zuständigkeit zugeschanzt und Personal aus dem LKA in Größenordnungen abgezogen, um es in den Verfassungsschutz zu stecken. Im Übrigen haben Sie diese Personalstellen bis heute nicht wieder zurückgezogen. Ich sage Ihnen: Auch darin liegt Ihre Verantwortung.
Statten Sie das LKA so aus, dass es seinen Job tun kann, und versuchen Sie hier nicht diese billigen Ablenkungsmanöver!
Milbradt fordert mit seinem erneuten Versuch, den Verfassungsschutz zur Beobachtung der OK herbeizuführen, nicht weniger als einen offenen und bewussten Verstoß gegen die Entscheidung des Sächsischen Verfassungsgerichtshofes vom 21. Juli 2005.
Er schert sich überhaupt nicht um diese Entscheidung. Damit liegt er mit seinen Ministern Buttolo und Mackenroth, denen er beispringen will, auf einer Linie.
Wir erinnern uns: Staatsminister Buttolo verstößt mit seiner Teilnahme an der Antiterrordatei gegen das Trennungsgebot des Artikels 83 der Verfassung und mit seinem Internetpranger gegen den elementaren Grundsatz der Menschenwürde, und Staatsminister Mackenroth möchte gegebenenfalls gleich die Verfassung ändern, wenn seine demokratiefeindlichen Verbotsspiele im Versammlungsrecht vom Verfassungsgericht aufgehoben werden sollten.
Auf diese Weise signalisiert man einem Verfassungsgericht, doch bitte nicht aus der schwarzen Reihe zu tanzen und im Regierungssinne zu entscheiden. Ich frage Sie,
Meine Damen und Herren! In diesen Tagen fragen wir uns alle, ob ein Untersuchungsausschuss notwendig ist. Die GRÜNEN im Sächsischen Landtag werden sehr bald für die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses eintreten, wenn die Staatsregierung die Aufklärung weiter schleifen lässt. Wir erwarten einen umfassenden Bericht der Staatsregierung bis zum 30. Juni 2007. Das ist der Inhalt unseres Antrages, der Ihnen vorliegt.
meine Damen und Herren: Welchen Eindruck muss dies auf einfache Richter und Staatsanwälte machen, wenn man mit dem höchsten sächsischen Gericht derart umspringt?
Meine Damen und Herren! Was ist zu tun? Es ist vor allem dafür zu sorgen, dass das Geraune um die Gerüchteküche endlich aufhört. Das Justizministerium muss sich aktiv um die Akten des Verfassungsschutzes bemühen, für ausreichende Ermittlungskapazitäten sorgen und alle Personen, die auch nur im Entferntesten im Verdacht der Vertuschungen stehen, von den Ermittlungen fernhalten. Wir erwarten, dass die Staatsanwaltschaft bald Licht ins Dunkel bringt. Wir erwarten, dass die öffentlich genannten Personen möglichst bald entweder rehabilitiert oder einer öffentlichen Anklage unterworfen werden. Wir fordern, endlich die Konsequenz aus der Aktenaffäre zu ziehen und zu erkennen, dass der Verfassungsschutz mit seinem Beobachtungsauftrag außerhalb des Legalitätsprinzips die denkbar ungeeignetste Behörde zur Verhinderung oder Aufklärung von Straftaten und zum Schutz der Bürgerinnen und Bürger ist.
Wir fordern die demokratischen Oppositionsfraktionen auf, mit uns gemeinsam zu beraten, wie der Untersuchungsauftrag aussehen und wann der Antrag eingebracht werden soll. Ich fordere insbesondere die Linksfraktion.PDS auf, die allein in der Lage ist, einen Ausschuss einsetzen zu lassen, an dieser Stelle parteipolitische Profilierungen im Interesse eines breit getragenen Untersuchungsauftrages hintanzustellen.
