Protocol of the Session on May 10, 2007

Ähnlich unbefriedigend sieht es bei der Beschäftigungsquote von Behinderten in der Landesverwaltung aus. Seit Jahren, meine Damen und Herren, wird die Quote von 5 % nicht erreicht. Im Jahre 2005 musste die Staatsregierung, wenn ich richtig informiert bin, deshalb sogar reichlich 161 000 Euro Ausgleichsabgabe bezahlen. Das, meine Damen und Herren, ist nun beim besten Willen kein Ruhmesblatt.

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS – Zuruf der Staatsministerin Helma Orosz)

Wenn es da eine positive Entwicklung gibt, können Sie das ja hier gleich noch darstellen.

Interessant ist aus unserer Sicht die Einführung des sogenannten Persönlichen Budgets auch hier in Sachsen ab Anfang 2008. Wir als FDP unterstützen dieses Vorhaben ausdrücklich. Für uns steht das Persönliche Budget nämlich auch für die Achtung und den Respekt, den die Gesellschaft Menschen mit einem Handicap entgegenbringt, meine Damen und Herren. Sachsen hat damit erste positive Erfahrungen gesammelt.

Ich glaube aber – darauf sollte man in Sachsen achten –, dass der bundesweite Modellversuch, der in Rheinland

Pfalz gelaufen ist, eine Menge Kritikpunkte gebracht hat. Kritikpunkte waren beispielsweise, dass es zu bürokratisch war, dass viele überfordert waren, besonders durch die vielen Angebote, die gemacht worden sind, und dass es auch dadurch ein Problem gab, dass es sehr viele Träger gab und keine trägerübergreifenden Lösungen gefunden worden sind.

Wenn wir in Sachsen bei den ersten kleinen Versuchen bessere Erfahrungen gesammelt haben, ist das gut. Ich hoffe, dass die Staatsregierung trotzdem noch einmal die Erfahrungen von Rheinland-Pfalz aufnimmt und daraus Schlüsse für Sachsen zieht.

Trotz vieler Erfolge, die wir zweifelsohne überall in Deutschland in der Behindertenpolitik erreicht haben, gibt es für uns noch viel zu tun. Die Sächsische Staatsregierung sollte daher die Ratifizierung der UN-Konvention für Menschen mit Behinderung nicht nur unterstützen, sondern als Ansporn dafür begreifen, es hier bei uns in Sachsen noch besser zu machen. Wir werden selbstverständlich beiden Anträgen zustimmen.

Danke schön.

(Beifall bei der FDP und der Linksfraktion.PDS)

Für die Fraktion GRÜNE spricht Frau Herrmann.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich beginne meine Rede nach der Mittagspause mit einem Zitat, das Ihnen vielleicht auch allen gut tut: „Unser Kopf ist rund, damit das Denken die Richtung wechseln kann.“ Es ist ein muntermachendes Zitat und Sie können alle einmal ein bisschen den Kopf bewegen. Damit beginnen Sie das Umdenken und verscheuchen gleichzeitig Ihre Müdigkeit.

Dieses Zitat ist ein Bild für den Wechsel in der Ausrichtung der Behindertenpolitik. Es ist schon von Paradigmenwechsel gesprochen worden, also, wir wollen weg von der Fürsorge und Betreuung der Betroffenen hin zur Eröffnung echter Teilhabemöglichkeiten und Inklusion von Menschen mit Behinderung. Diesen Wechsel begrüßt die Staatsregierung auch noch einmal in Ihrer Stellungnahme zum Antrag der Linksfraktion.PDS. Gleichzeitig gibt sie an der Stelle selbstkritisch zu, dass dieses Umdenken noch lange nicht abgeschlossen ist. Deshalb stimmen wir der Linksfraktion.PDS zu. Die Ratifizierung der UN-Konvention und die Umsetzung in Bundes- und Landesrecht kann in Sachsen und in ganz Deutschland für eine neue Belebung in diesem Prozess sorgen oder, anders gesagt, kann uns Dampf machen.

(Beifall des Abg. Horst Wehner, Linksfraktion.PDS)

Die UN-Konvention ist ein klares Signal zur Stärkung der Rechte von Menschen mit Behinderung. Diese Konvention verpflichtet die Vertragsstaaten, eine andere Denkweise im Umgang mit den Belangen von Menschen mit Behinderung zu entwickeln.

