Protocol of the Session on March 15, 2007

Bereits in der Antwort auf die Große Anfrage, die meine Fraktion vor fünf Jahren, in der 3. Legislaturperiode, gestellt hatte, gab es einige Aussagen zu diesem Thema. Vor allem ist damals aufgefallen, dass es an vielen notwendigen Daten und damit an einem Problembewusstsein für bestimmte Zusammenhänge mangelt. Auch in der Großen Anfrage, die von der Fraktion der GRÜNEN gestellt wurde, ist leider allzu häufig die Antwort zu lesen, der Nutzen rechtfertige nicht den Aufwand, um bestimmte Daten beizubringen.

Dennoch bin ich der Fraktion der GRÜNEN dankbar, dass sie die Große Anfrage gestellt hat. Meine Fraktion ging davon aus, die damaligen Sachstandsauskünfte seien fortgeschrieben und die angemahnten Defizite beseitigt worden. Das ist leider nicht der Fall. Die Antwort der Staatsregierung – das wurde von meinem Kollegen schon ausgeführt – ist zwar fast doppelt so dick wie die damalige Antwort; aber die Auskünfte fallen zum Teil sehr karg, sehr einsilbig aus. Dort, wo überhaupt vergleichbares Datenmaterial vorliegt, deutet nur wenig auf eine grundlegende Verbesserung hin.

In der Antwort wird häufig beteuert, dass man die jungen Menschen motivieren und beim Erlernen von sozialen Kompetenzen unterstützen möchte. Wie das genau funktionieren soll – auch unter Berücksichtigung des geplanten Personalabbaus, worauf von Kolleginnen und Kollegen schon hingewiesen worden ist –, führt die Staatsregierung nicht oder nur unzureichend aus.

Ein weiterer Punkt, den wir vor fünf Jahren angemahnt hatten, betraf die Frage nach dem Verhältnis der Unterbringung im offenen bzw. geschlossenen Vollzug. Nach wie vor befindet sich nur der kleinste Teil der jugendlichen Strafgefangenen im offenen Vollzug, es sind nicht einmal 10 %. Frau Herrmann hat es bereits in ihrer Rede erwähnt: Die Plätze im offenen Vollzug sind auch noch überbelegt. Wir haben das damals kritisiert; geändert hat sich bis heute nichts. Es findet sich auch nirgends eine Begründung, warum sich nichts geändert bzw. gebessert hat. Herr Mackenroth, ich hoffe, Sie werden nachher in Ihrem Statement darauf eingehen. Ich möchte konkret von Ihnen wissen: Wie will der Freistaat Sachsen zukünftig den Erziehungsauftrag in den JVA umsetzen?

Zu der Frage nach den Möglichkeiten des Schulbesuchs in den JVA. Ganze 72 von insgesamt 317 Jugendstrafgefangenen nahmen im Schuljahr 2005/2006 die Möglichkeiten des Schulbesuchs wahr. 45 erreichten einen Hauptschulabschluss, gerade einmal neun einen Realschulabschluss. Das ist keine Bilanz, die sich sehen lassen kann.

Noch schlechter sieht es freilich mit den Möglichkeiten der beruflichen Ausbildung aus. Eine mehrjährige abschlussbezogene Berufsausbildung wird in sächsischen Strafvollzugsanstalten nach wie vor nicht angeboten. Stattdessen werden modulare berufliche Qualifizierungsmaßnahmen bereitgestellt. Manche sind der Meinung, das sei nichts Halbes und nichts Ganzes.

Interessant wäre auch zu erfahren, wie sich die Laufbahn der Jugendlichen nach der Haftentlassung entwickelt.

Wird auf die Module aufgebaut? Erhalten die Jugendlichen tatsächlich einen Ausbildungsplatz? Wir alle in diesem Hohen Hause wissen, dass die Situation auf dem Ausbildungsmarkt schwierig genug ist. Dieses Thema wird in einer der nächsten Plenardebatten sicherlich wieder eine Rolle spielen.

