Protocol of the Session on January 24, 2007

(Beifall des Abg. Prof. Dr. Cornelius Weiss, SPD, und vereinzelt bei der CDU)

Ich bitte nun Frau Dr. Ernst, für die Linksfraktion.PDS das Wort zu nehmen.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im Grunde ist der vorliegende Antrag – Sie haben es schon angedeutet; ich sage es etwas drastischer, Frau Dr. Schwarz – eine Zumutung. Er ist völlig substanzlos. Gefordert wird eine einfache Berichterstattung. Das kann man im Ausschuss oder anderswo machen; Anhörungen wären ohnehin sinnstiftender. Die Stellungnahmen der Staatsregierung dazu sind steinalt, älter als die Debatten, die wir im November letzten Jahres zur Großen Anfrage der Linksfraktion zu diesem Thema geführt haben.

Ich kann andererseits verstehen, dass Sie den Landesaktionsplan zur Bekämpfung häuslicher Gewalt vorstellen und etwas dazu sagen wollen; das ist völlig klar. Dass es Ihnen aber nicht wert war – darüber muss man nachden

ken –, dies in einem eigenständigen Antrag zu thematisieren finde ich wirklich pikant.

Nun zum Aktionsplan zur Bekämpfung häuslicher Gewalt. Das Gute ist zunächst einmal: Er ist da. Wir haben lange darum gekämpft und gerungen. Der Aktionsplan ist in verschiedensten Anträgen und Aussprachen, wo auch immer, thematisiert worden.

Ich bin froh darüber, dass es eine ganze Menge positiver Ansätze gibt. Gut ist zum Beispiel, dass er fach- und ressortübergreifend gestaltet ist. Wenn ich mir allerdings das Kultusministerium ansehe, dann weiß ich nicht, ob man dort begriffen hat, worum es geht. Ich glaube es kaum. Man kann und muss dort sicherlich nachhelfen.

Wichtig ist, dass der Gewaltbegriff weitreichend verstanden wird. Betroffen sind nicht nur Frauen und Männer, sondern auch viele Jugendliche. Heute ist in der „Freien Presse“ zu lesen, dass 20 % der Jugendlichen in der Familie Gewalterfahrungen machen. Angesichts dessen muss man über den Begriff „Familie“ und über „Familie als Idylle“ gründlich nachdenken. Auch das ist eine Aufgabe in diesem Zusammenhang.

(Beifall des Abg. Horst Wehner, Linksfraktion.PDS)

Sehr verehrte Damen und Herren! Für meine Begriffe ist es auch zu begrüßen, dass in dem Aktionsplan eine Reihe von sehr konkreten Punkten angesprochen wird. Es werden Anregungen aufgegriffen, die wir thematisiert haben und die auch der Lenkungsausschuss häufig eingebracht hat. Ich freue mich über den Maßnahmenkatalog zur Stärkung der Diagnosekompetenz von Ärzten. Der ist bitter, bitter nötig. Das habe ich aus vielen Anhörungen unserer Fraktion immer wieder herausgehört.

Es gibt also Licht; aber wie immer gibt es auch Schatten. Die Schwächen des Landesaktionsplanes liegen auf der Hand: Immer dann, wenn es um verbindliche, zwingende Konsequenzen geht, lesen wir nichts oder nur sehr wenig. Die Empfehlungen sind durchweg dünn und viel zu allgemein formuliert. Es gibt keinen Zeitplan, wann man was wie erreicht haben will.

Das Allerschlimmste ist – das ist immer die Kernfrage bei solchen grandiosen Plänen – die finanzielle Absicherung. Wir brauchen einen Finanzplan. Einen solchen gibt es hierzu nicht. Das halte ich für schwierig.

Wo konkret sehen wir Schwachpunkte? Zunächst zum Bereich Kinder und Jugendliche. Auf der einen Seite wird die Bedeutung von Schulsozialarbeitern immer wieder betont – nach dem Motto, wir brauchen Schulsozialarbeiter, die sich mit den Problemen befassen können und die den Kindern und Jugendlichen Hilfestellung geben können –, aber in den Empfehlungen ist nichts davon zu lesen; da sind sie plötzlich weg. In den Empfehlungen zum Ausbau des Netzes von SchulsozialarbeiterInnen gibt’s nichts zu lesen.

