In der Zeit kann ich ein paar Übungen machen; binnenkörperliche Bewegungen kann ich jetzt trainieren.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich hatte vorhin bereits darauf hingewiesen, dass ich in einer zweiten Runde auf den Antrag der Koalitionsfraktionen eingehen möchte, und später will ich noch auf ein paar Äußerungen reagieren, die vorhin gekommen sind.
Frau Nicolaus, die Linksfraktion.PDS wird dem Antrag der Koalitionsfraktionen zustimmen. Allerdings, Sie verlangen einen Berichtsantrag. Sie haben vorhin schon so viel geschildert und Frau Dr. Schwarz ebenfalls, Sie wissen eigentlich alles, was Sache ist. Dennoch wollen Sie noch einmal einen Bericht haben.
Auf Ihren Antrag bezogen, Frau Nicolaus, glaube ich, es ist nicht ausreichend, bezüglich der Umsetzung des Persönlichen Budgets nur die Landkreise und kreisfreien Städte zu gewinnen. Wir brauchen alle Leistungsträger, damit das Persönliche Budget tatsächlich greifen kann, vor allen Dingen auch mit Blick auf das trägerübergreifende Budget.
Doch zunächst der Reihe nach. Sie haben viele Dinge bereits ausgeführt. Wichtig scheint es mir, noch einmal zu betonen, dass das Budget dazu dient, die Selbstbestimmung und Eigenverantwortung behinderter Menschen zu stärken. Was mir aber auch wichtig erscheint: Es geht darum, dass die passgenauen und individuellen Hilfen ermöglicht werden. Das sollten wir nicht aus dem Blick verlieren. Das ist auch wichtig, um ein größtmögliches Maß an Selbstständigkeit für Menschen mit Behinderung zu erreichen, was zu mehr Selbstbestimmung und Lebenszufriedenheit führt.
Frau Dr. Schwarz, die Angst könnte eventuell damit zusammenhängen, dass die budgetsuchenden Menschen nicht richtig beraten werden und einfach zu viel offenbleibt. Von daher haben sie Ängste und bleiben lieber bei dem, was sie bisher haben. – Ich komme noch einmal darauf zurück.
Wenn ich „größtmögliches Maß“ sage, dann deshalb, weil meines Erachtens aufgrund der Erfahrungsberichte aus den Modellregionen noch unklar ist, wie das Budget für Menschen mit eingeschränkter Geschäftsfähigkeit, also die, die von Betreuern abhängig sind, wirkt. Dazu hat im vergangenen Jahr eine Veranstaltung des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes in Leipzig stattgefunden. Es wurde
darüber diskutiert, für wen das dann greift und wie sich derjenige selbst artikuliert bzw. welche Chancen wir denjenigen bieten können. Ich glaube, diesbezüglich müssen wir intensiv beraten.
Wichtig ist bei alledem: Der Wille der behinderten Menschen ist zu beachten. Insofern verwundert es mich nicht, dass wir noch nicht viele Anträge haben, da nicht alle sofort einen Antrag auf Persönliches Budget stellen werden. Dennoch – diesbezüglich haben Sie recht – müssen wir alle Vorbereitungen treffen, damit es ab 1. Januar 2008 problemlos greifen kann. So viel Zeit ist bis dahin nicht mehr.
Nach der derzeitigen Situation im Freistaat Sachsen – Sie haben erwähnt, dass Anträge gestellt und entsprechende Leistungen bewilligt wurden – habe ich dennoch die Sorge, dass das Budget nur von wenigen Menschen genutzt wird, möglicherweise auch deshalb, weil die Antragswege für die Bewilligung des Budgets voller Hürden sind, eine Bewilligung einen monatelangen beharrlichen Kampf erfordert und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Behörden sich noch nicht ausreichend auskennen. Das ist im Augenblick noch verständlich, aber wenn ich an andere Leistungen denke, glaube ich nicht, dass das im Jahre 2008 der Fall sein wird.
