Protocol of the Session on June 23, 2006

Ich habe an diesem Pult schon einmal von meinem Traum von einer guten Politik in diesem Bereich gesprochen. Ich möchte es gern wiederholen: Sie ist dann erreicht, wenn wir aufhören, von behinderten-, alten- oder kindgerechter Politik zu sprechen, sondern einfach nur von menschengerechter Politik, die im Einklang mit der sie umgebenden Umwelt steht.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der SPD, der CDU, der Linksfraktion.PDS und der Staatsregierung)

Die NPD-Fraktion erhält das Wort. Herr Petzold, bitte.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Behindert sind nach § 2 Abs. 1 des neuen Sozialgesetzbuches Menschen, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Wenn die Beeinträchtigung der Teilhabe zu erwarten ist, ist die Person von einer Behinderung bedroht. Dies ist die Definition. Spätestens mit der Aufnahme des Benachteiligungsverbotes von Menschen mit Behinderung in das Grundgesetz im Jahre 1994 lehnen sich manche in die Sessel zurück und meinen, nun wäre alles erreicht.

Das In-Kraft-Treten des neuen Sozialgesetzbuches 2001 und des Gesetzes zur Gleichstellung behinderter Menschen im Jahre 2002 sind sicherlich die jüngsten gesetzlichen Initiativen zur Verbesserung der Lebenssituation behinderter Menschen. Leider ist dies immer noch nur auf dem Papier erfolgt. Zu bemängeln ist die konsequente Umsetzung durch die jeweiligen Kostenträger wie die Rentenversicherung, die Krankenversicherung oder die Agenturen für Arbeit. Die Arbeitsgemeinschaften haben es gleichermaßen versäumt, behinderten, noch erwerbsfähigen hilfsbedürftigen Menschen Beschäftigungsangebote zu unterbreiten.

Schauen Sie sich beispielsweise Kaufhäuser oder öffentliche Straßen und Plätze an. Es ist heute keine Seltenheit, dass große Kaufhäuser immer noch Barrieren für behinderte Menschen darstellen oder Straßen nicht abgesenkt sind und daher Rollstuhlfahrer diese Wege nicht ohne fremde Hilfe nutzen können. Fast zwei Jahre nach dem In-Kraft-Treten des Sächsischen Integrationsfördergesetzes, das die Gleichstellung und die gleichberechtigte Teilhabe am Leben fördern sollte, ziehen die meisten Behinderten-Selbsthilfegruppen eine negative Bilanz.

So fehlt bis heute die damals angekündigte Verordnung zur Bildung des Sächsischen Behindertenbeirates. Zwar wurde durch den Ministerpräsidenten mittlerweile ein Landesbehindertenbeauftragter berufen, was aber sicherlich nur ein schwacher Trost sein kann. Was nützt er, wenn die praktische Umsetzung der Gleichstellungspolitik behinderter Menschen auf kommunaler Ebene stattfindet? Gerade dort aber fehlt dann oft das Geld zur vernünftigen Umsetzung. Ein Behindertenbeauftragter in den Amtsstuben des Freistaates bringt überhaupt nichts weiter, wenn die Umsetzung in den Kommunen finanziell nicht möglich ist.

Ein weiteres Beispiel ist sicherlich auch die aus Kostengründen durchgeführte Veränderung der Eingliederungsleistung des kommunalen Sozialverbandes Sachsen. Auch hier nützen Gesetze wenig, wenn die Praxis an finanziellen Mitteln scheitert. Doch gravierender sind die immer wieder ins Gespräch gebrachten Pläne wie der Abbau von weiteren Subventionen, Freifahrtmöglichkeiten für Schwerbehinderte im öffentlichen Personenverkehr oder Einschnitte in die Befreiung von Rundfunkgebühren.

Behinderte Menschen und sozial Schwache sind gerade in den letzten Jahren besonders Opfer der Kahlschlagpolitik geworden. Durch die so genannte Gesundheitsreform waren es gerade Behinderte, die durch Praxisgebühr und Zuzahlungen viel mehr als andere belastet wurden.

