Die von den Verbänden selbst vorgeschlagenen Lösungen, zu Konzentrationsprozessen zu kommen, beispielsweise durch die Zusammenlegung von Wasser- und Abwasserverbänden, halten wir Liberalen für einen guten Ansatz, der aber im Einzelfall zu prüfen ist. In jedem Fall wären wohl Einsparpotenziale zu erschließen, die dann dem Bürger zugute kommen müssten.
Es bleibt trotzdem die Frage, wie mit zukünftigen und noch notwendigen Investitionen umzugehen ist, wenn die EU-Richtlinie erfüllt werden soll. Das Zitat kam heute schon zweimal. Es steht in der Richtlinie:
„Ist die Einrichtung einer Kanalisation nicht gerechtfertigt, weil sie entweder keinen Nutzen bringt oder zu hohe Kosten verursacht, ist es auch möglich, andere, individuelle Maßnahmen einzusetzen.“
Die Richtlinie verlangt somit keine vollständige kanaltechnische Erschließung, sondern lässt auch andere Systeme, wie Kleinkläranlagen, zu.
Damit komme ich zu der Perspektive, die wir im Freistaat im Bereich Abwasserbeseitigung haben. Mit Blick auf den demografischen Wandel dürfen zukünftig nicht mehr nur die Großprojekte gefördert werden. Es gilt vielmehr, den Blick auf die kleinen Lösungen zu richten. Anstatt für teure kanaltechnische Ausbauten sollte sich die Staatsregierung dafür einsetzen, dass vor allem dezentrale Lösungen, wie Kleinkläranlagen, gefördert werden. Die durchschnittlichen Kosten, um eine solche Anlage neu zu bauen, betragen ungefähr 4 200 Euro. Eine biologische Nachrüstung kostet immerhin noch ungefähr 3 100 Euro. Das ist für viele Bürger zu viel. Deshalb ist unsere Forderung, auch für Kleinkläranlagen fördertechnische Möglichkeiten zu prüfen, zum Beispiel, ob es möglich ist, zinslose Darlehen zu gewähren.
Die Verbände haben längst erkannt, dass diese Probleme in den nächsten Jahren auf viele Gemeinden zukommen werden, und warnen. So haben sich beispielsweise die Gemeinden Gablenz und Krumlau für eine dezentrale Lösung entschieden. Zitat Bürgermeister Karger:
„Eine zentrale Abwasserentsorgung kommt für unsere beiden Dörfer nicht infrage. Als kostengünstigste Variante erweisen sich die biologischen Kleinkläranlagen.“
Da diese Kleinkläranlagen im Freistaat durch private Firmen errichtet werden, dürfte eine stärkere Förderung auch hier zu einem wirtschaftlichen Effekt führen.
Ein weiteres Problem sehen wir in der isolierten Betrachtung nur der EU-Kommunalabwasserrichtlinie. Als Liberale fordern wir eine Gesamtbetrachtung, auch unter Berücksichtigung weiterer EU-Richtlinien, beispielsweise der IVU-Richtlinie zur Verminderung und Vermeidung von Umweltbelastungen. Hier sind aufgrund neuer Umweltgefahren Anpassungen nötig. In einigen Bundesländern, zum Beispiel in NRW, gibt es deshalb neu aufgelegte Förderprogramme. Dort wird als zukünftiger Förderbe
reich zum Beispiel die Beseitigung medizinischer Rückstände und gefährlicher Stoffe im Abwasser benannt, die die Gewässergüte nachhaltig belasten, und es wird die Behandlung von Niederschlagsabwasser gefordert.
Damit kommen wir direkt zu dem Problemfeld Mischwasserbehandlung. Dieses ist immer noch nicht bundeseinheitlich geregelt. Wir fordern daher die Staatsregierung auf, sich nachdrücklich für eine bundeseinheitliche Regelung zu der Problematik „Begrenzung der Verschmutzung aus Regenüberläufen“ einzusetzen.
Sehr gespannt sind wir auch auf den Zeitplan und das Arbeitsprogramm, die uns die Staatsregierung noch in diesem Jahr vorstellen wird.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Im Jahre 16 nach der deutschen Einheit sind die Gewässer wieder klarer geworden, in der Elbe wird wieder gebadet und viele Fischarten sind in unsere Flüsse zurückgekehrt. Wo liegen die Gründe für die erhebliche Verbesserung der Situation?
Neben dem Zusammenbruch der Industrie an Elbe, Mulde und Pleiße wurde in Sachsen seit 1991 eine vollkommen neue Abwasserinfrastruktur aufgebaut. 3,1 Milliarden Euro an öffentlichen Geldern von Land, Bund und EU flossen bis 2003 nach Sachsen. Grundlage hierfür war, wie erwähnt, die kommunale Abwasserrichtlinie 91/271. Aber diese Gelder sind leider nicht nur ökonomisch sinnvoll eingesetzt worden. Frau Roth hat dazu das Nötige gesagt und das dürfen wir bei dieser Debatte, in der die allgemeine große Einigkeit ausgebrochen ist, nicht völlig unter den Tisch fallen lassen. Die Interessenverquickung der Planer und Kläranlagenhersteller, gepaart mit aus dem Kanzleramt gesteuerten Entwicklungsszenarien über „blühende Landschaften im Osten“, führte nicht selten zu Fehlplanungen, die dann auch umgesetzt wurden.
