Dabei sind wir natürlich auf die Antwort der Koalitionsfraktionen gespannt, denn „die rechtzeitige Anpassung des sächsischen Personalvertretungsrechtes an die neuen Erfordernisse“ kann man interessanterweise als rhetorische Absichtserklärung auch im Koalitionsvertrag nachlesen.
Einen zweiten, deutlich überschaubareren Problemkreis greifen wir mit dem heute vorliegenden Gesetzentwurf auf. Bekanntlich finden im Zeitraum 1. März bis 31. Mai 2007 die nächsten regulären Personalratswahlen im öffentlichen Dienst statt. Nun sind Personalratswahlen alles andere als irgendeine belanglose Formalität. Ich denke, Personalratswahlen sind immer Ausdruck des sozialstaatlichen Gebots der Mitwirkung, nämlich für die in abhängiger Arbeit im öffentlichen Dienst Beschäftigten sind sie ein wichtiges Mittel – vielleicht das wichtigste – zum Schutz ihrer Menschenwürde und Persönlichkeitsentfaltung in der Dienststelle. Schließlich haben diese Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein berechtigtes Interesse daran, an den Regelungen der sie betreffenden Dienst- und Arbeitsbedingungen kompetent mitzuwirken.
Daher sollte es sich eigentlich von selbst verstehen, dass für die rechtssichere Vorbereitung und Durchführung dieser Wahlen rechtzeitig alles Erforderliche getan werden muss. Rechtsunsicherheit aufgrund unbefriedigender oder ungeklärter Rechtszustände, die später zum Beispiel zu Wahlanfechtungen und im schlimmsten Fall zu mitbestimmungsfreien Zonen führen, braucht wirklich niemand.
Die Linksfraktion hat sich in dem vorliegenden Gesetzentwurf auf drei überschaubare Komplexe beschränkt, die infolge der anstehenden Personalratswahlen, wie wir meinen, zügig gesetzlich geregelt werden müssen.
Erstens. Bekanntlich haben wir seit dem 1. Oktober 2005 einen neuen Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst, kurz TVÖD genannt, sowie den am 01.11.2006 in Kraft tretenden neuen Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder, also für die Landesbediensteten. In beiden Tarifverträgen wird nicht mehr zwischen Arbeitern und Ange
stellten unterschieden. Das ist insofern für die Personalratswahlen wesentlich, als dort das Gruppenprinzip tangiert wird, das immer noch – auch im Sächsischen Personalvertretungsgesetz – die drei Gruppen – Beamte, Angestellte und Arbeiter – vorsieht. Es wird zukünftig nur noch die beiden Gruppen Beamte und Arbeitnehmer geben. Die Anpassung des Gruppenprinzips an diese neuen Tarifverträge und eine entsprechende Anpassung der Wahlordnung, die wir vornehmen, sind aus unserer Sicht zwingend.
Vielleicht wird Ihnen, sehr verehrte Damen und Herren, das alles etwas „technisch“ erscheinen. Sei es drum – wir denken, diese Anpassung ist im Interesse einer rechtssicheren Wahlvorbereitung notwendig.
Die Argumentation, die Sie, Kollege Brangs, sicherlich gleich bringen werden, man brauche nur in das Bundespersonalvertretungsgesetz schauen, dort stehe das Gruppenprinzip drin – zumindest haben Sie im Innenausschuss so argumentiert –, würde meiner Ansicht nach dann zutreffend sein, wenn wir kein eigenes Landespersonalvertretungsgesetz hätten. Das ist bekanntlich nicht der Fall. Wir wollen diese landesrechtliche Klarstellung im Interesse der gebotenen Rechtssicherheit bei der Wahlvorbereitung, denn Anfechtungen von Wahlen – zumindest aus diesem Grund – dürften dann eher unwahrscheinlich sein. Ich denke, Kollege Brangs, diesem vernünftigen Anliegen werden Sie sich mit Ihrer Fraktion kaum verschließen wollen.
