Protocol of the Session on November 17, 2006

Ich habe großen Respekt vor der präsidialen Macht, aber mir meine Emotionen vorzuschreiben, geht zu weit.

(Heiterkeit – Zurufe)

Als Ende der Sechzigerjahre – bis dahin gab es de facto fast ein Verbot, Garagen zu bauen; nur auf privaten Grundstücken war es möglich – gesagt worden ist, das geht nicht mehr; wenn man schon zwölf, 15 Jahre auf das Auto warten muss, müssen die wenigstens ein Dach darüber bekommen,

(Volker Bandmann, CDU: 16 bis 20 Jahre!)

Herr Bandmann in Görlitz 20 Jahre.

(Schallende Heiterkeit)

da wurde in der DDR, die 40 Jahre bestanden hat – es ist doch nun einmal so –, per Gesetz ein Institut geschaffen, das sich „Verleihung des Nutzungsrechts“ nannte. Das hat bestimmt – anders als das Bürgerliche Gesetzbuch, das ich noch studiert habe –, dass es in der DDR auch von Boden getrenntes Eigentum an Baulichkeiten geben kann, auch wenn Grund und Boden im Eigentum auseinanderfallen. Das ist in der Hälfte der westeuropäischen Staaten genauso.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Auch in Österreich!)

Österreich hat die Möglichkeit, dass etwas fest mit Grund und Boden verwächst, und trotzdem bleibt das Eigentum an Grund und Boden extra –; Finnland, Schweden oder Italien, sie haben alle diese Möglichkeit. Das ist doch ganz eindeutig so. Das hat die DDR entschieden, das war nichts Rechtsstaatswidriges. Das war nichts Verbotenes, das war nichts Völkerrechtswidriges, das war eine souveräne Entscheidung der Volkskammer.

(Heiterkeit und Zurufe)

Wieder mit den Stimmen von 40 % der Blockparteien: DBD, CDU, LDPD, NDPD; sie hatten überall 40 %. Hätten sie doch mal die 40 % bemüht!

(Heinz Eggert, CDU: Die Partei hat immer recht!)

Eine einzige Gegenstimme gab es, und zwar beim Schwangerschaftsabbruchgesetz; sonst haben sie immer zugestimmt – auch dem Gesetz zum Ministerium für Staatssicherheit hat die CDU zugestimmt.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS – Anhaltende starke Unruhe)

Herr Bartl, ich frage Sie noch einmal, ob Sie Zwischenfragen gestatten.

Ich bin jetzt bereit, die Frage des Kollegen Lichdi zu beantworten.

Herr Lichdi, bitte.

Herr Bartl, es wird keine Fachfrage sein. Eine Kollegin hat mir gerade mitgeteilt, dass Sie mir „Besatzermentalität“ oder „Besatzermanier“ vorgeworfen hätten. Ich möchte Sie fragen, ob Sie allen Ernstes diese Aussage aufrechterhalten wollen.

Kollege Lichdi, ich habe gesagt: Das ist die Besatzermanier, die den Leuten auf den Geist geht.

(Zuruf von der CDU: Was ja wohl dasselbe ist!)

Das ist nicht dasselbe. Ich schätze den Kollegen Lichdi als – –

Haben Sie diesen Ausdruck auf mich bezogen? Ja oder Nein?

Nein. Ich schätze Herrn Lichdi als Kollegen ausdrücklich. Ich sage nur: Das, was Sie hier darlegen, ist die Besatzermanier, die exakt zu der Auffassung geführt hat: „Erst wenn der letzte Ossi aus dem Grundbuch verschwunden ist, ist die deutsche Einheit vollendet“.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Richtig, das hat er gesagt! – Der Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE, nimmt wieder Platz.)

Platz nehmen, Kollege Lichdi!

(Heiterkeit)

Wenn nicht dumme Beleidigungen fallen, habe ich Indemnität. – Frau Präsidentin, darf ich weiterreden?

Es gab eine weitere Zwischenfrage. – Sie hat sich erledigt.