Diese neue Altlast hat sich auch in Sachsen zu einem erheblichen Standortnachteil entwickelt und sächsische Bürger bezahlen in der Bundesrepublik mit die höchsten Abwassergebühren. 3,1 Milliarden Euro in der Abwasserinfrastruktur sind ein gewaltiger Betrag. Nun stellt sich die Frage, ob die Abwasserentsorgung in Sachsen damit endgültig erledigt und gebaut worden ist.
Zum Ende der EU-Förderperiode 2006 für die EUStrukturfonds wird der Anschlussgrad Sachsens bei 86 % liegen. Das bedeutet, dass 600 000 Menschen im ländlichen Raum ihr Abwasser noch über keine oder nur eine desolate Kläranlage in die Bäche und Flüsse einleiten. Sie erfüllen damit nicht die Vorgaben nach § 7a des Wasserhaushaltsgesetzes in Verbindung mit der Abwasserverord
Zur Vergegenständlichung hilft an dieser Stelle vielleicht ein Vergleich. Abwasser von 600 000 Menschen entspricht der Kapazität der beiden sächsischen Großkläranlagen Dresden-Kaditz und Leipzig-Rosenthal. Dieses unzureichend behandelte Abwasser stellt neben der diffusen Einleitung aus der Landwirtschaft eine erhebliche Gewässerbelastung dar. Daher ist eine Anpassung der Technik dringend erforderlich.
Meine Damen und Herren! Diese Zahlen zeigen uns, dass weitere Investitionen in die Abwasserinfrastruktur notwendig sind, besonders im ländlichen Raum. So ist es folgerichtig, wenn die Staatsregierung auch für die Förderperiode 2007 bis 2013 für den ELER einen Maßnahmenbereich Abwasserbeseitigung vorsieht. Sie setzt jetzt den Förderschwerpunkt Errichtung von kleinen örtlichen Infrastrukturmaßnahmen zur kommunalen Abwasserbeseitigung. Damit ist gemeint, dass Kleinkläranlagen und kleine zentrale Anlagen für bis zu 500 Einwohner errichtet oder saniert werden können. Das ist eine gute Lösung, denn kleine Kläranlagen im ländlichen Raum sind oft die kostengünstigere Variante. Auch gewässerökologisch bieten kleine Kläranlagen einen Vorteil. Das gereinigte Wasser bleibt vor Ort im Bach oder Fluss und sichert in trockenen Zeiten noch eine geringe Wasserführung. In Zeiten des Klimawandels mit zunehmendem Wassermangel sollte das nicht vernachlässigt werden.
Kleinkläranlagen können auch die richtige Antwort auf demografisch notwendige Anpassungen sein und sie lassen sich gut in Modulen betreiben. Das heißt, sie können bei Notwendigkeit leicht zurückgebaut oder auch erweitert werden. Anpassung an die demografische Entwicklung kann aber auch bedeuten: gezielter Rückbau von Abwasserinfrastrukturen. Dazu haben wir noch nicht so richtig ein Konzept von Ihnen, Herr Tillich, zur Kenntnis bekommen.
Im Großen und Ganzen freuen wir uns natürlich, dass diese Debatte hier geführt wird. Sie ist vielleicht auch angezeigt angesichts des Kurswechsels, den Sie jetzt einleiten. Aber sei es drum, wir freuen uns über diese Umstellung der Förderpolitik. Wir erhoffen uns davon eine ökologischere, kostengünstigere, flexiblere und demografiegerechtere Abwasserentsorgung in Sachsen.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nachdem Prof. Mannsfeld die Bilanz gezogen hat, möchte ich den Blick auf die Perspektive lenken.
Ich möchte gleich von vornherein sagen: Es handelt sich nicht, Frau Roth, um einen längst fälligen Wechsel nach
dem Motto „Rein in die Kartoffeln, raus aus den Kartoffeln“, sondern um eine Anpassung an den derzeit erreichten Stand und an neue Gegebenheiten.
Wir haben mit der Umsetzung der EU-Kommunalabwasserrichtlinie zum Ende letzten Jahres in Sachsen einen wichtigen Meilenstein beim Ausbau der Abwasserbeseitigung erreicht. Wir hatten dafür nur 15 Jahre Zeit, aber wir haben es geschafft, auch wenn es bei einigen Maßnahmen noch einer abschließenden Fertigstellung bedarf.
Über das ganze Land gerechnet, beträgt der Anschlussgrad an öffentliche Kläranlagen jetzt 83 %. Wir müssen uns nun unter zwei schwierigen Rahmenbedingungen die Frage stellen: Wie gehen wir mit den restlichen 17 % um?