Dies alles ist sicherlich kein Beleg für eine behindertenfreundliche Politik. Auch wenn die Gesetze klare Regelungen zugunsten von Behinderten treffen, ist die Wirklichkeit leider noch nicht im gesetzlichen Idealzustand angekommen. Es wäre der erste Schritt in die richtige Richtung, wenn die Staatsregierung nun mit Vehemenz das Sächsische Integrationsgesetz umsetzt, das in der letzten Legislaturperiode mit übergroßer Mehrheit, frenetisch gefeiert, beschlossen wurde. Es ist nutz- und wirkungslos, wenn die Umsetzung nicht eingefordert wird. Niemand ist für seine Behinderung selbst verantwortlich. Es ist Aufgabe der Politik, Rahmenbedingungen zu schaffen, die Menschen mit Behinderungen unproblematischer am gesellschaftlichen Miteinander teilhaben lassen.

Ein Sozialstaat lässt sich nicht allein an großen Worten messen, sondern daran, wie er mit Menschen umgeht, die auf die Hilfe der Gemeinschaft angewiesen sind. Dies trifft vor allem auf behinderte Menschen zu. Die heute praktizierte Politik lässt Zweifel am Sozialstaat BRD aufkommen. Die Behindertenpolitik ist hier sicherlich nur ein Teilaspekt dessen, dass die Umverteilung zugunsten der Besserverdienenden auf dem Rücken der sozial Schwachen ausgetragen wird. Wer soziale Sicherung in eine Ermessensleistung umwandelt, der sät Unfrieden und überlässt es einer Wirtschaft, die ausschließlich den Regeln des Wettbewerbs folgt, darüber zu entscheiden, was sie bereit ist sozial abzusichern. Wir stellen uns mit ganzer Kraft dagegen, dass behinderte, alte und kranke Menschen zu Almosenempfängern degradiert werden.

Seit 2002 ist die Zahl der arbeitslosen schwerbehinderten Menschen nahezu permanent gestiegen. Im Novem- ber 2005 waren bundesweit 187 092 schwerbehinderte Menschen arbeitslos. Hier verdeutlichen sich die Probleme und das Auseinanderklaffen von Anspruch und Wirklichkeit am besten. Für eine selbstbestimmte Teilhabe und Chancengleichheit behinderter Menschen ist ihre wirkliche Integration eine wichtige Voraussetzung. Hier gibt es noch viel zu tun.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der NPD)

Die FDP-Fraktion erhält das Wort. Frau Schütz, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die vorliegende Beantwortung der Großen Anfrage zur Situation behinderter Menschen im Freistaat Sachsen gibt uns als Abgeordneten einen guten und intensiven Einblick in die Situation behinderter Menschen hier im Freistaat. Dabei zeigt sich, dass in den vergangenen Jahren viel passiert ist. Zahlrei

che Gesetze und Verordnungen auf Landes-, Bundes- und Europaebene wurden erlassen, alle mit dem Ziel, das Leben behinderter Menschen zu verbessern.

Das Sächsische Integrationsgesetz als Minimalkonsens aller Beteiligten wurde im 1. Halbjahr 2004 verabschiedet. Wir haben seit dem letzten Jahr einen Behindertenbeauftragten im Freistaat Sachsen. Dass erst nach über einem Jahr nach Verabschiedung des Sächsischen Integrationsgesetzes ein Behindertenbeauftragter bestellt wurde, ist ein Beispiel dafür, wie lange es dauert, bis die ohne Zweifel vorhandenen gesetzlichen Verbesserungen in die Wirklichkeit umgesetzt werden können.

Auf die ausstehenden Verordnungen hat Herr Wehner bereits hingewiesen. Die gesetzlichen Regelungen und Rahmenbedingungen zielen dabei verstärkt auf eine selbstbestimmte Teilhabe Behinderter am gesellschaftlichen Leben, das heißt Teilhabe am Arbeitsleben, an Kultur, Bildung, Freizeit, Sport und an unserer mobilen Gesellschaft. Insbesondere die Teilhabe am Arbeitsleben gestaltet sich immer schwieriger. Trotz Eingliederungshilfe und Anreiz- und Belastungssystemen, die mal mehr, mal weniger gut wirken, gibt es Vorbehalte bei den Arbeitgebern.