Das war die erste Debattenrunde aus den Fraktionen. Ich frage, ob es weiteren Diskussionsbedarf gibt. – Für die Linksfraktion.PDS Frau Abg. Lay, bitte. interjection: (Beifall bei den GRÜNEN und der Linksfraktion.PDS) Caren Lay, Linksfraktion.PDS: Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Verehrter Herr Minister Buttolo, Ihr Versuch, sich heute als treibende Kraft bei der Aufklärung der Vorwürfe zu präsentieren, ist leider grandios gescheitert. Sie argumentieren vor allen Dingen, dass Sie es waren, der die Weiterbeobachtung der Organisierten Kriminalität ermöglicht, sich sozusagen der Rüge des Datenschützers entgegengestellt hätte. Das finde ich sehr bemerkenswert, weil Sie an anderer Stelle nicht müde werden zu betonen, dass Ihnen die Brisanz der Akten überhaupt nicht bewusst war. Nur eine Variante kann also stimmen.
Wir brauchen eine Aufklärungsarbeit von Polizei und Verfassungsschutz, die sich nicht aus vermeintlichen Ermittlungsgründen auf das kriminelle oder extremistische Milieu einlässt, auf das sie angesetzt sind; denn sonst werden die staatlichen Ermittler am Ende ihrem Gegenüber allzu ähnlich.
Auch ich bin wie die Kollegen Brangs und Kupfer der Meinung, dass die Rechte der Parlamentarischen Kontrollkommission dringend ausgeweitet werden müssen. Was sich die Parlamentarische Kontrollkommission derzeit antun muss, diese Arroganz – ich kann es nicht anders nennen –, mit der diese Dinge von ehemaligen Ministern kommentiert werden, ist unerträglich. Das sollte eigentlich ein gemeinsames Anliegen des gesamten Parlamentes sein.
Im Übrigen betrachte ich es als Verdrehung, wenn Sie sagen, dass Sie derjenige waren, der dafür gesorgt hat, dass die Vorgänge an das Licht der Öffentlichkeit gekommen sind. Es war unsere Klage und daraufhin die Prüfung des Datenschützers, welche die hierzu in Rede stehenden Vorgänge an das Licht der Öffentlichkeit gebracht haben. Ansonsten hätte der Verfassungsschutz weiterhin Informationen gesammelt und gesammelt und niemand hätte daraus erfahren. Wahrscheinlich hätte es ansonsten auch keine Abgabe an die Staatsanwaltschaft gegeben, wie schon die Jahre zuvor.
Wir erwarten, dass die Staatsregierung ihr Ablenkungsmanöver und ihre eingeübte staatsparteitypische Arroganz sein lässt, wenn man sie zu diesem Komplex befragt. Wir brauchen eine Stärkung der Unabhängigkeit der Richter und der Staatsanwälte. Wir brauchen eine echte Selbstverwaltung der Richterschaft, in der ein Richter vom Justizministerium weder etwas zu befürchten noch zu erwarten hat. Wir brauchen endlich effektive und entschlossene Maßnahmen gegen die Korruption. Wir brauchen die Offenlegung von Einkünften der Abgeordneten. Wir brauchen ein Informationsfreiheitsgesetz und ein Antikorruptionsgesetz mit einem Korruptionsregister und verbindlichen präventiven Maßnahmen in der Verwaltung.
Insofern ist es durchaus richtig, wenn Sie sagen, dass sich die Linksfraktion.PDS in der Tat an die Spitze der Aufklärung gestellt hat, und zwar nicht nur was unsere Klage anbelangt, sondern ich denke auch, dass wir uns mit unserer Arbeit in der Parlamentarischen Kontrollkommission nicht verstecken müssen.
Meine Damen und Herren! Wenn Sachsen den Ruf als ostdeutsches Musterländle behalten will – davon war in den letzten Wochen vielfach die Rede –, dann geht das nur, wenn man auch eine mustergültige Aufklärung betreibt und nicht, wenn man der sächsischen Justiz von vornherein einen Persilschein ausstellt.
