Dies ist aber eindeutig nicht das Europaverständnis der Linksfraktion.PDS im Sächsischen Landtag. So funktioniert Europa auch nicht. Viel mehr besagen die einzelnen Antidiskriminierungsrichtlinien, und zwar die
Richtlinie 2000/43 EG im Punkt 25 der Präambel und Artikel 6 der Richtlinie 2000/78 EG im Punkt 28 der Präambel und im Artikel 8 der Richtlinie 2002/73 EG, im Artikel 8e und die Richtlinie 2004/113 EG im Punkt 26 der Präambel und im Artikel 7 eindeutig, dass die EU nur gemeinsame Mindestanforderungen festlegt, die es den Mitgliedsstaaten freistellen, günstigere Vorschriften einzuführen oder beizubehalten.
Das ist nicht nur gut so, das ist auch mehr als nötig. Denn ist es nicht eindeutig so, dass alle Versuche und Schritte gegen jegliche Diskriminierung aus Gründen der Wahrung der Menschenrechte nicht weit genug gehen können? Jegliche Diskriminierung ist Menschenrechtsverletzung und auf Deutschland geschaut eine Verletzung des Grundgesetzes.
Ich sage Ihnen: Selbst mit einem weiter als die EU-Vorgabe gehenden Gesetz gegen Diskriminierung wird nicht so schnell, wenn überhaupt, verhindert werden, dass latente Diskriminierung von Menschen weiter praktiziert wird.
Ja, wenn das durchhielte, was Deutschland bis jetzt zur Weltmeisterschaft unter dem Slogan „Die Welt zu Gast bei Freunden“ demonstriert, dann könnte man vielleicht das Wort Diskriminierung in ferner Zukunft aus dem Wortschatz des Alltags streichen.
Aber selbst damit wären noch nicht alle strukturellen Nachteile von Minderheiten – wie zum Beispiel der Sorben – beseitigt, wenn dies Kollegin Antje Hermenau von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN seit dem Bundestagswahlkampf 2002 bei ihren Auftritten in der zweisprachigen Lausitz auch immer wieder behauptete. Um hier voranzukommen, sind weitere positive Maßnahmen, wie sie § 5 des AGG-Entwurfs ermöglicht, vonnöten.
Die Linksfraktionen.PDS im Bundestag, im Landtag Brandenburg und in diesem Hohen Haus haben in den vergangenen Tagen drei solcher positiven Maßnahmen vorgeschlagen: zur notwendigen Finanzierung der Stiftung für das sorbische Volk sowie im Zusammenhang mit der Föderalismusreform die Einführung eines Minderheitenschutzartikels im Grundgesetz und die Möglichkeit einer Mitverantwortung des Bundes für das Minderheitenschulwesen.
Bei Letzterem haben uns die sächsischen GRÜNEN zugestimmt. Vielen Dank dafür! Leider haben uns aber im Bundestag auch die GRÜNEN zum wiederholten Male nicht unterstützt. Meine Damen und Herren von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, wenn Sie weiter Partner einer
progressiven und nachhaltigen Minderheitenpolitik bleiben wollen, dann werden Sie Ihre Bundestagskollegen in Fragen des Minderheitenschutzes weiter sensibilisieren müssen.
Aber lassen wir den Blick in diesem Hohen Hause etwa einen Meter nach rechts schweifen zur FDP, genauer gesagt zur sächsischen FDP. Denn Liberale vom Format eines Dr. Burkhard Hirsch oder einer Sabine LeuthäuserSchnarrenberger hätten uns diesen Tagesordnungspunkt in seiner Skurrilität sicher erspart. Aber die sächsische FDP hat dieses Format nicht, sondern sie will streng darauf achten, dass die bundesdeutschen Antidiskriminierungsnormen auch ja nicht über die EU-Vorgaben hinausgehen. Der Unterschied zwischen diesen Vorgaben der EU und der Inhalt des AGG besteht im wesentlichen Kern darin, dass die EU-Richtlinien bezüglich des Arbeitsrechts festlegen, dass niemand aufgrund von Alter, Behinderung, Rasse, ethnischer Herkunft, Religion, sexueller Identität oder Geschlecht diskriminiert werden darf, das Zivilrecht jedoch nur die Diskriminierung hinsichtlich Rasse, ethnischer Herkunft und Geschlecht verbietet.
Der AGG-Entwurf hat nun die Merkmale Religion, Weltanschauung, Behinderung, Alter und sexuelle Identität auch in den zivilrechtlichen Diskriminierungsschutz einbezogen. Die FDP sollte jetzt offen sagen, ob nach ihrer Auffassung Bürgerinnen und Bürger im Zivilrecht wegen ihrer Behinderung, ihres Alters, ihres Geschlechts, ihrer sexuellen Identität, ihrer Religion oder Weltanschauung diskriminiert werden dürfen. Hierzu erwarte ich heute noch eine Klarstellung von der FDP-Fraktion.
Auch die weiteren, als überbürokratische Diskriminierungsbekämpfung bezeichneten Angriffspunkte der FDP sind nicht stichhaltig, da es sich zumeist um verbindliche Vorgaben der EU oder um Voraussetzungen für einen effektiven Diskriminierungsschutz handelt. Denn da sich Diskriminierte zumeist in einer Druck- und Zwangslage befinden, würde ein Antidiskriminierungsgesetz zum Beispiel ohne die Möglichkeit der Verbands- oder Gewerkschaftsklage, ohne die Tätigkeit einer Antidiskriminierungsstelle des Bundes sowie ohne eine Beweislastumkehr in vielen Fällen ins Leere laufen.