Denken Sie an das Eingangszitat und schauen Sie sich dann Ihre Vorurteile an, die bei den Bewegungen Ihres Kopfes zutage treten, bevor Sie diese Vorurteile endgültig in die Tonne werfen. Ich jedenfalls stoße im Alltag bei mir immer mal wieder auf solche Relikte. Dann wünsche ich mir einen Betroffenen oder eine Betroffene an meine Seite, die mir die Augen öffnen.

Neben unseren Vorurteilen haben wir hier im Haus aber auch solche Gesetze zu beseitigen, die behinderte Menschen benachteiligen. Da, Herr Zastrow, geht es nicht um ein angenehmeres Leben – wie Sie es ausgeführt haben – für Menschen mit Behinderung, sondern es geht um die Umsetzung von Rechten. Das ist etwas anderes.

Diese Rechte umfassen das Recht auf ein unabhängiges Leben sowie das Ende erzwungener Institutionalisierung; das Recht auf eine eigene Familie; das Recht auf Beschäftigung; das Recht auf einen angemessenen Lebensstandard und sozialen Schutz; den gleichen Zugang zu Bildung – dazu wurde schon etwas gesagt –; das gleiche Recht auf Teilhabe am öffentlichen und kulturellen Leben – das Persönliche Budget könnte man da einordnen –; das gleiche Recht auf Schutz vor Gewalt, Ausbeutung und Missbrauch.

(Beifall des Abg. Peter Klose, NPD)

Im Sinne der Konvention ist keine Form der Behinderung, kein Handicap ausgeschlossen. Das sollten wir im Kopf haben, wenn wir uns die Ratifizierung vor Ort ansehen.

Deutschland hat die UN-Konvention als eines der ersten Länder unterzeichnet. Jetzt sollte das Verfahren zur Ratifizierung so schnell wie möglich eingeleitet werden, um rechtsverbindliche Regelungen zu finden.

Frau Orosz, auch Sie haben in einer dpa-Meldung vom 4. Mai einen Bewusstseinswandel beim Umgang mit Menschen mit Behinderung gefordert. Lassen Sie auch weiter Ihren Worten Taten folgen. Sie verweisen in der Meldung auf das Sächsische Integrationsgesetz. Ich will jetzt nicht dazu sprechen, was uns im Sächsischen Integrationsgesetz fehlt, was wir uns anders vorstellen würden. Aber wenn wir allein die Umsetzung der dort festgeschriebenen Maßnahmen ansehen, wird Verschiedenes deutlich.

Erstens: Papier ist geduldig. Zweitens: Der Prozess des Umdenkens in dem von uns allen jetzt hier beschriebenen Sinne ist nicht nur nicht abgeschlossen – ich meine persönlich sowieso, dass das eine immerwährende Aufgabe ist –, sondern dieses Umdenken hat an manchen Stellen noch nicht einmal begonnen.

Ein Beispiel ist die Besuchskommission. Das ist § 12 Sächsisches Integrationsgesetz. Aus der Antwort der Staatsregierung auf eine Kleine Anfrage von mir vom 21. März geht hervor, dass diese Kommission nun Ende des Jahres eingerichtet werden soll und ab 2008 ihre Tätigkeit aufnimmt. Auch wenn Sie, Frau Orosz, mir in dieser Antwort erklären, warum erst 2008 – und ich versuche wirklich, dafür Verständnis aufzubringen –, dauert mir das einfach zu lange.

(Beifall der Abg. Dr. Dietmar Pellmann und Horst Wehner, Linksfraktion.PDS)

Die Betroffenen sind zu Recht noch viel ungeduldiger. Das ist so ein zäher Prozess, meine Güte. Kinder werden darüber Jugendliche und Eltern haben das Gefühl, sich im Kreis zu drehen.

(Dr. Dietmar Pellmann, Linksfraktion.PDS: Die werden Großeltern!)

Vielleicht.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Am vergangenen Sonnabend fand der Europäische Protesttag zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung statt. Auch das Ziel dieses Tages war es, Druck zu machen, und zwar auf die Verantwortlichen, endlich die Gleichstellungs- und Integrationsgesetze konsequent umzusetzen.

In Zwickau hatte die Regionale Arbeitsgemeinschaft der Behindertenverbände unter dem Titel „Und wo haben Sie Ihr Handicap?“ eingeladen. Dort bekamen wir die Ungeduld der Betroffenen natürlich auch hautnah zu spüren; ich meine, zu Recht.

Ich möchte kurz auf die Barrierefreiheit eingehen, die im § 9 der UN-Konvention angesprochen ist.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Immer noch lassen sich viele Türen für Rollstuhlfahrer nicht öffnen – Anmerkung: auch nicht für Kinder – oder sie können nicht von Rollstuhlfahrern passiert werden, weil sie zu schnell zufallen oder zu schmal sind.

