Die Entscheidung über die Schengen-Erweiterung darf aber nicht um jeden Preis erfolgen. Die jungen Demokra
tien beiderseits der Grenze müssen der Kriminalität gemeinsam und entschieden entgegentreten, damit die Extremisten von links und rechts daraus kein Pulver machen können.
Doch richten wir den Blick auf das Ende des Jahres 2007. Es ist davon auszugehen, dass die deutsche EURatspräsidentschaft den Anschluss der EU-Staaten in Osteuropa an das Schengener Informationssystem SIS I, welches auch als SIS I ausgebaut werden soll, bis 2007 unterstützt. Das hat parallel den Abbau zur Folge. Deswegen müssen endlich Abkommen über grenzüberschreitende Zusammenarbeit in Rettungsdienst, Brandschutz und Katastrophenschutz geschlossen werden.
Es dürfen keinerlei Hindernisse für die Rettung von Menschen vorhanden sein. Es muss das Karlsruher Abkommen abgeschlossen sein und es muss möglich sein, endlich Meldedaten über die Grenze auszutauschen. Ich denke, das sind die Forderungen. Und die Bundespolizei muss in vollem Umfang – –
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Aufgrund der bisherigen Redebeiträge muss ich doch noch einmal auf einen Grundaspekt aufmerksam machen, der hier eine Rolle spielt. Sicherheit im europäischen Maßstab, meine Damen und Herren, gründet sich in allererster Linie auf Vertrauen, nämlich Vertrauen darin, dass wir den europäischen Prozess nur gemeinsam erfolgreich gestalten können.
Ich bin den Innenministern der Länder der Europäischen Union dankbar dafür, dass sie hier in Dresden auf ihrer Tagung ein umfassendes Bekenntnis zur konsequenten Fortführung des Schengener Prozesses abgegeben haben; denn ein Höchstmaß an innerer Sicherheit, meine Damen und Herren, ist eine unentbehrliche Grundlage für wirtschaftlichen Wohlstand. Damit liegt es im ureigensten Interesse Sachsens, dass der inneren Sicherheit ein besonderes Augenmerk beigemessen wird; denn damit wird sichergestellt, dass der Freistaat Sachsen auch künftig im
Wettbewerb von Standorten, Ideen und Akteuren zu den Gewinnern des europäischen Einigungsprozesses zählen wird.
Im Klartext bedeutet das: Ein gemeinsamer Binnenmarkt setzt einen gemeinsamen Rechts- und Sicherheitsraum in Europa voraus. – Die europäische Antwort auf diese Herausforderung heißt eben Schengen, sukzessiver Abbau – sukzessiv, genau, ein schwieriges Wort – der Grenzkontrollen
fortschreitender Abbau der Grenzkontrollen; danke schön, Herr Prof. Dr. Porsch –, flankiert durch eine Reihe von Maßnahmen, die zwei Ziele haben: den besonderen Schutz der gemeinsamen Außengrenzen und die Vernetzung der Strafverfolgung im Gemeinschaftsgebiet. Genau hierfür hat die Ministerkonferenz in Dresden in der letzten Woche deutliche Impulse gesetzt.
Lassen Sie mich noch einmal auf den Entwurf der Europäischen Verfassung zurückkommen. Der Entwurf der Europäischen Verfassung – er liegt im Moment leider auf Eis – gibt eine ganze Reihe von Rahmenbedingungen vor, die die grenzüberschreitende Strafverfolgung erleichtern sollen, die sie vernetzen sollen, beispielsweise die Einrichtung einer gemeinsamen europäischen Staatsanwaltschaft. Deshalb halte ich es für umso wichtiger, meine Damen und Herren, dass die deutsche Ratspräsidentschaft wieder Schwung in diesen europäischen Verfassungsprozess bringt, denn nur die geplante Verfassung ist der Garant dafür, dass wir weiter an diesem Rechts- und Sicherheitsraum Europa bauen können, genauer gesagt, an einem Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts. Auf diesen Ausbau sollten wir uns konzentrieren und nicht einseitig auf die Verteufelung von Grenzöffnungen.