Auch das ökonomische Argument greift nicht im Sinne der FDP. Zwar wird man die konkreten Auswirkungen des Gesetzes insbesondere auf kleine und mittelständische Unternehmen genau zu analysieren und gegebenenfalls in der Rechtsprechung und Gesetzgebung zu berücksichtigen haben; aber schon jetzt zeigen die europäischen Staaten, die – wie Großbritannien, Belgien, Frankreich, Schweden, Irland und die Niederlande – schon vor geraumer Zeit die EU-Antidiskriminierungsrichtlinien in derselben oder einer vergleichbaren Weise wie der AGGEntwurf umgesetzt haben, dass die wirtschaftlichen Horrorszenarien nicht eingetreten sind; denn Diskriminierung schafft keine Arbeitsplätze, Diskriminierung verschwendet Potenziale. Untersuchungen bei Unternehmen in den oben genannten Staaten ergaben, dass in diskriminierungsfreien Unternehmen die Motivation und Qualität
Was bleibt bei dieser Sachlage der FDP-Fraktion? Sie begibt sich argumentativ an den Rockzipfel der Koalition, wo sie ja schon immer hinwollte, und bringt wacker den sächsischen Koalitionsvertrag gegen das AGG in Stellung, indem sie in ihrer Antragsbegründung zitiert: „Die Koalitionspartner bekennen sich zur Umsetzung des EURechts, lehnen jedoch darüber hinausgehende Normen und Standards ab, soweit sie den Interessen Sachsens entgegenstehen.“
Doch was sagt der sächsische Ministerpräsident? Nachdem sich die Lage etwas weiter entwickelt hat, sagt er – Zitat „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ vom 6. Mai 2006 –: „Schließlich geht die Welt nicht unter, wenn man dieses Gesetz in dieser Form beschließt.“ – Arme FDP!
Auch auf Berlin kann man sich nicht mehr verlassen. Die Bundes-CDU, die zunächst entschieden dafür eintrat, das AGG auf die europarechtlichen Erfordernisse zu beschränken, soll dann, wie den Sitzungsprotokollen des Bundestages zu entnehmen ist, das etwas unsittliche Angebot unterbreitet haben, die Merkmale Alter und Behinderung in den Diskriminierungsschutz aufzunehmen, wenn im Gegenzug Homosexuelle und Muslime definitiv herausgenommen würden.
Schließlich schwenkte auch die Bundeskanzlerin um und näherte sich dem schon vorliegenden rot-grünen Gesetzentwurf der vergangenen Legislatur an. Allerdings schien sie nicht genau zu wissen, warum, erklärte sie doch zunächst, sie habe – Zitat – „ganz bewusst entschieden“, später jedoch, sie habe – Zitat – „nicht die Kraft gehabt, den Bitten des Seniorenverbandes der CDU und der Behindertenverbände zu widerstehen“. – Doch dies sind vielleicht schon Alterserscheinungen der Kanzlerin, und ich will sie um Gottes willen deswegen nicht diskriminieren.
Meine Damen und Herren! Ich habe bisher den vorliegenden AGG-Entwurf gegen die Argumente der FDP verteidigt. Ich möchte aber nicht verhehlen, dass er aus unserer Sicht durchaus verbesserungsbedürftig ist.
Die Linksfraktion.PDS hat einen Änderungsantrag vorgelegt, den meine Kollegin Caren Lay im Anschluss einbringen wird; denn wir sind der Meinung, dass die Bundesrepublik zum Beispiel ihrer EU-Ratspräsidentschaft im Jahr 2007, welches unter dem Motto des Europäischen Jahres der Chancengleichheit stehen wird, mit einem solchen Gesetz nicht gerecht werden kann.
Dann kommen wir erst einmal zu den Schlussworten. – Entschuldigung, Herr Morlok, Sie sind noch einmal gemeldet. Gut, dann kommen Sie noch einmal nach vorn, selbstverständlich. Keiner will Sie in Ihren Rechten beschneiden. Herr Morlok hat das Wort.
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sie haben Recht, ich war nur einmal gemeldet und ich hätte auch nur einmal gesprochen, wenn nicht heute in diesem Hohen Hause Dinge vorgefallen wären, wie ich sie heute bzw. überhaupt in meiner Zeit als Abgeordneter noch nicht erlebt habe; denn das, was die Kollegen Bräunig, Lay und Lichdi heute geboten haben,
Sie haben uns als FDP unterstellt, wir wären auf einen Zug der NPD aufgesprungen und würden in dieselbe Kerbe schlagen, also quasi so:
Die FDP hat in ihrem Postfach den NPD-Antrag gesehen und schnell auch noch einen geschrieben. Diesen Eindruck haben Sie hier heute erweckt, und das ist schändlich.
(Lebendiger Beifall bei der FDP – Uwe Leichsenring, NPD: Wir hatten ihn Ihnen doch zugefaxt! – Zuruf des Abg. Karl Nolle, SPD)
Wir haben in diesem Hause auf Antrag der Linksfraktion im letzten Jahr in einer Aktuellen Debatte das Thema schon einmal behandelt. Ich habe damals bereits für meine Fraktion gesprochen und inhaltlich genau dieselbe Position vertreten, wie ich sie heute vertreten habe. Es ist mir vollkommen unbegreiflich, wie Sie angesichts dieser Tatsache auf die Idee kommen, wir wären hier auf irgendeinen Zug der NPD aufgesprungen.
Lieber Herr Porsch, die Tagesordnung: Es ist nun einmal so, dass, wenn verschiedene Fraktionen zu einem Thema ähnliche Anträge vorlegen, man diese zusammenfasst.
Dies ist in der Vergangenheit auch schon so gewesen. Bereits achtmal haben Fraktionen dieses Hauses eine
entsprechende Sache zugelassen, achtmal mit der NPD! Sie unterstellen uns hier Dinge, die einfach nicht wahr sind. Selbst die PDS hat dies schon getan.