Protocol of the Session on June 21, 2006

Der nächste Punkt, den wir unmittelbar beeinflussen können, betrifft den Haushalt. Wir haben über viele Jahre im sächsischen Haushalt eine hohe Investitionsquote gefahren. Diese kam unseren Handwerkern zugute. Wir haben auch Finanzierungsprogramme für unsere Kommunen gehabt und werden das auch weiterhin so machen. Wir haben sicherlich gewisse Zwänge im Haushalt, aber unser Haushalt wird dem Handwerk nutzen.

Ich glaube, dass die CDU-Fraktion mit ihrer Großen Anfrage ein wichtiges Thema aufgegriffen und Rahmenbedingungen vorgestellt hat, mit denen sich die Handwerker gern anfreunden werden, die wir weiterverfolgen und ständig im Auge behalten werden.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Das wissen die Handwerker, dass Sie die Handwerker verfolgen!)

Ja, das wissen sie, weil wir mit ihnen sprechen – im Gegensatz zu Ihnen, Herr Porsch.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Das stimmt nicht!)

Sie haben den ganzen Abend nur dort gesessen.

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS)

Ich hätte Sie fast bedauert.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Ich bin sehr kritisch!)

Herr Weichert, noch ein Satz zu Ihnen. Die 1 800 Wortmeldungen sind natürlich nicht identisch mit 1 800 Vorschlägen. Es kann durchaus 50 Wortmeldungen zum gleichen Problem geben. Aus diesem Grund sind es

weniger Vorschläge, die umgesetzt worden sind. Nicht jede Wortmeldung ist auch ein verwertbarer Vorschlag.

Herr Günther, bei den kommunalen Eigenbetrieben – er ist leider nicht anwesend – weiß ich, dass vieles im Argen liegt. Aber wenn man die Wasserwerke vollständig an die Kommunen geben würde – – Wenn die Franzosen unsere Wasserwerke betreuten, würden diese sicherlich auch ihr Handwerk mehr einbringen. Ich denke, dabei schaut unsere Fraktion schon genau hin.

Den Punkt mit der Mehrwertsteuer, Herr Günther, kann ich überhaupt nicht nachvollziehen. Wenn im Ausland die Mehrwertsteuer niedriger ist, dann ist das doch gerade ein Punkt, um ins Ausland zu gehen und seine Produkte dort abzusetzen. Für einen Betrieb ist die Mehrwertsteuer kostenneutral, denn sie wird herausgerechnet. Das sind Dinge, über die wir uns noch einmal unterhalten könnten.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU – Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS)

Wir haben damit für die nächste Zeit eine gute Diskussionsgrundlage. Ich freue mich auf die weitere Arbeit mit unseren Handwerkern.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der Staatsregierung)

Mir ist kein weiterer Redner gemeldet worden. Ich frage deshalb die Staatsregierung, ob sie sprechen möchte. – Herr Minister Jurk, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Es gibt ein bulgarisches Sprichwort: Wenn man nur vom Zuschauen ein Handwerk erlernen könnte, wäre ein jeder Hund ein Metzgermeister!

Als jemand, der selbst ein Handwerk erlernt hat, weiß ich, wie wahr dieses Sprichwort ist. Es ist heute sogar noch treffender bei einem Handwerk, das immer weniger an das Handwerk zu Zeiten Wilhelm Buschs erinnert. Handwerk gründet sich auf bewährte Erfahrungen, auf Traditionen, es lebt aber auch von der Begeisterung für die moderne Technik. Über Generationen wurden handwerkliche Fähigkeiten und Fertigkeiten weiterentwickelt und als Erfahrungsschatz an die folgenden Generationen weitergegeben. Handwerk zeigt, wie sich Tradition mit Fähigkeit zu Innovation verbinden lässt.

Aus dem Handwerk ist letztlich auch im Zuge der Arbeitsteilung die moderne Volkswirtschaft entstanden. Mit Ideenreichtum und Tatkraft entdeckte das Handwerk immer wieder neue Märkte und konnte sich somit auch unter widrigen gesellschaftlichen und ungünstigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen behaupten. Auch in 40 Jahren DDR haben sich handwerkliche Familienbetriebe in Sachsen allen Gängelungen und Repressalien

zum Trotz mit Zähigkeit, Flexibilität und Improvisationstalent behauptet.