Das sind erstens die Folgen des Bevölkerungsverlustes vor allem im ländlichen Raum und zweitens der in der kommenden Strukturfondsförderperiode der Europäischen Union von 2007 bis 2013 stark degressive Finanzrahmen für diesen Bereich.
Feststellen möchte ich, dass sich bis Ende 2008 beide Förderperioden überschneiden, dass sich also zwei Finanzierungsinstrumente überlappen. Zunächst gelten durch die N+2-Regeln die alten Förderkonditionen zur Abfinanzierung bereits bewilligter Projekte zur Umsetzung der EU-Kommunalabwasserrichtlinie weiter. Der Finanzrahmen, der uns dafür zur Verfügung steht, beträgt rund 60 Millionen Euro. Parallel dazu startet ab 2007 die neue Förderperiode mit im Durchschnitt 37 Millionen Euro nach den neuen Spielregeln, auf die ich aber noch zu sprechen komme.
Weniger werdende Mittel waren zu jeder Zeit Anreiz zu intelligenten Lösungen. Ich will nicht in Abrede stellen, was vorhin hier diskutiert worden ist, dass – aus heutiger Sicht – die hohen Fördersätze vor allem in den ersten Jahren in wenigen Einzelfällen, eben nicht allgemein, wie das von der Opposition immer dargestellt wird, Aufgabenträger zu auf Zuwachs geplanten Netzen und Kläranlagen verleitet haben.
Ich muss aber auch feststellen, dass die Opposition mit ihren besserwisserischen Sprüchen nicht nur jetzt in dieser Debatte – Ihre Sprechzettel, Frau Roth, sind eigentlich austauschbar, wir hören und lesen in den Protokollen immer wieder dieselben Redesequenzen –
der kommunalen Ebene stets Unrecht durch ihre Pauschalisierungen getan hat, wenn sie mit dem Wissen von heute Planungen von gestern verreißt.
Das Investitionsvolumen wäre nicht so riesengroß gewesen, hätten – wie im westlichen Teil unseres Vaterlandes – eben nicht nur 15 Jahre, sondern über 50 Jahre Zeit zur Verfügung gestanden, um ein zeitgemäßes Entsorgungsnetz aufzubauen.
Noch einmal zurück zur Ausgangsfrage: Wie soll die künftige Strategie aussehen? Die Antwort kann nur lauten: passgenaue Lösungen für jeden spezifischen Fall.
Die Staatsregierung sollte bei der Erarbeitung der Förderrichtlinie für die kommende Strukturfondsperiode Möglichkeiten schaffen sowohl für die Abrundung bereits begonnener zentraler Entsorgungsprojekte zur Erhöhung von deren Wirtschaftlichkeit, wenn es sich gegenüber dezentraler Entsorgung rechnet, weitere Einwohner an das zentrale Netz heranzuführen. Zweitens sollte die neue Richtlinie aber auch, wenn die erstgenannte Variante ökonomisch nicht vertretbar ist, dezentrale Lösungen ermöglichen, wobei dezentral eben nicht zwangsläufig einzelne private Kleinkläranlagen bedeuten muss. Die Förderung einer solchen sollte aber, wenn in einem überschaubaren Zeitraum – im Wassergesetz sind 15 Jahre Bestandsschutz vorgesehen – eine kanaltechnische Erschließung weder erfolgen wird noch sinnvoll ist, gegebenenfalls auch möglich sein.
Der Bevölkerung im ländlichen Raum darf es nicht passieren, dass den Letzten die Hunde beißen, weil keine Fördermittel mehr vorhanden sind. Die Aufgabenträger selbst sollten im Rahmen ihrer kommunalen Zuständigkeit entscheiden können, wie sie künftig in ihrem Entsorgungsgebiet verfahren wollen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Durch gezielte förderpolitische Flankierung und die Bemühungen, jeden Einzelnen in seiner Verantwortung für die Schöpfung mitzunehmen, bin ich optimistisch, gegen Ende der kommenden Förderperiode auch im ländlichen Raum eine flächendeckende Abwasserentsorgung nach Stand der Technik erreichen zu können. Ich lade die Opposition ausdrücklich ein, diesen Prozess konstruktiv und nicht oberlehrerhaft zu begleiten.
Wird von der Fraktion der SPD noch das Wort gewünscht? Frau Dr. Deicke? – Dann bitte Frau Roth von der Linksfraktion.PDS.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kollegin Windisch, seit Jahren streitet die Linksfraktion.PDS hier im Landtag für die bessere Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger an den Planungen für Abwasserbeseitigungsanlagen und an der Erarbeitung der Abwasserbeseitigungskonzepte. Die Linksfraktion.PDS legte ein Gesetz für die Entlastung der Einwohner von Kommunalabgaben vor. Sie stritt für die staatliche Förderung sowohl der Umrüstung als auch des Neubaus von Grundstückskläranlagen im ländlichen Raum.
(Beifall bei der Linksfraktion.PDS – Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: So waren wir immer!)