Protocol of the Session on March 14, 2007

Das allerdings konnte es nicht. Daran ändern auch die durchaus anerkennenswerten Aufwertungen an der einen oder anderen Stelle wenig – ganz abgesehen von der handwerklichen Güte, die zu wünschen übrig ließ, was der Wust an formal-redaktionellen Änderungsanträgen belegt.

Der Bundesumweltrat bemängelte seit 2004 nicht nur die zögerliche Umsetzung der Gesetzesanpassung in den einzelnen Ländern. Er warnte nach Vorliegen erster Entwürfe ausdrücklich vor Ansätzen der Absenkung von Naturschutzstandards unter dem Deckmantel der bürgerschaftlichen Eigenverantwortung oder der Deregulierung und Verwaltungsvereinfachung. Beliebte Spielwiesen der Länder für solche Verschlimmbesserungen waren unter

anderem die lästige Verbandsklage bzw. generell die Rechte von Naturschutzvereinen. Auch bei der Festsetzung der Biotopverbundflächen zeigten sich die Länder wenig ambitioniert.

Wir waren also vorgewarnt. Wichtige Diskussionsschwerpunkte auch für Sachsen wurden lange vor einem sächsischen Gesetzentwurf deutlich. Was dann im Januar 2006 als Gesetzentwurf präsentiert wurde, bestätigte leider die Prognose des Umweltrates von 2004 voll und ganz. Das veranlasste zum Beispiel den NABU Sachsen zu einem Appell an den Gesetzgeber, seiner Verantwortung für die Bewahrung des Naturerbes gerecht zu werden, indem bei der anstehenden Gesetzesnovellierung über das Bundesnaturschutzgesetz hinausgegangen wird.

Aber noch in der letzten Anhörung im November vergangenen Jahres beklagte der BUND Sachsen eine erschreckende Beratungsresistenz sächsischer Behörden gegenüber den Hinweisen anerkannter Naturschutzvereine.

Quasi auf der Zielgeraden wurde dann eine naturschutzfachliche wie -rechtliche Rückwärtsrolle in Sachsen vereitelt. Ich wage zu mutmaßen, dass hier die Intervention eines allgemein anerkannten Fachpolitikers der Koalitionsfraktionen die größten vorgesehenen Scharten der Staatsregierung noch auswetzen konnte; beispielsweise beim § 36 Vorkaufsrecht an naturschutzfachlich wertvollen Grundstücken oder bei der Bezuschussung der Naturschutzvereine für Untersuchungen und zur Aufklärungsarbeit im § 59. Dafür dem Kollegen meinen Respekt!

(Vereinzelt Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Auch die Aufnahme des § 9 Ökokonto bzw. Kompensationsflächenkataster ist durchaus ein Fortschritt gegenüber dem bisherigen Sächsischen Naturschutzgesetz, gerade weil hier Erfahrungen aus der Praxis reflektiert werden.

Natürlich hätte ich mir eine durchgängig verbindlichere Formulierung gewünscht. Natürlich habe ich für den Antrag der Linksfraktion.PDS gestritten, als Kompensationsmaßnahme auch den Flächenerwerb zum Rückbau von Bausubstanz und die Beseitigung von Flächenversiegelungen zu regeln. Aber ich bin ja schon zufrieden, dass diese wichtigen Instrumente zur Eingriffskompensation überhaupt im Gesetz stehen.

Die Beseitigung grober Mängel – dazu zählen ausdrücklich auch Disparitäten zum Bundesgesetz und zu Verwaltungsgerichtsentscheidungen – und die Verhinderung von Rückschritt machen das Gesetz insgesamt etwas besser. Gut machen sie es noch lange nicht.

(Beifall der Abg. Dr. Cornelia Ernst, Linksfraktion.PDS)

Um der angesichts dramatischer globaler Klimaentwicklungen auch im öffentlichen Bewusstsein gestiegenen Verantwortung für den Natur- und Artenschutz Rechnung zu tragen, ist es gleich viel zu wenig. Hier haben Sie Chancen verspielt und Erwartungen enttäuscht, Herr Staatsminister Tillich.

Wenn wir schon bei Enttäuschungen sind, muss ich allerdings auch meiner Verwunderung darüber Ausdruck verleihen, dass dem Partei gewordenen ökologischen Gewissen Sachsens, der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN, dieser Gesetzentwurf nicht ein einziger Änderungsantrag im Ausschuss wert war

(Dr. Cornelia Ernst, Linksfraktion.PDS: Hört, hört!)

und dass man sich gar in der Abstimmung im Ausschuss vor einer eindeutigen Positionierung durch Enthaltung herumdrückte. Ich nehme an, das wird uns heute noch als Strategie verkauft.

