Protocol of the Session on June 5, 2007

im Fall der übergebenen Daten beim ersten Teilkomplex bereits erfolgt. Der zweite Komplex wurde dem Generalstaatsanwalt am Montag dieser Woche übergeben. Ich gehe davon aus, dass noch in dieser Woche auch die Generalbundesanwältin diese Unterlagen erhält.

So werden sukzessive alle Erkenntnisse des Landesamtes für Verfassungsschutz aus den Teilkomplexen der OK übermittelt. Auch werden Akten übermittelt, wenn der Quellenschutz hinreichend beachtet wird. Wir haben der Generalstaatsanwaltschaft angeboten, bei Bedarf noch Einzelakten abzukoppeln. Das Landesamt für Verfassungsschutz hat den Auftrag, derartig abgeforderte Daten quellenschutzmäßig zu bearbeiten und sie danach dem Generalstaatsanwalt zu übergeben.

Ich gehe davon aus, dass die in Rede stehenden Komplexe der Organisierten Kriminalität im Sommer dieses Jahres so weit aufgearbeitet sein werden, dass alle vier Komplexe in ihrer Gänze dem Generalstaatsanwalt und der Generalbundesanwältin vorliegen.

Die PKK hat die Akten arbeitsaufwendig gesichert. Zur Sicherstellung größtmöglicher Transparenz wird die PKK auch jetzt umfassend in alle weiteren Schritte einbezogen. Ich möchte an dieser Stelle erwähnen: Sowohl die erste Unterlage, die wir dem Generalstaatsanwalt übermittelt haben, als auch die des gestrigen Tages wurden der PKK vorgelegt. Die PKK-Mitglieder konnten sich ein Bild darüber machen, ob das, was übermittelt wurde, dem entspricht, was in den Akten selbst enthalten ist.

Es ist klar, dass das perfide Netzwerk, das ins Visier des Verfassungsschutzes und der Strafverfolgungsbehörden gelangt, versuchen wird, zurückzuschlagen. Dies ist aus ihrer Sicht verständlich. Die OK wird mit den für sie typischen Mitteln zurückschlagen, da wir das Netzwerk zerstören wollen. Anders als die PDS es immer darstellt, ist nicht das LfV das Problem, sondern das Netzwerk der Organisierten Kriminalität.

(Beifall bei der CDU und der Staatsregierung)

Das LfV hat die Voraussetzung dafür geschaffen, dass dieses Netzwerk zerstört wird. Ich möchte an dieser Stelle nochmals ausdrücklich betonen: Dafür sind einige Mitarbeiter des Amtes bis an die absolute Grenze ihrer körperlichen Leistungsfähigkeit gegangen. Dafür möchte ich mich bei diesen Mitarbeitern herzlich bedanken.

(Beifall bei der CDU und der Staatsregierung)

Die OK wird verleumden. Sie wird Misstrauen säen, sie wird Gerüchte streuen und sie wird einschüchtern. Alle, die sich jetzt am Kampf gegen die OK beteiligen, werden Rufmordkampagnen ausgesetzt werden – zumindest kann man dies nicht ausschließen. Die OK wird anonym durch aus dem Hintergrund gesteuerte Kampagnen unsere Motive infrage stellen und versuchen, unseren guten Ruf zu zerstören. Wenn ihr dies gelingt, kann sie den Kampf gewinnen. Das müssen wir verhindern.

(Beifall bei der CDU)

Ich habe mich deshalb entschlossen, die Akten eben nicht im Staatsarchiv landen zu lassen, sie nicht zu schreddern, und ich bin an dieser Stelle sehr dankbar, dass die PKK meinen Prüfauftrag angenommen und erfüllt hat. Ich bin bewusst das Risiko eingegangen, weil ich nicht hinnehmen will, dass die OK ihr Geschäft weiter betreiben darf. Wir müssen zusammenstehen, damit das Netzwerk wirklich zerstört werden kann.

Herr Bartl, wenn Sie jetzt Ihre Frage stellen möchten? Mein letzter Satz steht kurz vor dem Verkünden.

(Leichte Heiterkeit bei der CDU)

Herr Staatsminister, Sie haben hier gerade den Eindruck erweckt, als ob alle Unterlagen, die sich in diesen hundert Ordnern befinden – bzw. diese 15 600 Blatt –, originär vom Landesamt für Verfassungsschutz gesammelt worden seien Schließen Sie aus, dass sich unter diesem Material umfängliche Dokumente befinden, die durch ermittelnde Polizeibehörden zusammengetragen worden sind und vom LKA nur herangezogen wurden?

