Protocol of the Session on January 25, 2007

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mit der Debatte zu der länger zurückliegenden Großen Anfrage zur Einführung eines Digitalfunknetzes im Behördenfunk reagieren wir – wie auch mit dem Entschließungsantrag – auf eine aktuelle Entwicklung im Bereich des Digitalfunks, die alles andere als zufriedenstellend ist.

Der BOS-Digitalfunk ist kein abseitiges Expertenthema, das vielleicht einige engagierte Lurchschützer bewegen könnte. Nein, Digitalfunk ist etwas Reales, das die Bürger wirklich tagtäglich berührt und von erheblicher Bedeutung für sie ist, für Leib und Leben und Hab und Gut. Die Datenübertragung, der Sprechfunk für Rettungsdienste und für die Feuerwehren sind lebensnotwendig. Seit Jahren wird darüber gesprochen, wie wir ein solches Funksystem einrichten können, das modernen Anforderungen genügt, das heißt, das sicher ist, das abhörsicher ist und die Zusammenschaltung verschiedener Dienste sowie verschiedene Datenübertragungen ermöglicht.

Solche digitalen Funksysteme – dies war auch Grundlage unserer Großen Anfrage – sind in Europa Standard – mit Ausnahme von Deutschland. In Deutschland gibt es nach wie vor den Analogfunk und keinen Digitalfunk, obwohl seit über zehn Jahren darüber diskutiert wird, wie wir diesen Digitalfunk endlich einführen. Es mögen auch 13 Jahre sein, vielleicht sogar noch länger, und ich befürchte, wir werden noch etliche Jahre weiter darüber diskutieren, ob und wie wir ihn einführen. Wahrscheinlich wird ihn sogar noch Albanien vor uns haben, dann sind wir wirklich die Allerletzten, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und der Abg. Dr. Cornelia Ernst, Linksfraktion.PDS, und Michael Weichert, GRÜNE)

Wie gesagt, es ist längst geplant worden. Es wird viel verhandelt und in vielen Ausschüssen bewertet, und nachdem jahrelang überhaupt nichts geschah, hatte der Bund im Februar 2005 entnervt im Alleingang ein Funknetz für die Bundesbehörden, insbesondere Zoll, Bundespolizei und andere Nutzer, beschlossen, das auf der Funkversorgung der Bahn basieren sollte und den Ländern die Möglichkeit gab, sich anschließend auf dieses Netz „draufzusetzen“, um in der Fläche landesweit Digitalfunk einführen zu können.

Sachsen hat im Haushalt 2005/2006 bereits 140 Millionen Euro für die Einführung des digitalen Funknetzes eingeplant, aber bisher nichts bzw. nur einen ganz kleinen Teil davon benötigt, und wir wissen nicht, ob es im nächsten Haushalt überhaupt benötigt werden wird oder ob man es noch einmal in einen Haushalt vorträgt.

Deshalb unser Entschließungsantrag, mit dem wir die Staatsregierung bitten, den Landtag darüber zu unterrichten, wie der Zeitablauf aussieht, und zwar konkret hinsichtlich der Einführung des BOS-Funkes, welche Planungen die Sächsische Staatsregierung hat. Es geht nicht um die Planungen, die der Lenkungsausschuss als Koordinierungsgremium zwischen Bund und Ländern im Hinblick auf die Entscheidungen Lastenheft, Vergabeentscheidungen, deren Voraussetzungen oder überhaupt die Frage einer Vergabeentscheidung zu treffen hat, sondern wir wollen weiter gehende Informationen darüber haben, wie die Situation in Sachsen aussieht, auch hinsichtlich der Kosten, die bereits angefallen sind, und der Kostenentwicklung, soweit sie absehbar ist, meine Damen und Herren.

Im Oktober 2005 hat das SMI noch gesagt, die Feinplanung sei im zweiten Halbjahr 2006 abgeschlossen. 2005 hat dann die rot-grüne Bundesregierung ohne Ausschreibung den Betrieb des Netzes an die DB Telematik vergeben, eine hundertprozentige Bahntochter. Die Begründung für diese ausschreibungslose Vergabe war, dass die DB Telematik über weitreichende Erfahrungen mit der Planung, dem Aufbau und dem Betrieb digitaler Bahnfunknetze verfüge, die als Hochsicherheitsnetze ausgelegt seien.

