Protocol of the Session on November 15, 2006

Ferner ist die Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes, ebenfalls natürlich eines Bundesgesetzes, zu berücksichtigen, wonach auch Ausländer, die nach längerfristiger unverschuldeter Unmöglichkeit der Ausreise einen Aufenthaltstitel aus humanitären Gründen haben, nunmehr unter das Asylbewerberleistungsgesetz fallen. Nach früherer Rechtslage erhielten sie ausschließlich Sozialhilfe.

Letztlich berücksichtigt der Entwurf die Möglichkeit, Ausreiseeinrichtungen zu schaffen. Gemäß § 61 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes können Länder solche Einrichtungen für vollziehbar ausreisepflichtige Ausländer einrichten.

Die Aufnahme und Unterbringung von Flüchtlingen und illegalen Ausländern kostet Geld. Die Gesetzentwürfe haben also finanzielle Auswirkungen, unter anderem bei den Landkreisen und kreisfreien Städten, die nach unserer Sächsischen Verfassung ausgleichspflichtig sind. Der Gesetzentwurf übernimmt in diesem Punkt das bisherige Ausgleichssystem. Dieses soll auch für die neu hinzukommenden Personenkreise, also die illegalen Ausländer und Flüchtlinge, die aufgrund eines EU-Beschlusses vorübergehenden Schutz erhalten, angewendet werden.

Die Mehrbelastungen der Landkreise und kreisfreien Städte werden damit ausgeglichen.

Meine Damen und Herren! Das Gesetz ist wichtig für eine reibungslose und rechtssichere Umsetzung des neuen Zuwanderungsgesetzes im Freistaat Sachsen. Ich bitte um Ihre Zustimmung und zuvor um die Überweisung in die zuständigen Ausschüsse.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Herr Gerstenberg, bitte.

Frau Präsidentin! Ergänzend zu dem Vorschlag des Präsidiums beantragt unsere Fraktion die Überweisung an den Ausschuss für Soziales, Gesundheit, Familie, Frauen und Jugend, da auch das Sozialministerium für bestimmte Aufgaben im Bereich der Zuwanderung zuständig ist.

Es ist durch das Präsidium Überweisung an den Innenausschuss – federführend –, an den Verfassungs-, Rechts- und Europaausschuss und an den Haushalt- und Finanzausschuss vorgeschlagen worden. Darüber lasse ich jetzt erst einmal abstimmen. Wer möchte die Zustimmung geben? – Gibt es Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Ich sehe Einstimmigkeit. Es ist damit so beschlossen.

Es gibt den Antrag der Fraktion GRÜNE, noch an den Ausschuss für Soziales, Gesundheit, Familie, Frauen und Jugend zu überweisen. Wer möchte die Zustimmung geben? – Gibt es Stimmen dagegen? – Stimmenthaltungen? – Bei Stimmenthaltungen ist dem dennoch mehrheitlich zugestimmt. Ich schließe den Tagesordnungspunkt 12.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 13

1. Lesung des Entwurfs Gesetz zur sozial gerechten und bildungsorientierten Weiterentwicklung von Kindertageseinrichtungen in Sachsen sowie zum Einstieg in die Kostenfreiheit (Sächsisches Kita-Weiterentwicklungsgesetz)

Drucksache 4/6917, Gesetzentwurf der Linksfraktion.PDS

Es spricht für die Einreicherin Herr Abg. Neubert.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Thema „Kinderbetreuung“ hat gerade einmal wieder Konjunktur in Deutschland und die Konjunktur erreicht ungeahnte Höhen. Bundesministerin von der Leyen empfahl gestern den Kommunen mehr Investitionen in die Kindertagesbetreuung mit dem bemerkenswerten Satz: „Was früher euer Autobahnanschluss war, ist heute die Qualität eures Bildungs- und Kindergartenangebotes.“

Ich kann feststellen, Kinder haben jetzt auch bei der CDU den Stellenwert von Autos erreicht. Man will eine Infrastruktur für sie. Das ist doch schon mal etwas!

(Volker Bandmann, CDU: Welche Fraktion hat denn mehr Kinder?)

Ich nehme das positiv, hat doch das Prinzip unserer alternativen Haushaltsansätze, Bildung statt Beton, nunmehr auch die Bundesregierung erreicht.