(Gottfried Teubner, CDU: Woher wissen Sie denn das?)

Das Landesamt für Verfassungsschutz hat natürlich auch Unterlagen anderer Dienststellen angefordert. Gestern Abend stand speziell die Anforderung von Unterlagen in der Diskussion. Selbstverständlich muss auch das Landesamt über Informationen verfügen, die von anderen Behörden bei der Bearbeitung bestimmter Vorgänge entstanden sind.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Dann haben Sie aber nicht im Vorfeld ermittelt!)

Entschuldigung, es geht bei der OK nicht darum, Herr Porsch, einzelne Straftaten zu verfolgen. Das Landesamt für Verfassungsschutz hat den Auftrag, Strukturen zu ermitteln. Bei diesem Ermitteln von Strukturen stößt es zwangsläufig auf Straftaten. Es ist auch nicht wahr, dass das Landesamt keine Straftaten an die Strafverfolgungsbehörden abgegeben hätte. Grundsätzlich hat es bei seinen Beobachtungen eine Vielzahl von Straftaten zur Weiterverfolgung an die Verfolgungsbehörden abgegeben.

Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage?

Natürlich.

Herr Lichdi, bitte.

Vielen Dank. – Herr Staatsminister, ich höre gerade mit großem Erstaunen zum ersten Mal, dass Sie erstmals bestätigen, dass der Verfassungsschutz Straftaten oder Straftatverdachtssachverhalte an die Staatsanwaltschaft abgegeben hätte. Wenn Sie diese Erklärung jetzt hier abgeben, warum haben Sie

dringliche Nachfragen meinerseits im Innenausschuss diesbezüglich nicht beantwortet, sondern sich auf angebliche Geheimhaltungsverpflichtungen zurückgezogen?

Weil ich zunächst, Herr Lichdi, einmal prüfen wollte, ob ich Ihnen diese Informationen geben kann oder ob sie der Geheimhaltung unterliegen. Ich wollte mir nicht den Vorwurf einhandeln, dass ich Informationen herausgebe, die einer Geheimhaltung unterliegen.

(Beifall bei der CDU)

Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage?

Ja, bitte.

Wenn das, was Sie gerade vorgetragen haben, richtig sein sollte, dann frage ich mich, wie Sie sich erklären, dass offensichtlich in der Öffentlichkeit bezüglich dieser abgegebenen Sachverhalte keinerlei staatsanwaltschaftliche Ermittlungen durchgeführt wurden, geschweige denn Anklagesätze gefertigt worden sind.

Herr Lichdi, es ist nicht Aufgabe des Landesamtes für Verfassungsschutz, über Pressemitteilungen bekannt zu geben, was an die Strafverfolgungsbehörden gegeben wird. Das ist nicht dessen Aufgabe. Das Landesamt gibt es an die Strafverfolgungsbehörden ab. Diese führen Vorermittlungen durch. Danach werden gegebenenfalls gerichtliche Verfahren eröffnet.

Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage?

Ja.

Herr Staatsminister, Sie haben sicher bemerkt, dass Sie damit meine Frage nicht beantwortet haben. Meine Frage hat darauf gezielt, wie Sie sich trotz dieser Abgabe erklären, dass bisher in der Öffentlichkeit nicht bekannt geworden ist, dass bezüglich dieser Sachverhalte – die Komplexe sind bekannt, „Abseits“ usw. – irgendwelche staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen angestrengt, geschweige denn Anklagesätze gefertigt worden sind. Wie erklären Sie sich das, wenn Ihr Landesamt für Verfassungsschutz angeblich Sachverhalte abgegeben hat?

Herr Lichdi, zu dem von Ihnen angeführten Komplex wurden die Unterlagen vor wenigen Tagen an die Staatsanwaltschaft übergeben, nachdem die PKK ihre Einschätzung zur Rechtmäßigkeit der Datenerhebung gefällt hat. Meine Aussage war auch nicht auf die aktuellen Fälle der OK bezogen, sondern grundsätzlich auf Tätigkeiten des Landesamtes.

(Beifall bei der CDU – Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Es ging um Schläfer!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

Ich erteile das Wort der CDU. Herr Kupfer, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Grundlage dessen, was wir erörtern, ist die rechtliche Situation für das Landesamt für Verfassungsschutz bei der eigenständigen Beobachtung der Organisierten Kriminalität.