Es gibt bereits einige wenige Budgets im ambulanten betreuten Wohnen und für einzelne Arbeitsangebote. Das ist aber nicht die große Hürde, weil es hier nur einen Leistungsträger für diese Budgets gibt. Die Trägerübergreifenden spielen gegenwärtig kaum eine Rolle, obwohl im Rahmen des Ermessensspielraumes schon jetzt die Möglichkeit gegeben ist, entsprechende Budgets zu beantragen. Denn hier ist Organisations- und Zeitaufwand erforderlich. Ich habe den Eindruck, dass die Leistungsträger untereinander ihre Erfahrungen nicht richtig austauschen, denn die Bundesagentur für Arbeit war meines Erachtens die erste Behörde, die einen vollständig ausdifferenzierten Leitfaden zur Beantragung und Bewilligung des Persönlichen Budgets verabschiedet hat, wenngleich die Agentur auch zu denjenigen gehört, bei denen die Mitarbeiter auf den örtlichen Ebenen mit den Regelungen nichts anzufangen wissen.
Auch hier habe ich die Sorge, dass wir als Verantwortliche im Freistaat Sachsen sagen: Das betrifft die Bundesagentur, das geht uns nichts an, das müssen diese eigenverantwortlich regeln.
Bei den Krankenkassen haben wir in den Sozialverbänden die Erfahrung gemacht, dass sie sich bezüglich des Budgets taub stellen, und das nicht nur im Freistaat Sachsen, sondern bundesweit. Frau Dr. Schwarz hat es bereits erwähnt: Der Kommunale Sozialverband bietet Persönliche Budgets an; 30 bis 40 sind auf dem Weg. Das ist positiv. Aber mir erscheint es nicht unproblematisch, dass der Kommunale Sozialverband die Budgets auf sehr unkompliziertem und kurzem Weg anbietet, nämlich mit gleichem Preis – der Monatspreis im bisherigen ambulant betreuten Wohnen liegt zwischen 230 und 280 Euro, davon dann 80 % –, mit einer vorgefertigten Vereinbarung
Auf die vom Gesetzgeber vorgegebene Fallkonferenz scheint offenbar der Kommunale Sozialverband keinen Wert zu legen. Leistungsberechtigte werden so unter Umständen um ihre Leistungsansprüche gebracht. Die Berechtigten oder deren Familienangehörige sehen die Geldmenge und unterschreiben mitunter selbst dann, wenn sie der Leistungserbringer gewarnt hat. Sie übersehen, dass sie außer der Unterstützung zum Wohnen oft noch andere Unterstützung benötigen. Nachträglich haben sie kaum eine Chance, wieder in das Verfahren einzusteigen, denn dann ist eine wesentliche Veränderung der Verhältnisse zum Zeitpunkt der Bewilligung der Leistung nachzuweisen. Das ist mit enormem bürokratischem Aufwand verbunden.
Es erscheint mir notwendig zu sagen, dass die Leistungsberechtigten nicht nur nicht in ihrem Antragsrecht beschnitten werden dürfen, sondern es ist wichtig, dass sie ausreichend im Verfahren seit der Antragstellung beteiligt werden, insoweit ihr individueller Budgetbedarf ermittelt wird und danach Zielvereinbarungen abgeschlossen werden.
Sehr geehrte Frau Staatsministerin, ich weiß, Sie haben einen Arbeitskreis ins Leben gerufen, damit das Persönliche Budget problemlos ab 1. Januar 2008 greifen kann. Ich habe die herzliche Bitte: Sichern Sie solche Rahmenbedingungen, dass das Persönliche Budget auch wirklich sachgerecht und zielgerecht bei den Bedürftigen ankommt.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zu dem, was die UN-Konvention aussagt, brauchen wir uns in epischer Breite nicht weiter zu unterhalten. Wir alle sind der Meinung, dass es richtig und wichtig ist. Warum wir den Antrag dennoch ablehnen, hat meine Kollegin Frau Dr. Schwarz für die Koalition bereits ausgeführt.
Ich möchte ein paar Worte darüber verlieren, was die Behinderung an sich betrifft, weil ich glaube, man kann nicht einfach sagen: Behinderung ist das, was Barrierefreiheit ausmacht. Das ist ein Bestandteil der Behindertenarbeit. Bei der Barrierefreiheit geht es um die Beseitigung von Hindernissen, damit sich behinderte Menschen gleichermaßen am Leben beteiligen können wie nicht behinderte. Das ist ein Aspekt. Aber – das hatte ich vorhin
schon ausgeführt – es gibt gleichermaßen die Gehörlosen und die geistig behinderten Menschen. Gerade im Blindenbereich wird es uns wahrscheinlich nie so ganz gelingen, die Nachteile im gesellschaftlichen Leben auszugleichen. Blinde Menschen können genauso gut eine Ausbildung wahrnehmen wie Nichtbehinderte. Es gibt viele Professoren und andere Personen in gehobener Stellung, die blind sind.
