Protocol of the Session on October 11, 2006

Ab Jahresbeginn 2006 müssen die Anforderungen in gemeindlichen Gebieten unter 2 000 Einwohnern erfüllt werden, das heißt Sicherstellung einer geeigneten Abwasserbehandlung, mit der gewährleistet wird, dass die aufnehmenden Gewässer den maßgeblichen Qualitätszielen sowie den Bestimmungen aller einschlägigen EURichtlinien entsprechen.

Meine Damen und Herren! Die EU-Kommunalabwasserrichtlinie berücksichtigt, dass einer zentralen Abwasserbeseitigung Grenzen gesetzt sind. Wenn die Kanalisation entweder keinen Nutzen für die Umwelt mit sich bringt oder unverhältnismäßig teuer ist, können auch andere Lösungen zur Anwendung gebracht werden. Es muss also nicht auf Teufel komm raus der Anschlussgrad an eine öffentliche Kanalisation erhöht werden.

In der Vergangenheit hat man sich trotzdem mit dezentralen Lösungen sehr schwer getan. Einerseits fehlte lange Zeit das Vertrauen in die dezentrale Technik. Sie galt deswegen hauptsächlich als Übergangslösung. Anderer

seits hat die EU den Bau der Kanalisationen sehr gut gefördert und Planer waren deshalb an kleinteiligen kostengünstigen Lösungen nicht interessiert. Man muss aber auch konstatieren, dass die bisherige Förderung auf der Grundlage der „Förderrichtlinie Wasserwirtschaft“ wesentlich dazu beigetragen hat, dass erstens die Aufgabenträger trotz angespannter Finanzlage Investitionen zur Erreichung der umweltpolitischen Zielstellungen der EUKommunalabwasserrichtlinie durchführen konnten und können und dass zweitens trotz erheblicher Investitionstätigkeit die Beiträge und Gebühren für die Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung überwiegend im zumutbaren Rahmen gehalten werden konnten.

Wenn man sich die bisherigen Wirkungen der Förderrichtlinie anschaut, stellt man fest, dass daraus entsprechende Konsequenzen für zukünftige Erfordernisse abgeleitet werden müssen, auch deshalb, weil die Fördermittel der EU in der kommenden Förderperiode nicht mehr in dem Maße wie bisher fließen werden. Die neue „Förderrichtlinie Siedlungswasserwirtschaft“ muss daher darauf abzielen, dass über die Steuerungsfunktion der Richtlinie die vorhandenen Mittel effektiver zur Erreichung der Zielstellung eingesetzt werden.

(Beifall der Abg. Andrea Roth, Linksfraktion.PDS)

Außerdem sollen Fehlentwicklungen vermieden werden, die durch eine Förderung möglicherweise begünstigt würden.

Die SPD-Fraktion ist zuversichtlich, dass dies mit der neuen Förderrichtlinie gelingen wird. Die Richtlinie schlägt nämlich einen völlig neuen Kurs ein. Sie basiert auf dem Grundsatz, dass gleichwertige Formen der Abwasserbeseitigung auch gleichwertige Fördermöglichkeiten erhalten. Der Knackpunkt dabei ist, dass nicht mehr die Gefahr besteht, dass Entscheidungen über bestimmte Maßnahmen vorrangig unter dem Gesichtspunkt der Förderung getroffen werden. Endlich ist der Weg frei, auch private Kleinkläranlagen zu fördern. Dieser Kurswechsel ist überfällig, Herr Mannsfeld, Sie haben völlig recht; das werden wir auch weiterhin so sehen. Dafür hat sich die SPD-Fraktion schon lange stark gemacht. Das verlangt in jedem Fall dem Standort angepasste Einzelbetrachtungen. Hierbei sind die Aufgabenträger gefragt, ihre Abwasserbeseitigungskonzepte entsprechend zu überprüfen bzw. fortzuschreiben, um den betroffenen Kleineinleitern verlässlich Auskunft zu geben, inwieweit das betreffende Gebiet dauerhaft dezentral entsorgt werden wird. Nur mit dieser Klarheit werden wir weitere Schritte bei der Umsetzung der EUKommunalabwasserrichtlinie zielgerichtet bewältigen können.

