Protocol of the Session on June 23, 2006

Für die SDPFraktion Herr Bräunig, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Eigentlich verbietet es sich, über Diskriminierungsfragen zu debattieren, wenn die NPD das Thema aufs Tableau gehoben hat.

(Beifall bei der SPD, der CDU, der Linksfraktion.PDS und den GRÜNEN)

Nun haben wir die Situation, dass die FDP politisch höchst unsensibel – das muss man ganz einfach sagen – auf den Zug aufgesprungen ist, auf dem die NPD schon saß.

(Beifall bei der SPD und der Linksfraktion.PDS)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ich gestatte keine Zwischenfragen.

(Jürgen Gansel, NPD: Nehmen Sie da hinten aus der Hausapotheke eine Pille zur Beruhigung!)

Wir hoffen, dass das nicht zur Gewohnheit wird, liebe Kollegen, den Konsens der demokratischen Fraktionen im Umgang mit der NPD zu verlassen.

(Unruhe bei den Fraktionen – Glocke des Präsidenten)

Das war höchst unsensibel, wie Sie hier vorgegangen sind.

(Beifall bei der SPD, der CDU und der Linksfraktion.PDS – Zuruf von der NPD: Es gibt eine Reihe von FDP-Mitgliedern, die mit uns sympathisieren!)

Die Qualität des FDP-Antrages zeigt sich auch daran, dass er wieder einmal ein Plagiat aus Berlin ist. Mich würde es nicht wundern, wenn er nach und nach in allen anderen Landtagen in Deutschland kursiert. Das macht die FDP nämlich immer dann, wenn ihre Lobbyisten keine Ruhe geben. Mein geschätzter Kollege Stefan Brangs hat vorgestern bei der Debatte um die Zukunft der Sportwetten diese Taktik schon entlarvt, sodass ich hier nicht weiter darauf eingehen möchte.

Zum Gleichbehandlungsgesetz lässt sich primär eines sagen: Die Koalition in Berlin hat sich auf einen Kompromiss geeinigt, und zwar abschließend, meine Damen und Herren. Beide Seiten haben dabei Zugeständnisse machen müssen, die ihnen sicherlich nicht leicht gefallen sind. Die CDU konnte zum Beispiel durchsetzen, dass Kirchen auch künftig das Recht haben, eine Beschäftigung von der Religionszugehörigkeit abhängig zu machen. Auch die Ansiedlung der Antidiskriminierungsstelle im Familienministerium bei Frau von der Leyen geht auf das Konto der Union. Im Gegenzug enthält der Kompromiss ein Klagerecht für Betriebsräte und wenige Diskriminierungstatbestände, die tatsächlich über die EU-Richtlinie hinausgehen.

Meine Damen und Herren! Ich weiß, dass Teile der Union, insbesondere Ministerpräsidenten – zum Teil auch „Landesfürsten“ genannt – noch einmal an dem Kompromiss rütteln wollen. Ich glaube aber, dass es um das Gesetz selbst vordergründig nicht geht, sondern vielmehr darum, die Machtposition der Bundeskanzlerin zu demontieren und Frau Merkel und Herrn Kauder in ihrem

Verhandlungsmandat gegenüber der SPD zu beschneiden. Anderenfalls kann ich mir die Vehemenz der Ministerpräsidenten Koch, Wulff & Co. nicht erklären.

Lassen Sie mich aber noch einige Ausführungen zum Gesetz selbst machen. Ich will dabei gar nicht auf den Umstand eingehen, dass die EU-Antidiskriminierungsrichtlinien schon längst hätten umgesetzt werden müssen. Aber angesichts vieler Mutmaßungen um dieses Gesetz muss mit einigen Punkten vielleicht doch noch einmal aufgeräumt werden.

Was viele einfach nicht zur Kenntnis nehmen wollen: Das allgemeine Gleichbehandlungsgesetz sieht ein Diskriminierungsverbot im Privatrecht beispielsweise grundsätzlich nur für den Fall vor, wenn es sich um ein Massengeschäft handelt. Das ist regelmäßig dann der Fall, wenn es dem Vertragspartner in üblicher Weise nicht darauf ankommt, mit wem er einen Vertrag schließt. Der Privatvermieter darf sich beispielsweise seine Mieter weiterhin frei auswählen.