Nun kommt langsam das dicke Ende in Sicht mit dem Sachstand, auf dem wir uns heute befinden. Im Oktober 2006 hieß es, die Verhandlungen seien wahrscheinlich im Dezember 2006 abgeschlossen. Der Grund war der Umstand, dass die DB Telematik bis 2015 ein Betreiberangebot von 6 Milliarden Euro vorgelegt hatte, während die Länder, die zunächst 3,5 Milliarden Euro geplant hatten, zuletzt 5 Milliarden Euro eingestellt hatten – immer noch 1 Milliarde Euro mehr, als die Länder überhaupt in der Lage waren, dafür aufzubringen. Dies erweckte den Eindruck, meine Damen und Herren, als ob bei der DB Telematik die eine oder andere Milliarde bei der Betriebslösung überhaupt keine Rolle spiele. Lassen Sie mich etwas despektierlich anmerken: Das kommt wahrscheinlich daher, dass es eine Bahntochter ist.

Aber zurück zum Problem. Die Verhandlungen sind im Dezember 2006 endgültig geplatzt. Nichts geht mehr. Wir haben keinen Betreiber in Sicht und wir wissen nicht, wie

wir einen bekommen sollen. Der Lenkungsausschuss hat bisher auch noch keine Entscheidung getroffen. Dies soll bis März der Fall sein. Die Einführung des AutobahnMautsystems durch Toll Collect wirkte demgegenüber als Musterbeispiel für die Einführung einer neuen Technik durch die öffentliche Hand.

(Beifall und vereinzelt Heiterkeit bei der FDP – Beifall des Abg. Michael Weichert, GRÜNE)

Wie gesagt, der jetzige Zustand ist alles andere als befriedigend, und der Lenkungsausschuss, der bis März prüfen soll, ob überhaupt eine Ausschreibung erfolgt oder ob ein Eigenbetrieb des Bundes den Betrieb übernehmen soll, fährt meiner Auffassung nach auch wieder in die falsche Richtung; denn wie lange würde es dauern, einen solchen bundeseigenen Betrieb aufzubauen, der eine Betriebslösung des BOS-Funkes einführt?

Nein, wenn wir eine technisch funktionierende Lösung wollen, wenn wir sie wirtschaftlich wollen und in einem überschaubaren Zeitraum erhalten wollen, so geht dies nach Auffassung der FDP ausschließlich über eine Ausschreibung. Eine solche Ausschreibung bietet am ehesten die Gewähr dafür, dass man eine technisch hochstehende und wirtschaftlich vertretbare Lösung finden kann, meine Damen und Herren.

Auch hier unser Entschließungsantrag: Wir wollen, dass sich die Sächsische Staatsregierung in diesem Sinne im Lenkungsausschuss und im weiteren Vorgehen einsetzt, um zu erreichen, dass hierfür eine vernünftige Ausschreibung auf einer vernünftigen technischen Grundlage – Lastenbeschreibung und anderem – erfolgt.

Wie gesagt, wir wollen, dass die Staatsregierung das Parlament über einen Zeitplan und über die Kosten unterrichtet und dass sie diese Punkte auch in der Zukunft berücksichtigt.

So viel dazu. Wir bitten deshalb auch gleich um Zustimmung zu unserem Entschließungsantrag.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Der Staatsminister hat um das Wort gebeten.

(Staatsminister Dr. Albrecht Buttolo: Am Ende!)

Nach der ersten Runde. Gut. – Dann bitte die CDUFraktion. Herr Pietzsch.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Dr. Martens, eingangs vielleicht eine Bemerkung zu dem, was Sie zur europaweiten Situation sagten. – Es wäre schön, wenn Sie zuhören könnten. Dann könnten Sie auch Ihre Argumente, die Sie vorgetragen haben, ein wenig aktualisieren. – Ich habe mal recherchiert. Die Situation ist, was Europa betrifft, etwas verworrener, als Sie sie dargestellt haben. Das ist nicht mit „erledigt“ abzuhaken, sondern alle befinden sich nach wie vor in der Planungsphase oder der

Realisierungsphase. Aber Deutschland würde, wenn man das auf dem Lineal aufzeigen würde, das Schlusslicht in dieser gesamten Kette bilden. Da kann ich Ihnen vollkommen zustimmen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Regelmäßig klappen bei Großeinsätzen zwei Dinge nicht: der Funk und die Verpflegung. Das sagen meine Kameradinnen und Kameraden bei der Feuerwehr. Bei der Polizei dagegen ist man in der Zwischenzeit einhellig der Ansicht, dass die Funkgeräte, da sie älter sind als deren Nutzer, allenfalls noch als Schlagwaffe zu gebrauchen sind.

