Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die aus meiner Sicht sehr fragwürdige Debatte ist nur so zu betrachten, dass wir ein hohes Niveau in der Kinderbetreuung und der Kinderfreundlichkeit im Freistaat Sachsen haben. Das müssen und können wir alle gemeinsam fortschreiben. Wir sind noch nicht am Ende mit dem, was wir uns vorstellen können, aber wir können auf das stolz sein, was wir bisher geleistet haben. Das lassen wir uns von Ihnen nicht zerreden.
Gibt es aus den Fraktionen noch Redewünsche? Es gibt noch Redezeit sowohl für die Linksfraktion.PDS als auch für die SPD, die FDP und die GRÜNEN. – 1:16 Minuten, Frau Hermenau. Sie hatten sich noch einmal gemeldet. Bitte schön.
Frau Präsidentin! Frau Kollegin Nicolaus, ich habe sehr wohl gehört, dass Ihre Kollegin und Sie eine Möglichkeit für Ihre Kinder unter dem ersten Lebensjahr gefunden haben. Sie waren umtriebig und flexibel, deswegen haben Sie eine Möglichkeit gefunden. Ich habe es ja auch geschafft. Der Punkt, auf den ich hinaus will, ist, dass die Frau ganz schön viel bewegen und im Zweifel auch eine Menge Geld in die Hand nehmen muss, um das hinzubekommen. Das finde ich nicht in Ordnung.
Wenn wir es ernsthaft betrachten – in Deutschland sind ungefähr zehn Millionen Männer auch Väter mit einem Kind im Haushalt. Von denen sind 83 % in Vollzeit berufstätig, 3 % arbeiten in Teilzeit und 1,6 % sind im Erziehungsurlaub. Was sagt uns das? Dass es doch zweierlei Maß gibt und nicht so selbstverständlich ist, dass die Frau genauso berufstätig sein kann, wenn Kinder in der Familie sind, wie der Mann. Man kann Pädagogen, Psychologen und alles Mögliche bemühen – wenn es Ihnen, Herr Flath, so verdammt wichtig ist, dass die Kinder die ersten drei Lebensjahre nicht öffentlich, sondern zu Hause betreut werden, dann sollen die Männer gefälligst anteilig drei Jahre zu Hause bleiben.
Ich sehe keine Wortmeldungen mehr. Ich frage die Staatsregierung, ob es Redebedarf gibt. – Frau Ministerin Orosz, bitte.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Es ist bedauerlich, dass in der Öffentlichkeit die derzeitige Diskussion um die Ausrichtung der Familienpolitik auf der Bundesebene als Streit wahrgenommen werden muss, denn im Grunde genommen brauchen wir uns bei diesem Thema in Sachsen nicht zu verstecken. Ich behaupte auch, in diesem Hohen Hause gibt es zu diesem Thema einen Grundkonsens. Die pädagogische Grundausrichtung unseres novellierten sächsischen Tagesstättengesetzes wurde, soweit ich mich richtig erinnere, von allen Parteien begrüßt. Dieser Konsens – auch das sei noch einmal in Erinnerung gerufen – führte zu einer erheblichen Verstärkung der Haushaltsansätze für Qualitätssicherung in den Einrichtungen und auch in der Tagespflege. Konsequenz ist, dass die qualitativen Ansprüche an eine gute familienbegleitende Kindertagesbetreuung in Sachsen mehrheitlich anerkannt sind, und sie sind in kaum einem der Ländergesetze so prägnant formuliert wie im sächsischen.
Deswegen, Frau Kollegin Lay, bin ich erstaunt, dass Sie in Ihrem Redebeitrag dazu aufgerufen haben, endlich deutlich zu formulieren, dass Sachsen in diesem Bereich spitze ist. Ich kann mich an sehr viele derartige Artikulationen sowohl von mir als auch von meinen Kolleginnen und Kollegen erinnern, aber da hatten Sie immer nichts Eiligeres zu tun, als dem zu widersprechen.
– unbefriedigenden Versorgungssituation in den alten Bundesländern ist nicht neu – das wissen wir alle –, aber – und auch darin besteht, glaube ich, Konsens – sie ist nach wie vor notwendig, auch wenn sich in den letzten Jahren in den Westländern einiges, aber noch lange nicht das, was notwendig ist, getan hat.
Frau Ministerin, haben Sie mir genau zugehört und bemerkt, dass ich gesagt habe, dass der Herr Minister diese Position hätte vertreten
müssen, wenn er seiner Repräsentativfunktion nachkommen wollte, und dass ich auch gesagt habe, dass wir ein gutes Netz an Kinderkrippen in Sachsen haben, aber im Vergleich mit den anderen ostdeutschen Ländern eben nicht spitze sind, weil erst letzte Woche eine Statistik veröffentlicht wurde, aus der hervorgegangen ist, dass Sachsen im Vergleich zu allen anderen ostdeutschen Ländern bei der Dichte an Krippenplätzen am schlechtesten abschneidet?