Mit der Änderung der Rechtsgrundlage im September 2003 war eine Beobachtung zum Schutz der verfassungsmäßigen Ordnung zulässig. Die Änderung vom Juli 2004,

(Zuruf von der Linksfraktion.PDS: 2005!)

über die wir in diesem Haus eingehend diskutiert und gestritten haben, ließ die eigenständige Beobachtung reiner Organisierter Kriminalität zu. Hierzu erging im Juli 2005 das Urteil des Sächsischen Verfassungsgerichtshofes, das deutlich machte, dass im Rahmen der klassischen Aufgaben und der herkömmlichen Tätigkeiten des Landesamtes für Verfassungsschutz die Beobachtung der Organisierten Kriminalität zulässig ist. Sollte das Landesamt für Verfassungsschutz im Rahmen und anlässlich seiner klassischen und herkömmlichen Tätigkeiten Aktivitäten der Organisierten Kriminalität beobachten, so war und ist dies jederzeit zulässig, sofern die freiheitlichdemokratische Grundordnung angegriffen wird.

Der Zeitraum, über den es Auseinandersetzungen in der Beurteilung der Möglichkeiten des Landesamtes für Verfassungsschutz gab, ist der Zeitraum nach dem Urteil des Sächsischen Verfassungsgerichthofes bis Mai 2006, dem Zeitpunkt des Inkrafttretens nach der Verabschiedung des Gesetzes im Sächsischen Landtag.

Meine Damen und Herren! Wenn ich mich entschieden habe, heute in dieser Sondersitzung für meine Fraktion an das Mikrofon zu treten, so bin ich mir sehr wohl des Spannungsfeldes bewusst, in dem ich mich als Mitglied der Parlamentarischen Kontrollkommission bewege. Auf der einen Seite registriere ich – so wie Sie – Vorwürfe, Mutmaßungen, Spekulationen, Befürchtungen und Sorgen, die seit einigen Wochen die Schlagzeilen unserer Presse bestimmen. Auf der anderen Seite kenne ich aus eigenem Studium die Beobachtungen des Landesamtes für Verfassungsschutz, die die Parlamentarische Kontrollkommission eingehend studiert hat. Meine persönlichen Schlussfolgerungen aus diesem Studium der Beobachtungen münden wie die meiner Kolleginnen und Kollegen der Parlamentarischen Kontrollkommission in der einstimmigen Beschlussfassung dieses Kontrollgremiums des Landtages.

Wir haben uns am 15. Mai 2007 einstimmig dazu verständigt, dass in vier von fünf beobachteten Komplexen

die freiheitlich-demokratische Grundordnung angegriffen war und deshalb eine Beobachtung des Verfassungsschutzes rechtmäßig war. Das ist die Grundlage dafür, dass diese Akten jetzt an die Staatsanwaltschaft weitergegeben werden können.

Wir haben ferner empfohlen, dass diese Erkenntnisse und Unterlagen dem Sächsischen Generalstaatsanwalt zum Zweck der Strafverfolgung zu übermitteln sind und dass Kopien dieser Unterlagen an die Generalbundesanwältin und das Bundeskriminalamt gehen.

Wir haben uns auch kritisch zu der Frage geäußert, warum die Parlamentarische Kontrollkommission nicht frühzeitig über diese Vorkommnissen von besonderer Bedeutung informiert wurde. Wir haben den Sächsischen Staatsminister des Innern gebeten, personelle Konsequenzen an der Spitze des Hauses zu prüfen. Dazu stehe ich nach wie vor.

(Beifall der Abg. Caren Lay, Linksfraktion.PDS)

Bei der umfangreichen und zeitaufwendigen Prüfung haben wir festgestellt, dass wir uns in Zukunft darüber unterhalten müssen, wie die Rechte der Parlamentarischen Kontrollkommission gestärkt werden können. Wie wir das machen und ob wir das über eine Änderung des Verfassungsschutzgesetzes oder auf eine andere Art tun, darüber werden wir in Zukunft noch sprechen müssen.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Wir haben sowohl am 25. Mai 2007 als auch am gestrigen Abend einstimmig Beschlüsse der Parlamentarischen Kontrollkommission verabschiedet. Wir konnten feststellen, dass unser Beschluss vom 15. Mai 2007 in der Umsetzung ist. Es ist wichtig, diese Feststellung an dieser Stelle hervorzuheben; das heißt, die Akten werden an die Staatsanwaltschaft übergeben.