Schönen Dank.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der CDU)

Ich erteile der Linksfraktion.PDS das Wort; Frau Roth, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Mit dieser Aktuellen Debatte soll der längst überfällige Wechsel in der Abwasserpolitik der Staatsregierung offiziell eingeläutet werden.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Sehr spät!)

Auch wenn diese abwasserpolitische Wende um mehr als ein Jahrzehnt zu spät kommt, stimmt die Linksfraktion.PDS gern in den Jubel ein.

(Beifall des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS)

Sie tut das mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Um das weinende Auge zu erklären, lassen Sie uns einen tränenverschleierten Blick zurück werfen. Am Anfang sächsischer Abwasserpolitik stand der Urknall. Das war die berühmt-berüchtigte abwassertechnische Grundsatzplanung. Sachsen sollte danach mit Großkläranlagen und einem weit verzweigten Kanalnetz überzogen werden: blühende Landschaften unter der Erdoberfläche. Die PDS-Fraktion im Sächsischen Landtag hielt dies – wie viele Bürgerinnen und Bürger im ländlichen Raum – für den Super-GAU, den größten anzunehmenden Unfug. Im ehemaligen Landkreis Zittau sollte zum Beispiel das gesamte Abwasser der Städte und Gemeinden zu einer Großkläranlage gepumpt werden.

(Heinz Lehmann, CDU: Das ist blanker Unsinn! - Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Das ist Unsinn, das stimmt!)

Schauen Sie in die Grundsatzplanung! – Ostelbien, der Zweckverband Beilrode-Arzberg, steht für diese fehlgeschlagene Abwasserpolitik, unter der die Menschen vor Ort noch heute leiden.

Nach der Überprüfung der Abwasserkonzepte durch Price-Waterhouse in den Jahren 1994 und 1995 begann das Zurückrudern des Umweltministeriums, jedoch nur halbherzig. Dabei hätte die EU-Richtlinie vom 21. Mai 1991 über die Behandlung des kommunalen Abwassers eine differenziertere und sozialfreundliche Abwasserpolitik gestattet. Artikel 3 der EU-Richtlinie enthält eine Sonderregelung, die für die Erarbeitung der Ortsentwässerungspläne von großer praktischer Bedeutung gewesen wäre. Ich zitiere:

„Ist die Einrichtung einer Kanalisation nicht gerechtfertigt, weil sie entweder keinen Nutzen für die Umwelt mit sich bringen würde oder mit übermäßigen Kosten verbunden wäre, so sind individuelle Systeme oder andere geeignete Maßnahmen erforderlich, die das gleiche Umweltschutzniveau gewährleisten.“

So steht es in der seit Mai 1991 – ich wiederhole: Mai 1991 – gültigen Richtlinie.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Hört, hört!)

Warum die Abwasserlobby bis in das Umweltministerium hinein diese Möglichkeit kategorisch verneinte – dreimal dürfen Sie raten: Eine Goldgrube wäre verloren gegangen. Überhaupt hatten die Ministeriellen so ihre Probleme mit der Auslegung der kommunalen Abwasserrichtlinie.

Ich erinnere an die unzulässige Eingrenzung der sogenannten empfindlichen Gebiete in Sachsen. Ich denke auch an die wohl vorsätzlich falsche Gleichsetzung des rein technisch bestimmten Gemeindebegriffs der Richtlinie mit dem Gemeindebegriff der Gemeindeordnung. Die Krönung jener Zeit war das Versprechen des damaligen Ministerpräsidenten Biedenkopf auf der Montagsdemonstration am 28. August 1995. Ich zitiere aus seiner Rede:

„Es ist offensichtlich unmöglich, dass die Investitionen Wasser, Abwasser, Straße von den Gemeinden und insbesondere von den Grundstückseigentümern allein finanziert werden. Da haben wir im Kabinett diskutiert: Als mögliche Belastung 8 Mark, alles zusammen, also Wasser, Abwasser mit Investkosten in den Gebühren drin … Wenn ich Ihnen das so sage, dann wird das auch so gemacht. Das haben wir in den letzten Jahren eigentlich immer so gehalten und ich habe die Absicht, das auch in Zukunft so zu machen, weil wir sonst nicht weiterkommen.“

Das waren die Worte des Ministerpräsidenten Biedenkopf anno 1995.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Hört, hört!)

