Auch wenn uns der Minister immer wieder anderes glauben machen möchte – dass die Entwicklung des ökologischen Landbaus in Sachsen, gemessen am deutschen und europäischen Vergleich, hinterherhinkt, ist alles andere als ein Zufall. Es ist das Ergebnis von politischen Entscheidungen und Weichenstellungen. Sachsen wurde auf dem Ökomarkt abgehängt. Das liegt in der Verantwortung der Staatsregierung. Diese Verantwortung sollten Sie heute übernehmen. Sie könnten mehr tun und Sie haben es in der Hand. Die Wiederaufnahme der Umstellungsförderung gemäß dem Entwurf zum ELER allein wird es nicht richten. Wir verlangen eine eindeutige Schwerpunktsetzung, Engagement und Kreativität. Noch, meine Damen und Herren, gilt der Landesentwicklungsplan. Noch sind die 10 % die Größenordnung, an der sich unsere Politik messen lassen muss. Mit Stand November 2006 hat die Staatsregierung die zu erbringende Leistung nur zu 25 % erfüllt. In der Schule gäbe es dafür einen blauen Brief. Den verehrten Eltern wäre mitzuteilen: Stanislaw Tillich ist versetzungsgefährdet und muss ganz schnell seine Hausaufgaben in puncto ökologischer Landwirtschaft in Sachsen hinbekommen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Weichert hat wieder einmal die große Keule gegenüber der Staatsregierung herausgeholt. Ich möchte deshalb gleich meiner Rede voranstellen, dass die Perspektiven des ökologischen Landbaus und der ökologischen Lebensmittelwirtschaft genauso sind wie die der gesamten Landwirtschaft, nämlich deutlich besser sind, als Sie glauben, immer wieder darstellen zu müssen.
Das Ganze mit einer Großen Anfrage zu beleuchten macht durchaus Sinn, setzt aber ein unvoreingenommenes Herangehen an die Problematik voraus. Wenn man die Fragestellung liest und vor allen Dingen die Abfolge der Fragen betrachtet, wird man schnell feststellen, dass es Ihnen anscheinend gar nicht darum geht, ein realistisches
Bild über Vor- und Nachteile des ökologischen Landbaus und dessen Entwicklungsperspektiven zu beleuchten, sondern in erster Linie darum, Ihre eigene, bereits feststehende Meinung zu bestätigen. Kurz gesagt, Sie möchten die Vorzüge des Ökolandbaus begründen, indem Sie die konventionelle Landwirtschaft ins Abseits stellen und damit dem Irrglauben verfallen, dass Sie durch solche Handlungsweisen der sächsischen Ökolandwirtschaft helfen könnten.
Diese Herangehensweise ist leider für die Politik der GRÜNEN bereits Methode. Ich möchte nur an die durch Frau Künast ausgelöste nationale Hysterie beim Umgang mit BSE erinnern. Eigene fachliche Inkompetenz wurde versucht zu überdecken, indem Frau Künast mögliche Gefahren überzogen darstellte und die Politik ihres Vorgängers, des SPD-Bundesministers Funke, in Grund und Boden ritt, ja, regelrecht als nationale Gefahr darstellte. Solches Handeln trägt nicht zur Erhöhung des Vertrauens der Verbraucher zu in Deutschland hergestellten Lebensmitteln bei, sondern ausschließlich zur Verunsicherung der Konsumenten, um daraus politisches Kapital zu schlagen.
Diese Verunsicherung trifft im Übrigen auch auf Bioprodukte zu, wenn ich einmal an den sogenannten NitrofenSkandal erinnern darf. Gleiches bezwecken Sie nun wahrscheinlich mit Ihrer Großen Anfrage. So führen Sie zum Beispiel in der Begründung aus, dass bei konventionell erzeugten Lebensmitteln eine bis zu 200-fach höhere Belastung mit Pestizidrückständen festgestellt wurde. Es findet sich kein Hinweis, ob Grenzwerte überschritten werden, nein, es wird ganz einfach eine bis zu 200-fach höhere Belastung festgestellt. Ich gebe zu, wenn man so etwas hört, geht man schon mit zitternden Knien zum Mittagessen. Wenn man aber weiß, dass in der ökologischen Landwirtschaft ein absolutes Anwendungsverbot für chemisch-synthetische Dünge- und Pflanzenschutzmittel besteht und damit auch keine Rückstände im Bioprodukt sein können, dann kann doch zweihundertmal von nichts auch nicht so sehr viel sein.
Gleiches gilt für die Aussage, dass die von Ihnen als industriell bezeichnete konventionelle Landwirtschaft in Sachsen die Regenwälder gefährde. Ich glaube, da überschätzen Sie die Möglichkeiten der sächsischen Bauern.
