Protocol of the Session on June 5, 2007

In dieser undurchsichtigen Gemengelage hinterlässt es auch ein sehr ungutes Gefühl, dass dem Chef der sächsischen Antikorruptionseinheit INES, Rainer AradaiOdenkirchen, und dem früheren Chemnitzer Oberstaatsanwalt Wolfgang Schwürzer eine große Nähe zur Spitze des Justizministeriums nachgesagt wird. Wenn man alles zusammenzählt, was sich Justizminister Mackenroth allein bei dem Versuch, mit der Aufklärung der MafiaStaatskrise überhaupt zu beginnen, schon an Pannen geleistet hat, muss man von einem Skandal im Skandal sprechen.

In Sachsen ist jetzt kein endloses Parlamentspalaver bei gleichzeitigen Verharmlosungs- und Verschleierungsversuchen der Staatsregierung gefragt, sondern ein wirksames Instrument, um das Krebsgeschwür der Korruption aus dem Gesellschaftskörper herausschneiden zu können. Der Sächsische Landtag kann nur aufklären, wenn er sich des schärfsten Schwertes bedient, das ihm zur Verfügung steht: der Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses.

Wir Nationaldemokraten werden auch diesmal wieder Vorreiter bei der Einrichtung eines solchen Gremiums sein – genau wie bei der Einsetzung des Untersuchungsausschusses zur Sächsischen Landesbank, den wir als NPD dreimal beantragt haben, bevor der dann tatsächlich auch von den anderen Fraktionen beschlossen wurde. Nur zu gern treiben wir die etablierten Versagerparteien und in diesem Fall ganz konkret die Polit-Mafiosi vor uns her und werden weiterhin mit Wolllust Stachel in ihrem verfaulten Fleisch sein.

(Beifall bei der NPD – Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Sie haben eine verworrene Sexualität!)

Unseren Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses werden die vereinten Blockparteien morgen ganz sicher wieder ablehnen, um ihn dann – ich denke an die PDS; entsprechende Signale hörte man ja schon von Herrn Bartl – als eigenen Antrag einzubringen.

Wir sagen aber: Es muss nicht überall NPD draufstehen, wo NPD drin ist – Hauptsache, der Untersuchungsausschuss kommt und bringt möglichst schnell und möglichst viel Licht in die mafiosen Strukturen, die viel eher an eine verlotterte Bananenrepublik der Dritten Welt als an den früher tadellosen deutschen Beamtenstaat erinnern.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Sie wollten doch Bananen!)

Lassen Sie uns deshalb endlich den einzig wirklich notwendigen Schritt gehen und einen Untersuchungsausschuss einsetzen; denn dies ist Sachsen und nicht Sizilien.

(Beifall bei der NPD)

Ich erteile der Fraktion der FDP das Wort. Bitte, Herr Dr. Martens.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Gansel, Sie haben soeben wieder gezeigt, dass es Ihnen gar nicht um Aufklärung, sondern lediglich um Krawall geht.

(Jürgen Gansel, NPD: Sie hätten nur zuhören müssen!)

Wenn Sie die Politiker, die in den Landtag gewählt worden sind und sich um Aufklärung dieser Affäre bemühen, als „Polit-Mafiosi“ bezeichnen, dann möchte ich das für mich, meine Fraktion und, wie ich glaube, auch für den Rest dieses Landtages eindeutig zurückweisen.

(Beifall bei der FDP, der CDU, der Linksfraktion.PDS, der SPD und den GRÜNEN – Jürgen Gansel, NPD: Können Sie das auch für Ihre Leipziger Parteifreunde tun?)

Meine Damen und Herren! Zu dieser Affäre liest man jeden Tag neue Mitteilungen, neue Spekulationen. Nach dem, was bekannt ist – besser: nach dem, was man hört –, soll es um schwere und schwerste Straftaten innerhalb von Beziehungsgeflechten gehen, in die auch Staatsanwälte, Richter und Politiker einbezogen sein sollen. Ich wiederhole: nach dem, was man hört. Konkrete Kenntnisse haben wir in diesem Haus und hat auch die Öffentlichkeit dazu nicht, abgesehen von Presseveröffentlichungen, die man nicht ohne Weiteres überprüfen kann. Die Vorwürfe sind in der Tat geeignet, schweren Schaden für das Ansehen der Justiz und der Verwaltung im Freistaat Sachsen zu verursachen, wie es der Antrag der Koalition auch formuliert.

