Protocol of the Session on May 12, 2006

(Beifall des Abg. Volker Bandmann, CDU)

Im Vorhinein Diskussionen zu führen, um bestimmte Szenarien herbeizureden, ist genauso fehl am Platze, wie Vorbereitungen, die einfach notwendig sind, um tatsächlich für unsere Gäste und auch für uns, die wir hier wohnen, höchste Sicherheit zu garantieren, ins Negative zu zerren. Ich halte das für nicht angebracht.

Meine Damen und Herren, das, was wir bei der „Triade“ erlebt haben – Rolf Seidel war auch mit vor Ort –, war ein Ereignis, von dem wir sagen können: Ja, unsere Kollegen, die in diesem Bereich arbeiten – ob im Katastrophenschutz, im Rettungsdienst oder im Sanitäts- und Arztbereich –, sind auf alle Eventualitäten vorbereitet. Aufgrund der Berichte, die dazu gekommen sind – insbesondere der Innenminister hat dazu sehr ausführlich berichtet –, können wir guten Mutes den Spielen, die hier stattfinden, entgegensehen. Ich hoffe auch, dass die Ereignisse, die geprobt worden sind, tatsächlich nicht eintreten werden.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Mir liegen keine Wortmeldungen mehr vor. Ich frage dennoch in die Runde: Wird noch das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall. Dann ist die Staatsregierung an der Reihe. Herr Staatsminister Dr. Buttolo.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir sind in der Tat froh darüber, dass wir Austragungsort der WM in Deutschland sein dürfen. Wenn ich die heutige Diskussion betrachte, frage ich mich aber: Wie vergesslich sind wir eigentlich? Nicht alle! Wir wissen, dass wir bei diesen Spielen nicht nur die Sicherheit im Stadion und um das Stadion herum zu gewährleisten haben. Denn wir sollten uns daran erinnern: Es gab einen 11. September, es gab Madrid, es gab London. Wie verantwortungslos wären wir, wenn wir für unsere Bürger, aber auch für unsere Gäste nicht alle Vorkehrungen treffen würden, um einem derartigen Vorfall entsprechend gewappnet entgegenzutreten.

(Beifall bei der CDU und der Abg. Margit Weihnert, SPD)

Meine Damen und Herren! Die Antworten auf die Drucksachen 4/2412 und 4/2458 sind im Juli und August 2005 gegeben worden. Ich würde mir aus diesem Grund erlauben, Ihnen noch einmal einen etwas umfassenderen Bericht vorzutragen, weil ich davon ausgehe, dass Sie vielleicht die eine oder andere Information dazu noch nicht haben.

Die Staatsregierung hat, wie ich bereits erwähnt habe, schriftlich zum Antrag der PDS-Fraktion berichtet. Ausgehend von den im Rahmen der Bewerbung des DFB um die Austragung der WM 2006 durch die Bundesregierung abgegebenen Regierungsgarantien sind nunmehr abschließend sowohl das Nationale Sicherheitskonzept WM 2006 als auch das auf Bundes- und Länderebene abgestimmte polizeiliche Rahmenkonzept erarbeitet und durch die IMK bestätigt worden. Für den Freistaat Sachsen als auch für den Spielort Leipzig sind aufbauend auf diesen Rahmenvorgaben die Sicherheitskonzepte erstellt worden.

Die Sicherheitskonzepte umfassen vom Schwerpunkt her Maßnahmen eines anlassbezogenen, insbesondere polizeilichen Informationsaustausches, um ein enges Zusammenwirken aller beteiligten Behörden und eine ständige aktuelle und realistische Lagebeurteilung zu gewährleisten, weiterhin Maßnahmen der polizeilichen Gefahrenabwehr und Strafverfolgung zur Gewährleistung eines störungsfreien Verlaufs der Fußball-WM, ein abgestuftes Konzept polizeilicher Präsenz im Umfeld des Stadions, im Umfeld von Großbildübertragungen, in Innenstadtbereichen, auf Anreisewegen der Gäste und Fans, Maßnahmen der nichtpolizeilichen Gefahrenabwehr auf der Basis eines anlassbezogen entwickelten Musterkonzeptes Katastrophenschutz, die Sicherheitskooperation mit dem Veranstalter und dessen privaten Ordnungskräften.

Die polizeilichen Einsatzmaßnahmen orientieren sich an bundesweit abgestimmten nachfolgenden Leitlinien. Die Gewährleistung der Sicherheit hat höchste Priorität bei betont offenem, tolerantem und freundlichem Verhalten der Polizei sowie enger Zusammenarbeit mit allen Beteiligten.

Durch umfassende präventive Maßnahmen ist Gefahrenpotenzial aus dem In- und Ausland bereits im Entstehen frühzeitig und konsequent entgegenzuwirken. Störungen der öffentlichen Sicherheit, die den friedlichen Verlauf der WM 2006 beeinträchtigen, sind konsequent im Ansatz zu verhindern bzw. durch zügiges, professionelles Handeln nachhaltig zu unterbinden. Rolle, Ziele und Maßnahmen der Polizei sind durch eine offensive und abgestimmte einsatzbegleitende Medien- und Öffentlichkeitsarbeit aller Interessengruppen vor, während und nach den Einsätzen zielorientiert zu vermitteln. Die aus Anlass vergleichbarer polizeilicher Großlagen sowie die während des Confederations Cup 2005 gesammelten Erfahrungen, insbesondere bewährte Mittel der Deeskalation, finden in der konzeptionellen Vorbereitung und bei der Umsetzung der Einsatzmaßnahmen Berücksichtigung.

