Dass häusliche Gewalt keinesfalls Privatsache ist, sondern ein Problem darstellt, das gesamtgesellschaftliche Ächtung erfahren muss, wird auch der in Kürze vorliegende Landesaktionsplan zur Bekämpfung häuslicher Gewalt widerspiegeln. Ich weiß, dass sich die Staatsregierung insoweit in Verzug befindet; aber der Plan ist im Entwurf fertig – Frau Henke hat es schon gesagt – und steht vor der Kabinettsreife. Wir hoffen, dass er noch in diesem Jahr den Landtag erreichen wird.
Gibt es aus den Fraktionen noch Redebedarf? – Das ist nicht der Fall. Dann frage ich Frau Dr. Ernst, ob sie den Entschließungsantrag noch einbringen möchte. – Bitte schön.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Entschließungsantrag liegt Ihnen vor. Frau Henke, ich freue mich, dass Sie wenigstens zu den ersten sechs Punkten unserer Meinung sind. Damit sind auch Sie der Auffassung, dass es steigenden Bedarf an Hilfen sowie erhebliche Defizite gibt. Sie nannten die ersten sechs Punkte. Das steht leider in Punkt 5; ich kann es nicht ändern.
Ich finde es wichtig, dass wir nicht nur Projekte benennen, die vernünftig gelaufen sind. Wir sollten auch dort ansetzen, wo es momentan am meisten drückt. Es tut mir leid, aber das sind wirklich die Finanzen. Insofern bestehen wir natürlich auf unserem Entschließungsantrag.
Ich möchte noch einmal speziell auf Punkt 2 hinweisen, in dem es um die Regelfinanzierung und Institutionalisierung in der Förderung geht. Frau Dr. Schwarz, wenn Sie
sagen, bei den Frauenschutzhäusern sei eine Aufstockung um 100 000 Euro vorgenommen worden, dann kann ich Ihnen nur entgegnen: Das ist viel zu wenig. Die Gesamtförderung lastet vorrangig auf den Kommunen. Bis zu 70 %! Das ist nun einmal so. Das kann uns nicht zufriedenstellen. Eine Kommune oder ein Landkreis ist dumm, wenn er so etwas vorhält, weil er nur Nachteile hat. So drastisch will ich es einmal ausdrücken. Sie diskutieren wie wir seit vielen Jahren über eine Neufinanzierung auf diesem Felde. Sie wissen genau wie wir, dass wir mit der bisherigen Regelung auf keinen Fall zufrieden sein können, sowohl was die Tagessatzfinanzierung als auch was die Höhe der Finanzierung insgesamt für Frauenschutzhäuser und dergleichen angeht. Es reicht nicht aus.
Ich möchte den Satz noch zu Ende führen. – Deswegen habe ich Ihnen die Frage gestellt, wie Sie konkret zu diesem Vorschlag stehen, der dem Landtag, nicht mir persönlich unterbreitet wurde. – Bitte schön.
Frau Kollegin Ernst, ist es Ihnen bewusst, dass wir hier nicht nur von einer Struktur für Kinder- und Frauenschutzhäuser sprechen, sondern dass wir inzwischen auf sieben Interventionsstellen gehen wollen, die gerade im Rahmen des Gewaltschutzgesetzes eine entscheidende Arbeit leisten, und noch zusätzlich die fünf täterorientierten Beratungsstellen? Ich habe das alles in meiner Rede genannt. Ich glaube, dass es mit diesen Strukturen gegenüber den letzten Jahren wesentlich verbessert und verändert ist.
Natürlich weiß ich das, Frau Dr. Schwarz. Ich habe auch hinreichend davon gesprochen. Wir haben dazu Anhörungen gemacht und mit den Leuten gesprochen. Wir waren draußen vor dem Landtag. Es hätte mich gefreut, wenn Sie auch da gewesen wären, weil gerade aus den Frauenschutzhäusern die Kritik hochgekommen ist, dass die Landesförderung tatsächlich seit vielen Jahren nicht erhöht wurde. Insofern will ich ganz klar sagen: Die Forderung besteht und ich sehe keine Veranlassung, hier einen Schritt zurückzugehen, im Gegenteil, wir müssen nach vorn gehen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Kommen wir zur Abstimmung über den Entschließungsantrag. Ich habe auch kein Verlangen auf punktweise Abstimmung vernommen. Also dann stimmen wir über die Drucksache 4/6995 ab, die zur Drucksache 4/3448 eingereicht wurde, den Entschließungsantrag der Linksfraktion.PDS.
