Es ist auch in diesem Hohen Hause wiederholt gesagt worden, dass mit der Sächsischen Verfassung, insbesondere Artikel 6, ein sehr breiter Rahmen für die Bewahrung und Förderung der sorbischen Sprache und Kultur abgesteckt worden ist, genügend Raum also für ein kreatives Ausfüllen mit weit reichenden minderheitsschützenden Regelungen. Diesem Anliegen, dieser gesetzlichen Verpflichtung, diesem Verfassungsauftrag wird der Antrag der Linksfraktion.PDS, „Bestandsgarantie für das Netz sorbischer Schulen“, gerecht.
Was wir beantragen, ist keine Maximalforderung, die man leichtfertig als überzogen abtun könnte. Es sind dies zwei Minimalforderungen, zwei Vorschläge, die das Mindeste
sind, das angesichts der Lage, in die das sorbische Volk ohne eigenes Verschulden infolge der über weite Zeiträume seiner Geschichte zielstrebig betriebenen Germanisierungs- und Assimilierungspolitik geraten ist.
Erstens beantragen wir, die Staatsregierung möge gemeinsam mit der vom sorbischen Volk selbst bestimmten Interessenvertretung ein Konzept für die Gestaltung und den Erhalt des Netzes sorbischer Schulen erarbeiten.
Zweitens – was sich logisch daraus ergibt – sollte bis zur Fertigstellung eines solchen abgestimmten Konzeptes seitens der Staatsregierung sowohl eigene Maßnahmen unterlassen als auch Schulnetzplanungen die Genehmigung versagt werden, die auf die Reduzierung des Bestandes sorbischer Schulen gerichtet sind.
Es ist nicht zuletzt die unbefriedigende Erfahrung, die dieses Hohe Haus mit dem im Jahre 2000 auch bereits damals als Reaktion auf einen weitergehenden PDSAntrag eingebrachten Antrag der CDU zum Thema „Bewahrung und Pflege der sorbischen Identität durch schulische Bildung“ machen musste, die uns zu dieser Forderung veranlasst. Obwohl dieser Antrag vor nunmehr sechs Jahren mit fraktionsübergreifender Mehrheit beschlossen wurde, wurden in der Folgezeit die Schulschließung bzw. Schulschließungsversuche gegen die sorbischen Schulen in Crostwitz, Radibor und nun auch Panschwitz-Kuckau vorangetrieben. Dem ist durch das Hohe Haus klar und eindeutig Einhalt zu gebieten.
Darüber hinaus gilt es, Folgendes zu bedenken: Tief greifende Veränderungen im Netz sorbischer Schulen gefährden die Substanz der sorbischen Sprache, die – so man der Wertung im zweiten Bericht der Sächsischen Staatsregierung zur Lage des sorbischen Volkes beipflichten will – „sich im unterkritischen Bereich befindet“.
Kollege Dr. Rößler ließ ja nun erst unlängst erneut in einer auflagenstarken Zeitung mit vier großen Buchstaben verbreiten, dass dem sorbischen Volk der Tod drohe, was eine robuste Umschreibung des Zustandes ist, dass die sorbische Sprache weiter verdrängt wird. Das Letztere stimmt nun einmal. Tatsachen sind Tatsachen; sie wahrzunehmen und Schlüsse daraus zu ziehen ist Aufgabe der Politik.
Lassen Sie mich noch einmal aus dem Bericht zur Sprachen-Charta zitieren: „Der Gebrauch des Sorbischen in der Öffentlichkeit ist dadurch erschwert, dass im sorbischen Siedlungsgebiet keine allgemeine Zweisprachigkeit herrscht, sondern in der Regel nur die Sorben beide Sprachen beherrschen. Dadurch wird die deutsche Sprache eher benutzt als die sorbische. Das alles“, so mutmaßt die Bundesregierung im Bericht zur Sprachen-Charta, „beeinflusst die Weitergabe des Sorbischen an die Kinder, sodass“, ich verweise noch einmal ausdrücklich darauf, „der Besuch sorbischer Schulen besondere Bedeutung hat.“
Wenn das die Politik auch nicht immer so sehen will, juristisch ist darüber klar entschieden worden. Im Urteil des Sächsischen Oberverwaltungsgerichtes in der Verwal
tungsrechtssache der Gemeinde Radibor gegen den Freistaat Sachsen wird mit richterlicher Genauigkeit festgestellt, dass der im Schulgesetz für sorbische Schulen normierte Ausnahmefall „der Umsetzung gegenüber dem Schulgesetz vorrangigen verfassungsrechtlichen und bundesrechtlichen Vorgaben dient“. Bereits deshalb komme dem Ausnahmegrund auch ohne Hinzutreten weiterer Umstände erhebliches Gewicht zu. Eine enge Auslegung des Ausnahmegrundes komme daher nicht in Betracht. Die obersten sächsischen Verwaltungsrichter leiten aus Artikel 6 Abs. 1 Satz 2 der Sächsischen Verfassung bezüglich des sorbischen Schulwesens eindeutig eine Förderpflicht und ein Entwicklungsgebot her. Es wäre deshalb ein wichtiger und richtiger Schritt von der jeweiligen, oft nur durch Gerichtsbeschluss zu erwirkenden Ausnahmeregelung zur allgemeinen gesetzlichen Regelung zu gelangen.
