Aber das verträgt sich nicht mit einem Begriff, der im 19. Jahrhundert entstanden ist. Ich meine, wenn wir einen neuen Blick aufs Älterwerden und auf die künftige ältere Generation werfen wollen und müssen, dann müssen wir das auch begrifflich anders formulieren.
Der Begriff „Altenhilfe“ an sich impliziert eine Objektbeziehung, das heißt, Hinfälligkeit und Hilfsbedürftigkeit sind das Nonplusultra. Aber so stellt sich die ältere Generation heute nicht dar, sondern uns muss es auch, wenn es um Pflege geht, immer um Hilfe zur Selbsthilfe gehen. Das ist viel zu wenig im Blick.
Weiter: Uns muss es in erster Linie auch im hohen Alter um ein selbstbestimmtes Leben gehen und wir müssen die Bedingungen dafür schaffen. Wir brauchen mehr Interessenvertretung für ältere und von älteren Menschen. Wie sieht das – lassen Sie mich zwei oder drei Anmerkungen dazu machen – gegenwärtig in Sachsen aus? Ich könnte es mit einem Satz formulieren: Licht und Schatten. Damit man uns nicht unterstellt, dass wir lediglich alles kritisieren würden, will ich ausdrücklich hervorheben: Wir haben in Sachsen noch eine Situation, wo die Mehrheit der Rentner eine auskömmliche Rente hat. Aber wir müssen dabei auch berücksichtigen, dass das nicht so bleiben wird. In den letzten drei bis vier Jahren hat sich das reale Rentenniveau im Durchschnitt um 10 % verringert. Auch will ich hervorheben, wir haben wesentliche Fortschritte bei der sozialen Infrastruktur für ältere Menschen erreicht, keine Frage. Wer das nicht anerkennt, gehört eigentlich ins Abseits gestellt. Dennoch sage ich, wir sind nicht einverstanden damit, dass genau diese Infrastruktur immer mehr den sogenannten Marktgesetzen unterworfen wird. Wir sind der Auffassung, es muss Schluss mit einem Wettbewerb sein: Wer hat die meisten privatisierten Altenheime, Krankenhäuser oder andere Einrichtungen?
Auch das will ich sagen: Ja, Sachsen hat die älteste Bevölkerung in Deutschland. Das kann eine Chance sein. Aber wir müssen auch deutlich sagen: Es ist Ausdruck der Politik, dass heutzutage alles der Mobilität junger Menschen unterworfen wird. Wir müssen uns dann nicht wundern, wenn wir eine Situation haben, dass wir in Landstrichen manche Dörfer haben, in denen es keine Jugendlichen mehr gibt. Dieser Herausforderung müssen wir uns in der Tat stellen. Es kann nicht so sein, dass der Staat am Ende immer dann Ausfallbürge ist, wenn die Wirtschaft versagt.
Schließlich sei hier auch gesagt, es muss immer deutlich werden – so verstehe ich auch das Thema –, dass wir Altenhilfe, wie man es auch immer bezeichnen mag, nicht losgelöst von gesamtgesellschaftlichen Zusammenhängen betrachten dürfen. Genau dazu werden wir uns in den weiteren Beiträgen noch äußern.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Kollege Pellmann, um es vorwegzunehmen: Den Wettbewerb der Privatisierung hat der Sächsische-Schweiz-Kreis schon gewonnen, denn er hat bis jetzt alles privatisiert.
Jetzt zum eigentlichen Thema. Um es vorwegzunehmen: Bei aller gebotenen staatlichen Fürsorgepflicht für alte Menschen – wir als NPD-Fraktion stehen zur wertkonservativen Vorstellung des Generationenvertrages. Dass dieser zwar in der finanziellen Fürsorge durch die seit Jahrzehnten versäumte Familienpolitik der Regierenden aufgrund des jetzt bestehenden quantitativen Missverhältnisses zwischen jungen und alten Menschen nicht mehr als alleiniges Mittel haltbar ist, kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass über den Generationenvertrag zunächst jedoch die Grundlage für die Betreuung der älteren Generation die Familie sein muss.
Deshalb kann man Altenhilfe auch nicht losgelöst von anderen Themen betrachten. Die ebenso desolate Arbeitsmarktpolitik und der damit verbundene neoliberale Wahn, dass die junge Generation vor allem örtlich flexibel sein müsse, wenn es um die Arbeit geht, torpedieren jetzt zunehmend auch die familieninternen Hilfsmöglichkeiten vor Ort. So kann man über Jahrhunderte Bewährtes zerstören, ohne dass man auch nur etwas annähernd Gleichwertiges entgegenzusetzen hätte.