Lassen Sie mich klarstellen: Es handelt sich um bislang unbewiesene Verdächtigungen, Mutmaßungen, Spekulationen, um die Wiedergabe von Aussagen aus dem Bereich „Hörensagen“, nicht um konkrete Kenntnisse. Das darf in der gesamten Diskussion nicht vergessen werden. Ich sage ganz deutlich: Alle Betroffenen haben Anspruch auf die Unschuldsvermutung. Diese gilt auch für Staatsanwälte, Richter, Beamte und Politiker.

(Beifall bei der FDP, der CDU, der Linksfraktion.PDS, der SPD und den GRÜNEN)

Die Aufklärung der in Rede stehenden Sachverhalte ist nötig. Es wird sich zeigen, wie handfest die Erkenntnisse sind und wie gerichtsverwertbar das ist, was das Landesamt für Verfassungsschutz in mehreren Jahren zusammengetragen hat. Dies zu bewerten ist jetzt Aufgabe der Staatsanwaltschaften, der Generalstaatsanwaltschaft, also der Justiz. Anders, als es in Zeitungen zu lesen ist, habe ich, haben wir Liberalen großes Vertrauen in die sächsische Justiz, in die unbestechliche Aufgabenwahrnehmung durch die in der Justiz tätigen Staatsanwälte und Richter.

Wir sprechen uns ausdrücklich gegen einen Generalverdacht aus.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Wir sprechen uns dagegen aus, so zu tun, als würde die Justiz in Sachsen in Korruptionsaffären und -sümpfen versinken. Nein, das tut sie nicht. Dessen bin ich mir ganz, ganz sicher. Wenn es Einzelfälle gibt, dann gehören die entsprechenden Personen konsequent zur Verantwortung gezogen. Dass das geschieht, auch daran habe ich keinen Zweifel.

Herr Staatsminister Mackenroth, ob vor diesem Hintergrund die Hinzuziehung eines externen Überwachers ein besonders glücklicher Schritt ist, wage ich zu bezweifeln, kommt doch hierin auf den ersten Blick ein gewisses Misstrauen, zumindest eine gewisse Reserviertheit gegenüber dem eigenen Justizapparat zum Ausdruck. Jedenfalls kann man dies so deuten.

Wenn von der Justiz aufgeklärt wird, dann bitte auch gegenüber dem Parlament und der Öffentlichkeit mit der prozessual weitestmöglichen Offenheit. Da ist es nicht hilfreich, wenn in einer Pressekonferenz auf die Frage nach der Anzahl der gegenwärtig mit der Affäre befassten Staatsanwälte gesagt wird, das könne man aus Geheimhaltungsgründen leider nicht mitteilen.

Jenseits dieser Aufklärung, die die Justiz zu leisten hat, bleiben Fragen offen – nicht Fragen der strafrechtlichen Verantwortung der in den Akten Genannten, sondern Fragen der politischen Verantwortung innerhalb des Freistaates Sachsen: Welche Ermittlungen oder Beobachtungen hat der Verfassungsschutz mit welchen Mitteln und in welchen Personenkreisen ausgeführt? Inwieweit haben diese Beobachtungen auch nach dem Urteil des Verfassungsgerichts vom 21. Juli 2005 stattgefunden? Das ist eine der zentralen Fragen.

Ferner sind die Fragen zu beantworten: Hat der Verfassungsschutz seinen gesetzlichen Arbeitsauftrag überschritten bzw. weit hinter sich gelassen? Ist er zu einem Organ geworden, das überall seine Ohren hatte, aber an die Staatsanwaltschaft nichts weitergegeben hat? Mit wessen Kenntnis und wie lange ist diese Beobachtungstätigkeit ausgeübt worden?

Schließlich stellen sich die Fragen: Wie war die Dienstaufsicht durch das Sächsische Staatsministerium des Innern über das Landesamt für Verfassungsschutz gestaltet? Warum sind entgegen gesetzlichen Verpflichtungen vom Verfassungsschutz gewonnene Erkenntnisse nicht an die Strafverfolgungsbehörden weitergegeben worden, wie dies gegenwärtig zu vermuten steht?