(Beifall des Abg. Marko Schiemann, CDU)

Dass es dies auch unter den Bedingungen der sozialen Marktwirtschaft tun kann, liegt an uns, meine sehr verehrten Damen und Herren. Deshalb kann ich die Anfragen und Forderungen in vielen Gesprächen und Briefen nachvollziehen. Einige wesentliche Forderungen des Handwerks möchte ich beispielgebend nennen: niedrigere Beiträge zur Sozialversicherung, Fortentwicklung und Zusammenfassung des Vergaberechts, ein Forderungssicherungsgesetz – Stichwort Zahlungsmoral – und wachstumsfördernde Maßnahmen.

Vor allem kleine und mittlere Unternehmen benötigen Rahmenbedingungen, die es ihnen ermöglichen, auch unter den Bedingungen des globalen Wettbewerbs zu bestehen. Zugleich muss der einzelne Handwerker aber auch von seinem Einkommen sein Leben und das Leben seiner Familie bestreiten können. Diese Thematik streift vor allem die Diskussion um die Mindest- bzw. Kombilöhne, eine Diskussion, die an anderer Stelle geführt werden muss bzw. im Landtag schon geführt worden ist.

Die Antwort der Staatsregierung auf die Große Anfrage zum Handwerk in Sachsen enthält die Positionsbestimmung der Staatsregierung zu den Themen, die das sächsische Handwerk betreffen. Die Antwort enthält Zahlen, Fakten und Statistiken darüber, was die Staatsregierung für das Handwerk getan hat. Ich bin sehr froh, dass die Mitglieder des Hohen Hauses – auch die Mitglieder der Opposition – gewürdigt haben, dass dies eine sehr gute und umfassende Arbeit gewesen ist. Ich werde das den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in meinem Haus übermitteln.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gerade in Sachsen hat das Handwerk eine sehr lange und auch sehr erfolgreiche Tradition. Handgefertigte Musikinstrumente aus dem sächsischen Vogtland erklingen bereits seit dem Jahre 1650 in der ganzen Welt. Erst durch das Geschick der Porzellanmaler und -gestalter wurde das Meißner Porzellan zu einer Weltmarke. Handgefertigte Uhren aus Glashütte sind weit mehr als ein Zeitmesser; sie sind ein Meisterwerk handwerklicher Arbeit. Die erzgebirgische Volkskunst ist mittlerweile weit über die Region hinaus – auch in Japan und den USA – bekannt und beliebt.

Die Zahl der Handwerksbetriebe in Sachsen ist seit der Wende von zirka 31 000 auf zirka 55 000 Handwerksbetriebe im Jahre 2005 gewachsen. Die Zahl der Beschäftigten im Handwerk hat sich im gleichen Zeitraum mehr als verdreifacht; allerdings – das entnehmen Sie bitte der Großen Anfrage – müssen wir auch sehen, dass in der Vergangenheit bei den Beschäftigtenzahlen und beim Umsatz rückläufige Tendenzen zu verzeichnen waren.

Das Handwerk – das will ich ausdrücklich betonen – ist aber auch der Urheber des modernsten deutschen Bildungssystems. Hervorgegangen aus der mittelalterlichen Gildeordnung, weist das duale System der Lehrausbil

dung alle Merkmale modernster Bildungssysteme auf: selbstständige und unabhängige Bildungsträger, Lernen in der realen Praxis, Ableitung der Ausbildungsinhalte aus der Praxis sowie externe und unabhängige Überprüfung der individuellen Lernleistung. Die Ausbildungsquote im Handwerk ist dreimal so hoch wie in der übrigen Wirtschaft.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Hört, hört! – Beifall bei der CDU)

Das Handwerk bildet über den eigenen Bedarf hinaus aus und sollte damit Vorbild für andere Zweige unserer Wirtschaft sein. Deshalb haben wir allen Grund – so habe ich auch den Beifall vernommen –, unseren Handwerkern für diese großartigen Leistungen zu danken.