Auf diesem Wege von der Ausnahme zur Regel sorbischer Schulen ist unser Antrag der richtige Antrag. Beschreiten Sie, meine Damen und Herren, insbesondere von den Koalitionsfraktionen, mit uns gemeinsam diesen Weg. Anderenfalls werden Sie wohl, wie im Falle der Sorbischen Mittelschule Radibor, durch die Gerichte in der für Sie dann schmerzhafteren Weise auf den Weg nicht nur der minderheitenpolitischen Tugend, sondern ganz klar auf den Weg des Rechts, unseres Verfassungsrechts, ja der Menschenrechte, zurückgeführt. Das alles spricht für den Antrag der Linksfraktion.PDS.
Meine Damen und Herren! Es liegen zwei weitere Drucksachen zum Thema vor. Der Änderungsantrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN greift im Wesentlichen sachgerechte Regelungsziele auf. Wir werden ihm daher zustimmen. Der Antrag der Koalitionsfraktionen ist so allgemein, dass er damit schon fast wieder richtig ist, zumindest nicht falsch liegt, wenn er denn auch wirklich ernst gemeint ist und im nötigen Umfang realisiert werden soll. Da allerdings kann man nach der bereits geschilderten traurigen und unbefriedigenden Erfahrung mit einem in der dritten Wahlperiode entstandenen CDU-Antrag durchaus berechtigte Zweifel haben. Wenn doch nur die Erfahrung nicht wäre, die besagt – um mit einem sorbischen Sprichwort zu sprechen –: „Wot prajenja do činjenja su daloke pucé.“ – Vom Sagen bis zum Machen sind es weite Wege.
Daher gilt: Jetzt und nicht am Sankt-Nimmerleins-Tag muss der Schließung sorbischer Schulen ein Riegel vorgeschoben werden. Ansonsten könnte geschehen, was hoffentlich keiner möchte: dass eine Schule nach der anderen geschlossen wird und keine Rede mehr vom Netz sorbischer Schulen sein kann.
Ich konstatiere – wie auch die Staatsregierung –, dass die demografische Entwicklung auch das sorbische Volk betrifft. Der Anteil der Sorben an der Gesamtbevölkerung wird nicht wachsen. Doch daraus ableiten zu wollen, dass damit auch die Zahl der sorbischen Schulen verringert werden müsse, ist aus europäischer Sicht ein Trugschluss. Ob Schulen der Samen im Norden Europas, ob Schulen
der Goralen in Polen, wo es die kleinste Schule Europas gibt, oder Minderheitenschulen anderswo: Immer stärker setzt sich die Erkenntnis durch und wird durch politisches Handeln umgesetzt, dass ortsnahe Schulen wesentlich zur Stärkung der Identität der Minderheit und deren Sprach- und Kulturpflege beitragen.
Wenn in Sachsen 2001 der Sorbischen Mittelschule Crostwitz durch das Kultusministerium die Mitwirkung für die Bildung der 5. Klasse entzogen wurde, weil die für die Bildung einer Klasse geforderten 20 Schüler nicht zur Verfügung standen, sondern es nur 17 Anmeldungen gab, so benötigt die deutsche Minderheit in Ungarn lediglich elf Schüler, und in Tschechien wird ab 8 Anmeldungen eine Minderheitenklasse eingerichtet. Eine Minderheitenschule benötigt dort im Durchschnitt zwölf Schüler pro Jahrgang; Ausnahmeregelungen bei der Unterschreitung dieser Zahl sind möglich. Niemand kommt dort auf die Idee, von Minderheitenschulen Mehrzügigkeit zu verlangen. Es gilt hier nicht nur das deutsche Sprichwort: „Klein aber fein“; vielmehr nimmt man bei unseren hier nur beispielhaft genannten ungarischen und tschechischen Nachbarn Minderheitenschutz im Schulwesen europäisch ernst.
Meine Damen und Herren! Wie man es auch betrachten mag, das Thema der jetzigen Debatte hat europäische Dimension. Die Parlamente unserer Nachbarstaaten haben sich wiederholt mit dem Thema der Schließung sorbischer Schulen beschäftigt. Teilweise wurden hierzu parlamentarische Unterausschüsse gebildet. Die russische Staatsduma führte eine Anhörung hierzu durch, und im Europäischen Parlament kam es zu fraktionsübergreifenden Initiativen.
All dies hat deutlich gemacht: Die Schließung von Minderheitenschulen ist kein Kavaliersdelikt. Es ist deshalb auch richtig, dass die PDS-Fraktion bereits am 20. Januar 1999 Bestandsschutz für sorbische Schulen gefordert hat.