(Lachen der Abg. Dr. Cornelia Ernst, Linksfraktion.PDS)

Jetzt hat man die Sprache wiedergefunden. Darüber werden wir uns im Anschluss noch unterhalten.

Ausschussarbeit ist eben weniger öffentlichkeitswirksam.

(Dr. Cornelia Ernst, Linksfraktion.PDS: Allerdings!)

Aber schauen wir uns einige inhaltliche Defizite etwas näher an.

Bei der Novellierung eines Gesetzes sollte man bemüht sein, neue naturschutzfachliche Entwicklungen aufzunehmen und abzubilden. Das kennzeichnet ein modernes Gesetz und unterstreicht seine Lenkungsfunktion. Bei der Formulierung der Ziele und Grundsätze der Landschaftspflege sollten deshalb aus unserer Sicht die Lebensräume der Tier- und Pflanzenwelt besonders als Räume dynamischer Entwicklungsprozesse verstanden und geschützt werden.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Als Oberlausitzerin denke ich dabei zuerst an die entstehenden Seenlandschaften infolge des Braunkohlenabbaus. Hier kann ein spannender Großfeldversuch der Rückeroberung von Natur durch Natur vollzogen werden, der große Chancen für den Artenschutz bietet. Vor Ort wird dieser Aspekt leider deutlich den touristischen Planspielen untergeordnet. Nun kann man sich ja streiten – und das haben wir im Ausschuss getan –, ob dieser Prozessschutz bereits über den Schutz der Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushaltes ausreichend erfasst ist. Aber gerade dass wir gestritten haben, beweist, dass es an dieser Stelle doch unterschiedliche Lesarten des Gesetzestextes gab – und das war eben gerade bei Vertretern anerkannter Naturschutzvereine der Fall, auf deren Sachurteil wir uns bei unseren Anträgen gestützt haben. Hier hätte es eine moderne Definition des Lebensraumes der Tier- und Pflanzenwelt geben können. Den dynamischen Ansatz – wie Sie es formuliert hatten, Herr Prof. Mannsfeld – hätten wir an dieser Stelle durchaus so konkret hineinformulieren können. Zudem bestand wohl offensichtlich inhaltlich kein Dissens.

Auch bei den Begrifflichkeiten von Eingriffsregelungen beharrte man auf die einseitige Hervorhebung von „Was

serkraftanlagen“ und konnte sich nicht durchringen, die klarere, umfassendere Bezeichnung von „Anlagen zur Energieerzeugung“ aufzunehmen. Ich dachte, an dieser Stelle waren wir schon einmal weiter. Aber man ist dann doch wieder ganz regierungstragende Koalition, was bedeutet: keine Zugeständnisse, nirgends, nicht einmal bei der Interpunktion. Meine Damen und Herren der Koalition, Sie wissen ja, was der Volksmund zum Zusammenhang zwischen Intelligenz und Nachgiebigkeit sagt.

Keine Kompromisse der Linkspartei gibt es dagegen an anderer Stelle: erstens bei der minimalistischen, prozentualen Ausweisung der Biotopverbundfläche in Sachsen, zweitens bei der Freistellung von Unterhaltungsmaßnahmen an Gewässern und wasserwirtschaftlichen Anlagen vom Eingriffstatbestand, drittens bei den unzureichenden Mitwirkungsrechten anerkannter Naturschutzvereine sowie viertens bei der Möglichkeit des Einsatzes von gentechnisch veränderten Organismen in ausgewiesenen Schutzgebieten. Bei diesen Punkten müssen Sie noch einmal – diesmal öffentlich – Farbe bekennen, meine Damen und Herren der Koalition.

Unsere Änderungsanträge zu diesen Punkten – im Ausschuss lagen ja den Fachpolitikern wesentlich mehr Anträge der Linksfraktion vor – haben wir sehr bewusst noch einmal ins Plenum eingebracht, weil es hier um substanzielle Fragen des Naturschutzes geht. Ich werde die Anträge später im Einzelnen begründen. Nur so viel an dieser Stelle.

Wer beim Landesbiotopverbund eine Flächengröße aus dem Bundesgesetz übernimmt, die schon im Moment der Gesetzesverabschiedung allein durch die sächsischen Flächenausweisungen im europäischen Schutzgebietsystem Natura 2000 weit überschritten ist, will offensichtlich Stillstand. Nach dieser Logik ist natürlich eine Fristsetzung der Realisierung der Biotopverbundfläche überflüssig. Gerade hier hätte Sachsen bundesweit Maßstäbe setzen können und müssen.