Ich komme auf die Große Anfrage zurück. Ich musste feststellen, dass die Staatsregierung auch in dieser Antwort nicht zu einer einigermaßen verständlichen Gesamtdarstellung in der Lage ist. Man muss sich teilweise sehr mühevoll die Informationen aus Einzeldarstellungen zusammenklauben und dieses Stückwerk dann interpretieren.

Trotz dieser Widrigkeiten – wenn ich richtig gerechnet habe, gab es insgesamt 48 Jugendstrafgefangene – 48 von 317! –, die an der Ausbildung in solchen Modulen teilgenommen haben. Wenn ich sowohl die Schulbildung als auch die „Qualifizierungsmaßnahmen“ – so möchte ich es einmal nennen – zusammenrechne, komme ich auf 120 Personen. Das sind nicht einmal 40 % der jugendlichen Gesamtinhaftierten. Ich frage mich schon, was mit den restlichen 60 % ist.

Frau Dombois, Sie hatten es angesprochen und haben es betont. Ich hoffe, dass Sie auch auf Ihre Staatsregierung hinwirken, dass allen Jugendlichen ein entsprechendes Angebot unterbreitet wird. Aber es fehlt nach wie vor an Lehrerinnen und Lehrern, an Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern, Psychologinnen und Psychologen für die Betreuung und die Weiterbildung. Es ist schon mehrfach betont worden, dass hier in den nächsten Jahren eine Kürzung vorgesehen ist.

Ich habe es bereits ausgeführt: Auch außerhalb des Strafvollzuges ist es mit den Ausbildungsplätzen nicht weit her. Aber welche Perspektiven haben denn diese jungen Menschen? Hat nicht der Staat die Aufgabe, hier mit besonderer Sorgfalt nachhaltige Angebote zu unterbreiten?

Ich möchte noch auf eine Zahl eingehen, die mich sehr erschreckt hat: die Zahl der Körperverletzungen im Strafvollzug. Es hat seit dem Jahr 1999 eine kontinuierliche Zunahme dieser Körperverletzungsdelikte gegeben. Es waren damals 101, es sind nunmehr 232 im Jahre 2006 gewesen.

In der Antwort auf die Große Anfrage steht diese Zahl völlig unkommentiert und es gibt keine Begründung, keine Erklärung und keine Wertung, nur die Aussage, dass aufgrund von Platzmangel die Zusammenlegung von Jugendlichen, die die verschiedensten Straftaten begangen haben, nicht umgangen werden kann. Wenn aber jeder Zweite im Strafvollzug Opfer einer solchen Straftat wird, dann ist das eine Zahl, die für eine bestimmte Art der Resozialisierung spricht. Aber, meine Damen und Herren, ich denke, das ist eine Realisierung, die von uns allen nicht gewollt sein kann.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Frau Dombois, ich weise den Vorschlag ausdrücklich zurück, den Sie gebracht haben, nämlich jugendliche Straftäter und erwachsene Straftäter zusammenzulegen, denn dies ist in der Praxis mehrfach ausprobiert worden. Diese Beispiele haben gezeigt, dass es wirklich zu einer verschärften Hierarchisierung kam, zu Subkulturenbildung. Das hat beispielsweise zu Körperverletzung und sexuellem Missbrauch geführt.

Herr Bräunig, Sie sind darauf eingegangen und ich hoffe, Sie wirken dort auf die Koalition ein. Sie haben sich auch dagegen ausgesprochen. Ich hoffe, dass Ihre Meinung zur Koalitionsmeinung wird.

Abschließend lässt sich sagen: Auf dem Gebiet Jugend und Justiz hat sich in den letzten Jahren nicht wirklich viel bewegt. Die Große Anfrage wirft an vielen Stellen mehr Fragen auf, als sie beantwortet. Aber, meine Damen und Herren, wir brauchen spezifische Präventionsangebote für die jungen Menschen. Wir brauchen allem vorangestellt ein gut ausgebautes Jugendhilfesystem, nicht nur Kriminalitätsprävention, sondern auch Prävention im Allgemeinen mit entsprechenden Angeboten. Wir brauchen einen Umgang mit jugendlichen Straftätern, der ihnen Perspektiven eröffnet. An dieser Stelle liegt noch ein großes Stück Arbeit vor uns allen.