Ich frage Sie nach den Zustimmungen. Wer kann diesem Entschließungsantrag zustimmen? – Danke schön. Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Bei Stimmenthaltungen und einer größeren Anzahl von Für-Stimmen hat
dennoch der Entschließungsantrag nicht die erforderliche Mehrheit erhalten. Damit ist die Behandlung der Großen Anfrage beendet.
Drucksache 4/5725, Große Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, und die Antwort der Staatsregierung
Als Einbringerin spricht zuerst die Fraktion GRÜNE. Es folgen die Fraktionen in der gewohnten Reihenfolge. Herr Abg. Weichert, Sie haben das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Markt für ökologisch erzeugte und verarbeitete Lebensmittel in Deutschland und in Europa wächst. Ja, es ist sogar ein weltweiter Boom. Die Gründe dieser Entwicklung sind vielfältiger Natur.
Erstens gibt es ein wachsendes Bewusstsein der Verbraucher, die weder Lust auf Gammelfleisch noch auf Mehrfachbelastung durch Pestizide haben.
Zweitens gibt es eine staatliche Förderpolitik, die diese Entwicklung verantwortlich vorantreibt, denn auch der Staat hat erkannt, dass „Öko“ auf die Dauer besser und auch preiswerter ist: besser für den Boden, besser für die Luft, besser für die Gesundheit und besser für unser Wasser. Preiswerter ist der Ökoanbau allemal, weil er keine Folgekosten produziert.
Ich lese hier keine Grünen-Partei-Programmatik vor, sondern kann meine Argumentation auf Veröffentlichungen der Staatsregierung stützen.
Ziel unserer Großen Anfrage zum Ökolandbau war es, einmal genauer zu erfahren, wie es denn um den Ökolandbau in Sachsen bestellt ist, wie die sächsische Landwirtschaft an diesem Boom partizipiert und welche Strategien die Staatsregierung verfolgt, die selbstgesetzten Ziele beim Ökolandbau zu erreichen.
Lassen wir zunächst die Zahlen sprechen. In der Zeit von 2000 bis 2005 nahm die Zahl der Ökobetriebe in Deutschland um 4 280 zu. In Sachsen waren es im gleichen Zeitraum 75. Schon dieses Ergebnis ist im bundesdeutschen Vergleich enttäuschend.
Betrachten wir aber einmal das Ergebnis der jetzt regierenden Koalition. Der Saldo des Zuwachses in den Jahren 2004 und 2005 beträgt eins. Statt 278 Betrieben wirtschaften aktuell 279 in Sachsen ökologisch. Es wirft ein bemerkenswertes Zeichen auf die Strukturen hier im Land, wenn man weiß, dass dieser eine Betrieb aus dem Vogtland kommt.
An dieser Stelle möchte ich dem Kollegen Andreas Heinz aus der CDU-Fraktion eine gute Genesung wünschen.
Dass das Ministerium ab und an auch eine Ausnahme genehmigt, ist sicher auch seinem Einsatz zu verdanken.
In der gleichen Zeit, in der in Sachsen nur ein einziger Betrieb umstellte, waren es deutschlandweit 544 Betriebe. Diese Zahl, Herr Staatsminister Tillich, kennzeichnet exakt die Größe des politischen Versagens Ihres Hauses in Bezug auf den Ökolandbau in Sachsen.
Sie haben in den letzten zwei Jahren die Umstellungsförderung in Sachsen mit dem Hinweis auf die Ungewissheit der EU-Zahlungen ab 2007 eingestellt. Andere Länder haben das nicht getan und diese anderen Bundesländer konnten einen ordentlichen Zuwachs erzielen. Die Entwicklung in Sachsen trat bis auf die erwähnte Ausnahme auf der Stelle. Sachsen liegt – das ist das Ergebnis dieser Politik – mit einem Flächenanteil von 2,6 % im bundesdeutschen Vergleich ganz hinten. Knapp das Doppelte, nämlich 4,7 %, ist der bundesdeutsche Durchschnitt.