Natürlich hat der Freistaat Sachsen mit seiner 566 Kilometer langen Grenze zu Polen und Tschechien eine besondere Ausgangslage im Hinblick auf grenzüberschreitende Kriminalität. Deshalb ist es auch völlig legitim, wenn wir von unseren östlichen Nachbarn fordern, sie mögen ihre Hausaufgaben machen. Aber wir sollten dabei auf keinen Fall vergessen, dass unser eigenes Hausaufgabenheft noch ziemlich gut gefüllt ist, meine Damen und Herren. Die Koalition aus CDU und SPD hier in Sachsen wird sich dieser Aufgaben annehmen. Wir werden den Stellenabbau bei der Landespolizei kritisch hinterfragen. Das haben wir im Rahmen der Haushaltsberatungen beschlossen. Gleichzeitig wenden wir uns entschieden gegen Bestrebungen, die Präsenz der Bundespolizei in Sachsen zurückzuführen.
Natürlich sind offene Grenzen ein Nährboden für bestimmte Kriminalitätsphänomene, und diese Kriminalitätsphänomene, meine Damen und Herren, lassen sich auch nicht einfach so aus der Statistik ablesen. Die grenzüberschreitende Drogenkriminalität beispielsweise hat seit dem Wegfall der stationären Zollkontrollen im Jahr 2004 zugenommen und der komplette Wegfall der Grenzkon
trollen wird die Arbeit der Polizei in diesem Bereich sicherlich noch erschweren. Aber solche Deliktsphänomene hat es immer gegeben und wird es immer geben, meine Damen und Herren, und es ist Aufgabe der Strafverfolgungsbehörden, sich darauf einzustellen.
Wir werden dafür sorgen, dass die Strafverfolgungsbehörden die notwendigen Ressourcen zur Verfügung haben. Sachsen wird sich den Herausforderungen stellen. Ein verspäteter Wegfall der Grenzkontrollen oder eine Verlängerung der stationären Grenzkontrollen würde dem europäischen Prozess, den wir alle gehen wollen, allerdings entgegenstehen. Das wäre in der Tat kontraproduktiv.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wie europäisch ist eigentlich Sachsen, wenn von hier aus der Ruf tönt, die Grenzkontrollen zu Polen und Tschechien sollten nicht vorzeitig wegfallen, damit die Sicherheitslage in Europa nicht bedroht wird? Das zeugt – das will ich Ihnen ehrlich sagen, Herr Bandmann und Herr Schiemann – von nationaler Überheblichkeit gegenüber diesen Ländern, gegenüber Polen und Tschechien, und man muss sich einmal in deren Lage versetzen und fragen, was das, was wir hier diskutieren, für sie bedeutet.
Meine Damen und Herren! Wer Europa nur aus der Sicht des Strafrechts betrachtet, der ist in meinen Augen ein Provinzler. Das will ich einmal ganz klar sagen.
Ich stelle fest: Auf der einen Seite kürzen wir die Zahl der Stellen der Polizei und verunsichern damit die Menschen in Sachsen. Auf der anderen Seite beschwören ein und dieselben Personen, nämlich Sie, Herr Buttolo, und Sie als Koalition, die Verschärfung sämtlicher Sicherheitssysteme – diese läuft momentan in Europa – und klatschen dem Innenminister Beifall, wenn dieser lieber heute als morgen Passagierflugzeuge abschießen möchte, falls er darin Terroristen vermutet.
