Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zweifellos wird der Ausbau der Kinderbetreuung für Kinder unter drei Jahren auch in der nächsten Zeit hier im Hohen Hause wie auch an anderer Stelle für hitzige Debatten sorgen. An dieser Stelle treffen – wie wir in den Redebeiträgen gehört haben – nicht nur fachliche Argumente, sondern auch Lebensmodelle aufeinander. Ein jüngstes Beispiel für dieses Aufeinandertreffen von Lebensmodellen ist ja auch der von der Staatsregierung diese Woche vorgelegte Gesetzentwurf zum Landeserziehungsgeld. Ich will das an dieser Stelle gar nicht bewerten. Aber Frau Orosz hat selbst gesagt, dass dieses Landeserziehungsgeld grundsätzlich eine andere Zielstellung verfolgt als das Elterngeld. Wir werden noch in den Ausschüssen Gelegenheit haben, das zu diskutieren.
Für mich stellt sich allerdings die Frage, ob die unterschiedlichen Steuerungsmodelle in diesem sensiblen Bereich dann nicht doch auf Kosten der Betroffenen gehen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der Diskussion zur Kinderbetreuung von unter Dreijährigen warnen in letzter Zeit Familienforscher und Entwicklungspsychologen
davor, dass wir sozusagen die falschen Prämissen setzen. Ich möchte als Beispiel Prof. Fthenakis zitieren. Er hat gesagt: „Es geht immer nur um Quantität, nie um Qualität der Betreuung in diesen Diskussionen, viel um Strukturen, wenig um Inhalte, alles nach dem Motto: Die Kinder sind noch so klein, da kann eine Erzieherin nicht viel falsch machen.“
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das ist ein grundlegender Irrtum. Gerade die ganz Kleinen brauchen eine besondere Pädagogik. Wenn mancher denkt, die lege ich jetzt hin und wechsele die Windeln, dann wird verkannt, dass dieser Moment ein ganz entscheidender Kommunikationsmoment mit den kleinen Kindern ist. Deshalb legen wir ja so viel Wert auf Qualität auch in der frühen Entwicklung. Ich bin erfreut darüber, im Antrag der Linksfraktion.PDS zu finden, dass auch bei Ihnen die Qualität der Kinderbetreuung vor der Kostenlosigkeit kommt. Natürlich ist eine kostenlose Betreuung auch für uns ein Ziel, das wir anstreben. Aber vorher muss der Ausbau der Qualität kommen.
Es ist auch ganz klar, was uns das bedeutet. Bei der Verbesserung der Qualität geht es eben nicht in erster Linie um die Zahl der Plätze. Das ist ja der Streitpunkt auch in der Bundespolitik. Das ist auch das, worauf Herr Zastrow Bezug genommen hat. Insofern kann man das schlecht mit Solidarität vergleichen, weil eben Bedarf und Qualität zwei Seiten einer Medaille sind. Man muss beides betrachten. Es geht also nicht nur um die Zahl der Plätze. Bei Qualität müssen wir uns über Gruppengrößen, Erzieherinnenausbildung und über Elternarbeit unterhalten, um nur einige Rahmenbedingungen dazu zu nennen. Sie kennen unsere Forderungen in Bezug auf Kitas. Diese gelten auch hier.
Wir fordern einen besseren Betreuungsschlüssel, mehr Zeit für Beobachtungen, mehr Zeit für Dokumentationen, für Fallbesprechungen und Elternarbeit. Das schlägt sich unserer Meinung nach im Kita-Gesetz jetzt schon nicht nieder. Wenn wir Wissenschaftlern glauben, dann sagen diese, für die null bis 24 Monate brauchen wir einen Betreuungsschlüssel von 1 : 3 – überlegen Sie sich das! – und für die über Zweijährigen von 2 : 5. Da haben wir noch ganz schön zu tun, denn die Fachberatung brauchen wir natürlich auch.
