und nehmen dem Unternehmer den Erfolg dadurch wieder weg. Das ist doch genau das falsche Signal. Sie reden so und handeln anders. Das ist die Verlogenheit dieser Debatte.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wieder einmal haben wir eine parlamentarische Initiative der Koalition vorliegen, die in die Form eines Antrags gepackt wurde, inhaltlich aber eher zwischen die Kategorien Kleine und Große Anfragen gehört.
Ich habe das Gefühl, dass die beiden Fraktionsmannschaften der Koalition in der Zeit vor der Fußballweltmeisterschaft den Landtag nutzen, um mit uns den Doppelpass zu üben. Sie lassen sich nämlich mehr oder minder schlaue Fragen einfallen, kleiden sie in die Form eines Berichtsantrages und am Schluss liegt der Ball dann bei der Staatsregierung, die bei der Beantwortung Gelegenheit zur Selbstdarstellung erhält und – bleiben wir beim Fußball – aus kurzer Distanz die Vorlage verwandelt.
Ich hätte mit diesem Vorgehen auch kein Problem, wenn es nicht genau dieselben Kolleginnen und Kollegen wären, die immer wieder einmal darauf drängen, die Plenarberatungen zu verkürzen. Beides passt nicht zusammen.
Nun zu dem beantragten Bericht. Dazu ist inhaltlich schon jede Menge gesagt worden. Von der Tendenz her gesehen und auch aus den Erfahrungen, die ich in den Gesprächen mit jungen Unternehmern gesammelt habe, denke ich, dass das Feld für den Übergang in die Selbstständigkeit in Sachsen ganz gut bestellt ist.
Meine Damen und Herren! Deshalb möchte ich einen zweiten Aspekt des Themas „Mehr Mut zur Selbstständigkeit“ ansprechen, nämlich die Frage: Wie wird die Phase zwischen Firmengründung und Marktreife des Produktes begleitet? Das betrifft besonders Unternehmen im Bereich neuer Technologien, die ja ganz besonders für zukunftssichere Arbeitsplätze sorgen und deshalb vorrangig unsere Unterstützung brauchen.
Ein Beispiel: Ende letzten Jahres hatte sich ein neu gegründetes Unternehmen aus dem Bereich Medizintechnik an mich und Kollegen anderer Fraktionen gewandt. Diese Firma stand bei der Produktentwicklung kurz vor der Markteinführung, war aber durch die lange Phase der Entwicklung in Liquiditätsschwierigkeiten geraten. Aus den vorgelegten Referenzen war ersichtlich, dass es sich
sowohl um erfolgreiche Unternehmer als auch um ein erfolgreiches, fast fertiges Produkt mit besten Marktchancen handelt. Aufgrund des Liquiditätsproblems musste nun schnell gehandelt werden, um das Produkt marktreif zu Ende zu entwickeln. Wir haben gemeinsam mehrere Initiativen unternommen, um Hilfe, das heißt Begleitung, zu organisieren. Es fanden zahlreiche Gespräche statt, bei denen zu keinem Zeitpunkt die Erfolgsaussichten infrage gestellt wurden.
Allen Beteiligten – Wirtschafts- und Finanzministerium, Sächsische Beteiligungsbank und Mittelständische Beteiligungsgesellschaft Sachsen – sollte im Verlauf des Verfahrens klar geworden sein, dass die Zeit drängte. Allein schon die Laufzeit der Briefe, die immer wieder formulierten Einwände und die Hindernisse, die aufgestellt wurden, machten deutlich, dass unsere sächsischen Wirtschaftsförderer keine Vorstellungen von einer dem Wirtschaftsgeschehen angemessenen Geschwindigkeit in der Bearbeitung hatten.
Das Ergebnis: Am 31. März 2006 stellte die Geschäftsführung des Unternehmens vorsorglich Antrag auf Insolvenz. Und das alles, obwohl das Unternehmen im letzten Jahr zu den Preisträgern des Business-Wettbewerbs futureSax, also von einem der Instrumente, die wir vorhalten, profitiert hat. Es nützt uns nichts, meine Damen und Herren, wenn wir in Sachsen über einen wohlsortierten Instrumentenkasten verfügen, um Unternehmen an den Start zu bringen, uns anschließend aber als unfähig erweisen, den Unternehmen in Problemphasen an der Seite zu stehen.
Das betrifft vor allem jene Unternehmen, die mit neuen Technologien befasst sind und bei denen die Zeit von der Produktentwicklung bis hin zur Markteinführung schwer zu überblicken und deshalb umso schwieriger zu finanzieren ist. Ich denke, wir vergeben in Sachsen wichtige Chancen, wenn wir die vorhandenen Instrumente nicht daraufhin abstimmen, dass die Unternehmen nicht nur geboren werden, sondern auch die ersten Jahre überleben können.