Schaut man sich die Zahlen an, so hat sich die Arbeitslosigkeit Behinderter absolut und prozentual erhöht. Im Jahr 1996, also vor zehn Jahren, gab es 5 575 schwerbehinderte Arbeitslose. Dies machte damals 1,7 % aller Arbeitslosen aus. Ende des Jahres 2005 werden es im Jahresdurchschnitt etwa 11 000 Menschen sein. Der Anteil an den Gesamtarbeitslosen wird dabei zirka 2,7 % erreichen. Hier haben wir also keinen Fortschritt erzielen können.

Das Programm der Bundesregierung hat, wie an den Zahlen in Sachsen erkennbar ist, aber auch bundesweit, eben nur kurzfristige Absenkungen der Arbeitslosigkeit bewirkt. Eine langfristige Wirkung blieb aus. Dabei spielt im Freistaat Sachsen besonders der Personalabbau in der öffentlichen Verwaltung eine Rolle. Die öffentliche Verwaltung ist das Beschäftigungsfeld für Menschen mit Behinderungen. Die Stellen von in Ruhestand gehenden Schwerbehinderten werden nicht mit Schwerbehinderten nachbesetzt, sondern sie werden in der Regel als Einsparpotenzial gleich ganz gestrichen. Das Beschäftigungsfeld wird also kleiner, ohne dass neue erschlossen werden. Ob dies der richtige Weg zur Effizienzsteigerung ist, ist fraglich. Offenbar ist es aber der einfachste Weg.

(Beifall bei der FDP)

Schlussfolgernd muss dies auch heißen: Es ist für Menschen mit Behinderungen eine spezielle Berufsorientierung zu entwickeln und die Beratung dafür ist umfassender zu gestalten. Dafür brauchen wir eine ebenso flächendeckende Beratungsmöglichkeit. In den Landkreisen Torgau-Oschatz, Döbeln und im Niederschlesischen Oberlausitzkreis gab es im Jahr 2003 jedoch weder ambulante Dienste noch Beratungsstellen für Menschen mit Behinderungen. Speziell im ländlichen Bereich finden

Menschen mit Behinderungen zurzeit – zumindest nach der Beantwortung der Großen Anfrage und den dargestellten Ausführungen – keinen direkten Ansprechpartner. Dies müsste in Zukunft wieder geändert werden.

Ein weiterer Punkt ist zum Beispiel die Teilhabe an der Kultur. Haben Sie sich einmal erkundigt, wie viele Einrichtungen der sächsischen Schlösser, Burgen und Gärten behindertengerecht sind? Nur eine von 22 Einrichtungen ist vollständig behindertengerecht: Ausgerechnet die einstmals so schwer zugängliche Festung Königstein ist seit Kurzem für alle Behinderten zu erreichen. Wenn man das bei einer Festung schafft, sollte es doch auch bei anderen Sehenswürdigkeiten, die zurzeit nur eingeschränkt behindertengerecht sind, möglich sein.

Gerade Menschen mit Behinderungen haben es schwer, bei den Mobilitätsanforderungen der heutigen Zeit mithalten zu können. Viele sind auf den öffentlichen Personennahverkehr angewiesen. Auch hierbei gibt es ein deutliches Stadt-Land-Gefälle. In den Städten außerhalb Dresdens, Leipzigs, Plauens oder Chemnitz’ gibt es nicht nur weniger Verbindungen, sondern auch weniger behindertengerecht eingesetzte Fahrzeuge. Im Gegenteil zu den – wie in Dresden – erfreulicherweise immer mehr zum Einsatz kommenden Straßenbahnen und Bussen hat man im ländlichen Raum zu kämpfen, am Wochenende überhaupt mobil zu bleiben.

Wir müssen auch darauf achten, dass einmal Erreichtes nicht durch neue Maßnahmen zerstört wird. Ein Beispiel sind die Regional- und S-Bahnen. Die vorhandenen Rampen können in der Regel nur durch den Zugbegleiter betätigt werden. Als Mensch mit Behinderung hat man manchmal keine Möglichkeit mehr auszusteigen, da sich der Zugbegleiter gerade am anderen Ende des Zuges befindet.