Eine schier unendliche Geschichte – die Einführung des Digitalfunks in Deutschland – tritt wieder einmal in eine entscheidende Phase. Ich kann also meinem Vorredner, Dr. Martens von der FDP-Fraktion, was die Bedeutung der Einführung des digitalen Sprech- und Datenfunks betrifft, im Großen und Ganzen nur zustimmen. Ich halte nach wie vor daran fest: Je früher er kommt, desto besser ist es für die innere Sicherheit.

(Beifall bei der FDP)

Wie technisch anspruchsvoll und finanziell belastend die Einführung des Digitalfunks ist, haben wir in den zurückliegenden Jahren mehrfach erfahren können. Gutachten über die Machbarkeit und Pilotprojekte führten bekanntermaßen zum Streit der Systeme. Ob Tetra, Tetrapol oder GSM – je länger darüber gestritten wird, umso länger wird die Angebotspalette der Systeme, und das erschwert die Auswahlentscheidung.

Ich komme noch einmal auf eine Ihrer Ausführungen zum Thema Ausschreibung zurück. Eine Ausschreibung erfolgt – Sie sprachen richtig an, was dazu alles notwendig ist, Lastenheft und alles Mögliche – nach einer grundsätzlichen Systementscheidung. Die Systementscheidung ist aber europaweit noch nicht gefällt. Es gibt nach wie vor einen Kampf der Systeme. Ich habe, um auf dem aktuellen Stand zu sein, noch einmal kurz im Internet recherchiert.

Es ist nach wie vor so, dass man erheblich damit zu tun hat, grenzübergreifend die Schnittstellenprobleme zu diskutieren, die eine große Auswirkung haben, wenn wir andere Vorkehrungen, die wir im Bereich der inneren Sicherheit, Europa betreffend, klären wollen. Da stellt sich nicht nur die Frage, wie wir in Deutschland damit umgehen, sondern auch die Frage der Auswirkungen, die das auf Europa hat. Ich habe mich über Österreich informiert. Sie haben Digitalfunk nur punktuell in einzelnen Bereichen und haben das Roll-Out der Einführung des Netzes auf die nächsten Jahre bis 2010 angelegt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Lenkungsausschuss des Bundes hat in seiner Sitzung am 13.12.2006 festgestellt:

Erstens. Das Ziel von Bund und Ländern, spätestens bis 2010 bundesweit einheitlich die Funkversorgung BOS auf digitaler Basis einzuführen, wird erst einmal bestätigt. Das ist die erste Festlegung.

Zweitens. Der Bewertung des Bundesministeriums des Innern, dass das Angebot der Bahn vom 30.11.2006 und das ergänzende Angebot vom 12.12.2006, 14 Tage später, aus inhaltlichen Gründen, aber auch unter preislichen und Kostenaspekten sowie der veränderten Risikoverteilung weder tragfähig noch verhandlungsfähig ist, wird zugestimmt.

Drittens. Es wird für erforderlich gehalten, das vom BMI vorgelegte alternative Konzept umgehend inhaltlich und kostenmäßig weiterzuentwickeln, damit eine abschließende Entscheidung von Bund und Ländern bis spätestens 31.03.2007 getroffen werden kann.

Zieht man das alternative Modell heran, sieht man die Voraussetzungen, die in drei Punkten erfüllt werden müssen:

Gemeinsame und einheitliche Einführung bei Bund und Ländern. Das sprachen Sie im Zusammenhang der Übernahme des 50-prozentigen Anteils an.

Einhaltung eines einheitlichen Funkstandards. Das ist eine sehr wichtige Voraussetzung.

Der vereinbarte Kostenrahmen nach einer vorgelegten Kalkulation sollte eingehalten werden, wobei auch darüber noch zu diskutieren ist. Sie wissen selbst, was eine Ausschreibung in einer entsprechenden Form noch beinhaltet. Auch geht es um die Beibehaltung der Aufteilung der Kosten zwischen Bund und Ländern.