Völlig verwaschen sind auch die Ansprüche an Erzieherinnen. Es fängt doch schon in der Kindertagesstätte an.

Dort muss mit der Aufklärung über dieses Thema angesetzt werden. Die Erzieherinnen müssen sehr genau wissen, was sie vor sich haben und welche Probleme es im Zusammenhang mit Gewalt in den Familien gibt. Auch hierzu fehlen uns Aussagen.

Ähnliches trifft auf die Schulpsychologen zu. Sie werden genannt, aber Konsequenzen gibt es nicht. Keine Empfehlungen – was soll es also? Ich stelle die Frage: Wie stellen Sie sich das im Einzelnen vor?

Was Migrantinnen angeht, so wird auch im Landesaktionsplan ganz groß thematisiert, dass es sich um ein ungelöstes Problem handelt. Die Dunkelziffer an Migrantinnen, die in der Familie Gewalt ausgesetzt sind, ist riesengroß. Wenn man das weiß, muss man Nägel mit Köpfen machen. Wir brauchen in unserem Land Sozialarbeit für Migrantinnen und Migranten; diese fehlt. Wir als Linksfraktion weisen ständig darauf hin, dass wir ein solches Netz brauchen. Auch zu diesem Punkt könnte also etwas kommen. Das ist aber nicht der Fall.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch der Bereich der Justiz ist völlig unzulänglich geregelt. Gerade Richter und Staatsanwälte, die manchmal glauben, alles zu wissen, brauchen eine systematische Fortbildung auf diesem Feld. Die gibt es noch nicht ausreichend. Das haben wir auch in mehreren Anhörungen immer wieder erfahren.

Die Empfehlungen dürfen sich also nicht auf die sicherlich ganz notwendigen Sonderdezernate, die es geben muss, beschränken. Wichtig ist das Feld der Fortbildung.

Unzufrieden sind wir – da mache ich aus meinem Herzen keine Mördergrube – immer wieder mit der Finanzierung dieser Einrichtungen, mit der Finanzierung von Frauen- und Kinderschutzhäusern. Gerade hat mir mein Kollege Hahn gesagt, dass das Frauenschutzhaus in Pirna noch eine Frist bis zum 30.06.2007 hat. Dann wird es dichtgemacht.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Hört, hört!)

Man kann also hier wunderbare Sachen aufschreiben; wenn man aber nicht finanziell untersetzt, dass die vorhandenen Angebote weiter existieren können, dann ist das für mich eine Luftnummer. Das muss ich so sagen.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Das Gleiche trifft auch auf Interventions- und Täterberatungsstellen zu. Wir haben zum Haushalt wie verrückt in allen möglichen Variationen und auch hier im Plenum diskutiert. Wir haben auch eine Rechnung vorgelegt, die ich mir ausgedacht habe, in der wir sagen: Okay, wir brauchen hier mehr Geld, denn das sind keine freiwilligen Einrichtungen. Wir brauchen diese Einrichtungen. Wir brauchen diese Einrichtungen als Pflichtaufgabe und wir verlangen, dass sich das Land viel stärker beteiligt.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Was finden wir dann im Landesaktionsplan für eine Formulierung? Da steht: „Wenn möglich, soll dieses Netz dieser Einrichtungen bedarfsgerecht ausgebaut werden, aber nur im Rahmen der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel.“

Ich muss Ihnen sagen, das reicht uns überhaupt nicht. Das ist ein Haushaltsvorbehalt. Wie wollen Sie denn die Interventionsstellen oder die Rettung der Frauenschutzhäuser ohne Geld schaffen? Da kann man nicht so argumentieren. Wo bleibt die Bedarfsermittlung und die Ermittlung der notwendigen Mittel?

