Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit dem Digitalfunk ist es ungefähr so wie mit dem Flugwesen. Auf die berühmte Frage in dem berühmten Buch „Die Kuh im Propeller“, wie es denn um das Flugwesen stehe, kam die berühmte Antwort: „Das Flugwesen – es entwickelt sich.“
So ungefähr ist es beim Digitalfunk. Seit 1990 wird darüber diskutiert. 1994 waren alle der Meinung, dass wir ihn brauchen. 13 Jahre später stellen wir nüchtern fest: Das Flugwesen hat sich leider nicht entwickelt.
Mittlerweile hat auch, wie ich jüngst erfuhr, Albanien, mit dem wir technisch in den letzten Jahren konkurrierten, den Digitalfunk eingeführt. Die Bundesrepublik nimmt sich nun mutig das Jahr 2010 vor, aber daran glaubt im Grunde der Seele auch keiner so richtig, denn die Verhandlungen von Bund und Ländern mit der DB Telematik GmbH über den Betrieb des Digitalfunks sind gescheitert – das kann man nicht anders bezeichnen.
Ärgerlicherweise hat sich in den letzten 13 Jahren die technische Welt revolutioniert. Wir haben UMTS-Handys, jedes Kind kann sich weltweit in Zehntelsekundenschnelle vernetzen. Aber bei der Polizei, der Feuerwehr und den Rettungsdiensten ist die Zeit in dieser Frage stehen geblieben.
Das bisherige Analogsystem ist so alt wie mancher Polizist, der es bedient. Das sagte schon ein Kollege vor mir. Es basiert auf alten Verfahren. Die Mitteilung zwischen Sender und Empfänger wird mit einem Mikro aufgenommen, in elektrische Wechselspannung umgewandelt und auf einer Nutzfrequenz übertragen. Dabei geht, wie wir alle wissen, natürlich Übertragungsqualität verloren. Die Nutzfrequenz kann – und das ist dank der Technik von heute das Schöne daran – fröhlich von jedem, der sich einen entsprechenden Scanner kauft, abgehört werden. Der Kauf von Scannern ist nicht anzeigepflichtig. Insofern ist das Abhören des Polizeifunks einfach möglich.
Jeder Verkehrssünder kann den Polizeifunk mithören und seine Route ändern, damit er nicht gefangen wird. Außerdem ist es günstig für jeden Gauner, in solchen Gebieten Unfrieden zu schaffen, in denen die Polizei zum Beispiel im Funkloch ist. Es gab schon eine Reihe von Polizeiaktionen, die wegen eines Funklochs abgebrochen werden mussten.
Will ein Polizist den Rettungsdienst oder die Feuerwehr benachrichtigen, muss er sich erst in die entsprechenden Kanäle einloggen. Alles geht über Leitstellen und Wachen. Meist haben dann die Polizisten den Kanal voll. Was machen sie dann? Sie benutzen ihr eigenes Handy.
Die Vorteile des Digitalfunks liegen auf der Hand: moderne, schnelle Kommunikation, schnelles Zusammenschalten der Funkkanäle, kein Hin- und Herschalten zwischen den Kanälen, unkomplizierter Datenaustausch zum Beispiel auch von Lageskizzen und Fahndungslisten, Abhör- und Mehrfunksicherheit.
Einem Insider der Szene, dem es, wie wohl allen hier Sitzenden, auch zu lange gedauert hat, fiel ein, dass man das Polizeigesetz ändern müsste.
§ 1. Solange die Polizei analog funkt, ist es allen Verbrechern verboten, digital zu funken. Die Handybenutzung in Deutschland wird bis 2010 grundsätzlich unter Strafe gestellt.
§ 2. Sollte ein Bundesland den Digitalfunk vor 2010 einführen – das kann man ja machen –, wird in diesem Bundesland die Handybenutzung erlaubt.
§ 3. Die Bundesbahn wird für den entgangenen Funknetzauftrag entschädigt. Deutsche Polizeibeamte dürfen zur Verfolgung von Verbrechern nur die Deutsche Bahn benutzen.