Ich wiederhole es: Die DDR hat die Nutzungsrechtsverordnung erlassen. Auf dieser Grundlage wurden alle Eigenheime, die nicht auf

privatem Grund und Boden standen, alle Garagen und alle Bungalows erfasst. Dann begann 1989/90 der Prozess der deutschen Einheit. Von dem getrennten Eigentum an Grund und Boden und an Baulichkeiten waren etwa 2,5 Millionen Menschen in der DDR betroffen. Lothar de Maizière hat es nicht fertigbringen können, im Einigungsvertrag festzuschreiben: Ab 03.10.1990 gilt das BGB. Es gilt § 94, das Gebäude folgt dem Boden. Wenn das gelungen wäre, hätten nämlich 2,5 Millionen Menschen – wenn ich die Verwandtschaft hinzurechne, sind es noch viel mehr – gesagt: Ihr spinnt wohl! Ihr wollt uns am 03.10.1990 unser Eigentum an Eigenheimen und Garagen nehmen, die wir damals mit allen Genehmigungen gebaut haben. Weshalb habt ihr, die ihr damals für CDU, DBD oder wen auch immer in der Volkskammer saßt, euch nicht getraut, das in den Einigungsvertrag hineinzuschreiben? Warum habt ihr § 231 Abs. 5 zu § 5 Abs. 2 gemacht und gesagt, hier drehen wir es um? Warum folgt bei Eigenheimen, Garagen und Wochenendhäusern der Boden dem Gebäude?

Das Schuldrechtsanpassungsgesetz, das 1994 verabschiedet worden ist, ist verfassungswidrig, weil es Völkerrecht verletzt.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS – Dr. Jürgen Martens, FDP: Nein!)

Das wird der Europäische Gerichtshof, wenn die Garageneigentümer durchklagen, der Bundesrepublik ins Stammbuch schreiben. Das verspreche ich. Das ist aber die andere Baustelle.

(Erneuter Zuruf des Abg. Dr. Jürgen Martens, FDP)

Moment! Halten Sie sich jetzt da heraus! Ich musste Sie vorhin auch aushalten, obwohl Sie zur guten Hälfte wider besseres Wissen die Unwahrheit gesagt haben, Kollege Dr. Martens. Sie wissen es nämlich.

Das Schuldrechtsanpassungsgesetz war also verabschiedet worden. Jetzt ist qua Mehrheit im Bundestag die Sache umgekehrt worden. Das ist noch okay. Heute sagen wir: Wir halten das Gesetz nicht auf; das Gesetz ist so. Am 01.01.2007 tritt das vollständige Eigentumsrecht der Bodeneigentümer an die Stelle der bisherigen Eigentumsrechte der Garageneigentümer. Die meisten Gemeinden wollen keinen Stress. Sie wollen, dass das vernünftig abgewickelt wird. Deshalb schließen sie entsprechende Vereinbarungen mit allem Drum und Dran. Wo es geht, wird fortgesetzt, wo nicht, wird gekündigt. Ich verweise insoweit auf § 34 Baugesetzbuch. Von 215 Standorten in Chemnitz sind 175 Verwertungsstandorte. Auf der Grundlage von § 34 Baugesetzbuch erhöht die Garage logischerweise den Wert des Bodens nicht. Im Gegenteil, bei kontaminiertem Boden gibt es Entschädigungsansprüche. Das wissen Sie genau. Sie fordern sogar, dass die Kontaminierung von den Garageneigentümern gezahlt wird.

(Zuruf des Abg. Dr. Jürgen Martens, FDP)

Sie haben doch das Gebäude zu Recht dort gebaut. Das ist doch unverschämt!

(Dr. Jürgen Martens, FDP: Es war die Stasi, die das bewilligt hat!)

Nein, das waren die Blödis.