Zum Entschließungsantrag der GRÜNEN sage ich: Wir teilen die Intentionen, die dort niedergeschrieben sind, und stimmen dem Antrag gern zu.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Gibt es aus den Fraktionen noch Redebedarf? – Das kann ich nicht erkennen. Dann haben Sie, Herr Staatsminister Mackenroth, das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! „Die Jugend von heute liebt den Luxus, hat schlechte Manieren und verachtet Autorität. Jugendliche widersprechen ihren Eltern, legen die Beine übereinander, tyrannisieren ihre Lehrer und brechen die Regeln.“

Wenn Sie vermuten, dass es sich bei diesem Zitat um ein Statement aus der heutigen Zeit handelt, muss ich Sie enttäuschen. Dieses Zitat stammt aus dem 4. Jahrhundert vor Christus von dem griechischen Philosophen Sokrates.

Auch heute noch erreichen uns fast täglich Meldungen über den angeblich flächendeckenden „Verfall“ der Jugend und nicht zuletzt über deren Straftaten. Aber dies sind häufig Vorurteile, wie Sie der Antwort der Staatsregierung auf die Große Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN entnehmen können.

Erstaunlich für mich sind in der Tat einige Ergebnisse. Zum Beispiel ist entgegen der landläufig verbreiteten Meinung die Zahl tatverdächtiger Jugendlicher in den letzten Jahren stetig zurückgegangen. Bundesweit sank die Zahl von 1998 bis 2005 um 6 %, im Freistaat Sachsen sogar um rund 25 %. Auch die Zahl der nach Jugendstraf

recht verurteilten Jugendlichen und Heranwachsenden ist seit dem Jahr 2002 deutlich rückläufig.

Mit einem weiteren Vorurteil möchte ich schon vorab in aller Deutlichkeit aufräumen: Ausländer spielen in der sächsischen Kriminalstatistik insgesamt eine nur marginale Rolle. Bei den Jugendlichen sind sie für 0,5 % der Straftaten verantwortlich und bei den Heranwachsenden für 0,8 %.

Wir reden über das Problem Jugendkriminalität und Jugendstrafvollzug. Um wen geht es dabei eigentlich? Gibt es den „typischen“ Jugendlichen, der straffällig wird? Wir wissen es (noch) nicht. Herr Abg. Bartl hat zu Recht auf die Fragwürdigkeit und auf die fehlende Datenbasis in Sachsen zur Rückfallforschung hingewiesen. Eines aber wissen wir – das belegen die Angaben zur Großen Anfrage eindrücklich –: Auch die sächsischen Jugendlichen sind deutlich besser, als viele meinen. Lassen Sie mich mit drei Linien die Konturen des Jugendlichen im Lichte seiner „Normalisierung“ hervorheben.

Erstens: Die meisten Jugendlichen entwickeln sich zu eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeiten, ohne jemals strafrechtlich in Erscheinung zu treten. In den seltensten Fällen verläuft aber auch ihre Entwicklung reibungslos. Viele verstoßen gegen Regeln und gegen Normen. Das gehört in Grenzen zum Erwachsenwerden: „Jugend wild, Alter mild“.

Zweitens: Der eine oder andere verstößt im Verlauf seiner Adoleszenz gegen Strafnormen, vornehmlich begeht er dann sogenannte jugendtypische Verfehlungen, Sachbeschädigungen oder einfachen Diebstahl, wobei ich auch solche Straftaten nicht verharmlosen will. Diese Deliktsgruppen machen Dreiviertel aller Straftaten von Jugendlichen aus. Dieses Verhalten ist oftmals ein vorübergehendes Phänomen und verliert sich im Laufe des Heranwachsens.