Besonders schön fand ich § 4, der lautet: Im Rahmen dieser Maßnahmen wird die Bundesrepublik Deutschland in Bunte Republik Deutschland umbenannt. Damit wäre ich zumindest zufrieden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit Blick auf das Flugwesen lässt sich also zusammenfassen: Es wäre besser, es würde sich entwickeln. Weil parteiübergreifend jeder daran Interesse haben dürfte, alles zu tun, um die Verfolgung von Straftätern zu erleichtern und der Entwicklung der Kriminalität, insbesondere der organisierten Kriminalität, die technisch bestens ausgerüstet ist, wirksam entgegenzutreten.
Was sich auf Bundesebene abzeichnet, ist stattdessen dilettantisch und peinlich. Man kann eigentlich nur die Augen davor verschließen.
Während die Länder, wie zum Beispiel auch wir, in ihren Haushalten seit 2005 entsprechende Landesmittel einstellen, spielt die Bundesregierung Toll Collect II. Das Angebot der Bahn wurde abgelehnt, weil es preislich und qualitativ zu schlecht war. Die Verhandlungen mit der DB Telematik sind definitiv gescheitert.
Jetzt sollen durch eine Vereinbarung zwischen Bund und Ländern 50 % der Fläche eines jeden Landes als Rumpfnetz abgedeckt werden. Aber zu keinem Zeitpunkt war wirklich klar, was das für die Flächenländer bedeutet. Was passiert in den Flächenländern, wenn vorrangig die Ballungszentren abgedeckt werden sollen? Offen ist auch der Standard. Es gibt zwar, wie immer, wenn man nicht weiter weiß, eine tolle Arbeitsgruppe mit dem Titel „Anforderungen an das Netz“, die Mindeststandards entwickelt hat; aber dennoch ist offen, wie es mit den dünn besiedelten Regionen weitergehen soll.
Insgesamt ist zu fragen, ob es wirklich klug war, für das Betreiben des Digitalfunks keine Ausschreibung vorzunehmen. Insofern können wir die Kritik der FDP durchaus nachvollziehen. Wir halten das auch für rechtlich problematisch.
Eine wirkliche Blackbox sind die Finanzen, die insgesamt und länderbezogen dafür erforderlich sind. Es gibt tolle
Meldungen über die erforderlichen finanziellen Mittel. Die einen sagen, dass es 6,5 Milliarden Euro sein werden, die Nächsten sprechen von 3,5 oder 4,5 Milliarden Euro. Hier ist Zahlenlotto angesagt.
Wir wollen erstens, dass zügig über eine Ausschreibung oder über den Vorschlag, den die GdP gemacht hat, entschieden wird. Wir wollen zweitens, dass ein Zeitplan erarbeitet wird, und drittens, dass es zu keiner Lösung im Bund kommen darf, die bevölkerungsärmere Regionen benachteiligt. Viertens wollen wir, dass sinnvolle und wirtschaftliche Übergangsregelungen erarbeitet werden. Fünftens müssen die notwendigen finanziellen Mittel offengelegt werden. Dabei darf sich keine Benachteiligung der Kommunen ergeben.
Es ist alles gesagt. Das Flugwesen möge sich entwickeln! Wir stimmen dem Entschließungsantrag der FDP zu.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte am Anfang eine kleine Richtigstellung machen. Ich weiß, Herr Pietzsch, dass Sie Ihre Äußerung scherzhaft gemeint haben, aber wir haben auch Hörer an den Radios. Ich möchte deshalb klarstellen, dass unsere Polizeibeamtinnen und -beamten ihre Funkgeräte nicht dazu einsetzen, um körperliche Gewalt auszuüben,
Meine sehr verehrten Damen und Herren! In der freien Wirtschaft wäre ein Unternehmen, das den Anschluss an den technologischen Fortschritt verpasst, relativ schnell vom Markt verschwunden. Es sei denn, man ist Monopolist, dann ist es egal. Insofern ist unsere Polizei auch ein Monopolist.
Es geht mir hier nicht darum, das Sicherheitsmonopol des Staates infrage zu stellen. Ich möchte nur verdeutlichen, dass gerade in diesem Bereich der Technologiefortschritt sträflichst verschlafen wurde und unsere Polizei deshalb mit unzureichenden Kommunikationsmitteln arbeiten muss.