Zur Bewältigung der Einsatzmaßnahmen werden bei den betreffenden Polizeidirektionen bzw. bei den Behörden der polizeilichen Gefahrenabwehr besondere Aufbauorganisationen eingerichtet. Die in den Sicherheitskonzepten vorgesehenen Maßnahmen orientieren sich an den derzeitig bundesweit abgestimmten Gefahrenprognosen und Lagebewertungen. Die Gefahrenszenarien orientieren sich an vergleichbaren nationalen und internationalen Ereignissen und basieren auf einer umfassenden und ständig aktualisierten Lageeinschätzung der zuständigen Sicherheitsbehörden. Sie sind somit realistisch.

Die erforderlichen polizeilichen Maßnahmen werden lageabhängig unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit im erforderlichen und geeigneten Umfang getroffen. Zielstellung der Sicherheitsmaßnahmen aus Anlass der WM 2006 ist es, neben der Gewährleistung eines höchstmöglichen Maßes an Sicherheit für die Gäste und für die Bevölkerung die Einschränkungen für den Einzelnen so gering wie möglich zu halten. Grundrechte werden nur im unumgänglichen und rechtlich zulässigen Rahmen eingeschränkt.

Die Maßnahmen der nichtpolizeilichen Gefahrenabwehr konzentrieren sich auf die Bewältigung eines möglichen Massenanfalls von Verletzten, für den drei Versorgungsstufen, abhängig von der Verletztenanzahl, vorgesehen sind.

Neu ist die Vorhaltung eines verbesserten Sanitätsdienstes am Spielort, der für eine Anzahl von bis zu 250 Verletzten über das übliche Versorgungsniveau des Katastrophenschutzes hinausgeht. Die Bundespolizei, die Landespolizei und die vom Veranstalter eingesetzten privaten Sicherheitsdienste nehmen die jeweiligen Sicherheitsaufgaben auf Basis der eigenen Zuständigkeiten wahr. Die jeweiligen Sicherheitskonzepte sind inhaltlich aufeinander abgestimmt. Im Rahmen der Einsatzbewältigung wird ein

enges Zusammenwirken unter anderem durch den Austausch von Verbindungspersonen sichergestellt.

Im Vorfeld der WM fand in Leipzig im Mai des vergangenen Jahres die Katastrophenschutzübung „Triade 2005“ statt. Das Regierungspräsidium leitete die Übung, welche aus einer mehrstufigen Stabsrahmenübung und einer Vollübung unter Einsatz von Hilfskräften am Leipziger Zentralstadion bestand. Die Übung diente dazu, in Vorbereitung auf das sportliche Großereignis die Führungsstrukturen im Katastrophenschutz und die Zusammenarbeit mit Behörden und Dienststellen unterschiedlicher Ebenen weiter zu verbessern, Anforderungen und Einsatz von Kräften und Mitteln anderer Regierungsbezirke und benachbarter Länder zu üben, Maßnahmen zur Bewältigung eines Massenanfalls von Verletzten auf der Grundlage der landeseinheitlichen Planungsannahme zu treffen und die Aufnahme- und Behandlungskapazität der Krankenhäuser zu prüfen.

Neben dem Regierungspräsidium Leipzig nahmen drei untere Brandschutz- und Rettungsdienste und Katastrophenschutzbehörden an der Stabsrahmenübung teil. Bei der Vollübung wirkten zusätzlich Einsatzkräfte aus allen Landkreisen des Regierungsbezirkes Leipzig sowie Einheiten aus dem Land Sachsen-Anhalt, den Regierungsbezirken Chemnitz und Dresden mit. Weitere Behörden und Organisationen waren in die Übung eingebunden. Insgesamt waren an der Landeskatastrophenschutzübung 1 540 Personen unmittelbar beteiligt. Aufgrund des damals noch anstehenden Confederations Cup und der noch ausstehenden Fußball-WM wurde ein Szenario entworfen, das in neue Dimensionen der Gefahrenabwehr vorstößt.

Das Szenario: Während eines Fußballspiels explodiert in dem mit 40 000 Zuschauern voll besetzten Zentralstadion eine Bombe im Oberrang der Zuschauertribüne. Knapp 300 Personen sind unmittelbar betroffen, darunter sind 15 Tote, 80 Schwerstverletzte, 40 Schwerverletzte, 140 Leichtverletzte und sonstige Betroffene. Schnell wird festgestellt, dass der Tat ein terroristisches Motiv zugrunde liegt. Die Patienten müssen durch bereitstehende Feuerwehrkräfte aus dem Oberrang geborgen und zu den Behandlungsplätzen getragen werden.

(Johannes Lichdi, GRÜNE, steht am Mikrofon.)