Die Zukunft hat nunmehr elf Jahre auf sich warten lassen. Nun ist es so weit. – Dazu komme ich im zweiten Teil.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Ich erteile der Fraktion der NPD das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der plötzliche Sinneswandel der Regierungskoalition bei der Frage der Abwasserbeseitigung in Sachsen kommt zwar etwas überraschend, dennoch begrüßen auch wir von der NPD-Fraktion diesen ersten Schritt in die richtige Richtung.

Zentrale und dezentrale Abwassersysteme müssen und können gleichberechtigte Partner sein. Dezentrale Abwassersysteme sind schon lange auf einem so hohen technologischen Stand, dass sie in ihrer Funktionalität zentralen Systemen in nichts nachstehen. An wirtschaftlich sinnvollen Stellen eingesetzt, können sie eine echte Alternative zu teuren zentralen Entsorgungsvarianten darstellen. In der Vergangenheit wurden preiswerte Einzellösungen in Sachsen jedoch verhindert, obwohl es schon seit einigen Jahren genügend Erfahrungen und positive Beispiele auch aus anderen Bundesländern gab.

Stattdessen wurden weiter Jahr für Jahr Hunderte Millionen Euro in völlig überdimensionierte zentrale Anlagen investiert, ohne dabei zu beachten, dass für die verbesser

te Auslastung zentraler Anlagen ein viel zu hoher Preis gezahlt wurde. Jetzt, da weniger von unseren Steuergeldern aus den Fördertöpfen der EU nach Sachsen zurückfließt, besinnt man sich und versucht der grenzenlosen Geldverschwendung ein Ende zu bereiten. Das wäre eigentlich schon längst fällig gewesen. Ein Großteil der Zweckverbände in Sachsen ist teilweise enorm verschuldet und ein Teil wird nur durch die Unterstützung des Staates überhaupt handlungsfähig bleiben.

Eine Förderrichtlinie mit Investitionszuschüssen für Kleinkläranlagen, wie sie nun ab 2007 in Sachsen gelten soll, gibt es in Bayern übrigens bereits seit 2003. Diese Förderrichtlinie allein wird die bestehenden Probleme aber nicht lösen können. Die Abwasserzweckverbände müssen jeder Errichtung einer Kleinkläranlage in ihrem Entsorgungsgebiet zustimmen, was richtig ist. Das setzt aber voraus, dass für alle Grundstücke feststeht, ob und bis wann Grundstücke vielleicht doch noch an eine zentrale Abwasseranlage angeschlossen werden sollen.

Genau dort liegt dann das Problem. Langfristig versuchen die Abwasserzweckverbände einen höheren Anschlussgrad zu erreichen, um die Kosten ihrer zum Teil erheblich überdimensionierten Anlagen zu verteilen. Aus deren Sicht ist das völlig verständlich. Es bedeutet aber, dass sich viele Zweckverbände sehr lange die Option offenhalten werden, je nach Kassenlage weitere einzelne Ortsteile oder Straßen an das bestehende Netz anzuschließen.

Dort besteht seitens des Freistaates Sachsen noch weiterer Handlungsbedarf. Der Freistaat muss endlich seine Aufsichtspflicht auch wahrnehmen. Es hat nichts mit Einmischung in die kommunale Selbstverwaltung zu tun, wenn der Freistaat die Konzepte der kommunalen Aufgabenträger entsprechend überprüft und unter die Lupe nimmt. Diese Überprüfung wird gerade in Anbetracht der sinkenden Höhe der Investitionszuschüsse zwingend notwendig, um die Zweckverbände langfristig auf eine solide finanzielle Basis zu stellen und gleichzeitig die Grundstücksbesitzer vor extremen finanziellen Belastungen zu bewahren.