Für die Justiz ist wichtig, dass sie darauf mit ihren Mitteln reagiert – erzieherisch, spürbar und flexibel. Nahezu drei Viertel der Jugendstrafverfahren endet in Sachsen mit Auflagen, Verwarnungen und anderen individuell zugeschnittenen Maßregeln ohne Aufenthalt im Justizvollzug.

Wenn Sie, Frau Abg. Herrmann, beklagt haben, dass der Täter-Opfer-Ausgleich noch zu wenig angewendet wird, so kann ich das jedenfalls in den Ergebnissen zur Großen Anfrage nicht bestätigt finden. Wir machen sinnvoll und intelligent auch von diesem wirkungsvollen Instrument Gebrauch.

Schließlich drittens: Wenige Jugendliche schlagen schon frühzeitig eine kriminelle Karriere ein und begehen dabei mehrfach und oft auch schwere Straftaten. Natürlich muss und wird die Gesellschaft in solchen Fällen anders reagieren als bei den jugendtypischen Fehltritten. Die Richter verhängen in rund einem Viertel der Jugendstrafverfahren Jugendarrest oder, wenn schädliche Neigungen beim Täter vorliegen, Jugendstrafen. Auch das muss leider noch einmal betont werden: Jedem, der einsitzt, hat ein sächsisches Jugendgericht schädliche Neigung attestiert.

Das sind bitte schön keine „Waisenknaben“ und „Waisenmädchen“.

In den Justizvollzugsanstalten beträgt der Anteil der Jugendlichen und Heranwachsenden 8,8 % aller Strafgefangenen und auch dieser Prozentsatz sinkt erfreulicherweise seit dem Jahr 1999 ständig. Richtig ist, dass diese Zahl im Bundesvergleich hoch ist, aber zugrunde liegen jeweils Entscheidungen unabhängiger Gerichte, die der Justizminister aus gutem Grund nicht kommentiert.

Eines sollte klar sein – Frau Dombois und Herr Schiemann haben deutlich darauf hingewiesen –: Für die junge Generation sind alle und nicht nur die Justiz verantwortlich. Wir alle tragen für die jungen Leute gesamtgesellschaftlich Verantwortung. Das Problem „Jugendkriminalität“ kann niemand allein lösen, nicht die Polizei, nicht die Schule, nicht das Elternhaus, nicht der Lehrer und schon gar nicht die Strafjustiz. Jugendliche suchen im Übergangsstadium erheblicher Unsicherheit ihre Identität, ihre Rolle und die für sie adäquaten Verhaltensnormen. Deshalb müssen wir bei Fehlentwicklungen in den erzieherischen Reaktionen zusammenarbeiten, zunächst die Eltern – sie vorrangig –, aber auch Schulen, Jugendhilfe, Ausbildungsbetrieb und schließlich Polizei und Justiz sollten, wenn sie reagieren, möglichst abgestimmt reagieren.

Für so eine konzertierte Aktion ist es natürlich auch nach einer Straftat noch nicht zu spät. Aber, und das möchte ich ebenfalls betonen, erste Voraussetzung für eine Umkehr ist Normverdeutlichung. Eltern, Jugendhilfe, Polizei oder Justiz müssen tatzeitnah und ohne bürokratische Hemmnisse signalisieren: So nicht! Dieser Aufgabe stellt sich auch die sächsische Strafjustiz, die sächsischen Jugendrichterinnen und Jugendrichter, und, wie ich meine, durchaus mit Erfolg.

Zufriedenstellen können die Zahlen aus der Großen Anfrage den sächsischen Justizminister dennoch nicht. Die meisten Werte gehen zwar zurück, liegen aber weiterhin auf einem hohen Niveau. Mir ist besonders wichtig, die Rückfallquote von zwei Dritteln zu senken. Was kann die Justiz dazu beitragen? Das Strafrecht ist im breiten Reaktionsspektrum des Staates stets und besonders gegenüber Jugendlichen Ultima ratio. Dabei kann das „Ob“ einer Reaktion auf Straftaten nicht zur Disposition stehen, wohl aber das „Wie“. Jugendstrafe, zumal ohne Bewährung, setzt voraus, dass Erziehungsmaßregeln oder Zuchtmittel keinen erzieherischen Erfolg mehr versprechen. Doch selbst wenn gegenüber dem jugendlichen Täter Jugendstrafe vollzogen wird, möchte ich dafür sorgen, dass der Jugendstrafvollzug dem Jugendlichen Möglichkeiten und Wege für einen Neuanfang eröffnet.