Hier geht mein Appell besonders an die Deutsche Bahn.

Alle Maßnahmen, die der Verbesserung der Lebenssituation von Menschen mit Behinderungen dienen, sind wichtig. Sie müssen immer wieder neu erkämpft und verteidigt werden. Nun gilt es allerdings, die getroffenen gesetzlichen Regelungen noch besser umzusetzen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der Linksfraktion.PDS)

Frau Herrmann, ich erteile Ihnen das Wort für Ihre Fraktion.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Nichts über uns ohne uns“ war der Leitsatz des Europäischen Jahres der Menschen mit Behinderungen 2003, und dieser Leitsatz beschreibt zugleich grünes Politikverständnis. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wollen die gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung in allen Lebensbereichen verwirklichen. Dazu gehören Chancengleichheit und das Selbstbestim

mungsrecht von Menschen mit Behinderungen und ihrer Angehörigen. Wir stehen für Teilhabe statt Ausgrenzung.

Dieses Verständnis, liebe Kolleginnen und Kollegen, hat Spuren in der Politik für Menschen mit Behinderungen hinterlassen. Den Paradigmenwechsel, der in den letzten Jahren in der Behindertenpolitik deutlich sichtbar geschehen ist, haben wir maßgeblich mit vorangebracht und gestaltet. Fürsorge und Versorgung – das war gestern. Heute geht es um selbstbestimmte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben und um die Beseitigung der Hindernisse, die der Chancengleichheit entgegenstehen.

Ein Meilenstein – dies wurde bereits gesagt – war das Sozialgesetzbuch IX. Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen – das ist ein Erfolg für die Betroffenen und für Rot-Grün. Oder denken Sie an das Bundesgleichstellungsgesetz. Dieses bildet zusammen mit den entsprechenden Gesetzen der Länder den rechtlichen Rahmen für Selbstbestimmung und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen.

Ein zentrales Anliegen dieser Gesetze ist die Barrierefreiheit. Sie bezieht sich nicht nur auf bauliche Hindernisse, sondern zum Beispiel auch auf kontrastreiche Gestaltung der Lebensumwelt für Sehbehinderte und den Abbau von Kommunikationsbarrieren für Hörgeschädigte. Dass es in deren Umsetzung noch viele Probleme gibt, darüber haben Mitglieder des Blinden- und Sehbehindertenverbandes vor Kurzem mit den Vertretern der Fraktionen und Ministerien gesprochen. Teilhabe, liebe Kolleginnen und Kollegen, bedeutet, Menschen mit Behinderungen, ihre Angehörigen und ihre Verbände an den Gesetzesvorhaben selbstverständlich zu beteiligen und sie natürlich in die Umsetzung einzubeziehen.

Wie sieht das auf den verschiedenen Ebenen aus? Am Sächsischen Integrationsgesetz, das in Sachsen wirklich viel in Bewegung gebracht hat, kritisieren wir jedoch, dass es nur für die öffentlichen Stellen des Freistaates und nicht für die kommunale Ebene gilt. Gemeinden und Landkreise werden nur auf das Benachteiligungsverbot in Artikel 3 Abs. 2 Satz 2 des Grundgesetzes verwiesen. Im seinerzeit abgelehnten Gesetzentwurf von PDS und SPD, der gemeinsam mit den Behindertenverbänden erarbeitet wurde, galt das Benachteiligungsverbot auch für die Gemeinden und Landkreise.

In der Großen Anfrage hinterfragt die Linksfraktion.PDS den Geltungsbereich des Gesetzes im Abschnitt 5, Frage 6, und die Staatsregierung bleibt bei ihrer Meinung; denn sie habe keine Anhaltspunkte, dass Kommunen dieser Verantwortung nicht gerecht würden. Die Staatsregierung verweist auf das Prinzip der Subsidiarität. Dem kann ich sogar teilweise folgen. Aber die Frage ist: Welchen Gestaltungsspielraum haben die Kommunen? Teilhabe können Sie nun einmal nicht zum Nulltarif haben. Subsidiarität setzt eben auch die nötige Finanzausstattung voraus.