Die Frage ist doch: Betreibt die Staatsregierung hier ein gelungenes Krisenmanagement? Ich meine, dass die Beschlüsse der Parlamentarischen Kontrollkommission ein gelungener Leitfaden gewesen wären, um genau dieses Krisenmanagement zu betreiben. Es ist richtig: Die Beschlüsse, die wir einstimmig gefasst haben, sind sehr weitreichend. Wir haben allerdings auch in der Debatte festgestellt, dass wir sie zuweilen etwas unterschiedlich interpretieren. Aber auch hier, Herr Minister: Die Parlamentarische Kontrollkommission hat die Weitergabe der Akten zu einem Zeitpunkt empfohlen, als Sie noch gehadert haben, was damit zu passieren hat, und als Sie – es ist in der heutigen Sitzung mehrfach aus dem Dokument zitiert worden – in internen Anweisungen ganz andere Wege beschritten und einer Verbannung der brisanten Unterlagen in das Staatsarchiv das Wort geredet haben.
Insofern ist es einfach nicht zulässig, dass Sie sich heute als derjenige präsentieren, der für die Aufklärung gesorgt hat.
Herr Brangs, Herr Kupfer und meine Kollegen aus der Parlamentarischen Kontrollkommission, ich hätte mich schon gefreut, wenn Sie das – wie ich finde – zögerliche Umsetzen unserer Empfehlungen und unserer Beschlüsse etwas beherzter verteidigt hätten.
Herr Brangs, ich komme auf Ihre Ausführungen zurück. – Wir haben in dem Beschluss, den wir einvernehmlich getroffen haben, beispielsweise die zügige Prüfung personeller Konsequenzen an der Spitze des Landesamtes für Verfassungsschutz gefordert. Herr Kupfer ist hier in der Öffentlichkeit deutlich konkreter geworden. Ich habe das immer unterstützt. Hierzu gibt es aus meiner Sicht allerdings eine Fehlanzeige, wenn es darum geht, diesen Beschluss zügig umzusetzen.
Das Gleiche gilt, wenn es um die Generalbundesanwaltschaft oder das Bundeskriminalamt geht. Ich habe unseren letzten Beschluss so verstanden, dass wir die Übernahme des Bundeskriminalamtes empfehlen. Stattdessen gibt es diese dubiose Arbeitsgruppe von Herrn Mackenroth, zu deren Glaubwürdigkeit viele meiner Vorredner schon gesprochen haben.
Wir haben in unseren Beschlüssen bewusst die Einbeziehung der Bundesebene formuliert, weil wir erhebliche Zweifel daran haben müssen, ob die sächsische Justiz das
hier mit der Konsequenz betreibt, die wir gern gesehen hätten. Die Suspendierung von beschuldigten Beamten haben wir empfohlen. Bislang ist dies weder geprüft – soweit ich informiert bin –, geschweige denn erfolgt. Oder es kommt immer wieder zu neuen Überraschungen, wie gestern, als plötzlich Unterlagen zum Thema aufgetaucht sind, die wir als Parlamentarische Kontrollkommission noch gar nicht kannten, die in der Zwischenzeit aber vorsichtshalber geschreddert wurden.
Stattdessen konzentriert sich der Aufklärungswille des Innenministers auffällig auf die Ahndung des Geheimnisverrates. Das, meine Damen und Herren, möchte ich gar nicht kleinreden. Abgesehen davon, dass wir uns als Mitglieder der Parlamentarischen Kontrollkommission jedes Mal verschippert vorkommen, wenn es neue Enthüllungen gibt, die auf den Homepages von Herrn Roth stehen, oder wenn das, was wir in den Dossiers absegnen wollen, am gleichen Tage vorab in der Zeitung zu lesen ist, muss man aber auch sagen, dass Geheimnisverrat im schlimmsten Fall vorwarnen und Ermittlungen behindern kann. Insofern ist es völlig in Ordnung, dieser Sache nachzugehen.