(Beifall bei der FDP, der Linksfraktion.PDS, den GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Nach § 12 des Verfassungsschutzgesetzes des Freistaates Sachsen bestehen Mitteilungspflichten des Landesamtes gegenüber Strafverfolgungsbehörden, sofern tatsächliche Anhaltspunkte für Straftaten bestehen, zum einen bei Staatsschutzdelikten, zum anderen dann, wenn es An

Meine Befragung des Innenministers im Ausschuss hat mir gezeigt, dass der Minister offensichtlich präventiv in Ehrfurcht erstarrt, wenn die Mitarbeiter ihm etwas von „Geheimhaltung“ ins Ohr raunen. Er hat offensichtlich nicht verstanden, dass er als Innenminister befugt und verpflichtet – verpflichtet! – ist, den Geheimdienst zu überwachen und zu kontrollieren, auch und gerade dahin, ob er seinen gesetzlichen Übermittlungspflichten nachkommt. Minister Buttolo trägt jedenfalls neben seinen Vorgängern de Maizière und Rasch die politische Verantwortung, wenn aufgrund der Schweigepolitik des Verfassungsschutzes schwere Straftaten begangen werden oder nicht aufgeklärt werden konnten. Wir fordern daher Aufklärung, welche Stellen im Ministerium zu welchem Zeitpunkt informiert waren und entschieden haben, Erkenntnisse nicht an die Staatsanwaltschaft zu übermitteln.

haltspunkte tatsächlicher Art gibt für Straftaten gegen das Leben oder in erheblichem Maße gegen die körperliche Unversehrtheit oder gegen Sach- und Vermögenswerte von erheblicher Bedeutung.

Nach dem, was man bisher gehört hat, steht außer Frage, dass es sich bei den in Rede stehenden Komplexen um derartige Straftaten gehandelt hat. Warum hat es keine bzw. erst jetzt eine Mitteilung gegeben? Es steht aber auch die Frage im Raum: Wie ist die PKK unterrichtet worden? Warum erst nach Beanstandung des Datenschutzbeauftragten über diese Komplexe? In welchem Umfang ist die PKK unterrichtet worden? Ist sie möglicherweise nicht über alles unterrichtet worden, wie manche Äußerungen nahelegen? Ist es tatsächlich so, dass Journalisten, der „Spiegel“ oder Herr Roth mehr wissen als die PKK?

Diese Fragen gilt es zu klären. Dazu gibt auch die heutige Sondersitzung Anlass. Die Staatsregierung muss diese Fragen beantworten – im Interesse der Sachaufklärung, im Interesse des Rechtsstaates sowie im Interesse der Bürger, die von diesem Rechtsstaat erwarten, dass er sie schützt, und die zu Recht weiterhin Vertrauen in ihn setzen wollen.

Offensichtlich wird die Presse aus dem nachgeordneten Bereich des Innenministeriums oder des Verfassungsschutzes gezielt gefüttert. Mit welchem Ziel, ist unklar. Es scheint gegen den Datenschutzbeauftragten zu gehen. Es scheint gegen die beabsichtigte Aktenvernichtung gegangen zu sein. Es geht neuerdings gegen SPD-Spitzenpolitiker aus Leipzig. Wir sind gespannt zu erfahren, wie der Autor Roth an die Akten gekommen ist. Herr Schurig hat dazu eine Prüfung angekündigt, auf deren Ergebnisse wir höchst gespannt sind.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP, der Linksfraktion.PDS, den GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

(Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS: Wir auch!) 1. Vizepräsidentin Regina Schulz: Ich erteile der Fraktion GRÜNE das Wort. Herr Abg. Lichdi, bitte. Ich möchte an dieser Stelle – wie manche meiner Vorredner – dem Datenschutzbeauftragten ausdrücklich meinen Dank aussprechen. Es ist allein ihm zu verdanken, dass die Akten nicht ins Archiv wanderten, wie der Innenminister mir noch unter dem Datum des 23. Oktober 2006 auf eine Kleine Anfrage mitgeteilt hat. Es ist schon sehr aufschlussreich, wie laut der Innenminister geschwiegen hat, als der Datenschutzbeauftragte als d a s Hindernis für eine Strafverfolgung dargestellt wurde. Offensichtlich war es ihm ganz recht, auf diese Weise einen unbotmäßigen Kontrolleur geschwächt zu sehen. Der Verfassungsschutz hat ja auch bezeichnenderweise einen sogenannten Sicherheitsvermerk gegen Schurig angefertigt, was natürlich auch sofort in der Presse stand. Johannes Lichdi, GRÜNE: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Als Erstes ist es wichtig, genau zu unterscheiden, was wir sicher wissen und was wir nur vermuten. Was wissen wir sicher? Der Verfassungsschutz hat mindestens drei Jahre lang Komplexe der sogenannten Organisierten Kriminalität beobachtet, ohne seine Erkenntnisse, angeblich über schwerste Straftaten, an die Staatsanwaltschaft weitergegeben zu haben. Daher ist nicht auszuschließen, dass schwerste Straftaten nicht verhindert oder nicht verfolgt wurden. Im Innenministerium wurde entweder bewusst entschieden, die Informationen nicht an die Staatsanwaltschaft weiterzuleiten, oder die Kontrolle des Verfassungsschutzes hat in blindem Vertrauen auf die Schlapphüte jämmerlich versagt. Sieht es im Justizministerium besser aus? Der Justizminister steht wegen der zögerlichen Bereitschaft, die Akten abzufordern und die erforderlichen Ermittlungskapazitäten bereitzustellen, in der Kritik. Die verunglückte Pressearbeit des Ministers, der glaubte, die Affäre mit der Präsentation symbolischer zahnloser Ermittlungshelfer aus Baden-Württemberg aussitzen zu können, bringt einen auf den Gedanken, was der Minister denn möglicherweise alles verbergen möchte. Ich möchte jedoch an dieser Stelle ausdrücklich sagen, dass die Herkunft aus Baden-Württemberg für sich allein noch nicht für korruptive Anfälligkeiten spricht. Der Innenminister hat mir eine Antwort auf die Frage, ob der Verfassungsschutz überhaupt Informationen an die Staatsanwaltschaft übermittelt hat, unter Bezug auf angebliche Geheimhaltungspflichten verweigert. (Beifall bei den GRÜNEN und des Abg. Tino Günther, FDP – Zuruf des Abg. Volker Bandmann, CDU)

Als die Fragen der Presse drängender wurden, behauptete sein Pressesprecher am Sonnabend auf einmal, dass es solche Übermittlungen gegeben habe. Wir haben in der heutigen Debatte aus dem Mund des Ministers das Gleiche gehört. Auf meine Nachfragen musste er aber einräumen, dass die Weitergaben nicht die jetzt in Rede stehenden Sachverhaltskomplexe betroffen haben. Daher halte ich meine Kritik vollumfänglich aufrecht.

Angeblich geht es um eine Staatskrise. Der Landtag und die Öffentlichkeit sollen heute mal wieder aufgrund einer überbordenden, aber selbstreferentiellen Presselage ohne Kenntnisse der Vorgänge debattieren. Ich bekenne mich hiermit zu der aussichtslosen Absicht, mich nicht mit dieser Art von Politikersatz nach Erregungskurven in der veröffentlichten Meinung abfinden zu wollen. Ich lasse mich auch nicht zum marionettenartigen Stichwortgeber für die nächste Verbaleskalation machen.

In schlechter Erinnerung sind die zupackenden Ermittlungsmethoden in der Schommer-Affäre, als die Staatsanwaltschaft auf den Zwischenruf des Fraktionsvorsitzenden Hähle hin per Verbindungsdaten-Rasterfahndung zuschlug. Das Verfahren gegen Herrn Schommer ist dagegen immer noch nicht abgeschlossen.

Wir wissen aber das meiste und das Wichtigste heute noch nicht. Wir stehen einem Geraune im Politikraumschiff gegenüber, das sich längst verselbstständigt hat. Die ekligsten Details werden so lange wiedergegeben, bis sie als unumstößliche Wahrheit erscheinen. Ein jetziger Amtsgerichtspräsident soll Kinderpornos nicht nur zu dienstlichen Zwecken im Panzerschrank gelagert und Betreiber von Kinderbordellen vor Razzien gewarnt haben. Immobilien sollen verschoben und mit Dienstleistungen eigens ins Rathaus geschleuster Prostituierter bezahlt worden sein. Vermerke aus dem LKA und plötzlich redende Polizeibeamte berichten von Ermittlungsunterdrückung und Kaltstellungen. Dann fällt noch das Stichwort der „Kalabrischen N’drangheta“ in Leipzig – und fertig ist das Katastrophenbild.

Wir wissen also in der Sache nichts – außer Gerüchten, auf die wir keine seriöse Bewertung aufbauen können. Aber, meine Damen und Herren, das Schlimmste sind die ganzen Vorwürfe, die im Raum stehen. Wir halten sie alle für möglich. Das ist der Punkt, über den wir heute sprechen müssen. Unabhängig davon, ob sich das veröffentlichte Mediengeraune irgendwann einmal zum bestandskräftigen Urteil verfestigen lässt, ist allein schon das, was wir alles für möglich halten, der Debatte wert.