Das Thema Digitalfunk ist uralt. Im Prinzip steht seit Ende der Achtzigerjahre fest, dass die analoge Kommunikation bei der Polizei veraltet, überfordert und außerdem nicht abhörsicher ist.
Es wurde immer wieder diskutiert. Allerdings ist es höchst unbefriedigend, wenn wir im Jahr 2007 immer noch keine Lösung vorliegen haben, weil mit der Einführung des Digitalfunks immer noch nicht begonnen wurde. Während andere europäische Länder ihre Sicherheitsbehörden entsprechend ausgerüstet haben, arbeiten deutsche Stellen immer noch mit Museumstechnik.
Die Gründe dafür sind vielfältig. Erst waren sich Bund, Länder und Kommunen nicht einig, wie die Kostenverteilung erfolgen sollte. Dann war plötzlich kein Geld mehr da. Jetzt ist noch nicht einmal der richtige Anbieter gefunden worden.
Der politische Vorwurf – das geht an die Kollegin und die Kollegen der FDP –, den Sie hier an die sächsische Landespolitik auftun, trifft sie nur bedingt. Das muss man einfach sagen. Zum einen hat die Koalition – daran darf ich erinnern – mit dem Doppelhaushalt 2007/2008 die notwendigen Finanzmittel bereitgestellt, um den sächsischen Anteil an der Einführung des Digitalfunks zu finanzieren. Zum anderen haben alle Bundesländer gemeinsam mit dem Bund womöglich auf das falsche Pferd gesetzt. Da sind alle in der Pflicht.
Ich habe Ihren Entschließungsantrag so verstanden, dass Sie der Sächsischen Staatsregierung vorwerfen, sie hätte nicht genügend getan, und jetzt fordern Sie sie auf, tätig zu werden.
Das habe ich herausgelesen; der Eindruck ist bei mir entstanden. Wenn mich dieser Eindruck getäuscht haben sollte, dann bitte schön.
Womöglich haben alle Bundesländer und der Bund gemeinsam auf das falsche Pferd gesetzt. Dass das Angebot der DB Telematik in seiner bisherigen Gestalt nicht akzeptabel ist, darin, denke ich, sind wir uns alle einig. Allerdings möchte ich, im Gegensatz zu meinen Vorrednern, die Hoffnung auf eine Einigung mit dem Anbieter noch nicht endgültig aufgeben. Schließlich haben beide Seiten, sowohl Bund und Länder als auch die DB Telematik, hierbei viel zu verlieren.
Man mag darüber philosophieren, ob die frühzeitige Konzentration auf diesen einen Anbieter richtig war. Fakt ist jedenfalls, dass diese Entscheidung auch Minister der FDP – sei es als Ressortchefs oder Koalitionspartner – in den verschiedenen Bundesländern mit zu vertreten haben. Insoweit halte ich die einseitige und wenig selbstkritische Rückschau Ihres Entschließungsantrages – ich muss noch einmal auf meinen Eindruck zurückkommen – für über
flüssig. Es gibt nicht einen Verantwortlichen, dem man quasi den Schwarzen Peter zuschieben kann, sondern – wenn überhaupt – viele.
Was unsere sächsische Polizei jetzt erwartet, ist ein klarer Fahrplan, wann endlich der Digitalfunk auf den Weg gebracht wird. Wenn wir noch lange warten, wird die von uns jetzt geplante Technik möglicherweise wieder veraltet sein und wir werden sie günstiger als Second-Hand-Ware bei ebay besorgen können. Für meine Fraktion steht auf jeden Fall fest, dass alle Behörden und Organisationen mit sicherheitsrelevanten Aufgaben – wie Polizei, Feuerwehr, Rettungsdienste und Technisches Hilfswerk – von einer zukunftsträchtigen Technik profitieren müssen. Alles andere ist ein unvertretbares Sicherheitsrisiko und wirkt, wie im Falle der Polizei, demotivierend im Kampf gegen das Verbrechen. Verbrecher sind in aller Regel immer hochgerüsteter als die Polizei.