Der Lenkungsausschuss nimmt zustimmend zur Kenntnis, dass umgehend mit dem Aufbau einer Referenzplattform begonnen wird, um die technischen und praktischen Grundlagen für die Errichtung des Gesamtnetzes so schnell wie möglich schaffen zu können.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! In seiner Sitzung am 14.12.2006 hat der Landesbeirat für Brandschutz, Katastrophenschutz und Rettungsdienst die Informationen und die daraus folgenden Aktivitäten des SMI entgegennehmen können, die da wären:

Erstens. Noch im Januar erfolgt eine Neuorganisation der Projektgruppe Digitalfunk – und das untersetzt in vier Teilgruppen. Zum einen die Gruppe Netzaufbau, Betriebs- und Endgeräte, zum Zweiten die Gruppe Aus- und Fortbildung. Das ist ein sehr wichtiger Bestandteil. Der dritte Teil ist die Gruppe Taktik und der vierte Teil, der uns in der Diskussion vielleicht später noch interessieren wird, betrifft die Problematik Leitstellen, Führungs- und Lagezentren. Das ist eine wichtige Gruppe.

Diese Pilotgruppe wird die entsprechenden Aspekte vortragen und einer Lösung zuführen. Das sogenannte Roll-Out des Netzes, das ich schon angesprochen habe, ist weiterhin für den Zeitraum von 2007 bis 2010 geplant. Daran gibt es keine Abstriche.

Im Hinblick auf die schwierigen Vertragsverhandlungen zum Betrieb des Netzes auf Bundesebene werden auch im Freistaat Alternativen gesucht, falls das Gesamtprojekt scheitert – eine wichtige Entscheidung, die seitens des SMI gefällt worden ist.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem Digitalfunk wird dem Anwender ein zeitgemäßes Kommunikationsmittel an die Hand gegeben. Ich sehe in der Einführung des Digitalfunks einen großen Vorteil. Polizei, Feuerwehr, Rettungsdienst und Katastrophenschutz können somit auf einer einheitlichen Basis miteinander kommunizieren. Mit dem Beschluss, 32 Millionen Euro für die Einführung des BOS-Digitalfunks in den Haushalt 2007/2008 einzustellen, haben wir die notwendigen Voraussetzungen geschaffen, dass der eben skizzierte Plan realisiert werden kann.

Zu Ihrem Entschließungsantrag nur so viel: Wir lehnen diesen ab, und das möchte ich kurz begründen:

Die Staatsregierung bringt sich aktiv in den Prozess ein und prüft bereits unaufgefordert Alternativplanungen. Die CDU-Fraktion geht wie auch die SPD-Fraktion davon aus, dass das zuständige Innenministerium auf der Bundesebene aktiv ist und der BRK-Landesbeirat über das Vorhaben weiterhin zeitnah informiert wird. Ich gehe davon aus, dass Staatsminister Buttolo zu gegebener Zeit den Innenausschuss über den Stand der Alternativplanungen unterrichten wird, wie er es immer getan hat.

Für Sachsen lässt sich feststellen, dass der Beginn der Einführung des Digitalfunks im zweiten Halbjahr 2007 noch nicht gefährdet ist. Sofern es zu Veränderungen oder Verzögerungen kommt, wird das Innenministerium dies bekannt geben. Ich bin für diese Aussage sehr dankbar, weil sie uns zeitnah an diesem Realisierungsprozess mitbeteiligt und uns aktuell in Kenntnis setzt. Gegenwärtig wird jedenfalls eingeschätzt, dass die Entscheidung „bis Ende März“ den Start im zweiten Halbjahr 2007 nicht beeinträchtigt.

Wie Sie sehen, wird den Forderungen in Ihrem Antrag nach Berichterstattungen und Aktivitäten bereits nachgekommen. Damit ist Ihr Antrag für uns hinfällig geworden. Ich habe das noch einmal im Einzelnen nachgeschaut. Es ist ein Antrag, der unter dem Punkt 1 eine Feststellung trifft. Realistisch haben wir beide jetzt im Gespräch, auch hier in dieser Debatte, feststellen können – der Minister wird es bestätigen können –, dass das der aktuelle Stand ist und alles andere Nachfolgehandlungen sind, über die wir uns vielleicht im Facharbeitskreis – sprich: im Ausschuss – noch näher unterhalten müssten.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Ich erteile der Linksfraktion.PDS das Wort. Frau Dr. Ernst, bitte.