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Dann lese ich auch immer noch bei den Finanzen: „Mit den Regionen, die über keine professionellen Schutzangebote für die Gewaltopfer verfügen, sollten kommunale Vereinbarungen, die die gemeinsame Nutzung und Finanzierung sicherstellen, angesteuert werden.“

Was ist nun das? Was soll ich damit anfangen? Findet sich die Staatsregierung damit ab, dass es weiße Stellen gibt, wo überhaupt keine Einrichtungen sind, wie im Muldental, Delitzsch, Eilenburg? Sollen die Betroffenen durchs Land reisen, um Hilfe zu erhalten?

Fakt ist, diese Einrichtungen müssen regelfinanziert werden. Wir verlangen bei den Frauenschutzhäusern, dass sich das Land bis zu 50 % beteiligt.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Meine Damen und Herren, zu den Gleichstellungsbeauftragten. Ich freue mich, dass die Gleichstellungsbeauftragten überhaupt noch erwähnt werden. Momentan werden sie überall in den Landkreisen abgebaut. Landesweit werden sie marginalisiert. Es ist dringend erforderlich, wieder aufzunehmen, dass es sie überhaupt noch gibt, bevor sie sich für etwas anderes einsetzen können.

Als Letztes: Man findet auf dem Vorblatt zum Landesaktionsplan auch wieder eine schöne Formulierung: Regelungen zum Mehrbelastungsausgleich seien nicht erforderlich, da keine Aufgaben durch Gesetz übertragen werden.

Ich muss sagen, das ist der größte Schummel, den ich jemals kennengelernt habe.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Sehr richtig!)

Kein Gesetz? Dann gibt es kein Geld. Das ist ganz einfach. Natürlich kann man per Gesetz regeln. Wir hatten ein Präventionsgesetz eingebracht – das haben Sie abgelehnt. Darin hätte man regeln können, welche Beratungsangebote vorhanden sein müssen und dergleichen. Das ist nicht passiert.

Wir sind der Meinung, ja, man müsste natürlich per Gesetz regeln. Aber auch ohne Gesetz muss entsprechendes Geld her.

Meine Damen und Herren! Kurz und knapp: Die Linksfraktion verlangt drei Dinge:

1. die Formulierung klarer Zielstellungen und Verbindlichkeiten in jedem Ressort,

2. einen Zeitplan zur Umsetzung des Aktionsplanes und

3. ein darauf fußendes Finanzkonzept.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Nur so wird aus einem Aktionsplan kein Papiertiger.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Die NPDFraktion. Möchten Sie sprechen? – Nein. Die FDPFraktion? – Bitte, Frau Schütz.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich begrüße die abermalige Debatte zum Thema „Häusliche Gewalt“, denn dieses Thema ist wichtig. Seit der letzten Debatte im November vergangenen Jahres ist viel passiert. Es ist sogar so viel passiert, dass es nötig ist, meine Aussage aus der letzten Debatte zu korrigieren. Damals sagte ich nämlich sinngemäß, dass ich insbesondere bei Frauenschutzhäusern und Kinderschutzeinrichtungen meine Hoffnungen in den Landesaktionsplan zur Bekämpfung häuslicher Gewalt setze.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der vorgelegte Landesaktionsplan hat meine Hoffnungen gerade in diesem Bereich enttäuscht. Diese Einrichtungen – so stellen die Verfasser des Landesaktionsplanes immerhin fest – sind außerordentlich wichtig für die Opfer. Doch leider gibt es in Sachsen, wie beispielsweise im Landkreis Annaberg, keine Angebote für hilfebedürftige Frauen, von flächendeckend gar nicht zu sprechen.

Frau Schwarz, an Sie gerichtet: Wenn Sie von Koordinierungs- und Interventionsstellen sprechen und auch Beratungsstellen benennen, so ist der Stellungnahme von Frau Staatsministerin Orosz zu entnehmen, dass diese ebenfalls organisatorisch an die Frauenhäuser gebunden sein sollen. Wie denn, wo keine sind?

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Frau Schütz?

Bitte schön.