Wir sollten nicht weiter am Problem vorbeireden. Tatsache ist, dass wir kommunale Entscheidungen haben und dass § 73 – Einnahmebeschaffungsgrundsätze – dem entgegenstehen kann. Es gibt historische Präzedenzfälle, dass sich Rechtsaufsichtsbehörden in Fällen, in denen sich Kommunen zugunsten von Alteigentümern entschieden hatten, eingemischt haben. Am 22.04.1996 hatte der Dresdner Stadtrat souverän entschieden, dass im Zusammenhang mit den „hängenden Modrow-Verträgen“ an 146 Bürger der Boden, auf dem ihre Eigenheime stehen, noch zu DDR-Baulandpreisen verkauft wird. Das ist abgewickelt worden. Im Jahre 2000, als es um den Haushalt ging, hat die Rechtsaufsichtsbehörde die Genehmigung des Haushalts versagt und gefordert: Holt die Differenz zwischen dem eigentlichen Verkehrswert und dem damaligen Wert nach!

(Dr. Jürgen Martens, FDP, meldet sich zu einer Zwischenfrage. – Heinz Eggert, CDU: Ein Besatzer meldet sich!)

Es gibt den Wunsch, eine Zwischenfrage zu stellen.

Selbstverständlich.

Herr Kollege Bartl, Sie erwähnten soeben den Verkauf von Grund und Boden im Zusammenhang mit Nutzungsrechten an Wohngebäuden auf der Grundlage der 1990 „hängen gebliebenen“ Modrow-Veräußerungen und das Verlangen der Rechtsaufsichtsbehörde, die Differenz zwischen dem tatsächlichen Verkaufspreis – das war unter Umständen 1 DM pro Quadratmeter – und dem Verkehrswert nachzuholen. Ist Ihnen bekannt, dass dies nach einer Arbeitsanweisung des SMI durch die Einführung von Mehrerlös- und Nachfolgeklauseln in der Regel erledigt worden ist? Es ist noch kein Geld geflossen.

Herr Kollege Dr. Martens, Sie irren. Sie kennen den Fall nicht. Damals waren Sie noch nicht im Parlament, in dem das Thema seinerzeit breit erörtert worden ist. Vonseiten der Stadt Dresden hieß es: Diese Eigentümer hatten Pech und kamen wegen der hohen Anzahl „hängender Fälle“ nicht mehr in das Grundbuch. 80 % der Siedlungsbewohner sind in das Grundbuch eingetragen worden, 146 aber nicht. Wir genehmigen den Nachverkauf.

Das hat die Stadt Dresden gemacht und zu DDRBaulandpreisen verkauft. Die Rechtsaufsichtsbehörde argumentierte daraufhin, die Verträge seien sittenwidrig und rückabzuwickeln. Die Stadt Dresden musste entgegen den von ihr selbst geschlossenen Verträgen die Eigentümer verklagen, die Differenz von bis zu 120 000 DM zu

bezahlen. So war es. Fragen Sie doch den Stadtrat Weckesser!

Das war ein Präzedenzfall für das, was jetzt mit den Garagen passiert. Die Städte werden großzügige, entgegenkommende und vernünftige Lösungen finden wollen. Wenn dann aber die – zum Teil defizitären – Haushalte genehmigt werden sollen, wird die Rechtsaufsichtsbehörde à la Brief von Minister Buttolo auf der Matte stehen und argumentieren: Nichts da, Leute! Ihr könnt aus dem Verkauf von Garagengrundstücken, die ihr ab 1. Januar habt, Geld ziehen. Ihr könnt Geld aus ortsüblichen Pachten der Garagennutzer, denen ihr die weitere Nutzung ermöglicht, Geld ziehen. – Das werden die Rechtsaufsichtsbehörden sagen. Minister Buttolo schreibt das schon schwarz auf weiß. Damit sind die Verträge, die die Stadt auf der Grundlage von Beschlüssen geschlossen hat, nach Auffassung der Rechtsaufsicht sittenwidrig, weil sie gegen § 73 der Gemeindeordnung verstoßen.

(Zuruf des Abg. Dr. Jürgen Martens, FDP)

Natürlich, Herr Kollege! Sie können doch nicht sagen, die Gefahr bestehe nicht.