Schauen wir uns unter diesen Qualitätsgesichtspunkten einmal die Kindertagesbetreuung an. Hierzu möchte ich Herrn Stefan Kirsche aus der Anhörung zum Kita-Gesetz zitieren. Er ist Sprecher des Landesarbeitskreises Kinderbetreuung in Kindertagespflege. Er hat gesagt, dass es so ist, dass die Kindertagespflege wie andere Betreuungsangebote ein bestimmtes Profil haben. Das Profil bestimmt wesensgemäß die Qualität des Angebotes. Ein wichtiges Merkmal der Kindertagespflege ist der familiäre Rahmen. Überlegen Sie sich, wo wir heute den familiären Rahmen in der Kindertagespflege haben!
Die Kontinuität der Bezugsperson ist die Basis dafür, dass sich Sicherheit und Geborgenheit bietende Betreuung zwischen der Tagesmutter und den Tageskindern entwickeln können. Dann sagt er noch, Kindertagespflege ist flexibel und individuell. Ist sie wirklich flexibel und individuell? Ich glaube, dass Mütter durchaus andere Erfahrungen machen.
Herr Neubert hat schon darauf hingewiesen, dass derzeit Kindertagespflege in vielen Kommunen ein Notbehelf ist. Er hat die Zahlen genannt: Steigerung von 127 Kindern, die in der Kindertagespflege betreut wurden, auf 2 292 im Jahr 2006. Das sei ein Ausdruck dafür, dass viele Städte die Kindertagespflege als Notanker begreifen. Ich denke, das Gegenteil ist der Fall. Wenn er beklagt, dass hier keine Wahlfreiheit besteht, weil gar keine anderen Angebote existieren, dann ist es im ländlichen Raum – ich spreche von dem Landkreis, aus dem ich komme – durchaus so, dass die Wahlfreiheit deshalb nicht gegeben ist, weil keine Kindertagespflege vorgehalten wird. Es ist nicht einseitig. Für den Ausbau und die Art und Weise der Kindertagesbetreuung sind nun einmal die Kommunen zuständig. Darüber ist noch viel zu diskutieren.
Zur Rede von Frau Dr. Schwarz. Ich finde die Koordinierungsstelle auf Landesebene ganz toll. Als ich über den Antrag der Koalition nachgedacht habe, ist mir der Gedanke gekommen, dass Beratungsstellen vor Ort ein geeignetes Mittel wären, um Krippenangebote, Kitas und Kindertagespflege zu verbinden, und zwar fruchtbar für alle und vor allem für die Kinder, weil wir dann die Weiterbildung und Fortbildung an einer geeigneten Stelle anbinden können, weil wir dort einen Austausch haben und weil wir dort eine Vertretung organisieren können. Das ist ungeheuer wichtig. So eine Stelle könnte zum Beispiel an eine Kita angebunden sein, aber auch an Familienzentren oder Mehrgenerationenhäuser. Dieses Potenzial könnten wir durchaus nutzen.
Ich denke auch an lokale Bündnisse für Familie und Kommunen, die dazu beitragen können, dass solche Beratungsstellen entstehen. Die Kindertagespflege hat zurzeit ein Manko. Sie ist nämlich nicht flexibel. Wenn zum Beispiel die Pflegemutter sagt, dass sie jetzt für ihre Familie da sein möchte, und Schluss macht und nicht die Abendstunden abdeckt, dann besteht dieses Manko. Wie soll auch diese Frau, wenn sie fünf Kinder betreut, von früh um acht bis abends 22 Uhr zur Verfügung stehen? Das geht ja gar nicht. Genau an dieser Stelle könnten wir eine gute Verbindung hinbekommen. Ich verstehe auch den Koalitionsantrag, weil er auf mehr Qualität in der Kindertagespflege gerichtet ist. Das Curriculum ist genannt worden. Das ist ein positiver Schritt. An der Qualität müssen wir gemeinsam mit den Kommunen arbeiten.