Schwieriger wird es sicherlich bei den gehörlosen Menschen, die das Problem haben, am Leben teilzunehmen. Wenn Sie sich einmal die Ohren zuhalten und versuchen, Dinge aus Ihrem Umfeld wahrzunehmen, werden Sie feststellen, dass das ziemlich schwierig ist. Wir werden aber auch hier dranbleiben. Wir haben die Gehörlosenzentrale in Zwickau, auf die wir sehr stolz sein können. Wir werden auch weiterhin diesen behinderten Menschen die Hand reichen, um bestimmte Nachteile auszugleichen.
Noch ein Wort zu den Schulen. Herr Zastrow, Sie hatten darauf hingewiesen, dass vieles wünschenswert wäre, und gesagt, dass wir aber auf dem richtigen Weg seien. Sicherlich ist noch nicht alles dort, wo es hingehört. Aber hier, meine sehr verehrten Damen und Herren, appelliere ich schon an das Selbstverständnis. Dieses Selbstverständnis ist in der Gesellschaft noch lange nicht angekommen.
Sicherlich haben wir auch in Mittelschulen und Gymnasien behinderte Kinder, das möchte ich hier noch einmal auf den Punkt bringen. Aber nicht alles, was dort an Behindertengerechtheit angeboten wird, ist so, dass wir sagen können, es ist toll und alle Schüler – was den Gehbehindertenbereich betrifft – können eine entsprechende Schule besuchen. Es wird – hier wiederhole ich mich – immer Schulen geben, in denen behinderte Menschen extra beschult werden müssen – eben aus dem besagten Grund, da es im Behindertenbereich verschiedene Verhältnisse gibt: blinde, gehörlose und geistig behinderte Menschen; wobei geistig behinderte Menschen mit Abstrichen sicher zum Teil in normalen Schulen beschult werden könnten und auch werden. Aber wir sind hier auf dem Weg, auch was das Persönliche Budget betrifft, und ich gebe Ihnen recht, Herr Wehner – ich hatte nur die örtlichen Träger herausgenommen –, die Palette derer, die für die überörtlichen Trägerbudgets mit ins Boot geholt werden müssen, ist recht lang. Ich möchte den Sächsischen Landtag jetzt nicht damit ermüden, jeder kann es in der Antwort der Staatsregierung nachlesen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich bin mir ganz sicher, dass wir zum 01.01.2008 einen entsprechenden Start hinbekommen, dass auch die behinderten Menschen ein Signal in die andere Richtung haben – bei allen Ängsten, die die behinderten Menschen haben. Ich gebe Ihnen völlig recht, gerade die geistig behinderten Menschen haben große Schwierigkeiten. Sie sind auf ihre Betreuer angewiesen, das ist überhaupt keine Frage. Der Betreuer muss letztlich beurteilen, wie das Persönliche Budget ausgerichtet werden soll. Aber das ist auch jetzt bereits so, auch jetzt muss der Betreuer entscheiden, ob zum Beispiel eine Operation durchgeführt werden muss
oder soll oder nicht, ob ein geistig behinderter Mensch in eine Wohneinrichtung kommen soll oder nicht oder ob er zu Hause wohnen bleiben kann. Dort stehen also immer wieder Entscheidungen an, und das ist beim Persönlichen Budget gleichermaßen so.
Ich bin dem Staatsministerium sehr dankbar, dass man sich der Aufgabe gestellt und diesen Arbeitskreis initiiert hat, damit wir hier „gut besattelt“ ins Rennen gehen können, um den behinderten Menschen gerecht zu werden. Schauen wir einmal, was noch an Beiträgen kommt. Sie haben noch etwas angekündigt, Herr Wehner, und wir werden schauen, ob wir noch einmal darauf reagieren.