Zur ersten Frage kann ich Ihnen sagen, dass ich das so nicht verstanden habe. Sie haben meiner Auffassung nach, aber das können wir im Protokoll nachlesen, darum gebeten, dass er sich doch endlich dazu bekennen soll und das als „spitze“ formuliert. Deswegen bleibe ich bei meiner Argumentation. Beim zweiten Punkt gehe ich davon aus, dass Sie die Veröffentlichung zu den Platzkapazitäten in der „Lausitzer Rundschau“ meinten. Diese Zahlen unterliegen unterschiedlichen Berechnungsgrundlagen, die wir derzeit richtigstellen. Bei den veröffentlichten Angaben waren die Tagespflegeplätze nicht mit dabei. Von daher ist dieses Ergebnis nicht ganz korrekt.
Meine Damen und Herren! Ich war bei den Aussagen zur Situation in den westdeutschen Ländern stehengeblieben. Dieser Situation gilt hauptsächlich die Debatte von Frau von der Leyen. Es wäre besser gewesen, wenn Frau von der Leyen ihr Wissen und ihre Erfahrungen, die sie selbst bei mehreren Vorortterminen in Dresden und anderswo in den ostdeutschen Ländern gesammelt hat, noch einmal deutlich gemacht hätte. Wenn wir von Quantitäten sprechen, geht es hauptsächlich um eine Debatte für den Westen. Der Diskurs der Debatte erschließt sich vor allen Dingen daraus, dass es sich um eine kommunale Pflichtaufgabe handelt. Der eine oder andere aus den Altbundesländern hinterlässt den Eindruck, dass sich die Bundesregierung in die kommunale Selbstverwaltung einmischt. Das hat zu einem Zerwürfnis in der Diskussion geführt.
Formal ist es so, dass die Kommunen zuständig sind. Ich kann mich aus Sicht des Freistaates zurücklehnen und deutlich machen, dass sich der Freistaat seit Langem an dieser notwendigen Aufgabe beteiligt. Sie wissen, dass wir zum wiederholten Male Investitionsprogramme zur Mitfinanzierung dieser wichtigen Aufgabe aufgelegt haben und uns mit dieser Konstellation weit über der Situation im Bundesdurchschnitt bewegen. Wenn diese Frage vonseiten des Bundes aufgeworfen wird, ist das richtig; denn die Frage, wie wir in Zukunft damit umgehen, ist längst überfällig. Sie werden sich daran erinnern, dass es schon vor einigen Jahren Thema bei der Hartz-IVGesetzgebung war, als es darum ging, frei werdende Mittel der Kommunen für den Ausbau von Kindertagesplätzen zur Verfügung zu stellen. Ich erinnere nur an das sogenannte TAG, das Tagesstättenausbaugesetz.
Es gibt nach wie vor Handlungsbedarf. Auch wir werden diese Diskussion – Herr Neubert, um auf Ihre Frage zu antworten – sehr genau begleiten. Auch wenn wir in der Quantität, was die Kindertageseinrichtungen betrifft,
kaum Nachholbedarf haben, so haben wir uns – diese Entwicklung ist Ihnen bekannt – in der Qualität für die nächsten Jahre einiges vorgenommen, was die Bildung, die Erziehung und die Betreuung in den Einrichtungen betrifft. Aber auch die Weiterentwicklung der Ausbildung der Erzieherinnen und Erzieher spielt eine große Rolle.
Insofern wird Sachsen sehr aufmerksam die Debatte zur Finanzierungsverantwortung verfolgen und, wenn der Bund Unterstützung gibt, das natürlich auch für Sachsen einfordern.
Ein zweites Diskussionsfeld möchte ich kurz ansprechen. Es ging um die Debatte zur Grundfrage der Betreuung der Kinder zu Hause oder in öffentlichen Einrichtungen. Ich habe gedacht, dass wir dieses Thema bereits hinter uns gebracht haben. Im Sächsischen Kita-Gesetz ist klar und deutlich formuliert, dass Kindertageseinrichtungen nicht das Primat der Erziehung durch die Eltern und die Familienangehörigen ersetzen, sondern dass sie ergänzende und begleitende Angebote sind, und dass Kindertagesstätten vielfältige Angebote für frühkindliche Bildung vorhalten, um damit die Chancengleichheit zu fördern. Das möchte ich an dieser Stelle deutlich hervorheben. Genau in diese Richtung geht es, wenn wir die Qualität der pädagogischen Arbeit mit den Kindern weiter stärken.
Meines Wissens kann kein Mensch den Erkenntnissen der Bindungstheorie widersprechen, die verdeutlichen, dass Kleinkinder feste Bezugspersonen brauchen. Auch das ist ein Ziel der sächsischen Familienpolitik: Mütter und Väter in die Lage zu versetzen, sich intensiv ihren Kindern zu widmen und selbst zu entscheiden, welche Angebote sie in Anspruch nehmen möchten.