Zwei Argumente bemühen Sie, Herr Staatsminister, immer als Begründung, warum Sachsen in diesem Segment so schlecht dasteht. Als Ursache haben Sie die überdurchschnittlich guten Böden in Sachsen genannt. Das ist ja richtig, aber eben nur die halbe Wahrheit. Wir haben im letzten Jahr hier im Plenum über die Förderung der sächsischen Landwirtschaft in den sogenannten benachteiligten Gebieten gesprochen. Warum also hat das Ministerium diese Gebiete nicht als Zielgebiete für die ökologische Landwirtschaft identifiziert und eine entsprechende Strategie aufgesetzt? Strategisch – das macht die Beantwortung der Großen Anfrage deutlich – fällt der Staatsregierung dazu nichts ein.
Weiterhin verweisen Sie immer wieder auf die überdurchschnittliche Förderung für den Ökolandbau, die es in Sachsen über Jahre gegeben hat. So wird auch seit Bekanntgabe der Tagesordnung für das Novemberplenum jeden Tag eine Pressemitteilung des Ministers produziert, vielleicht in der Hoffnung, dass die Öffentlichkeit nicht so tief in die Antworten zu unserer Großen Anfrage hineinschaut, um sich zu vergewissern, wie es wirklich um den Ökolandbau in Sachsen aussieht. Denn dann weiß man, Herr Minister, dass sich der finanzielle Anreiz zur Umstellung nicht aus der absoluten Höhe der Umstellungsförderung ergibt, sondern dass die Differenz zwischen der Förderung im konventionellen und im Ökobereich ent
scheidend ist. Misst man diese Differenz, dann stellt man fest, dass der Anreiz zur Umstellung in Sachsen nicht besonders hoch ist.
Konventionelle Betriebe, die mehrere Förderbestände aus dem Programm „Umweltgerechte Landwirtschaft“ kombiniert haben, können in Sachsen ähnliche Förderquoten wie der ökologische Landbau erreichen. Aber nur der Ökolandbau erfüllt alle Ziele dieses Programms. Das ist der Kern des Problems.
Meine Damen und Herren! Kommen wir zu anderen Instrumenten, die geeignet sind, den Flächenanteil des Ökolandbaus zu erhöhen. Der Landesentwicklungsplan des Freistaates Sachsen nennt die Flächenvergabe und Flurneuordnung als Hilfsmittel, um das gesetzte Ziel zu erreichen. Wie oft und gegebenenfalls wie erfolgreich hat die Staatsregierung dieses Instrument genutzt?, das war die Frage. Die Antwort der Staatsregierung braucht viele Worte, um uns mitzuteilen: „Entgegen den Vorgaben des Landesentwicklungsplanes sind diese Instrumente nicht genutzt worden.
In Bezug auf den Landesentwicklungsplan und die Zielsetzung für den ökologischen Landbau können wir heute deshalb mit Fug und Recht feststellen: Die Staatsregierung hat nichts, aber auch rein gar nichts dafür getan, um das 10-%-Ziel zu erreichen. Diese 10 % sind reine Rhetorik, politisch nicht untersetzt und der Staatsregierung eher lästig. So ist es eigentlich nur konsequent, dass der Staatsminister sich vom Landesentwicklungsplan inoffiziell verabschiedet hat. Oder ist es falsch, Herr Tillich, dass Sie im Rahmen der Umweltallianz im letzten Jahr einen Vertrag eingegangen sind und gemeinsam mit den Verbandsvertretern unterschrieben haben, in dem als neue Zielmarke für den Ökolandbau 5 % der landwirtschaftlichen Fläche genannt werden? 5 %, das wäre gegenüber dem Stand von heute fast eine Verdopplung. Kurz nach Unterzeichnung des Vertrages muss Ihnen aber klar geworden sein, dass auch das noch viel zu ehrgeizig ist; denn schon Anfang des Jahres gibt es eine neue Zielgröße: Nicht mehr 10 % wie im Landesentwicklungsplan, nicht mehr 5 % wie im Vertrag mit der Umweltallianz, nein, als Ziel bis 2013 sind es nach dem Entwurf des ELER noch 3,7 %.
Herr Staatsminister, schneller als Sie hat sich noch kein Minister von seinen Zielen verabschiedet. Die Tinte unter dem Vertrag mit der Umweltallianz im Dezember 2005 war gerade getrocknet, da haben Sie den Vertrag durch die neue Zielstellung im ELER bereits wieder gebrochen. Was sollen die privaten Vertragspartner von einer Staatsregierung denken, die sich noch nicht einmal ein halbes Jahr lang an ihre Absichtserklärung hält?