Die von Ihnen, wie ich weiß, zu Recht geforderte umfassende Novellierung des Sächsischen Personalvertretungsgesetzes, die wir in der vergangenen Wahlperiode unter anderen Machtkonstellationen schon einmal vorgenommen haben, wollen natürlich auch wir. Aber dazu bedarf es etwas mehr Zeit zum Nachdenken. Wir können zu gegebener Zeit über dieses umfassende Gesetzeswerk, um das es heute ausdrücklich nicht geht, noch diskutieren.
Zweiter Komplex. Wir hatten bekanntlich eine „kleine“ Funktionalreform: die Polizeistrukturreform. Übrigens ist es erfreulicherweise gelungen, von der früheren Dreistufigkeit zur Zweistufigkeit zu kommen. Kurz: Die Polizeipräsidien und einiges andere sind weggefallen, was ich mir, nebenbei gesagt, auch für die richtige Funktionalreform wünschen würde. Wir werden sehen, was dabei herauskommt.
Zurück zum Personalvertretungsrecht. Aus dieser Strukturreform heraus gibt es unseres Erachtens mindestens Anpassungsbedarf in Bezug auf § 68 des Sächsischen Personalvertretungsgesetzes. Das haben Sie, Kollege Brangs, im Innenausschuss genauso gesehen und argumentiert, mit dem Gesetz zum Disziplinarrecht, das im Geschäftsgang ist, werde das alles ganz toll erledigt. Ich darf Sie in aller Bescheidenheit daran erinnern, dass im November dazu gerade einmal die Anhörung ist. Wenn
alles gut läuft, haben wir dieses Gesetz in der Plenarwoche im Januar 2007. Die Wahlen, ich hatte es bereits gesagt, finden aber ab März statt. Das wird alles sehr, sehr knapp. Besser wäre es da schon, Sie stimmten heute unserem Gesetzentwurf zu.
Drittens und letztens. Aus unserer Sicht sind das größte Problem die Arbeitsgemeinschaften nach § 44 SGB II, die sogenannten ARGEn. Hier hat die Koalition im Innenausschuss ganz besonders holperig argumentiert. Ich glaube nicht, Kollege Brangs, dass Sie das nachher besser hinbekommen.
Es ist ein offenes Geheimnis, dass die Rechtsnatur dieser eigenartigen Gebilde ziemlich amorph ist, um nicht zu sagen umstritten, denn der Bundesgesetzgeber hat sich seinerzeit in der Hektik von Hartz IV herzlich wenig darum gekümmert. In der damaligen nächtlichen Vermittlungsausschusssitzung ist ein hässlicher Homunkulus zwischen zentralistisch geführter Bundesagentur und selbstverwaltungsgewöhnten Kommunen herausgekommen. Leidtragende dieses Rechtszwitters sind nicht nur die Hartz-IV-Betroffenen, was jeder sofort einsehen wird, sondern auch die von beiden Seiten abgeordneten Beschäftigten in den ARGEn, die gegen ganz beträchtliche Mitbestimmungsdefizite zu kämpfen haben und kämpfen werden. Aber davon wird öffentlich erstaunlicherweise kaum je Notiz genommen.
Bei den Personalratswahlen entstehen nun sofort zwei Fragen, um die sich der Gesetzgeber zu kümmern hat und um die wir uns gekümmert haben. Die Fragen entstehen, weil die einschlägige Rechtsprechung und die Kommentierung hier sehr verschiedene Aussagen treffen. Frage 1: Hat die Zwittergestalt ARGE die allgemeine Dienststelleneigenschaft im Sinne der personalvertretungsrechtlichen Bestimmungen? Falls man dort mit Ja antworten sollte, Frage 2: Sind in einer solchen ARGE dann ein einheitlicher Personalrat zu wählen oder aber zwei verschiedene, nämlich einer für die von der Bundesagentur abgeordneten Mitarbeiter und ein zweiter für die von der Kommune abgeordneten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter?