Schengen ist längst – und das ist unsere Kritik von links – zu einer Chinesischen Mauer des 21. Jahrhunderts geworden,
einer Mauer gegen Flüchtlinge und andere Eindringlinge in die schöne neue Welt Europa. Sämtliche Polizeien und Geheimdienste werden momentan europäisch vernetzt, und zwar mit dem Ziel der totalen Abschottung gegen Eindringlinge. Biometrische Daten, zügelloser Datentransfer sind dabei nur Stichworte. Alle nationalen Si
cherheitssysteme der Europäischen Union – das muss man sich vorstellen! – werden auf ein Zentralsystem abgestellt. Das ist technisch eine große Leistung, die ich mit glänzenden Augen betrachte. Aber grundrechtlich ist es ein Problem, weil europaweit polizeiliche und geheimdienstliche Daten vermischt werden und diese für Normalsterbliche praktisch unkontrollierbar sind.
Gegenwärtig wird in der EU das größte Grenzkontrollsystem der Welt entwickelt. Mit biometrischen Daten soll der sogenannte Asylmissbrauch bekämpft werden. Neben der Antiterrordatei, mit der Sie ganz locker die Verfassung mit Füßen treten, wurde für das Gemeinsame Analyse- und Strategiezentrum illegale Migration (Gasim) ein System entwickelt, mit dem die sogenannte illegale Migration verfolgt werden soll. Dort werden sämtliche Informationen über diesen Personenkreis gespeichert. Dazu kommt eine zentrale Datenbank zur gemeinsamen Überwachung der Visapolitik der Länder der EU und natürlich sollen Video- und Telekommunikationsüberwachung für Normalbürger zur Gewohnheit werden.
Die Folge dieser Maßnahmen ist etwas, was wir als Linksfraktion.PDS strikt ablehnen, nämlich die Verpolizeilichung der Gesellschaft. Herr Staatsminister Buttolo, der Geist Ihres Referentenentwurfes zum Polizeigesetz ist ähnlich.
Alle diese Sicherheitsmaßnahmen zielen auf Abschottung, und zwar nicht nur an den Außengrenzen der EU, sondern auch der Menschen, die darin leben. Das ist verbunden – und das ist meine Hauptkritik – mit dem Abbau von elementaren Grundrechten.
Immer mehr Menschen werden heutzutage beschnüffelt. 2006 gab es 45 % mehr Anordnungen zur Telefonüberwachung im Vergleich zu 2005. Problematisch ist auch die Preisgabe beruflicher Schutzgewährungen, zum Beispiel des Anwaltsgeheimnisses. Der Schutz der informationellen Selbstbestimmung der Bürger ist ohnehin ein lästiges Hindernis für diese Sicherheitspolitik geworden.
Wir wollen nicht, dass aus der Bürgergesellschaft eine Kontrollgesellschaft wird. Wir wollen nicht, dass aus dem Verfassungsstaat ein Überwachungsstaat wird.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Keines dieser Systeme bringt mehr persönliche Sicherheit für die Bürger. Was Sie Sicherheit nennen, ist ein Vorwand zum weiteren Abbau von Bürgerrechten und – nebenbei bemerkt – ein grandioses Geschäft für Großfirmen.
Wird von der NPD noch das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall. Dann frage ich die FDP. – GRÜNE? – Ich frage weiterhin die CDU. – Herr Schiemann, bitte.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich muss mich schon ein wenig darüber wundern, dass hier mit so viel Unwissenheit agiert wird. Ich glaube, die Koalitionsfraktionen haben deutlich gemacht, dass die EU für uns der wichtigste Garant für unsere Entwicklung ist. Dazu stehen wir!
Wir wollen aber auch, dass die Europäische Union ein Stabilitätsfaktor für die Mitgliedsstaaten und für die Partner der Europäischen Union bleibt.
Ich denke auch, dass es wichtig ist, dass die Grundlagen, die die Europäische Union prägen – Demokratie, Wirtschaftsentwicklung, Kultur, geografische Grenzen und natürlich die innere Sicherheit –, dazugehören und nicht auseinanderdividiert werden können. Deshalb hat mein Kollege Volker Bandmann deutlich auf die Bedenken zum Wegfall der Grenzkontrollen hingewiesen.