Damit sind wir bei den Konsequenzen der Zahlen für das anstehende Gesetzesvorhaben: der vom Bundesverfassungsgericht geforderten Neuregelung des Jugendstrafvollzugs, auch im Freistaat Sachsen. Doch da, Frau Herrmann, lassen Sie mich bitte klarstellen, dass Sachsen nicht, wie Sie es formuliert haben, aus der Neunergruppe ausgetreten ist. Vielmehr hat Sachsen in diesem Verbund weiter mitgearbeitet, sich aber dazu entschlossen, die

Ergebnisse nicht zu übernehmen. Derzeit überlegen wir, ob wir wirklich ein eigenes isoliertes Jugendstrafvollzugsgesetz brauchen. Das Bundesverfassungsgericht fordert dies nicht. Ich finde es eine reizvolle Aufgabe zu versuchen, die Spielräume der Föderalismusreform auszunutzen und auch den sächsischen Erwachsenenvollzug den neuen wissenschaftlichen und vollzuglichen Erkenntnissen anzupassen. Wir sollten nicht so tun, als wenn im Erwachsenenstrafvollzug alles in Ordnung sei und nichts geregelt werden müsse. Ich glaube, das Gegenteil ist der Fall. Es geht nicht um die Form, es geht um die Inhalte. Ich rufe alle auf, an dem anstehenden Gesetzgebungsvorhaben ohne Denkverbote vorbehaltsfrei mitzuarbeiten. Wir sollten den besten Weg für die jugendlichen genauso wie für die erwachsenen Strafgefangenen finden.

Derzeit – damit komme ich zum Vollzug der Jugendstrafe – möchte ich mich auf drei Hauptprobleme beschränken, wenngleich Prävention und Haftvermeidung in ihrer Bedeutung nicht unterschätzt werden können. Ich setze deswegen beim neuen Jugendstrafvollzug verstärkt auf freie Formen des Strafvollzuges und hoffe, dass wir dort gute Wege gehen können. Beim Vollzug der Jugendstrafe erkenne ich drei Probleme.

Das Erste ist die Mehrfachbelegung von Hafträumen. Sie erschwert die Kontrolle, erleichtert subkulturelle Aktivitäten bis hin zu Straftaten unter den Gefangenen. Das ist kein sächsisches Phänomen. Denken wir an die JVA in Siegburg. Im Freistaat Sachsen werden wir mit unserer neuen Jugendstrafanstalt in Regis, die noch in diesem Jahr ihren Probebetrieb aufnehmen soll, diesem Problem deutlich zu Leibe rücken. Entscheidender Vorzug der neuen Einrichtung ist die Einzelunterbringung der jungen Gefangenen. 90 % der Zellen sind Einzelhafträume.

Zweitens prägen Drogenmissbrauch, Orientierungslosigkeit und Langeweile noch viel zu häufig den Alltag hinter den Gittern des Jugendstrafvollzugs. Wir brauchen ein auf die individuellen erzieherischen Notwendigkeiten der jungen Gefangenen abgestimmtes Resozialisierungskonzept. Unterricht und Ausbildung haben im Jugendstrafvollzug eine besondere Bedeutung. Die meisten Jugendstrafgefangenen haben noch keine abgeschlossene Berufsausbildung. Vielen fehlt schon ein Schulabschluss. Frau Klinger, ich habe Ihre Bitte um mehrjährige Berufsausbildungen hinter Gittern vernommen. Ich werde das an die sächsischen Jugendgerichte weiterleiten, bin aber schon heute ziemlich sicher, dass wir mit der von uns praktizierten modularen Ausbildung deutlich besser auf die teilweise unterjährigen Haftzeiten der jugendlichen Strafgefangenen reagieren können. Mir steht das Bild eines Jugendstrafgefangenen vor Augen, der erst in der JVA in Zeithain erlernte, mit einem Lineal einen Strich zu ziehen. Schulische und berufliche Ausbildung jugendlicher Strafgefangener müssen und sollen deshalb Vorrang vor ihrem Arbeitseinsatz haben. Nur wenn wir Defizite in der Ausbildung beseitigen, lässt sich die Rückfallwahrscheinlichkeit nachhaltig verringern.