Am Montag hat in der „Rheinischen Post“ der SPDFraktionsvorsitzende im Bundestag, Herr Struck, gar angekündigt, für kostenlose Kindergartenplätze sogar die Verfassung ändern zu wollen. Eine Grundgesetzänderung für kostenlose Kindertagesstätten, da kann ich nur sagen: Nicht schlecht, Herr Struck!

Ernüchterung macht sich allerdings bei mir breit, nachdem ich gelesen hatte, was Herr Struck noch alles zum Thema zu sagen wusste: „Man kann sich mit solchen Themen auch profilieren, wenn man keinen Minister stellt.“

Ein weiteres Zitat: „Dann werden wir das Thema in der Koalition diskutieren. Wenn es da eine Einigung gibt, umso besser.“ Jetzt kommt es: „Wenn nicht, werden wir mit diesem Punkt im Wahlkampf deutliche sozialdemokratische Akzente in der Familienpolitik setzen.“

Da fühlte ich mich plötzlich wieder an die sächsische SPD erinnert. Zur Profilierung und zum Wahlkampf wird das Kita-Thema hervorgezaubert, jedoch wenn es darauf ankommt, kommt nichts mehr.

Seit über zwei Jahren hat die SPD das Banner „Kostenloses Vorschuljahr“ vor sich hergetragen. Bereits im Landtagswahlkampf ist sie damit hausieren gegangen. Aber auch seit der Wahl verging kaum ein Monat, in dem nicht ein sächsischer Sozialdemokrat die Fahne schwenkte, jeweils immer mit viel Nachdruck und viel öffentlicher Anteilnahme und mit zunehmender Frequenz im letzten halben Jahr.

Vergangene Woche haben sie das Banner kleinlaut eingerollt. Nun versuchen sie tapfer mit ein paar Papierfähnchen – wenn ich den Koalitionskompromiss einmal so bezeichnen darf – zu winken, immer noch recht lautstark, aber ein bisschen kläglich wirkt es schon.

Aber auch die CDU hat sich nicht lumpen lassen. Ich erinnere nur an den Vorschlag des Ministerpräsidenten zu einer Vorschulpflicht.

Sehr geehrte Damen und Herren der beiden Koalitionsparteien! Der nunmehr vorliegende Gesetzentwurf meiner Fraktion zur sozial gerechten und bildungsorientierten Weiterentwicklung sächsischer Kindertageseinrichtungen und zum Eintritt in die Kostenfreiheit gibt Ihnen zwar kaum Gelegenheit, sich zu profilieren oder gar Wahlkampf zu machen, aber er gibt Ihnen die Gelegenheit, sich mit dem auf diesem Gebiet real Möglichen auseinanderzusetzen. Er gibt Ihnen die Gelegenheit, ganz praktisch etwas für die Verbesserung der Kindertagesstätten und für die sächsischen Familien zu tun, auch wenn es noch nicht die von Herrn Struck vorgeschlagene völlige Kostenfreiheit der Kindergärten ist. Dafür geht es aber auch ohne Verfassungsänderung und ohne Vorschulpflicht.

Sehr geehrte Damen und Herren! Wir unterbreiten mit diesem Gesetzentwurf insgesamt fünf Vorschläge zur Weiterentwicklung unserer Kindertagesstätten.

Der erste Vorschlag: Alle noch vorhandenen Zugangsbeschränkungen zu Kinderkrippen, Kindergärten und Horten

diese sind immer noch Realität in Sachsen – müssen weg. Eine Politik, die Kindern von arbeitslosen Eltern den Zugang zu Kindertagesstätten ganz oder teilweise verwehrt, geht zumindest implizit noch immer von der Vorstellung aus, dass Kindertagesstätten Bewahranstalten für Kinder berufstätiger Mütter seien. Das wird dem zeitgemäßen Anspruch von Kindertageseinrichtungen als Bildungseinrichtungen einfach nicht mehr gerecht. Deshalb enthält der Gesetzentwurf einen klaren Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz von der Krippe bis zum Ende des Horts. Wer keine Zugangskriterien will – das sagen Sie immer –, darf sie auch nicht zulassen und muss es gesetzlich ausgestalten.