Wir haben weitere Entwicklungen vor uns. Das gilt aber nicht nur für die Sächsische Staatsregierung, sondern auch für andere Verantwortungsträger in der Gesellschaft. Wenn wir von der Vereinbarkeit von Familie und Beruf sprechen, dann muss die Wirtschaft mehr als bisher ihren Beitrag leisten. Auch hierzu sind wir im Gespräch.
Lassen Sie mich aus der Debatte schlussfolgern: Das Ziel für unsere Familienpolitik sehe ich in erster Linie nicht in dem Versuch, Einfluss auf das Wahlverhalten der Eltern zu nehmen, sondern es ist wichtig, die tatsächlich nachgefragten Plätze in den Kindertageseinrichtungen und der Tagespflege so zu gestalten, dass sie hohen pädagogischen Maßstäben genügen, und allein die Eltern entscheiden, wo und welche Betreuungsmöglichkeiten für das Kind am besten sind.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich habe keinen Erwiderungsbedarf, sondern ich denke, das Hohe Haus würde schon interessieren, was der Sächsische Staatsminister für Kultus, Herr Flath, zu dieser Thematik, mit der er sich doch so intensiv beschäftigt hat, dazu dem Hohen Haus zu sagen hat.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Da es keine weiteren Redewünsche gibt, beende ich die Aktuelle Debatte. Wir beenden damit auch den Tagesordnungspunkt.
Ich schlage Ihnen vor, dass wir jetzt die Mittagspause einlegen, bevor wir uns mit dem nächsten umfangreichen Thema beschäftigen. Wir treffen uns 13:15 Uhr wieder.
Drucksache 4/7383, Große Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, und die Antwort der Staatsregierung
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Angesichts der Tatsache, dass wir noch bis Ende dieses Jahres ein neues Jugendstrafvollzugsgesetz zu verabschieden haben, ist die geringe Anwesenheit im Plenum zu bedauern. Es hätte jetzt die Möglichkeit bestanden, sich damit auseinanderzusetzen, wie die Inhalte des zu fassenden Gesetzes aussehen sollten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Immer mehr Jugendliche werden immer früher immer gewalttätiger. So sieht das Bild von Jugendkriminalität aus, das teilweise in der Öffentlichkeit besteht. Die Politik und die Medien sind daran nicht unschuldig. Es gibt einen Auftrag des Bundesverfassungsgerichtes, bis Ende 2007 ein Jugendstrafvollzugsgesetz vorzulegen. Im Zuge der Föderalismusreform ist diese Aufgabe Ländersache geworden. Für Sachsen stellt sich die Frage, wie das Gesetz ausgestaltet werden kann und ob dieser öffentliche Eindruck, den ich
Im Dezember-Plenum haben wir einen Koalitionsantrag behandelt, der Mindeststandards in diesem Jugendstrafvollzugsgesetz festlegt. Damit wurde klar gesagt: Die öffentliche Sicherheit und den Schutz der Allgemeinheit erreichen wir nur dann, wenn wir die Jugendlichen stärken und unterstützen, den Weg aus der Kriminalität in ein eigenverantwortliches Leben zu finden.
Diese Grundeinsicht des Jugendstrafvollzugs, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist absolut alternativlos. Sie ist unbequem, weil die Anstrengungen um jeden einzelnen Jugendlichen in der Öffentlichkeit leicht missverstanden werden, missverstanden als Belohnung für Straftäter. Man hört zum Teil die Formulierung vom „subventionierten Kuschelvollzug“. Einfacher ist es, eine Law-and-OrderPolitik zu verkaufen; allerdings wird damit der Eindruck erweckt, der Staat könne die Menschen zu 100 % vor Kriminalität schützen. Der nächste spektakuläre Fall wird dann unweigerlich zu Rufen nach noch härteren Strafen führen.
Deshalb brauchen wir unbedingt eine verantwortungsvolle Diskussion über die Ausgestaltung des noch zu verabschiedenden Jugendstrafvollzugsgesetzes. Eine Grundlage dieser Diskussion sollen die Antworten der Staatsregierung auf unsere Große Anfrage sein. Was sind die zentralen Ergebnisse und welche Anforderungen an ein zukünftiges Jugendstrafvollzugsgesetz ergeben sich daraus?
Zum ersten Stichwort, Jugendkriminalität: Selbst wenn man den Bevölkerungsrückgang berücksichtigt, die Jugendkriminalität in Sachsen sinkt kontinuierlich – von 1999 zu 2005 insgesamt um 30 %. Diese erfreuliche Entwicklung unterscheidet sich doch ganz erheblich von dem Bild, das die Öffentlichkeit von Jugendkriminalität hat, und vom Sicherheitsempfinden vieler Bürger. Hier sind Sie, Herr Mackenroth, in der Verantwortung. Korrigieren Sie dieses Bild in der Öffentlichkeit, nehmen Sie den Menschen unberechtigte Ängste und klären Sie sie offensiv über diesen Rückgang auf!