Deshalb werbe ich bei allen Beteiligten in der Verwaltung für eine Kultur, die man guten Gewissens als Dienstleistungskultur beschreiben kann. Ich will nicht sagen, dass ich diese nicht vorgefunden habe. Aber sie war erstens nicht bei allen Beteiligten erkennbar und zweitens verlor sie sich viel zu oft im Dickicht der verschiedenen Institutionen und dem daraus resultierenden Abstimmungsbedarf.
Ich hätte mir in dieser schwierigen Phase des Unternehmens, von dem ich gesprochen habe, gewünscht, dass ein kompetenter Mitarbeiter, egal aus welchem Ministerium, dem Unternehmer quasi als Lotse durch die Verwaltung zur Seite gestellt worden wäre. Stattdessen wurde man an diesen und jenen verwiesen. Manchmal waren die Leute
schnell und manchmal weniger schnell erreichbar. In der Phase einer drohenden Insolvenz ist das tödlich.
Meine Damen und Herren! Auch wir wünschen uns sehr, dass es in Sachsen noch viel mehr Mut zur Selbstständigkeit geben wird, und stimmen deshalb diesem Antrag zu. Wir verbinden dies mit der Hoffnung, dass wir in der Frage der Begleitung der Unternehmen künftig im Freistaat noch viel besser werden.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Weichert, Sie sprechen ja eine Phase in der Entwicklung von Unternehmen an, die tatsächlich eine hohe Aufmerksamkeit braucht. Ich denke, dabei gibt es zwei Aspekte: Einmal die Frage nach dem Funktionieren von Verwaltung. Zum anderen steht die Frage: Was kann denn öffentliche Unterstützung in der Phase, in der unter Umständen die Gefahr besteht, dass öffentliches Geld in die Insolvenz geschüttet wird, überhaupt noch bewirken? Anderenfalls wissen wir ganz genau, wie kompliziert es mit der Möglichkeit staatlicher Förderung in diesem vorwettbewerblichen oder schon in der Wettbewerbsphase befindlichen Bereich ist.
Eines sei zugestanden: Genau das ist ein Thema, das wir im Zusammenhang mit der nächsten Förderperiode – vor allem bezüglich der EU-Mittel – sehr genau in den Blick nehmen müssen. Möglicherweise sind dabei noch nicht alle Chancen ausgeschöpft.
Offensichtlich gibt es den Wunsch nach einer Zwischenfrage. Frau Präsidentin, ich bitte darum, den Kollegen – –
Herr Rasch, ich habe eine Frage: Können Sie mir sagen, an welcher Stelle Sie in Ihrem Antrag diesem Problem, das Sie eben beschrieben haben, Rechnung tragen?
Der Antrag ist ja – das müssen Sie auch zugeben, sehr geehrter Herr Kollege – auf einen ganz anderen Aspekt gerichtet. Dabei will ich schon deutlich machen: Wenn es darum gehen soll – und es geht uns darum –, vor allem für Arbeitsplätze zu sorgen, dann muss es um Wirtschaftsentwicklung gehen. Neben Kapital, Fachkräften, Wissenschaft und Technologie ist eine entscheidende Ressource eben vor allem die Frage nach dem unternehmerischen Potenzial. Dieser Frage gehen wir generell nach.
Ich meine schon, dass ein intensives Nachfragen für gewöhnlich den Effekt hat, dass man sich im Bereich der Verwaltung diesem Thema stärker zuwendet. Darum soll es letzten Endes gehen.
Wenn man nicht nur schaut, wie Sachsen in Deutschland, sondern wie Deutschland in der Welt steht, dann gibt es schon ausreichend Grund zur Besorgnis. Ich empfehle Ihnen zur Lektüre den „Global Entrepresseur Monitor“. Diesen gibt es seit Ende der neunziger Jahre. Inzwischen sind 33 Länder dabei, die einen kompletten Katalog einer großen Anzahl von Bürgerbefragungen sowie Expertenbefragungen abarbeiten, sodass einheitliche Vergleiche zwischen verschiedensten Ländern aus verschiedenen Regionen der Erde möglich sind. Wenn wir uns diese 33 Länder anschauen, dann nehmen wir, was die Anzahl derjenigen angeht, die sich mit Gründungsabsichten befassen, leider Gottes nur Ränge um Mitte 20 ein. Das heißt, wir sind am Ende des zweiten Drittels oder sogar am Anfang des letzten Drittels. Dieser Sachverhalt muss uns vor allem Sorge bereiten.