Später hatten es ihr die Fraktion der SPD – in der 3. Wahlperiode noch in der Opposition – und in der jetzigen Wahlperiode die Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gleichgetan. Hätte die Mehrheit des Landtages damals diesen Anträgen zugestimmt, wäre dem Freistaat und der gesamten Bundesrepublik dieses von der europäischen Öffentlichkeit aufmerksam und mit Unbehagen verfolgte Kapitel erspart geblieben.
Crostwitz wurde geschlossen, Radibor konnte nur per Gerichtsbeschluss davor bewahrt werden, und in Panschwitz-Kuckau ist die Schulschließung beschlossene Sache. Wie soll das weitergehen? Noch ist es nicht zu spät, die eingeleitete Demontage des sorbischen Schul
netzes kann beendet werden. Es bedarf der politischen Entscheidung, es bedarf einer Entscheidung, die vor allem bei den Sorben, aber auch bei unseren europäischen Nachbarn Vertrauen schafft.
(Beifall bei der Linksfraktion.PDS und der Abg. Dr. Karl-Heinz Gerstenberg und Astrid Günther-Schmidt, GRÜNE)
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist ein völlig legitimes Anliegen, die Schulen der autochthonen sorbischen Minderheit im Freistaat Sachsen zu erhalten, und das auch möglichst langfristig. Das ist genauso legitim wie die Forderung, möglichst auch alle deutschsprachigen Schulen im Freistaat zu erhalten und nicht mit dem Allzweckargument der demografischen Entwicklung abzuwickeln. Deshalb wird die NPD-Fraktion beiden Anträgen, die der Bestandssicherung sorbischer Schulen dienen sollen, zustimmen.
Man kann sich bei alledem nicht der Tatsache verschließen, dass die Sorben im Freistaat Sachsen Opfer der gleichen Kahlschlag- und Entvölkerungspolitik sind, der auch alle anderen sächsischen Bürger ausgesetzt sind. Bei der sorbischen Volksgruppe zeigen sich die Probleme des Freistaates aufgrund ihrer geringeren Bevölkerungszahl nur besonders konzentriert, gewissermaßen wie unter einem Brennglas. Dabei gibt es doch zur Zukunft des sorbischen Schulwesens im Freistaat schon seit Juli 2003 eine Auflistung recht konstruktiver Thesen, die seinerzeit der Rat für Sorbische Angelegenheiten beim Sächsischen Kultusministerium eingereicht hat. An diese Thesen müsste man sich eigentlich nur halten, wenn man denn wirklich etwas tun wollte, und man könnte sich den vorliegenden Antrag der CDU- und SPD-Koalitionäre getrost sparen, der inhaltlich äußerst dünn ist.
Es drängt sich also der Verdacht auf, dass auch dieser Antrag nur Alibi-Charakter hat, und etwas weiter ausholend, kann man es schon einen Skandal nennen: Jahrhunderte einer durchaus wechselhaften deutsch-slawischen Geschichte haben die Sorben mehr oder weniger unbeschadet überstanden. Auch das wechselhafte 20. Jahrhundert hat ihnen nicht viel anhaben können. In der DDR fungierte die sorbische Minderheit ohnehin als „Schaufenster“, in dem man die Errungenschaften der eigenen Kulturpolitik präsentieren konnte. Aber ausgerechnet die Bundesrepublik Deutschland, die sich für jede land- und kulturfremde Minderheit stark macht – ich denke an Sprachkurse für Afrikaner, an Integrationskurse für Orientalen und an Islamunterricht an deutschen Schulen – , ausgerechnet diese BRD ist jetzt drauf und dran, den Sorben als autochthoner Volksgruppe das Lebenslicht auszublasen. Sorbischunterricht wird perspektivisch abgewickelt, aber Islamunterricht gefördert. Das ist die
Letztlich macht es aber keinen Unterschied, ob es um die Sachsen oder die Sorben geht. Der herrschende Neoliberalismus mit seiner sozialen Kahlschlag- und seiner bestandsschwächenden Entvölkerungspolitik raubt allen die Lebensgrundlage, indem er ganze Regionen ausbluten lässt, Schulen schließt und dabei zynischerweise noch von „Entleerungsräumen“ schwadroniert.
Hören Sie mir doch einmal zu, Herr Porsch; ich sage noch etwas auch für Sie Interessantes. – Wissen Sie, je mehr wir Nationaldemokraten uns mit der sorbischen Minderheit im Freistaat beschäftigen, desto sympathischer wird sie uns.
Bei den Sorben gibt es nämlich vieles, was bei politisch hyperkorrekten Bundesrepublikanern, die sich auch in diesem Hohen Hause reichlich tummeln, zutiefst verpönt ist, nämlich: Zusammenhalt, Familiensinn, Identitäts- und Volksbewusstsein. Daran könnten sich auch viele bundesrepublikanische Nationalmasochisten wie die Herren Weiss und Dulig ein gutes Beispiel nehmen.
(Beifall bei der CDU, der Linksfraktion.PDS, der SPD, der FDP und den GRÜNEN – Holger Apfel, NPD: Aus Ihrem Munde ein Kompliment!)