Im Grunde ist genau das Gegenteil der Fall. Denn wenn wir in Sachsen, in Deutschland und in Europa mit unseren günstigen Klima- oder Bodenfruchtbarkeitsverhältnissen aufhören, intensiv Landwirtschaft zu betreiben, dann wird der Raubbau sicherlich an den Regenwäldern speziell Brasiliens eher größer als kleiner sein.
Meine Damen und Herren, verstehen Sie mich bitte nicht falsch. Ich habe höchsten Respekt vor der Arbeit erfolgreicher Ökolandwirte, was ich auch hier an diesem Pult zum wiederholten Male zum Ausdruck bringe. Die Bedeutung des ökologischen Landbaus kann man aus zwei
Richtungen betrachten: zum einen aus der Sicht der Produktion und zum anderen aus der Sicht der Vermarktung der Produkte.
Die im Landesentwicklungsplan angestrebten Umwelteffekte durch die Verringerung von Einträgen durch die Landwirtschaft in Boden sowie Wasser und die dahin gehend ergriffenen zahlreichen Maßnahmen durch die Sächsische Staatsregierung, welche weit über den Ökolandbau hinausgehen, haben wir ja im Juni-Plenum bereits ausführlich diskutiert.
Den Anbau und damit verbundene Umwelteffekte kann man jedoch nicht losgelöst von der Vermarktung der Produkte sehen. Dabei wandelt sich das Bild des Ökolandbaus weg vom rein aus umweltrelevanten Aspekten wirtschaftenden Betrieb hin zum modernen betriebswirtschaftlich ausgerichteten Landwirtschafts-, Verarbeitungs- und Vermarktungsbetrieb. Das völlig antiquierte Landwirtschaftsbild speziell von unseren GRÜNEN-Kollegen hat auch in der ökologischen Landwirtschaft keinen Platz mehr.
Interessanterweise ist die Durchschnittsgröße der Ökobetriebe in Sachsen mit 84 Hektar nicht nur etwa doppelt so groß wie im Durchschnitt Deutschlands, nein, sie ist sogar leicht größer als die Durchschnittsgröße der konventionell arbeitenden Betriebe in der sächsischen Landwirtschaft. Die Betriebsgrößen reichen inzwischen von unter einem Hektar bis über 1 000 Hektar.
Wie ich bereits im Juni-Plenum gesagt habe, setzt Ökolandbau hohes Fachwissen und handwerkliches Geschick voraus. Jeder kleinste Bewirtschaftungsfehler im Stall oder auf dem Feld wird hart bestraft und ist oft nicht oder nur mit extremem Aufwand zu korrigieren. Die Landwirte, die bereits in der konventionellen Landwirtschaft scheitern, haben im Ökolandbau keine Chance. Sie werden vielmehr das Bild des Biobetriebes nachhaltig schädigen. Das viel zitierte Beispiel des Distelbauern, auf dessen Feldern außer Unkraut nicht viel mehr wächst, ist ja hinlänglich bekannt.
Was aber sollte nun einen konventionell bereits erfolgreich wirtschaftenden Landwirt dazu bewegen, auf Ökolandbau umzusteigen? Darauf gibt es im Grunde nur eine Antwort: ein nachhaltiger, auf der Produktion und nicht allein auf der Förderung basierender betriebswirtschaftlicher Erfolg.
Dabei müssen die durch den Ökolandbau erzielten Umwelteffekte natürlich durch staatliche Förderung anerkannt
und die Nachteile in der Umstellungsphase zumindest teilweise ausgeglichen werden. Beides ist in Sachsen gegeben. Natürlich lässt sich über die Höhe der Förderung streiten. Speziell wenn Programme wie jetzt das ELERProgramm neu ausgerichtet werden, ist es schwer, allge
meine Zufriedenheit herzustellen. Jedoch müssen Sie auch einmal anerkennen, dass die Förderung in Sachsen nach wie vor an der Spitze Deutschlands liegt.
Um die Produkte abzusetzen und vorher natürlich zu verarbeiten, braucht man wie überall in der Wirtschaft einen Markt. Dieser entwickelt sich zurzeit positiv, wie Sie ja selbst bestätigen. Ein staatlich verordneter Mindestanbau nützt dabei jedoch wenig.
Er wirkt eher kontraproduktiv. Die Nachfrage allein genügt jedoch nicht. Der Kunde muss bereit sein, für ein spezielles Produkt auch einen angemessenen Preis zu bezahlen.
Weiterhin braucht man die Bereitschaft der Verarbeiter, sich Bioprodukten zu widmen, wenn man über die Direktvermarktung auf Hofläden und Märkten hinauskommen will.