Da helfen auch nicht die schönen Worte der Sozialministerin Orosz beim 2. Sächsischen Altenhilfekongress. Sogenannte Mehrgenerationenhäuser werden das Problem nicht lösen, welches der „Sandwich-Generation“, also der Generation, die für ihre Kinder, die Eltern und für die eigene Zukunft Sorge tragen soll bzw. müsste, durch eine seit Jahrzehnten verfehlte Politikausrichtung aufgebürdet wurde und wird.
Wenn Frau Sozialministerin den 2. Altenhilfekongress mit den Worten begann „Wir müssen das Alter neu denken“, so steht zumindest auch im Raum, ob damit die schrittweise Heraufsetzung des Renteneintrittsalters, die seit Jahren anhaltende Stagnation der Renten oder alternative Betreuungsformen im Alter, welche aber die Bindung einer Familie niemals ersetzen können, gemeint sind. Weiterhin lässt die Äußerung der sächsischen Sozialministerin offen, ob sie mit dem neuen Denken des Alters nicht auch die bald auf Sachsen zukommende Altersarmut meint.
Meine Damen und Herren! In diesem Hohen Haus brachten wir als NPD-Fraktion im März dieses Jahres den umfangreichen Antrag zur Änderung des Sozialgesetzbuches ein, der von Ihnen vollumfänglich abgelehnt wurde. Er macht mehrfach darauf aufmerksam, dass dem Freistaat Sachsen in zehn bis 15 Jahren eine Altersarmut bevorsteht, der bei einer weiteren Ignoranz dieser Tatsa
Sicherlich wird der eine oder andere Kollege hier im Haus den Film „Aufstand der Alten“ gesehen sowie die anschließende Diskussion verfolgt haben. Meine Damen und Herren, hier handelt es sich mitnichten nur um eine Fiktion. Die dargestellten Lebensumstände können in wenigen Jahren Realität sein, wenn nicht heute vernünftig gegengesteuert wird.
Meine Damen und Herren! Betrachtet man die derzeitige Entwicklung, so besteht größter Anlass zur Sorge, vor allem auch im Zusammenhang damit, dass die Familien aus wirtschaftlichen Gründen auseinandergerissen werden, sei es – dies wurde bereits gesagt –, um der Arbeit hinterherzuziehen oder aus Gründen der Hartz-IVGesetzgebung, die Familien wirtschaftlich in Sippenhaft nimmt.
„Altenhilfe in Sachsen – Herausforderungen und Perspektiven“ ist das Thema dieser Aktuellen Debatte. Somit bleibt als Fazit: Der eingeschlagene politische, wirtschaftliche und soziale Kurs wird dem Anliegen der unterstützenden Für- und Vorsorge in keinerlei Hinsicht gerecht. Statt die Menschen in – ich sage das bewusst ketzerisch – Verwahranstalten, in der Diktion mancher hier im Hause „Wahlfamilie“ genannt, zu stecken, weil die eigene Familie aus Sachsen vertrieben wurde, muss endlich eine Politik für die Menschen hier vor Ort, und zwar für junge und für alte, und den Generationenzusammenhalt vollzogen werden. Dies kostet ein Umdenken und auch Geld. Bezüglich des Letzteren stehen dem Freistaat Sachsen nach aktuellen Steuerschätzungen nochmals fast 300 Millionen Euro an Mehreinnahmen zur Verfügung. Nehmen Sie also das Geld in die Hand und fördern Sie massiv insbesondere auch die ländlichen Regionen als Horte des Familienzusammenhaltes. Nur wenn Sie den Jungen Arbeit und Perspektiven geben, von denen man ein Leben in Würde führen kann, werden auch die Herausforderungen der Vorsorge für unsere ältere Generation und deren Leben in Würde zu meistern sein.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! „Wir werden alle 100“ – so stand es vor ungefähr sechs Wochen auf der Titelseite der „Bild“-Zeitung. Ganz aus der Luft scheint diese Schlagzeile doch nicht gegriffen zu sein. Denn durch bessere Arbeits- und Umweltbedingungen, durch – und das alles trotz der Diskussion über das übergewichtige Deutschland – bessere Ernährung, durch mehr Möglichkeiten zur Bewegung auch für ältere Menschen und natürlich durch die Fortschritte der Medizin lebt man in unserem Land tatsächlich immer länger.