(Beifall bei der SPD, der CDU, der Linksfraktion.PDS, der FDP, den GRÜNEN und der Staatsregierung)

Es entspricht dem handwerklichen Selbstverständnis, den hohen Wissens- und Leistungsstandard im Rahmen der Berufsausbildung an die nächste Generation weiterzugeben. Vor allem die Inhaber von Familienbetrieben sind durch die Nähe der Auszubildenden in besonderer Weise geeignet, Werthaltungen zu vermitteln und Verantwortungsbewusstsein vorzuleben. Gerade darin besteht die Besonderheit des Handwerks. Diese menschliche Dimension der Arbeitswelt, das Zusammenwirken von Hand, Kopf und Herz ist es, was auch heute noch viele junge Menschen fasziniert, wenn sie sich für eine Ausbildung im Handwerk entscheiden.

Im ländlichen Raum ist das Handwerk der wichtigste Arbeitgeber und Ausbilder. Das Handwerk ist Kulturträger und Kulturvermittler. Denken Sie an die Musikinstrumentenbauer, die Buchdrucker, die Buchbinder, die Keramiker und die Fotografen. Aber auch die Theater und Opernhäuser wären ohne Maskenbildner, Schneider und Requisiteure nicht denkbar.

Die gesellschaftliche Bedeutung des Handwerks geht weit über das hinaus, was wir in der Wirtschaftsstatistik an Zahlen festmachen können. Deshalb muss es unser Anliegen sein, die politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass auch arbeitsintensive Handwerksbetriebe unter den heutigen Bedingungen eine Chance haben, auf dem Markt erfolgreich zu bestehen.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Die kleinteilige Struktur handwerklicher Betriebe weist Besonderheiten auf, die unbedingt zu berücksichtigen sind. Seit Mitte der neunziger Jahre – ich erwähnte es – sind Umsatz und Beschäftigung im Handwerk deutschlandweit rückläufig. Die Entwicklung in Sachsen liegt im Trend des Handwerks der Bundesrepublik Deutschland. Ursachen für diese Entwicklung sind vor allem der Abbau von Überkapazitäten im Baugewerbe in Ostdeutschland seit Mitte der neunziger Jahre, der konjunkturelle Abschwung der Bauwirtschaft in Westdeutschland und die

konjunkturell ungünstige Entwicklung der Binnennachfrage.

Viele handwerkliche Betriebe sind im Baugewerbe tätig, stark auf die Bedürfnisse der Endverbraucher ausgerichtet und somit von ihnen abhängig. Das Handwerk hat in den letzten Jahren Umsatzverluste und Beschäftigungsabbau in einer Größenordnung von 25 bis 30 % hinnehmen müssen. An der günstigen außenwirtschaftlichen Entwicklung der deutschen Wirtschaft hatte das Handwerk in nur sehr geringem Maße Anteil. Schließlich richtet sich der größte Teil der Betriebe auf den lokalen und regionalen Markt aus.

Mein Haus und auch die Handwerkskammern unterstützen die Betriebe, wenn sie sich stärker auf dem Weltmarkt platzieren wollen. Es gibt erstaunlich viele Beispiele von Handwerksbetrieben, die im Ausland erfolgreich sind: Sächsische Lichtreklame erhellt den Nachthimmel von Shanghai. Ergospirometer aus Leipzig sind aus dem Höhentraining im Sport weltweit nicht mehr wegzudenken. Trinkwasseraufbereitungsanlagen aus Oschatz schaffen reines Wasser in afrikanischen Städten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Entscheidend für das Gedeihen des Handwerks ist die Auftragslage. Sie hat zum Glück dieses Jahr stark angezogen. Das hängt offenkundig mit der derzeitigen wirtschaftlichen Entwicklung zusammen. Mit dem von der Bundesregierung verabschiedeten Wachstumspaket, dem Steuerbonus für handwerkliche Dienstleistungen und dem Förderprogramm zur energetischen Gebäudesanierung wurden für die Verbraucher Anreize geschaffen, Bauleistungen und handwerkliche Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen. Alle diejenigen, die heute die Mehrwertsteuererhöhung kritisiert haben, frage ich nach ihren Alternativen. Sie haben wieder eines unterschlagen: dass ein Maßnahmenpaket geschnürt wurde, in dem genau diese Punkte Berücksichtigung finden, womit wir dem Handwerk helfen wollen. Ich gestehe gern als Wirtschaftsminister ein, dass jede Steuererhöhung konjunkturell schädlich ist.