Nach der Versorgung an den Behandlungsplätzen erfolgt der Abtransport der Schwerst- und Schwerverletzten in ausgewählte Krankenhäuser.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ich würde zunächst zu Ende führen, Herr Lichdi. Ihre Frage beantworte ich im Anschluss. – Leichtverletzte und sonstige Betroffene werden einem Betreuungsplatz zugeführt, wo auch die psychosoziale Notfallversorgung erfolgt.

Der Übungseinsatz ging für die Helfer an die Grenze ihrer Belastbarkeit. Angesichts dieser Schadensdimension bewerteten alle Beobachter die Vorbereitung und den Verlauf positiv. Dies betrifft sowohl die Auswahl eines Worst-Case-Szenarios als auch die vollständige Darstellung der Rettungskette vom Stadion bis in die Krankenhäuser bzw. zum Flughafen. Die Motivation und die Einsatzbereitschaft aller Mitwirkenden waren beeindruckend. Die Zusammenarbeit zwischen den Einsatzkräften aus unterschiedlichen Fachdiensten und unterschiedlichen Herkunftsorten gestaltete sich größtenteils problemlos. Auch im Zusammenwirken der polizeilichen und nichtpolizeilichen Gefahrenabwehr wurden die Übungsziele erreicht.

In der Übung „Triade 2005“ wurden erstmals Einsatzeinheiten verbesserter Sanitätsdienste aufgerufen, die auch für die WM 2006 geplant sind und gegenüber dem herkömmlichen Sanitätsdienst des Katastrophenschutzes eine bessere medizinische Versorgung ermöglichen.

Die Staatsregierung hat den Erfahrungen aus der Übung Rechnung getragen. Für die WM wird ein Abholcontainer für einen Massenanfall von Verletzten beschafft und der Stadt Leipzig zur Verfügung gestellt.

(Jürgen Gansel, NPD, steht am Mikrofon.)

Nach entsprechenden Beschlüssen der Ständigen Konferenz der Innenminister und Senatoren der Länder zur Umsetzung der neuen Strategie zum Schutz der Bevölkerung soll das Modell eines Verwaltungsstabes bundeseinheitlich für Krisenlagen eingeführt werden.

Es besteht der Wunsch nach einer weiteren Zwischenfrage.

Bitte, Herr Lichdi.

Da sich Herr Lichdi vorhin zuerst gemeldet hatte, gebe ich ihm jetzt das Wort.

Herr Staatsminister, würden Sie mir zustimmen, dass es nicht angemessen ist, mit Ihrem Redebeitrag die am 8. Mai 2006 eingegangene Stellungnahme der Staatsregierung wortwörtlich vorzutragen?

Ich hatte extra betont, dass ich das bewusst noch einmal tue, weil die zuvor gelaufene Diskussion bei mir den Eindruck erweckt hat, dass die Dimension der Gefahr und die Größe der Verantwortung, in der wir uns befinden, vielleicht etwas unterschätzt wird. Ich habe das aus diesem Grund bewusst getan.

(Beifall bei der CDU)

Herr Lichdi, was wäre, wenn wir die Vorbereitung der Sicherheit lax nähmen und es zu einem Zwischenfall käme? Ich glaube, wir haben nicht nur die Verantwortung

für Sachsen, sondern wir haben auch eine Verantwortung für unsere Gäste, die zu uns kommen.

(Beifall bei der CDU)

Wir dürfen es uns einfach nicht leisten, hier ein riskantes Spiel hinzunehmen. Ich bitte deshalb einfach um Ihr Verständnis, dass wir eine ganze Reihe von Maßnahmen, die keine Maßnahmen des Freistaates Sachsen als Alleingang, sondern in einem bundeseinheitlichen Konzept abgestimmt sind, zum Wohle aller tatsächlich umsetzen müssen.

(Beifall bei der CDU)

Es gibt noch eine Zwischenfrage von Herrn Gansel.

Diese möchte ich nicht beantworten.

(Jürgen Gansel, NPD: So viel Souveränität hat der Innenminister!)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bitte Sie bei unserer Einschätzung der Sicherheitslage, für die das Konzept als Grundlage genommen wurde, nicht zu bagatellisieren. Wir sind in der Pflicht und in der Verantwortung, sichere Spiele zu gewährleisten.

(Beifall der Abg. Margit Weihnert, SPD)

Wir dürfen nicht vergessen, wie sich die Lage in einigen Ländern in den letzten Jahren dargestellt hat. Ich möchte noch einmal daran erinnern: Es gab einen 11. September und es gab die Anschläge in Madrid und in London. Wir müssen uns doch im Klaren sein, dass ein derartiges großes, weltweit beachtetes Ereignis wie die Weltmeisterschaft 2006 von uns entsprechend abgesichert werden muss. Ich bin froh darüber, dass alle Länder der Bundesrepublik gemeinsam mit der Bundesregierung sehr zeitig begonnen haben, die Vorbereitungen zu treffen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU, der SPD und vereinzelt bei der Staatsregierung)

Das Schlusswort hat die Linksfraktion.PDS, Frau Dr. Ernst, bitte; danach die Koalition.