Hierzu gibt es interessanterweise bei vergleichbarer Gesetzeslage in den Bundesländern völlig diametrale Entscheidungen von Verwaltungsgerichten. Zwei Beispiele. Das Verwaltungsgericht Meiningen hat am 24. Mai 2006 einen Beschluss gefasst, dem sich eine doch deutliche Tendenz entnehmen lässt, dass die Dienststelleneigenschaft der ARGEn in der auch bei uns vorliegenden öffentlich-rechtlichen Form zu bejahen ist. Völlig anders sieht es das OVG Rheinland-Pfalz in seinem Beschluss vom 8. März 2006. Es verneint definitiv diese Dienststelleneigenschaft und spricht bei den ARGEn von einer öffentlichen Einrichtung ohne Dienstherreneigenschaft.
Keine Angst, meine Damen und Herren, ich traktiere Sie jetzt nicht weiter mit diesen hoch komplizierten juristi
schen Überlegungen, die Sie übrigens im Heft 7/2006 der Zeitschrift „Der Personalrat“ nachlesen können. Ich sage nur so viel: Dieses Feld ist höchst unübersichtlich und eine wahre Schlangengrube voller wahlrechtlicher Fallstricke. Kein Wunder, dass selbst der Abteilungsleiter Recht im ver.di-Landesbezirk, nämlich Herr Wilhelm Faußner, sich nicht gescheut hat, seinen ursprünglichen Rechtsstandpunkt zur personalvertretungsrechtlichen Stellung der ARGEn um 180 Grad zu revidieren, und nun in einem aktuellen Schreiben vom 20. September 2006 für exakt die Lösung plädiert, die auch wir in unser Gesetz hineingeschrieben haben. Es ist eine denkbar einfache Lösung: Die bei den ARGEN beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind sowohl in ihrer Herkunftsdienststelle als auch bei der ARGE wahlberechtigt.
Ich freue mich auf die Aussprache. Ich hoffe, dass sie konstruktiv gerät, und ich hoffe, mit meiner Argumentation ein klein wenig dazu beigetragen zu haben, mit unserem überschaubaren Gesetz der Vernunft bei der Personalratswahlvorbereitung eine Chance gegeben zu haben.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist in der Tat erstaunlich, Kollege Friedrich, dass Sie schon immer wissen oder ahnen, was ich hier für Ausführungen mache. Ich habe Ihnen schon einmal gesagt, die Kugel, die Sie im Büro haben, müssen Sie mir einmal zur Verfügung stellen. Es ist schon sehr interessant, wie Sie hier mit dem Thema umgehen.
Ich will das einmal darauf reduzieren, worüber wir hier eigentlich reden. Wir reden darüber, dass Sie den Eindruck vermitteln wollen, dass der von Ihnen vorgelegte Gesetzentwurf den Anforderungen an eine veränderte Verwaltungsstruktur Rechnung tragen würde. Das ist Ihr Zitat.
Wer so etwas erzählt, der muss die Hose mit der Kneifzange anziehen. Wenn Sie allen Ernstes glauben, dass ein reines Nachvollziehen eines Tarifvertrages Öffentlicher Dienst und ein reines Nachvollziehen einer Strukturveränderung in der Polizei, die wir bereits im Haushaltsbegleitgesetz regeln –; wenn das Ihre Antwort auf eine Verwaltungsreform und die Begleitung der Beschäftigten ist, dann tut es mir wirklich leid, dann sind wir meilenweit auseinander.
Worum geht es eigentlich in Ihrem Gesetzentwurf? – In Ihrem Gesetzentwurf geht es darum, dass Sie in der Tat formal – –
Es geht zunächst einmal in Punkt 1 darum, dass es Ihnen scheinbar mit Blick auf den Tarifvertrag wichtig ist, so schnell wie möglich eine Regelung zu treffen, dass das Gruppenprinzip, das durch den Tarifvertrag verändert worden ist, in ein Landespersonalvertretungsgesetz umgesetzt wird. Die Notwendigkeit, dass das so schnell vollzogen werden muss, haben Sie nicht stichhaltig begründet.