(Beifall des Abg. Dr. Jürgen Martens, FDP)

Das weiß man. Man weiß auch, dass der Staat und die öffentliche Hand handlungsfähig sein und bleiben müssen. Es heißt auch, dass wir mit Aufträgen der öffentlichen Hand dem Handwerk helfen wollen. Deshalb sollte man das in einem Gesamtzusammenhang sehen und nicht immer voneinander losgelöst betrachten.

Vertreter des Handwerks haben die Maßnahmen der Bundesregierung im steuerlichen Bereich ausdrücklich begrüßt. Der Konjunkturbericht des Zentralverbands des Deutschen Handwerks für das I. Quartal 2006 stellte fest, dass die Verbesserung des gesamtwirtschaftlichen Umfeldes und eine leicht anziehende Binnennachfrage zu spürbaren Impulsen in der Konjunktur des Handwerks führen. Von dem konjunkturellen Aufwärtstrend werden alle Handwerksgruppen erfasst. Damit hat der seit 2003 zu beobachtende Prozess einer schrittweisen Erholung der Handwerkskonjunktur deutlich an Schwung gewonnen.

Auch die Konjunkturumfragen der sächsischen Handwerkskammern ergaben erstmals seit dem Jahr 1997 eine zuversichtliche Einschätzung der Geschäftslage. Nach Auffassung des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks hat dazu auch das Wachstumspaket der Bundesregierung beigetragen.

Diese Zuversicht kommt in keinem Bereich so deutlich und direkt zum Ausdruck wie in der Ausbildung. Die sächsischen Handwerkskammern verzeichnen aktuell 8,2 % mehr Lehrstellen in Sachsen als im Vorjahr. Das sind – in Zahlen ausgedrückt – 83 Lehrlinge mehr als im vergangenen Jahr. Sie werden sagen, 83 seien zu wenig. Ich würde mir auch mehr wünschen. Aber es sind 83 Jugendliche, die eine Perspektive in einer handwerklichen Ausbildung gewinnen. Deshalb ist es wichtig, dass wir diese Leistung anerkennen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Mittelstand ist das Rückgrat der sächsischen Wirtschaft. Das Handwerk ist ein bedeutender Teil des sächsischen Mittelstandes. Die namhaften Neuansiedlungen in den Bereichen Mikroelektronik und Automobilindustrie strahlen positiv auf den Mittelstand aus: vom Bäcker – Frau Schmidt, ich habe zugehört – bis zum IT-Dienstleister.

Weniger spektakulär als einzelne große Ansiedlungserfolge, aber genauso wichtig ist die zähe kleinteiligere Ansiedlungs- und Wirtschaftsförderung in den einzelnen Regionen. Dem dient das Förderprogramm „Regionales Wachstum“, das sich auf Regionen außerhalb der Zentren und auf kleine und Kleinstunternehmen konzentriert, die dort die Wirtschaft prägen.

Mit den Mitteln der Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur werden Investitionen gewerblicher Unternehmen vorrangig in strukturschwachen Regionen gefördert. Handwerksbetriebe erhielten zwischen 1995 und 2005 aus GA-Mitteln 295 Millionen Euro.

Ein weiterer Baustein der sächsischen Förderpolitik ist die Technologieförderung. Sie soll den Betrieben nachhaltige Standortverbesserungen verschaffen, um im internationalen Wettbewerb bestehen zu können. Mit der Technologieförderung verfolgen wir das Ziel, über die Stärkung der technologischen Wettbewerbsfähigkeit die kleinen und mittleren Unternehmen zu unterstützen. 75 % der Zuwendungsempfänger haben weniger als 100 Mitarbeiter. Handwerksbetriebe haben im Zeitraum 1995 bis 2005 zirka vier Millionen Euro aus Technologieförderprogrammen erhalten.