Zur Art der Finanzierung der Kinderbetreuung. Die Bundestagsfraktion der GRÜNEN hat ein Modell vorgestellt, das das Geld direkt über die Eltern an die gewählte Kita weitergibt, die sogenannte Kinderbetreuungskarte. Diese wird nicht bar bezahlt, sondern kann von den Eltern
in den Kitas vor Ort eingelöst werden. So können die individuellen Ansprüche der Kinder und der Eltern, also das Wahlrecht, wie auch die Chancengleichheit der Kinder in Ost und West gesichert werden. Diese Kinderbetreuungskarte ist eine gute Möglichkeit für die Finanzierung. – Wir werden beiden Anträgen zustimmen.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist schon angesprochen worden, dass die Kindertagespflege explosionsartig zugenommen hat. In fünf Jahren hat sie sich verachtzehnfacht. Ich war in den letzten Monaten auf vielen Veranstaltungen von Kindertagesmüttern, bei denen auch Eltern anwesend waren, wie zum Beispiel in Leipzig, Radebeul, Lößnitz und Lichtenstein. Dabei ist mir deutlich geworden, dass der Bedarf, entgegengesetzt zu dem, was mitunter von der Linksfraktion.PDS geäußert wurde, keineswegs gedeckt ist, sondern dass es Bedarf an Kindertagespflege gibt.
Der Bericht der Bundesregierung zum Thema Kindertagesbetreuung für Kinder unter drei Jahren aus dem vergangenen Jahr stellt fest, dass fast die Hälfte der ostdeutschen Jugendämter die Tagespflege ausbauen will, um eine Vielfalt der Betreuungsformen zu gewährleisten. Das ist das Ziel: eine Vielfalt von Betreuungsformen.
Im Westen wollen das sogar 81 % der Jugendämter tun. Der Bericht der Bundesregierung kommt zu dem Ergebnis: „Der Ausbau der Tagespflege stellt damit die häufigste Form zur Verbesserung des Angebots dar.“ Es wird deutlich, dass Kindertagespflege eine sinnvolle Ergänzung zur Krippe ist. Das bringt auch eine höhere Flexibilität. Frau Herrmann hatte gesagt, dass die Kindertagespflege nicht so flexibel ist. Aber die Kindertagespflege ist gerade äußerst flexibel, was die Öffnungszeiten betrifft. Zum Beispiel, Frau Herrmann, ist die Kindertagesmutter nach 20 Uhr da, wenn es einmal sein muss. Das ist ein knochenharter Job, aber sie hört nicht 20 Uhr auf zu arbeiten. Fragen Sie einmal Ihre Pfarrerin in Crimmitzschau, die genau aus diesem Grund eine Kindertagesmutter gewählt hat.
Herr Krauß, stimmen Sie mir zu, dass man das pauschal so nicht sagen kann? Es gibt solche und solche Erfahrungen. Unsere Arbeit sollte
darauf gerichtet sein, genau diese Flexibilität zu erreichen und die Kindertagespflegepersonen dabei zu unterstützen, weil das im Moment nicht überall der Fall ist.
Wir wollen genau die Kindertagesmütter unterstützen. Hier ging es darum, dass ein Hauptargument, wieso Eltern die Kindertagespflege wählen, ist, dass die Zeit flexibel ist, denn die Kindertagespflegestelle schließt nicht 17 Uhr und alle müssen nach Hause gehen, sondern die Kindertagesmutter bietet im Regelfall längere Öffnungszeiten an.
Ein Problem ist, dass in der einen oder anderen Gemeinde nicht die Eltern darüber entscheiden, welche Betreuungsform gewählt wird, ob das Kind in die Krippe oder in die Tagespflege geht, sondern leider der Bürgermeister. Dieses Problem finden wir vor allem im flachen Land vor. Meines Erachtens hat nicht der Bürgermeister zu entscheiden, was die beste Betreuungsform ist, sondern die Eltern. Auch die Linksfraktion.PDS hat nicht über die Betreuungsform zu entscheiden, sondern die Eltern.
Wenn Eltern ein Kind zu einer Kindertagesmutter schicken möchten, weil ihnen das Betreuungsangebot besser gefällt, diese Kindertagespflegestelle vielleicht auf einem Bauernhof ist, dann sollte es ihnen frei überlassen sein.