(Horst Wehner, Linksfraktion.PDS: Ja, das stimmt!)

Und was macht die Mutter mit dem Kinderwagen? Einstiege in Busse und Straßenbahnen sind ohne Hilfe nicht zu bewältigen. Die Orientierung im öffentlichen Raum, das Überqueren von Fahrbahnen ist für Menschen mit Sehschwächen oder für blinde Menschen ein sehr großes Problem. Und was ist mit Senioren? Wir haben heute früh darüber gesprochen.

Zwei Gesetze, liebe Kolleginnen und Kollegen, die für Barrierefreiheit im öffentlichen Raum maßgeblich sind, sind seit der Föderalismusreform Ländersache. Das sind das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz und das Gaststättengesetz. Das bedeutet, dass bisher bundeseinheitliche Regelungen zum Beispiel für den barrierefreien Bau von Gaststätten, Gehwegen, Straßen und im öffentlichen Personennahverkehr nur so lange gelten, bis sie von Landesrecht abgelöst werden. Die Behindertenverbände befürchten an dieser Stelle angesichts der finanziellen Lage der Kommunen und der Länder noch Verschlechterungen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Besonders krass ist die Situation bei der Bundesbahn. Ein Beispiel: Die Bahn hat am Hauptbahnhof Zwickau ab März 2007 die Zeiten, in denen sie auf Vorbestellung gewährte Ein- und Ausstiegshilfen durch Bahnservicepersonal anbietet, drastisch

gekürzt: wochentags bis 20:00 Uhr, am Wochenende bis 18:00 Uhr.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Hört, hört!)

Gleichzeitig wurden die Betroffenen schriftlich darauf hingewiesen, dass das Überschreiten der Gleisanlagen verboten ist. Sie meinen, eine Selbstverständlichkeit?! Wenn die Mitreisenden oder Angehörigen helfen wollen, an den dafür abgesenkten Stellen die Gleise zu passieren, begehen sie eine Ordnungswidrigkeit.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wer Zwickau kennt, der weiß, dass es geradezu unmöglich ist, Rollstühle über die vielen Treppen in Zwickau zu wuchten. Ich spreche da aus der Erfahrung einer Mutter mit Kinderwagen, der bei Weitem nicht so schwer ist wie ein Rollstuhl, und die dann auch noch weitere Kleinkinder an der Hand hat. Das ist allerdings 20 Jahre her. Und was hat sich seitdem geändert? Nichts! Dazu sagte der Bahnvertreter: Unser Service ist bedarfsgerecht, er deckt die Hauptreisezeiten ab.

Da können Sie sich ungefähr vorstellen, was es bedeutet, wenn jemand von der Ostsee oder meinetwegen aus Freiburg kommt und den Service in Anspruch nehmen will. Der hat sich dann nach den Zeiten der Bahn zu richten.

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS)

Da geht mir doch glatt der Hut hoch. Ich will dann auch gar nicht erst versuchen zu erklären, dass für dieses Problem das Eisenbahnbundesamt zuständig ist. Zwickau liegt in Sachsen. Wir haben ein Integrationskonzept und das gibt uns einen Auftrag, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei den GRÜNEN und der Linksfraktion.PDS)

Da ich heute ganz frisch eine Kleine Anfrage meiner Kollegin Astrid Günther-Schmidt auf den Tisch bekommen habe, kann ich mir nicht verkneifen, auch dazu noch etwas zu sagen. Sie fragte nämlich, warum die Barrierefreiheit einer Schule bei der Schulnetzplanung keine Rolle spielt, speziell wenn es um Schulschließungen geht, und warum diese Barrierefreiheit nicht statistisch erfasst wird.

Zu Recht lautet die Antwort: Dafür sind die Schulträger zuständig. – Aber wir haben doch die Chance, auf Landesebene Kriterien vorzugeben. Warum nehmen wir das nicht in unsere Hand und sagen, wir geben Kriterien vor? Das ist die Voraussetzung dafür, dass diese Integration, über die vorhin hier gesprochen wurde, überhaupt erst einmal ins Auge gefasst werden kann.

Zum Persönlichen Budget dann an zweiter Stelle.

Danke.

(Beifall bei den GRÜNEN und der Linksfraktion.PDS)

Ich rufe die zweite Runde auf. Linksfraktion.PDS, Herr Wehner.

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