Warum halten wir es für möglich? Das sogenannte Leipziger Modell, die große Einigkeit, die für jeden etwas abfallen lässt, damit alle stillhalten, steht seit vielen, vielen Jahren immer wieder in Verdacht. Seit Jahren wird in der politischen Szene Sachsens über den „Leipziger Sumpf“ gemunkelt. Aus diesem Sumpf stieg schon immer ein leicht bis schwer stinkender Dampf auf, ohne dass bisher offensichtlich jemand Interesse daran gehabt hätte, den Verstrickungen und Verflechtungen auf den Grund zu gehen. Es sind über die Jahre hinweg zu viele seltsame Begebenheiten aufgelaufen, deren Aufklärung sich im Dunkeln verloren hat, als dass man noch an Zufälle glauben mag. Offenbar überwiegt die Anzahl derer, die etwas zu verlieren haben, immer noch die Anzahl derer, die an einer ehrlichen Verwaltung und Aufklärung interessiert sind.

Wer es in diesem Klima wagt, auf die Unschuldsvermutung hinzuweisen, macht sich schon fast verdächtig, etwas vertuschen zu wollen. Wir müssen es aber hier tun. Dies gilt bis zum Beweis des Gegenteils auch für Herrn Röger wie für die anderen mehr oder weniger verdeckt Beschuldigten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Angeblich weiß das LKA etwas. Der Verfassungsschutz weiß etwas. Ob er aber mehr weiß als üble Nachrede, weiß man nicht. Der Innenminister weiß erst jetzt etwas und zeigt sich schockiert, obwohl er viel früher etwas hätte wissen sollen. Der Datenschutzbeauftragte weiß etwas und berichtet uns von mittlerer und schwerster Kriminalität. Die PKK weiß auch etwas, muss aber schweigen. Jedenfalls sieht sie sich veranlasst, den Rücktritt des Verfassungsschutzpräsidenten zu fordern. Die PDS weiß offenbar auch sehr vieles; aber was sie weiß, weiß sie auch nicht so genau. Der rechtspolitische Sprecher Bartl gibt am Freitag, dem 25. Mai – wohlgemerkt –, ein Interview in der „Freien Presse“, eine Art Ehrenerklärung für de Maizière, Buttolo und Mackenroth ab. Der designierte Fraktionsvorsitzende Dr. Hahn zieht dies am 30.05. bei de Maizière wieder in Zweifel. Dieser wiederum sendet von den Höhen seiner Berliner Wichtigkeit seine staatstragende Botschaft, dass die „Erkenntnisdichte“ – welch ominöses Wort! – nicht ausgereicht habe, um die PKK zu informieren, und ich bin Herrn Kollegen Brangs ausdrücklich dankbar für seine klaren Worte, die er für diesen Sachverhalt gefunden hat.

Wir halten es für möglich, dass die Gerüchte stimmen, weil auch die herrschende CDU, allen voran Ministerpräsident Milbradt selbst, offensichtlich tief als Mitwisser in den Korruptionsaffären und Mauscheleien der Neunzigerjahre steckt. Es ist an die Paunsdorf-Affäre zu erinnern, in der der Altministerpräsident Biedenkopf seinem alten Freund Barth ein hervorragendes Renditeobjekt auf Kosten der sächsischen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler zugeschustert hat – unter beiseitestehendem Schweigen des damaligen Finanzministers. Der Strafrechtler Paeffgen hält bei Biedenkopf den Straftatbestand der Untreue in mittelbarer Täterschaft durch Irrtumsherrschaft für erfüllt. Dennoch hat Generalstaatsanwalt Schwalm offensichtlich Ermittlungen gegen Biedenkopf verhindert. Paeffgen kommt zu dem Ergebnis des Verdachts einer Strafvereitelung im Amt, die auch heute noch mangels Verjährung verfolgbar ist.

Die PKK soll nach Meinung de Maizières also nur behelligt werden, wenn die Sache klar ist; nicht aber zur Kontrolle, ob sich der VS gerade mal wieder viel zu weit mit Eingriffen in Bürgerrechte – darum geht es nämlich eigentlich – in den Gerüchtedschungel vorgewagt hat.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Herr Dr. Hahn, bitte.