Der zweite Vorschlag: Seit Beginn des Jahres gilt in allen sächsischen Kindertagesstätten der Bildungsplan, der eine gute Grundlage für frühkindliche Bildung ist. Darauf wird vonseiten der Staatsministerin und der Koalitionsfraktionen auch immer wieder gern und stolz verwiesen. Wenn aber der Bildungsplan nicht nur ein schicker Ordner im Büro der Kita-Leiterin bleiben soll, sondern mit ihm die Kitas mehr und mehr zu Stätten frühkindlicher Bildung werden sollen, dann bedarf es auch handfester materieller Ressourcen. Ohne diese geht es einfach nicht. Man stelle sich vor, jemand würde von einer Lehrerin oder einem Lehrer an einer Schule verlangen, er solle wöchentlich 40 Unterrichtsstunden halten. Das würde auf vollkommenes Unverständnis stoßen, und das mit Recht. Vor- und Nachbereitungszeiten sind ein selbstverständlicher Bestandteil der Arbeitszeit von Lehrerinnen und Lehrern wie auch Fort- und Weiterbildung. Aber nicht einmal im Ansatz scheint das für Pädagoginnen und Pädagogen in Kindertagesstätten zu gelten.

Wenn wir Ihnen vorschlagen, den Betreuungsschlüssel von 1 : 13 auf 1 : 12 zu verändern, bedeutet das, dass wir in Kindergärten Vor- und Nachbereitungszeiten von wöchentlich vier Stunden schaffen. Das ist alles andere als üppig. Es ist das minimal Notwendige, und es kostet natürlich circa 33 Millionen Euro. Unter dem geht es aber nicht. Wenn man gegenüberstellt, dass die Koalition gerade einmal 7,1 Millionen Euro dafür locker machen will, merkt man, dass diesbezüglich überhaupt kein Problembewusstsein vorhanden ist. Ich hoffe nur, dass Ihnen bei der Beschäftigung mit unserem Gesetzentwurf dieses Problem deutlich wird.

Damit komme ich zu unserem dritten Vorschlag. Es hat sich bewährt, dass für sogenannte Integrationskinder, also Kinder mit Behinderung, eine doppelte Landespauschale zur Verfügung gestellt wurde. So konnte und kann die Integration dieser Kinder befördert werden. Nun gibt es aber eine zunehmende Zahl von Kindern – Experten sprechen von etwa 10 % –, die bestimmte Entwicklungsverzögerungen aufweisen, die zu einem erheblichen Teil sozial bedingt sind. Beispielhaft seien hier Kinder genannt, die Sprachprobleme haben, weil in ihrem sozialen Umfeld einfach zu wenig mit ihnen gesprochen wird. Solche Probleme sind bei rechtzeitiger Feststellung mit besonderer Förderung überwindbar.

Wenn wir Ihnen vorschlagen, für diese Kinder eine jährliche, um 900 Euro erhöhte Kita-Pauschale vorzusehen, so verfolgen wir damit zwei Ziele: Zum einen kann den Kindern unmittelbar geholfen werden, zum anderen werden letztendlich Kindertagesstätten an sogenannten sozialen Brennpunkten besser ausgestattet als andere. Diese Art der positiven Diskriminierung wird ihre Akzeptanz bei sogenannten normalen Eltern erhöhen und ihrer Stigmatisierung entgegenwirken. Wir nähern uns damit einen kleinen Schritt dem Ideal an: die besten Kitas für die Kinder, die sie am meisten brauchen. Die besten Kitas an die sozialen Brennpunkte!

Meine Damen und Herren! Ich komme zum vierten Vorschlag. Wir wollen natürlich auch den Einstieg in die Kostenfreiheit, vielleicht sollte man besser sagen: in die Elternbeitragsfreiheit von Kindertagesstätten. Beginnen werden wir diese zunächst mit dem kostenlosen Vorschuljahr, so wie Sie es den Eltern in Sachsen versprochen haben und so, wie es immerhin schon in drei anderen Bundesländern möglich ist: im Saarland, in RheinlandPfalz und nicht zuletzt in Berlin. Mittel- und langfristig sind Kindertagesstätten als Bildungseinrichtungen ohnehin nur elternbeitragsfrei denkbar, es sei denn, man nimmt in Kauf, dass diese Bildungsstätten wiederum zur Institution der Selektion nach sozialen Gesichtspunkten werden.