Wer den Anbau genveränderter Organismen in Schutzgebieten zulassen will, torpediert die eigentliche Funktion einer Schutzgebietsausweisung. Wer Unterhaltungsmaßnahmen an Gewässern in wasserwirtschaftlichen Anlagen pauschal vom Tatbestand des Eingriffes freistellt, übersieht bewusst die Konflikte, die sich gerade hier in der Vergangenheit für den Artenschutz ergeben haben. Das sind drei der markantesten Beispiele, wo im vorliegenden Gesetz die politische Verantwortung für die Bewahrung und Entwicklung von Natur zugunsten wirtschaftlicher Interessen bewusst verspielt wird. Damit sind wirklich alle positiven Ansätze im Gesetz endgültig paralysiert.

Werte Damen und Herren Abgeordneten! Peter Weingart, ein Soziologe der Universität Bielefeld, antwortete in einem Interview auf die Frage, welche Gefahr, die uns mittel- oder langfristig droht, ihm am meisten Angst macht: „Ich habe am meisten Angst vor der Lernunfähigkeit, zu sehen, wie schwerfällig unsere politischen Systeme reagieren auf Gefahren wie Ressourcenzerstörung und

Umwelt.“ Wie recht er hat, beweist das vorliegende Gesetz.

Es gibt nur zwei Möglichkeiten, Herr Staatsminister Tillich: Entweder bringen Sie fristgerecht eine Eins-zueins-Umsetzung oder Sie überspringen verspätet die Messlatte Bundesgesetz deutlich. Wer beides unterlässt, handelt wider besseres Wissen grob fahrlässig gegen die Natur.

Danke schön.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Die SPD-Fraktion erhält das Wort. Frau Dr. Deicke, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Bei der Umsetzung dieses Gesetzes ist Sachsen in Zeitverzug und muss die Anpassung an das Bundesnaturgesetz schleunigst realisieren. Aber was lange währt, wird endlich gut. Anhand der Vielzahl der Änderungen, die die Koalitionsfraktionen eingebracht haben, kann man erahnen, wie umfassend wir hier zu beraten haben. Das hat seine Zeit erfordert.

Oberstes Ziel war und ist es, eine nachhaltige Entwicklung von Natur und Landschaft in diesem Landesgesetz umzusetzen. Insbesondere geht es darum, die Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushaltes, die biologische Vielfalt, die Eigenart, die Vielfalt und Schönheit von Natur und Landschaft, aber auch die Nutzung der Naturgüter auf Dauer zu erhalten und zu entwickeln.

Wir meinen – damit will ich den Unkenrufen der Opposition entgegentreten –, dass das Landesnaturschutzgesetz in der heute vorliegenden Fassung dieser Zielstellung gerecht wird.

(Beifall bei der SPD)

Ein wenig schwach finde ich allerdings, dass im Ausschuss kein einziger Änderungsantrag der GRÜNEN vorlag, obwohl im Vorfeld mehrmals im Plenum lang und breit darüber diskutiert wurde und unzählige Anfragen der GRÜNEN zum Thema Naturschutz von der Staatsregierung beantwortet werden mussten.

(Johannes Lichdi, GRÜNE, steht am Mikrofon.)

Das ist natürlich nicht damit gleichzusetzen, dass sie sich damit nicht auseinandergesetzt haben.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Sehr geehrte Frau Deicke! Die Ausführungen von Frau Kagelmann wollte ich einfach übergehen. Ich bin jetzt jedoch sehr erstaunt, dass Sie das hier wieder auf den Tisch bringen. Ist Ihnen bekannt, dass zeitgleich im Rechtsausschuss eine Anhörung zu unserem Gesetzentwurf über die Nebeneinkünfte von Abgeordneten gelaufen ist, dass ich diesen Gesetz

entwurf erarbeitet habe und deswegen meine Anwesenheit dort zwingend unabkömmlich war? Sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass ich – –

(Zuruf der Abg. Dr. Cornelia Ernst, Linksfraktion.PDS)

Halten Sie bitte den Mund, Frau Ernst!

(Oh-Rufe von der Linksfraktion.PDS – Unruhe im Saal)

Nehmen Sie bitte zur Kenntnis, dass ich zu Beginn dieser Legislaturperiode ausdrücklich die Koalitionsfraktionen in beiden Ausschüssen gebeten habe, aufgrund dieser Terminüberschneidung den Rechts- und den Umweltausschuss umzuplanen, und dass die Koalitionsfraktionen dazu ausdrücklich nicht bereit waren.

Ich habe Sie nicht deshalb kritisiert, weil Sie nicht im Ausschuss anwesend waren. Ich habe Sie nur leicht kritisiert, indem ich es etwas schwach fand – so war meine Formulierung –,