Ein Beispiel: Wenn in einem Brötchen lediglich 1,5 Cent Getreide enthalten sind und man einen 50 % höheren Preis für Biogetreide zugrunde legt, dann werden diese 0,8 Cent Mehrkosten den Bäcker nicht davon abhalten, diese Biobrötchen herzustellen. Entscheidend ist allein die Nachfrage bei den Kunden auf der einen Seite und die sichere Bereitstellung von Biogetreide in gleichbleibend hoher Qualität auf der anderen Seite. Auch dies wird man mit staatlich verordneten Mindestanbaugrößen, wie sie nun wieder angesprochen worden sind, nicht gewährleisten.
Hier sehen wir einen Ansatzpunkt. Deshalb haben sich die Fraktionen von CDU und SPD darauf verständigt, entsprechende Mittel im zu beschließenden Haushalt einzustellen, um die Arbeit der Anbauverbände und damit die Vermarktung von Bioprodukten zu fördern bzw. gemeinsam mit unserem Koalitionspartner entsprechende Änderungsanträge in den Ausschuss einzubringen. Ich denke, meine Kollegin Frau Dr. Deicke wird darauf eingehen.
Abschließend noch ein kurzes Wort zur angesprochenen Arbeitsplatzproblematik. Glauben Sie im Ernst, dass Sie Arbeitsplätze sichern oder womöglich neue schaffen, indem Sie ständig die nach weltweit höchsten Umweltaspekten wirtschaftenden konventionellen Betriebe verunglimpfen und gleichzeitig ständig jammern, wie schlimm es doch ist, in Sachsen Ökobauer zu sein? Glauben Sie, dass Sie mit solch einer Politik auch nur einen sächsischen Landwirt motivieren, einen Ökobetrieb aufzubauen? Nein, damit helfen Sie nicht, Arbeitsplätze zu sichern, sondern Sie gefährden diese.
Die CDU-Fraktion hat diesbezüglich einen grundsätzlich anderen Ansatz. Wir verstehen uns als Partner der Landwirte und Verarbeiter, und zwar nicht belehrend oder gar diskriminierend. Wir sind der Meinung, dass die Landwirtschaft im Freistaat Sachsen sehr gute Zukunftsaus
sichten hat, und zwar konventionell und ökologisch. Ich hoffe, dass dies GRÜNE-Ideologen auch nicht verhindern werden.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mein erstes Wort geht heute an den Kollegen Schmidt von der CDUFraktion. Was ideologische Betrachtung entweder von konventioneller oder Ökolandwirtschaft betrifft, stehen Sie ja wohl den GRÜNEN in nichts nach. Das haben Sie mit Ihrem Redebeitrag ganz deutlich bewiesen.
Ich erinnere zum Beispiel nur an den Begriff „Distelbauern“. Wenn das nicht ein Begriff genau in diese Richtung ist...
Wenn Sie jetzt wieder einmal Ihre Gespräche zwischendurch beenden, dann könnte ich vielleicht zur Großen Anfrage zurückkommen.
Für uns war das Fazit aus dieser Großen Anfrage, dass die Staatsregierung entweder bewusst oder unbewusst die tatsächliche Situation des ökologischen Landbaus in Sachsen und vor allen Dingen seine Chancen für die ländlichen Räume im Freistaat einfach verkennt.
Das wird schon in der Antwort auf die erste Frage in dieser Großen Anfrage deutlich. Dort wurde ganz einfach gefragt, wie die Staatsregierung die Entwicklung des ökologischen Landbaus hier in Sachsen einschätzt. Dazu die Antwort: „Die Entwicklung des Ökolandbaus in Sachsen stellt sich kontinuierlich dar und wird insgesamt als positiv betrachtet.“
Für mich ist das eine viel zu kurz gegriffene und sehr engsichtige Einschätzung. Diese Einschätzung mag vielleicht bis 2004 zutreffen. Aber seit 2004 kann von Kontinuität überhaupt keine Rede mehr sein. Seither stagniert der sächsische Ökolandbau ganz eindeutig und mit Zahlen belegbar. Herr Weichert hat es vorhin mit dieser schönen Zahl von 1 schon recht deutlich gemacht.
Hätte ich in der letzten Zeit und in den letzten Wochen nur die Große Anfrage zum Ökolandbau in Sachsen gelesen, dann würde ich mich fragen: Herr Staatsminister Tillich, wie weit entfernt von der Realität sind Sie eigentlich?
Aber es gibt ja noch – und davon haben wir heute auch schon gehört – den Entwicklungsplan für den ländlichen Raum. Dort ist auf Seite 133 zu lesen: „Im sich verschärfenden Wettbewerb liegen insbesondere in der konsequenten Qualitätsstrategie Chancen für die Unternehmen der sächsischen Land- und Ernährungswirtschaft, sich am Markt behaupten zu können. Dazu zählt“ – und jetzt hören Sie genau zu! – „insbesondere auch die Erzeugung, Verarbeitung und Vermarktung von Ökoprodukten, deren Entwicklung in Sachsen stagniert.“