Sie haben auch vollkommen ausgeblendet – da können wir gern die Frage zulassen –, dass wir im Koalitionsvertrag eine klare Regelung dazu haben, wie wir als Koalition mit dem Personalvertretungsgesetz umgehen wollen. Wir haben uns darauf verständigt, dass wir zunächst eine Synopse im Vergleich aller Landespersonalvertretungsgesetze mit dem Bund erarbeiten lassen wollen. Wir haben uns auch darauf verständigt, dass wir der Auffassung sind, dass eine Mitbestimmung im öffentlichen Dienst des Freistaates überprüft werden muss. Genau das tun wir gerade als Koalition. Das heißt, wir warten ab, dass es die Synopse gibt, und wir reden intern in den Arbeitskreisen natürlich auch darüber, wie wir gemeinsam die Regelungen des Koalitionsvertrages umsetzen können.
Herr Kollege Brangs, ist Ihnen möglicherweise entgangen, dass ich genau eingangs meiner Rede dargestellt habe, dass dieser überschaubare Gesetzentwurf mitnichten unsere Antwort auf die Verwaltungs- und Funktionalreform ist, sondern dass eine umfassende Gesetzesnovelle auch von der Linksfraktion.PDS zu erwarten ist?
Da sind wir doch einer Meinung, dass wir uns mit der inhaltlichen Auseinandersetzung noch Zeit lassen sollten, bis die Entwürfe von Ihnen da sind und die Entwürfe der Koalitionsfraktion vorliegen. Sie können aber auch nicht bestreiten, dass Sie beim Einbringen Ihres Gesetzentwurfes davon gesprochen haben – ich habe es mitgeschrieben –, dass Sie damit den Anforderungen an eine veränderte Verwaltungsstruktur Rechnung tragen wollen. Bei aller Liebe, das hat mit Ihrem jetzigen Gesetzentwurf wenig zu tun.
Genau, ich habe es nicht verstanden. Einigen wir uns darauf. Hauptsache, die Linksfraktion.PDS hat es verstanden.
Kommen wir also dazu, inwiefern wir uns überhaupt mit dem Thema auseinandersetzen wollen, wenn es um
substanzielle Verbesserungen geht. Das ist genau der Knackpunkt. Der SPD-Fraktion und der CDU-Fraktion geht es darum, gemeinsam in den weiteren Runden mit dem Innenministerium zu klären, welchen Spielraum wir haben, um substanzielle Verbesserungen im Gesetz tatsächlich umzusetzen. Es geht uns nicht darum, dass wir formal die Bestimmungen des Tarifvertrages Öffentlicher Dienst allein zum Anlass nehmen, um eine Gesetzesnovelle durchzuführen.
Danke. – Herr Brangs, Sie sind schon etwas weiter fortgeschritten. Aber für das weitere Verständnis: Sie haben ja unseren Gesetzentwurf kritisiert und gesagt, dass er nicht notwendig ist. War das auch eine versteckte Kritik an der Staatsregierung, die ihren Referentenentwurf zur Anhörung an die Gewerkschaften geschickt hat? Der ist ja ähnlich, und da war noch Eile geboten, dass die Gewerkschaften rechtzeitig ihre Stellungnahme abgeben. Kann ich das als Kritik am Referentenentwurf der Staatsregierung auffassen?
Das ist jetzt natürlich sehr konstruiert. Ich verstehe auch, in welche Zielrichtung die Fragestellung gehen soll. Fakt ist aber, dass die Koalitionsfraktionen der Auffassung sind, dass das, was zur Anhörung freigegeben worden ist, nicht dem Willen der Koalitionsfraktionen entspricht, und das ist schon mal ein Schritt in die richtige Richtung. Ich hoffe, dass wir dafür auch die Unterstützung der Linksfraktion bekommen.
Noch einmal: Uns geht es klar darum, dass wir uns im Rahmen einer Beschäftigung mit einer Novellierung zu einem neuen Sächsischen Personalvertretungsgesetz damit auseinandersetzen müssen, was wir umsetzen wollen, welche substanziellen Verbesserungen wir erreichen wollen, und dass wir nicht ausschließlich allein das umsetzen, was uns der Tarifvertrag jetzt vorgibt.