Auch das Märchen vom bürokratischen Ungetüm – wir haben es heute wieder gehört –, der falschen Beweislastregel und der drohenden Klageflut durch mögliche Querulanten usw. ist durch die Erfahrungen in den anderen europäischen Ländern einfach gründlich widerlegt.

(Zuruf des Abg. Frank Kupfer, CDU)

Die Niederlande beispielsweise und Großbritannien haben schon lange Antidiskriminierungsgesetze, die sogar noch weit über das hinausgehen, was der Bund momentan plant. Dort hat es weder eine Prozessflut gegeben noch irgendwelche Beeinträchtigungen der Wirtschaft. Sie, meine Dame und meine Herren von der FDP, führen ja diese Länder – Niederlande und Großbritannien – immer wieder einmal als gelungenes Beispiel für besonders gute Wirtschaftspolitik an.

Dies alles zeigt, dass wir wieder einmal eine typisch deutsche Scheindebatte führen. Die SPD-Fraktion hier im Landtag unterstützt die Bemühungen des Bundes, ein allgemeines Gleichbehandlungsgesetz auf den Weg zu bringen. Wir werden die Anträge von NPD und FDP ablehnen. Ich gehe davon aus, dass der Kompromiss der großen Koalition, so wie er am 10. Mai im Bundeskabinett beschlossen wurde, trotz der Vorbehalte einiger Länder so in Kraft treten wird, und möglichst noch in diesem Sommer. Und das ist gut so.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)

Die GRÜNEN werden vertreten durch Herrn Lichdi.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Jetzt haben wir also am Freitagabend zu später Stunde den wieder aufgewärmten Pseudowahlkampfschlager der CDU und der SPD aus dem letzten Bundestagswahlkampf.

Die FDP nimmt hier sozusagen die Gelegenheit wahr, nachdem die CDU in Berlin auf dem Boden des EURechts endlich angekommen ist, also bemerken musste, dass der rot-grüne Gesetzentwurf, der im Grundsatz jetzt auch ihr AGG ist, eben schon eins zu eins dem EU-Recht entspricht. Sie können es so oft wiederholen, wie Sie wollen, es wird dadurch nicht wahrer. Es ist einfach unzutreffend, dass hier etwa auf das EU-Recht aufgesattelt werden würde.

Die meisten Vorschriften, die Sie, Herr Martens, in Ihren Antrag hineingeschrieben haben – ich habe es jetzt vom Kollegen Bräunig gehört, er ist abgeschrieben, das glaube ich gern, ich habe es nicht nachgeprüft, aber das sind wir von Ihnen durchaus gewohnt –, lassen sich so eins zu eins im Gesetz finden.

(Zuruf des Abg. Dr. Jürgen Martens, FDP)

Ich fange einfach mal an. Sie bemängeln im § 7 des AGG, dass dort der Tatbestand der versuchten Diskriminierung eingeführt werden sollte. Was Sie bemängeln, ist offensichtlich, dass, wenn ein Diskriminierer, ein Täter, irrtümlich annimmt, dass es sich um einen Schwulen, um einen Behinderten, um einen irgendwie sonst geschützten Menschen handelt, und er sich irrt, dies dann keine Diskriminierung sein soll. Das ist natürlich eine völlig absurde Vorstellung. Es kann bei der Frage der Diskriminierung nicht auf die subjektive Absicht dessen, der diskriminiert, ankommen.

Den § 17 haben Sie angesprochen. Da geht es um das angebliche Gewerkschaftsklagerecht. Dieses Gewerkschaftsklagerecht besteht im Rahmen des Betriebsverfassungsgesetzes. Wir halten es durchaus für richtig, dass die Gewerkschaften dort auch eine Aufgabe bekommen.