Das Sächsische Integrationsgesetz ist in Kraft. Wie sieht es also mit der Umsetzung aus? Es ist ganz normal, dass wir hier als Oppositionsfraktion natürlich vor allem die

Beispiele anführen, in denen das noch nicht so gut klappt. Ich verweise auf den 5. Abschnitt der Großen Anfrage „Umsetzung des Sächsischen Integrationsgesetzes und Novellierungsbedarf“. Wie sieht es denn mit der Barrierefreiheit aus, zum Beispiel für Menschen mit einer Hör- oder Sprachbehinderung? Haben Gebärdensprache oder geeignete Kommunikationshilfen Eingang gefunden?

Mit dem Erlass der entsprechenden Verordnung ist im kommenden Jahr zu rechnen, das haben wir bereits gehört. Die Behindertenverbände sind dabei, die Ausgestaltung der Ausführungsbestimmungen zu beeinflussen. Allerdings gibt es laut Staatsregierung bisher keine Beeinträchtigung der Rechte von Betroffenen, jedenfalls nicht bei der Kommunikation mit den Behörden des Freistaates. In der Praxis sieht das dann so aus: Bei einem Prozess vor dem Kreisgericht erhält der Betroffene keinen Schriftdolmetscher. Gelangt das Verfahren dann zum Landgericht, wird der Schriftdolmetscher gestellt.

Ein zweites Beispiel: Eine Selbsthilfegruppe macht eine Veranstaltung und braucht einen Schriftdolmetscher. Wer trägt die Kosten? Die Krankenkasse weigert sich, weil es nicht ihre eigene Veranstaltung ist. Wer zahlt dann? Die Selbsthilfegruppe, der Behinderte! – Ein Fall von alltäglicher Benachteiligung.

Eine wesentliche Voraussetzung für Selbstbestimmung und Teilhabe sind die Interessenvertretungen. In § 11 des Sächsischen Integrationsgesetzes von 2004 ist der Sächsische Landesbeirat für die Belange von Menschen mit Behinderung verankert. Dazu ist eine Verwaltungsvorschrift des SMS erforderlich. Diese gibt es noch nicht. Mittlerweile ist der Sächsische Behindertenbeauftragte, Herr Stephan Pöhler, im Amt. Vielleicht ist die Verzögerung ja auch ein Vorteil: Herr Pöhler wird die Ausgestaltung der Verwaltungsvorschrift begleiten. Wir wollen einen Landesbeirat, der die Partizipation der Menschen mit Behinderung und ihrer Verbände ermöglicht. Nichts über uns ohne uns!

Bei den Fragen zu den kommunalen Behindertenbeauftragten im Abschnitt VI der Anfrage verweist die Staatsregierung auf die kommunale Selbstverwaltung. Fakt ist, dass wir in Sachsen nur neun hauptamtliche Behindertenbeauftragte, und diese zumeist in Teilzeit, haben. Gerade ehrenamtliche Behindertenbeauftragte befürchten, nach der anstehenden Kreisreform ihre Aufgaben nicht mehr bewältigen zu können. Dabei sind diese Behindertenbeauftragten unbedingt nötig, um auf der kommunalen Ebene dem Gleichstellungsgesetz vergleichbare Regelungen zu schaffen und diese dann auch umzusetzen, gemeinsam mit den Verwaltungen und den Betroffenenverbänden und – das gebe ich zu – in geduldiger Kleinarbeit.

Was nützt es denn im alltäglichen Leben, wenn wir ab und zu feiern, dass wieder eine öffentliche Einrichtung endlich barrierefrei ist? Was ist denn das für ein Signal? Das muss doch selbstverständlich sein!

(Beifall des Abg. Horst Wehner, Linksfraktion.PDS)

Es kommt im Übrigen auch Müttern und Senioren zugute.

Die Kreisreform gebietet es also, dass in den neu zu bildenden größeren Kreisen alle Behindertenbeauftragten hauptamtlich sind. Das muss unser gemeinsames Ziel und auch entsprechend verpflichtend sein.

(Beifall bei den GRÜNEN und der Linksfraktion.PDS)