Eine weitere Möglichkeit, etwas für den ökologischen Landbau in Sachsen zu tun, ist die gezielte Absatzförderung. Aus einschlägigen Untersuchungen wissen wir, dass ökologisch erzeugte Produkte signifikant geringere Rückstände an Pflanzenschutzmitteln aufweisen als konventionelle Produkte. Dies ist nicht zuletzt der Grund dafür, dass die Hersteller von Nahrung für Kleinstkinder
fast ausschließlich auf Ökoerzeugnisse setzen. Da liegt es doch nahe, im Bereich der Kindertagesstätten und Schulen besonders für die Umstellung auf sächsische Ökoprodukte zu werben. Was hat die Staatsregierung unternommen, um mit den nicht geringen Mitteln für die Absatzförderung diesen speziellen Markt zu erschließen? Die Antwort der Staatsregierung kann man in einem Wort zusammenfassen: Nichts.
Herr Staatsminister, wenn Ihnen an der Entwicklung des ökologischen Landbaus in Sachsen gelegen ist – ich habe daran so langsam meine Zweifel –, dann sollten Sie sich mit Herrn Kultusminister Flath und Frau Staatsministerin Orosz zusammensetzen, um beispielsweise einen Plan zum Thema „Gesünderes Essen für unsere Kinder in Kitas und Schulen“ machen. Meine Damen und Herren, dazu braucht es nicht viel Geld, sondern hauptsächlich Engagement und Überzeugungskraft. Gesund ernähren mit ökologischen Produkten aus Sachsen, da ließen sich mehrere Fliegen mit einer Klappe schlagen. Sie können etwas für den Ökolandbau tun, regionale Anbieter fördern, Arbeitsplätze sichern und nicht zuletzt einen Beitrag zur gesunden Ernährung leisten. Wie gesagt, dazu braucht es Engagement. Wenn man durch den Landesentwicklungsplan auf ein Ziel verpflichtet ist, dann geht das nicht ohne Energie, Fantasie und Engagement. Bis jetzt vermisse ich das. Bei all den Feldern, auf denen sich die Staatsregierung engagieren könnte, sehe ich in dieser Antwort auf unsere Große Anfrage nur weiße Flecken.
Weiße Flecken gibt es auch in der sonst so gut geführten Agrarstatistik. Wir erfahren von der Staatsregierung, dass die Nitratbelastung der Böden auf ökologisch bewirtschafteten Flächen in Sachsen um 38 % geringer ist als auf konventionellen Flächen. Gern hätten wir gewusst, wie viele Tonnen Dünger und Pestizide auf die Äcker in Sachsen ausgebracht werden. In diesem Punkt kann die Staatsregierung ebenso wenig weiterhelfen wie bei der Frage nach den Auswirkungen unserer Lebensmittelexporte in die Entwicklungsländer.
Meine Damen und Herren, unsere Landwirtschaft ist ein Wirtschaftszweig, der wie kein anderer am Tropf staatlicher Förderung hängt. Jahr für Jahr bekommen die sächsischen Betriebe Zuschüsse in Form von EUDirektzahlungen und Beihilfen aller Art in Höhe von mehr als 300 Millionen Euro. Man mag darüber streiten, ob es heute noch Gründe gibt, die Landwirtschaft in Sachsen, in Deutschland oder in Europa mit derartig hohen Beträgen zu subventionieren. Wenn es aber so ist, dass der Staat das Geld gibt, dann sollte dieses Geld effizient nach Maßstäben eingesetzt werden, die nicht die Betriebe, sondern die Geldgeber festlegen. In Sachsen haben wir eine Landwirtschaft von hoher Effizienz. Die durchschnittliche Betriebsgröße liegt weit über dem bundesdeutschen Schnitt und auch die Böden sind in Teilen, wie zum Beispiel in der Lommatzscher Pflege, von überdurchschnittlicher Qualität. Teile der landwirtschaftlichen Betriebe in Sachsen verdienen hervorragend, ja manche Betriebe sind ausgesprochen reich. Hier sollten
Was wir fordern, ist eine stärkere Ausrichtung der landwirtschaftlichen Förderung an der Qualität der Produkte. Weiterhin geht es um die Minimierung der Boden-, Luft- und Wasserbelastung und nicht zuletzt um gesundes Leben in Sachsen. Nach all diesen Indikatoren ist der ökologische Landbau, das sagt auch die Staatsregierung, das Beste, was wir qualitativ erreichen können. Wenn dem so ist – und in diesem Punkt sind sich alle Fachleute einig –, sollte sich dies eindeutig in den staatlichen Programmen niederschlagen.