Drittens: Schließlich liegt eine wesentliche Problematik des Jugendstrafvollzugs in der Persönlichkeit der Jugendstrafgefangenen selbst begründet. Eine Vielzahl Jugendstrafgefangener kommt mit mehr oder weniger starken Persönlichkeitsdefiziten in die Anstalt. Im modernen Vollzug soll der Jugendliche daher erfahren, dass er als eigenständige Persönlichkeit ernst- und wahrgenommen wird. Die Erziehungsaufgabe des Jugendstrafvollzugs soll möglichst mit ihm gemeinsam und nicht nur an ihm wahrgenommen werden. Hierzu dienen beispielsweise die Einbeziehung der Familie, der Eltern und Lebenspartner in die Vollzugsgestaltung, die wir verstärken wollen. Die uns vom Verfassungsgericht auferlegte Verpflichtung, bis zum Jahresende ein Jugendstrafvollzugsgesetz vorzulegen, bietet uns die Gelegenheit, im sächsischen Strafvollzug insgesamt nachzujustieren. Die Staatsregierung wird den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts und dem bereits erwähnten Beschluss des Sächsischen Landtages nachkommen.

Meine Damen und Herren! Ich möchte nicht versäumen, mich an dieser Stelle bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die an der Beantwortung der Großen Anfrage beteiligt waren, für ihre aufwendige Arbeit an diesem umfangreichen Werk zu bedanken. Die eingangs wiedergegebene alteuropäische Erkenntnis möchte ich um ein Zitat aus annähernd demselben Zeitraum, aber aus einem anderen Erdteil ergänzen. Die Weisheit stammt von Konfuzius: „Achte die Jugend, du weißt nicht, wofür du sie noch brauchst.“

(Beifall bei der CDU)

Aus meiner Sicht ist damit die Aussprache zur Großen Anfrage beendet, aber es gibt noch einen Entschließungsantrag der Fraktion GRÜNE. Frau Herrmann, möchten Sie ihn einbringen?

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Staatsminister Mackenroth, gestatten Sie mir, auf einige wenige Dinge aus Ihrer Rede einzugehen. Sie hatten gesagt, beim Täter-OpferAusgleich würde ich falsch liegen, denn er würde ausreichend angeboten. In Anlage 8 können wir lesen, dass in verschiedenen Landkreisen keine Mittel für den TäterOpfer-Ausgleich eingestellt sind bzw. dass der TäterOpfer-Ausgleich derzeit nicht umgesetzt wird. Es ging mir ja auch nicht nur um den Täter-Opfer-Ausgleich für die Jugendlichen, die in die Justizvollzugsanstalt einrücken, sondern auch für die, die im Vorfeld von diesem Mittel Gebrauch machen könnten.

Sie sprachen von einem umfassenden Resozialisierungskonzept. Ich stimme Ihnen darin gern zu und möchte bemerken, dass die Voraussetzung dafür die personellen und finanziellen Ressourcen sind. Das sollten wir im Auge haben, wenn wir über ein Jugendstrafvollzugsgesetz sprechen.

Herr Schiemann, ich glaube, Sie haben gerade nicht recht. Nicht die Strafe steht beim Jugendstrafvollzug im Vordergrund, sondern der erzieherische Gedanke. Sie haben das