Wir wollen diese Wahlfreiheit haben, weil sie dem Geist des Kindertagesstättengesetzes entspricht. Die Eltern sollen entscheiden.
Auf dem Weg zur Wahlfreiheit sind wir in Sachsen in den letzten Jahren ein ganzes Stück vorangekommen. Ich erinnere an das Kindertagesstättengesetz 2001, damals noch unter Hans Geisler, bei dem wir gesagt haben, den Eltern soll freigestellt werden, welchen Kindergarten oder welche Kinderkrippe sie wählen, ob das in dem Ort A oder in dem Ort B ist. Wichtig ist, dass die Eltern das frei entscheiden können und es kein anderer festlegt. 2005 haben wir gesagt, dass wir diese rechtliche Gleichstellung von Kindertagespflege und Kinderkrippe haben wollen. Deswegen haben wir das Gesetz in einigen Punkten deutlich geändert.
Wie gesagt, diesen Missstand, dass die Wahlfreiheit nicht überall durchkommt und angewendet wird, wollen wir abstellen. Deswegen steht auch in unserem Antrag die
Bitte an die Staatsregierung, darauf hinzuwirken, die Bedarfsplanung zu verbessern. Wir können den Kommunen nichts vorschreiben, aber wir wollen gern den Kommunen helfen, dass sie den Betreuungsbedarf, den die Eltern sehen, wirklich ermitteln. Das kann man zum Beispiel über Elternbefragungen machen, über die man deutlich herausbekommt, was wichtig ist.
Das Landesjugendamt ist derzeit dabei, die Empfehlungen zur Bedarfsplanung zu überarbeiten. Ich bitte Frau Staatsministerin Orosz, dort auch darauf Einfluss zu nehmen, dass die Kindertagespflege – so wie es angedacht ist – bei den Empfehlungen berücksichtigt wird.
Es gibt Arbeitshilfen für die Kommunen in BadenWürttemberg und Nordrhein-Westfalen, die, glaube ich, auf einem ordentlichen Niveau sind, wobei das Mittel der Elternbefragung dazu geführt hat, dass die Kindertagespflege gut abgebildet wird. Meine Bitte geht natürlich an die Kommunen, diese Arbeitshilfen des Landesjugendamtes auch zu nutzen.
Wir wollen die im Kindertagesstättengesetz verankerte Wahlfreiheit umsetzen. Wir wollen eine Steigerung der Qualität in der Kindertagespflege durch Qualifizierung haben, durch diese Informations- und Kontaktstelle „Kindertagespflege“, bei der es darum geht, Beratung anzubieten, wo wir einen Ausbau der Fachberatung haben. Es gibt eine ganze Menge Beispiele. Radebeul ist schon genannt worden, Frau Plänitz, die an das Familienzentrum angebunden ist und dort Fachberatung leistet. Diesen Weg wollen wir weitergehen: dass Kindertagesmütter und -väter qualifiziert werden und sich auch weiterbilden können.
Wir streben weiterhin eine engere Zusammenarbeit mit dem Kindergarten an. Da ist ein Punkt der Übergang von der Kindertagespflege in den Kindergarten – das ist eine Phase, die gestaltet werden muss –, aber auch die ergänzende Kindertagespflege. Wenn es darum geht, dass zum Beispiel in einem Kindergarten gesagt wird, wir haben bis 17:00 Uhr offen, danach würde es sich nicht lohnen, eine Betreuung in dieser Krippe anzubieten, weil eben nur zwei, drei Mütter als Verkäuferin arbeiten oder einen anderen Beruf haben, in dem sie nach 17:00 Uhr tätig sind, dann bietet sich die ergänzende Kindertagespflege an, bei der eine Kindertagesmutti kommt und die Kinder entweder im Kindergarten betreut oder mit nach Hause nimmt und dort betreut. Kerstin Nicolaus hat schon darauf hingewiesen. Hier wollen wir eine engere Verknüpfung haben.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich bitte Sie, unseren Antrag zu unterstützen, weil Sie damit die Elternrechte unterstützen und auch den Tagesmüttern den Rücken stärken.