Die Lebenserwartung der Deutschen ist in den vergangenen Jahrzehnten stark gestiegen. Lag sie im Jahr 1900 bei den Männern noch bei 40,6 Jahren und bei den Frauen bei 44 Jahren, so waren es im Jahr 1950 bei den Männern 64,6 Jahre und bei den Frauen 68,5 Jahre. Heute sind wir bei den Männern bei einer durchschnittlichen Lebenserwartung von 76,2 Jahren und bei den Frauen von 81,8 Jahren angekommen. Sie sehen: In rund 100 Jahren hat sich die Lebenserwartung der Deutschen fast verdoppelt. Das Ziel, 100 zu werden, ist zumindest für die jungen Leute hier im Raum, glaube ich, sogar sehr realistisch.
Aber es wird noch besser: Wir werden nicht nur älter, wir werden auch wesentlich fitter und wesentlich gesünder älter. Wenn Sie die heutigen Großeltern mit den Großeltern vor etwa 30 Jahren vergleichen, dann werden Sie sehen, dass dieses traditionelle Bild, das man über Oma und Opa hatte, einfach nicht mehr stimmt. Die Großeltern von heute wirken nicht nur, sondern sie sind meist auch wesentlich jünger, wesentlich moderner als die Großelterngeneration vorheriger Jahre.
Es gibt eine Menge Untersuchungen, die besagen, dass derjenige, der heute 70 ist, verglichen mit einem 70-Jährigen aus den Sechzigerjahren eigentlich wesentlich jünger ist.
Ich frage mich immer, ob man wirklich sagen kann – meine Mutter wird dieses Jahr 60 –: Ja, jetzt wirst du alt. Ich weiß auch nicht, ob man zu einem 65-Jährigen, der in einem Alter ist, in dem man irgendwie schon zu den Senioren gehört, sagen kann: Du bist jetzt alt.
Ich denke, dass dieses Bild nicht mehr stimmt. Das werden Sie überall in dieser Gesellschaft sehen. Es hat sich alles geändert. Ich glaube, dass wir alle einmal darüber nachdenken sollten, ab wann man eigentlich einen Menschen in unserer Gesellschaft als alt bezeichnen kann, meine Damen und Herren.
Es ist so und ich habe es in diesem Haus schon mehrfach gesagt: Mit 65 gehört man noch nicht zum alten Eisen; mit 70 gehört man genauso noch nicht zum alten Eisen; und man gehört zwangsläufig auch mit 75 noch nicht dazu, meine Damen und Herren.
Während sich die Menschen körperlich und geistig im Vergleich zur vorhergehenden Generation stark verändert und weiterentwickelt haben und immer weniger dem klassischen Großelternbild entsprechen, scheint es mir allerdings, als ob die Gesellschaft auch dieser Entwicklung in weiten Teilen wieder einmal hinterherhinkt. Im Kopf vieler Entscheider in unserem Land gibt es immer noch ein Altenbild, das mit dem wirklichen Leben in unserer Gesellschaft schon lange nichts mehr zu tun hat.
Viele Ältere arbeiten schon länger oder würden es gern tun, wenn es entsprechende Jobperspektiven gäbe. Sie sind Leistungsträger im Ehrenamt in den Vereinen und in den Kommunen. Sie leisten Außerordentliches in der Gesellschaft und für sie und natürlich auch in ihren Familien. Sie sind Sportler, sie sind Reisende, sie sind wesentliche Nutzer vieler kultureller Einrichtungen und von Bildungsangeboten. Sie sind auch – wie es die Wirtschaft immer mehr erkennt – recht solvente Käufer und Konsumenten.
Das Umdenken hat begonnen, aber wir sind aus meiner Sicht sehr spät dran, in vielen Punkten vielleicht sogar ein bisschen zu spät. Denn es fing aus meiner Sicht mit der recht skandalösen westdeutschen Frühverrentungspraxis in den Siebziger- und Achtzigerjahren an, als große Konzerne – übrigens im Einklang mit den Gewerkschaften – Hunderttausende auf Kosten des Staates und auf Kosten der Allgemeinheit in den Vorruhestand geschickt haben. Und es endete aus meiner Sicht vielleicht – wie soll ich sagen? – mit dem tragischsten Punkt der Wende, nämlich mit der Tatsache, dass wir für hunderttausende etwas ältere Ostdeutsche im leicht fortgeschrittenen Alter keine Berufsperspektiven bieten konnten. Indem diesen Menschen gesagt wurde: „Wir brauchen dich nicht, du bist für uns, für unsere Gesellschaft nicht wertvoll!“, haben wir das heute oft existierende so falsche Altenbild erst geschaffen. Die Politik hat vielen älteren Menschen damit nicht nur ein Stück Selbstbewusstsein und Selbstwertgefühl genommen, sie hat damit auch ein ungeheures Reservoir an Wissen und Willen vergeudet.