Das Problem der demografischen Entwicklung und die damit verbundenen Auswirkungen auf die Auslastung von Abwasseranlagen sind nicht erst seit gestern bekannt. Die Gebühren für Abwasser werden aufgrund des Bevölkerungsrückgangs in den kommenden Jahren stetig ansteigen. Die riesigen Investitionssummen der letzten Jahre müssen in Zukunft auf immer weniger Menschen verteilt werden. Diesem Problem muss man begegnen – aber nicht, indem man versucht, einen Fehler mit einem neuen Fehler auszumerzen. Die Kommunen versuchen auf Teufel komm raus immer mehr Anschlüsse zu realisieren, um der langsamen Kostenexplosion zu begegnen. Was dabei oftmals vergessen wird, sind die immensen Belastungen der kleinen Leute, die die Baukosten letztlich mitzutragen haben, und der Steuerzahler, der die Förderung der riesigen Investitionssummen mitbezahlt.

Mit dem Erlass der Förderrichtlinie und der nun angekündigten Verteilung der Investitionsmittel kann der Freistaat

das Problem nicht vollständig lösen. Jetzt muss der zweite Schritt folgen. Die Kommunen müssen aufgefordert werden, eine klare Gebietskulisse für die zentrale Abwasserbeseitigung festzulegen. Nur dann kann die Förderung auch von allen in Anspruch genommen und das Ziel einer fachgerechten Abwasserentsorgung flächendeckend erreicht werden.

Die Kommunen sind auch in der Pflicht, die Bürger bei der Planung, dem Bau und der Wartung dezentraler Abwasseranlagen zu unterstützen. Kostengünstige Gemeinschaftsprojekte und Gruppenlösungen bei Betrieb und Wartung können nur funktionieren, wenn die Kommunen koordinierend und unterstützend wirken. Dazu ist nicht zuletzt der Freistaat gefordert, die kommunale Ebene bei der Durchführung dieser Aufgaben nach allen Kräften zu unterstützen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der NPD)

Ich erteile der Fraktion der FDP das Wort. Herr Günther, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wie wir eben in den Debattenbeiträgen gehört haben, ist der Stand der Abwasserbeseitigung in Sachsen, was den Anschlussgrad betrifft, auf einem sehr hohen Niveau. Allein zwischen den Jahren 1991 und 2001 wurden 629 kommunale Kläranlagen neu errichtet. Trotzdem gibt es bei der Umsetzung der EUKommunalabwasserrichtlinie noch Probleme, über die wir hier sprechen müssen.

Wir Liberalen sind der Meinung, dass die jetzt schon bekannten Veränderungen, die der demografische Wandel in den nächsten Jahren mit sich bringen wird, unbedingt in die perspektivische Planung aufzunehmen sind. Dabei sind Schnittmengen zwischen den Aufgaben aus der Umsetzung der EU-Kommunalabwasserrichtlinie und dem demografischen Wandel zu beachten. Es kann nicht sein, dass der Freistaat in vorauseilendem Gehorsam bis 2015 weitere abwassertechnische Fakten schafft, die nach dem jetzigen Kenntnisstand spätestens 2020 aufgrund des dann eingetretenen demografischen Wandels gar nicht mehr notwendig gewesen wären.

(Beifall bei der FDP)

In der „Freien Presse“ war hierzu am 07.10. die Warnung des Zweckverbandes „Mittleres Erzgebirgsvorland“ zu lesen. Ich zitiere:

„Besonders deutlich wird das in einem Gebiet wie dem Mittleren Erzgebirgsvorland. Zurzeit leben hier im Schnitt 161 Einwohner pro Quadratkilometer. Im Jahre 2025 werden es nur noch 130 sein, die dann zwar auch weniger Wasser verbrauchen, die nötigen Investitionen und hohen Fixkosten aber trotzdem zahlen müssen. Die Gebühren für Wasser und Abwasser werden dann um etwa 20 % steigen.“

Das, meine Damen und Herren, ist den Menschen gerade im ländlichen Raum nicht zuzumuten.

Die von den Verbänden selbst vorgeschlagenen Lösungen, zu Konzentrationsprozessen zu kommen, beispielsweise durch die Zusammenlegung von Wasser- und Abwasserverbänden, halten wir Liberalen für einen guten Ansatz, der aber im Einzelfall zu prüfen ist. In jedem Fall wären wohl Einsparpotenziale zu erschließen, die dann dem Bürger zugute kommen müssten.