Sie monieren § 25 – Herr Dr. Martens, wenn Sie zuhören würden –, dass es eine Antidiskriminierungsstelle bei der Bundesfrauenministerin gibt. Genau das steht schon im Artikel 13 der Richtlinie 00/43, die Sie eigentlich auch kennen sollten. Jetzt, das muss ich Ihnen zugestehen, haben Sie einen kleinen Punkt gemacht. Der Beirat ist tatsächlich nicht ausdrücklich in der Richtlinie drin. Allerdings ist dort vom Dialog mit den gesellschaftlichen Gruppen die Rede. Okay!

Dann kommt natürlich die Beweislastregel. Die darf auch nicht fehlen. Artikel 8 der Richtlinie darf ich mal zitieren, Sie beschäftigen sich ja nicht mit den Dingen. Dort steht ausdrücklich drin: „… die Glaubhaftmachung von Tatsachen, die die Vermutung einer Diskriminierung begründen“. Genau das ist zwingendes Recht. Nicht mehr steht im deutschen Gesetzentwurf drin.

Also, Sie bauen hier Popanze aus ideologischen Gründen auf. Das ist einfach richtig durchsichtig.

Ja, Herr Kollege Martens, wenn Sie hier die ganze Zeit dazwischenrufen, wird das auch nicht wahrer.

(Dr. Jürgen Martens, FDP, steht am Mikrofon.)

Ich habe schon vor einem Jahr – – Nein, ich lasse keine Zwischenfrage zu. Ich möchte Zeit sparen. Außerdem

möchte ich mich jetzt mit der Staatsregierung beschäftigen.

Vor einem Jahr haben wir uns über dieses Thema auch schon unterhalten müssen, weil die CDU noch bei dieser Eins-zu-eins-Geschichte kräftig mitgerührt hat. Damals habe ich einmal gefragt, wie viele Verbandsklagen es in Sachsen seit 2002, seit der Einführung des Behinderten- und Gleichstellungsgesetzes, in dem diese Verbandsklage drinsteht – im Gegensatz zum jetzigen Entwurf des AGG –, gab. Darauf hat mir die Staatsregierung antworten müssen: Es ist bei den Verwaltungs- und Sozialgerichten in Sachsen keine einzige Verbandsklage anhängig.

Dann habe ich weiter gefragt: Wie sieht es denn in den europäischen Ländern aus? Meine Vorrednerin, nein, Herr Bräunig war es, er hat darauf hingewiesen, in den Niederlanden und in England gibt es seit Langem weitergehende Regelungen. Der Staatsregierung sind entsprechende große Klagewellen nicht bekannt.

(Zuruf des Abg. Dr. Jürgen Martens, FDP)

Wenn wir einmal genau hinschauen statt dieses populistischen Krams, der hier die ganze Zeit wieder betrieben wird, dann ist eindeutig, dass Ihre Klage, dass die sächsische Wirtschaft zusammenbricht, völlig an den Haaren herbeigezogen ist.

Selbst wenn Sie sich jetzt hier hinstellen und erklären, wir sind auch gegen die Diskriminierung, dann sage ich Ihnen: Sie sind im hohen Maße unglaubwürdig. Ich nehme Ihnen das nicht ab.

Deswegen werden wir Ihren Antrag mit Wonne und voller Überzeugung ablehnen.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und der Linksfraktion.PDS)

Die Linksfraktion.PDS hatte zwei Redner angekündigt. Herr Kosel, das ist jetzt Ihre Stunde.

(Andrea Roth, Linksfraktion.PDS: Nein, keine Stunde!)

Die hat er auch nicht mehr.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn zuweilen und von gewisser Seite mit Kritik gesagt wird, das bundesdeutsche Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, kurz AGG, greife weiter als es selbst die EU verlangt, dann lässt das aufhorchen. Denn die so daherreden, verraten sich selbst, da sie offenbaren, dass die Europäische Union in ihren Augen niemals Impulsgeber für zivilisatorischen Fortschritt bei den Mitgliedsstaaten sein kann, sondern allenfalls Obergrenze, wenn nicht gar Bremsklotz.

Dies ist aber eindeutig nicht das Europaverständnis der Linksfraktion.PDS im Sächsischen Landtag. So funktioniert Europa auch nicht. Viel mehr besagen die einzelnen Antidiskriminierungsrichtlinien, und zwar die