Selbstverständlich ist auch die Kostenfreiheit des Hortes gerade wegen der zunehmenden Akzeptanz und Förderung von Ganztagsschulen dringend geboten. Es ist doch geradezu absurd, dass in dem einen Grundschulbezirk eine Ganztagsschule bestehen soll, die selbstverständlich kostenlos ist, im Nachbargrundschulbezirk nach der halbtägigen Schule aber der nachmittägliche Hort bezahlt werden muss. Es kann sich ja schließlich kein Kind aussuchen, zu welchem Grundschulbezirk es gehört. Außerdem kann man sicher davon ausgehen, dass mit einem kostenfreien Hort deutlich mehr als bisher 60 % der Kinder erreicht werden können. Das Ziel bleibt eine ganztägige Bildung, eine gebundene Ganztagsschule hier konkret im Grundschulbereich, wo immer dies möglich ist. In einer rhythmisierten Ganztagsschule, in der dies kurz- und mittelfristig nicht möglich ist, soll den Kindern selbstverständlich ein kostenfreies pädagogisches Angebot am Nachmittag zur Verfügung stehen. Damit ließe

sich in puncto soziale Chancengleichheit im Bildungssystem nicht alles, aber schon eine ganze Menge erreichen.

Damit komme ich zu unserem fünften Vorschlag, der Finanzierung des Ganzen. Da wir ausdrücklich nicht wollen, dass die Kommunen durch das Gesetz weiter belastet werden, sollen alle Vorschläge durch eine Erhöhung und Spezifizierung der Kita-Pauschale des Landes finanziert werden. Das kostet den Freistaat natürlich Geld, nach unseren Berechnungen, je nachdem, wie stark man bestimmte Synergie- und Wirkungseffekte einschätzt, zwischen 110 und 120 Millionen Euro jährlich. Wir haben uns natürlich Gedanken gemacht, wie dies finanziert werden kann, und wir werden Ihnen parallel zur Gesetzesberatung in den nächsten Wochen neben unserem alternativen Landeshaushalt auch einen grundsoliden Deckungsvorschlag unter anderem für dieses Gesetz präsentieren. Sollten Sie noch skeptisch sein – das hörte ich so heraus –, dann prüfen Sie bitte in den nächsten Wochen unsere Finanzierungsvorschläge. Sie werden begeistert sein!

Für uns ist die sozial gerechte und bildungsorientierte Weiterentwicklung der Kindertagesbetreuung kein Wolkenkuckucksheim jenseits der finanzpolitischen Realität oder nur zur Profilierung oder für Wahlkämpfe. Wir wollen ganz realpolitisch neue Schwerpunkte in der Haushaltspolitik setzen. Bei diesen neuen Schwerpunktsetzungen wird es Verlierer geben, aber auch Gewinner, und die Gewinner werden unsere Kinder sein. In diesem Sinne wünsche ich noch eine lebhafte und erfolgreiche Beratung unseres Gesetzentwurfes.

Vielen Dank.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Meine Damen und Herren! Es ist Überweisung an den Ausschuss für Soziales, Gesundheit, Familie, Frauen und Jugend – federführend – und an den Haushalts- und Finanzausschuss vorgeschlagen. Wer gibt die Zustimmung? – Stimmen dagegen? – Stimmenthaltungen? – Bei einer Stimmenthaltung ist diese Überweisung mehrheitlich beschlossen.

Der Tagesordnungspunkt ist beendet und wir kommen zu

Tagesordnungspunkt 14

Zollstandort Sachsen erhalten

Drucksache 4/6871, Antrag der Fraktionen der CDU und der SPD

Hierzu können die Fraktionen Stellung nehmen. Es beginnt die CDU, danach folgen SPD, Linksfraktion.PDS, NPD, FDP, GRÜNE und die Staatsregierung, wenn gewünscht. Ich erteile Herrn Abg. Patt das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der Bibel waren Zöllner und Soldaten nicht besonders gelitten. Sie waren von der Obrigkeit eingesetzt. Heute ist das anders. Wir streiten

uns um Standorte für Zoll und für Bundeswehr, die wir in unserem Land erhalten wollen.

Ich möchte kurz in das Thema einführen. Der Bund hat die Schließung der Zoll- und Verbrauchsteuerabteilung in der Oberfinanzdirektion Chemnitz, die in Dresden ansässig war, beschlossen. Das sind 180 Mitarbeiter, um die es geht. Die Oberfinanzdirektion, zuständig als Mittelbehörde für Sachsen und Thüringen, ist dem BMF unterstellt, nachgeordnet mit 24 Hauptzollämtern und Zollämtern.