Wünscht die SPDFraktion noch einmal zu sprechen? – Nein. Die NPDFraktion? – Nicht. Die FDP? – Nicht. Die GRÜNEFraktion? – Frau Herrmann, bitte.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Nicolaus, ich habe nicht davon gesprochen, dass mit der Schaffung von Barrierefreiheit die Probleme der Menschen mit Behinderung umfassend angegangen werden. Ich habe – im Gegenteil – von einer umfassenden Teilhabe gesprochen und davon, welche Rechte daraus abgeleitet werden müssen, und Barrierefreiheit ist eben eine Voraussetzung dafür, dass diese Rechte überhaupt wahrgenommen werden können – allerdings eine wesentliche, sozusagen eine Grundvoraussetzung.
Nun zum Persönlichen Budget: Ich muss heute – es ist immer so, aber heute kann ich es einmal genießen – als letzte Rednerin nicht noch einmal darauf eingehen, was ein Persönliches Budget ist. Ich kann mich also darauf beschränken, Beispiele zu nennen. Das Persönliche Budget bietet den Menschen mit Behinderung eine Wahl. Sie können entscheiden, ob sie ihre Leistungen zur Teilhabe als Sachleistungen bekommen oder sich als Geldleistungen auszahlen lassen wollen. Es ist bereits auf die Modellprojekte hingewiesen worden.
Nun bitte ich Sie, mir einmal in den sächsischen Praxisdschungel zu folgen. Ich gebe von vornherein zu, dass dabei noch viele Erfahrungen gemacht werden müssen; aber es sieht zum Teil schon sehr schwierig aus. Das Dickicht der Zuständigkeiten ist so: Stationäre und teilstationäre Unterbringung ist Sache des Kommunalen Sozialverbandes. Unter 18-Jährige fallen in die kommunale Zuständigkeit. Undurchdringlich wird dann das Gestrüpp, wenn ich eine ambulante Versorgung mit Persönlichem Budget für über 18-Jährige will. Diese Zuständigkeit würde der KSV im Übrigen gern an die Kommunen abgeben; er weiß jedoch noch nicht genau, auf welcher Grundlage er dies tun soll.
Das genau ist der Testfall: Die erste telefonisch angefragte Sachbearbeiterin im Sozialamt hat noch nie etwas von
einem Persönlichen Budget gehört. Die zweite Sachbearbeiterin erklärt, dass ein formloser Antrag erforderlich ist, dies jedoch mindestens ein halbes Jahr dauern werde. KSV, Pflege- und Krankenversicherung und das Sozialamt müssten sich dazu zusammensetzen. – Okay, ich sehe ein, im Moment braucht das seine Zeit. – Ein dritter Anruf bei dem Sozialamt ergibt, dass eine direkte Beantragung momentan nicht der zielführende Weg sei. Wenn man, wie im konkreten Fall, im Grunde eine stationäre Unterbringung wünscht, es momentan jedoch keinen Platz gibt, so sollte man auf keinen Fall vor der Entscheidung beim KSV signalisieren, dass noch eigene Ressourcen vorhanden sind; denn dann verliert man seine Verhandlungsposition und rutscht von der Liste. So ist es gesagt worden, und ich finde, das kann doch nicht sein.
Ab 01.01.2008 gibt es den Rechtsanspruch für das Persönliche Budget, und das ist gut so. Aber eigentlich gibt es ihn ja jetzt schon, und so ist vollkommen klar, dass wir das Sozialministerium brauchen. Wir brauchen es als moderierende und steuernde Einrichtung, die die Umsetzung des Persönlichen Budgets in Sachsen begleiten muss. Diese Einsicht ist, denke ich, im entsprechenden Fachreferat durchaus angekommen.
Wir sind gespannt, was der Landesbehindertenbeauftragte, Herr Pöhler, berichten wird. Er hat sich vorgenommen, in diesem Jahr ein erstes trägerübergreifendes Persönliches Budget für einen Menschen mit Behinderung in Sachsen zu organisieren.
Wir werden dem Antrag der Koalition wie auch dem – dies sagte ich vorhin bereits – der Linksfraktion.PDS zustimmen.
Wir sind der Meinung, dass das Persönliche Budget wirklich noch viel Unterstützung von allen Seiten braucht, und dies ist eine Aufgabe für uns alle, die wir für solche Dinge verantwortlich sind.