Das, meine Damen und Herren, halte ich für den größten Fehler der jüngeren deutschen Geschichte. Mehr dazu in der zweiten Runde.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich gebe zu, ich war erstaunt, als ich den Titel der heutigen Aktuellen Debatte „Altenhilfe in Sachsen – Herausforderungen und Perspektiven“ las. Ich habe mich gefragt: Was soll daran so aktuell sein, dass es dazu heute einer Aktuellen Debatte bedarf?
Die demografische Entwicklung hat zum Glück geschafft, was die Grauen Panther nicht erreichen konnten, solange alte Menschen als Randgruppe galten. Aber gibt es für die Aktuelle Debatte am heutigen Tag einen konkreten Anlass oder einen aktuellen Grund? Ich frage Sie, Frau Orosz: Ist zwischenzeitlich der sächsische Altenhilferahmenplan veröffentlicht worden? Liegt die Hospizkonzeption vor? Gibt es einen Entwurf oder ein Eckpunktepapier zum Sächsischen Heimgesetz? Wie weit ist es mit dem sächsischen Seniorenbericht? – Viele Fragen und zumindest bei mir bei den Antworten viermal Fehlanzeige, weil ich davon noch nichts gehört habe. Der Altenhilferahmenplan
Auf dem 2. Sächsischen Altenpflegekongress vor zwei Wochen sprachen Sie, Frau Orosz, zum Thema „Sächsische Altenhilfepolitik vor großen Herausforderungen – Der neue sächsische Altenhilferahmenplan gibt Impulse“. Wir hatten angenommen, dass Sie den Kongress zur Vorstellung des Altenhilferahmenplanes nutzen würden, aber wir wurden enttäuscht. Klar ist uns allerdings: Es gibt Handlungsbedarf. Was verstehen wir in Sachsen unter Seniorenpolitik? Gibt es ein Gesamtkonzept?
Frau Orosz, wo sind die konkreten Grundlagen für unsere Debatte? Zu tun gibt es genug. Die Reform der Pflegeversicherung steht an. Das ist Bundesrecht, aber es wird sich massiv auf die Praxis in Sachsen auswirken. Die pflegerische Versorgung leidet vor allem unter strukturellen Problemen, das heißt konkret: Es gibt ein Ungleichgewicht zwischen ambulanter und stationärer Pflege. Wie gehen wir mit dem Begriff „Pflege“ um? Ich nenne nur die Stichworte „satt“ und „sauber“. Was verstehen wir zukünftig unter Pflege?
Wir konstatieren eine unzureichende Ausgestaltung von Prävention und Rehabilitation und nicht zuletzt die mangelhafte Kostentransparenz und den ungenügenden Verbraucherschutz in diesem Bereich.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir wissen alle, dass das Heimrecht Ländersache und das geltende Heimgesetz dringend reformbedürftig ist. Klar muss uns in diesem Zusammenhang aber auch sein: Wenn wir über zukunftsorientierte Wohn- und Betreuungsformen sowie über Pflegeformen sprechen, geht das weit über die Heime hinaus. Wenn das Heimgesetz aber eine Schutzwirkung für die Bewohner entfaltet – das halten wir für sinnvoll –, dann muss es auch der Vielzahl der Wohnformen gerecht werden. Das ist derzeit nicht der Fall. Wir müssen zu einer Ausrichtung auf eine personenbezogene Schutzwirkung kommen.
Ein anderes Thema ist die Auseinandersetzung zur Heimaufsicht. Die Verwaltungs- und Funktionalreform steht in diesem Jahr an. Der Referentenentwurf sieht vor, dass die Heimaufsicht von den Regierungspräsidien an den Kommunalen Sozialverband übergehen soll. Dagegen gibt es mittlerweile heftigen Widerstand. Damit wäre nämlich eine Interessenkollision vorprogrammiert. Wie sieht es damit im Kabinettsentwurf aus?
Liebe Kolleginnen und Kollegen, bisher bewege ich mich mit diesen Beispielen nur im Bereich der Pflege. Die Altenhilfe umfasst aber viel mehr. Dazu werde ich im nächsten Diskussionsbeitrag sprechen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich kann feststellen, dass diese Debatte dringend notwendig ist. Wir haben von