Es ist richtig, dass insbesondere für uns folgender Aspekt hinzukommt: Auf der einen Seite gibt es Existenzsicherer – man sagt auch Notgründungen – und auf der anderen Seite gibt es diejenigen, die eine Idee verwirklichen wollen – man nennt sie Selbstverwirklicher. Wie sieht es aus? Es wird deutlich, dass es von ursprünglich einem Fünftel der Existenzsicherer nun inzwischen schon zu einem Viertel der Existenzsicherer gekommen ist. Im regionalen Vergleich wird bei uns in Sachsen ausgerechnet die Leipziger Region seit mehreren Jahren in dieses Monitoring aufgenommen. Es wird deutlich, dass man zwar mit dieser Sondersituation der Ich-AG vergleichsweise hohe Gründungszahlen erreichen kann, aber dass dies nicht unbedingt das Erfolgsrezept ist.
Trotzdem Vorsicht, meine Damen und Herren! Es ist so mancher Fall dabei, in dem man sich selbst kümmern musste und die Arbeitslosigkeit der letzte Anstoß dazu war, endlich die eigene Idee umzusetzen. Insofern müssen wir sehr sensibel reagieren und können nicht das Kind mit dem Bade ausschütten.
Nehmen wir noch einmal den internationalen Vergleich. Dabei wird eines sehr deutlich: In Deutschland haben wir insgesamt – Sachsen fällt dabei beileibe nicht ab, sondern bewegt sich mit an der Spitze – eine sehr gute Förderinfrastruktur. Daran fehlt es also nicht. Das, was der Staat diesbezüglich leisten kann, leistet er offensichtlich. Es wird aber auch deutlich: Dies allein macht es nicht. Es gibt sehr unterschiedliche Ergebnisse. Zum Beispiel: In der Summe der Betrachtung der Rahmenbedingungen stimmt das übliche Nord-Süd-Bild. Dabei bewegen wir uns – Leipzig, Stuttgart, München – ungefähr in der gleichen Kategorie.
In verschiedenen Einzelfragen fällt das durcheinander. Aber wenn man nach Stuttgart schaut und sieht, wie viele Gründer es wirklich sind, dann stellt man fest, dass Stuttgart relativ unterdurchschnittlich ist. Was mag dabei
die entscheidende Rolle spielen? Eine mögliche Antwort hoch qualifizierter Leute wäre: Ich schaffe beim Daimler.
Ich hatte ursprünglich die Vermutung, unser zentrales Defizit sei, dass diese Bereitschaft, die Existenz in die eigenen Hände zu nehmen, zu unterentwickelt sei. Ich glaube, inzwischen haben wir im Osten gut aufgeholt. Wir merken aber umso deutlicher, dass es eine gewisse Mentalität in West wie in Ost gibt, sich zum Beispiel nach der Hochschule lieber einen sicheren Job in der Verwaltung oder in einem großen Industrieunternehmen zu suchen, in dem man dann mit einem relativ hohen Maß an Sicherheit sitzt und einen geregelten Arbeitstag hat. Es sind zu wenige, die bereit sind, ihre eigenen Träume umzusetzen.
Dabei sind wir an dem Punkt, an dem deutlich wird: Es geht vor allen Dingen um die geistigen Voraussetzungen im Lande, wie man Gründern gegenübersteht. Ich will ein zusammenfassendes Ergebnis zitieren: „Insbesondere findet sich unter den befragten deutschen Experten kaum Zustimmung für die Aussage, hierzulande herrsche eine Kultur, die die Bereitschaft zur Übernahme unternehmerischen Risikos fördere, worin sich Deutschland erheblich von vielen ansonsten vergleichbaren Ländern unterscheidet.“
Was die Politik an Instrumentarien zur Verfügung stellt, ist in Ordnung, aber das, was in der Öffentlichkeit zur Sache diskutiert wird, ist zu überprüfen. Dazu will ich wieder einmal Leipzig anführen, das dabei im deutschen Durchschnitt lag. Als das Thema „Heuschrecken“ diskutiert wurde, fiel Leipzig bezüglich dieser öffentlichen Wahrnehmung von eigenverantworteter wirtschaftlicher Tätigkeit sofort um einen halben Prozentpunkt herunter. Ob man dabei nun von Raubtierkapitalismus, von Heuschrecken oder von Ähnlichem spricht: Liebe Leute, das ist das, was hierbei schädlich ist!
Wenn wir die Frage stellen, wie wir denn diese Rahmenbedingungen im Denken der Menschen verbessern können, dann komme ich zu den Themen Schule und Hochschule. An den Hochschulen wird durch entsprechende Existenzgründerlehrstühle sicherlich einiges getan. Unsere Schulen sind mit den Arbeitskreisen „Schule und Wirtschaft“, den Schülerfirmen und Ähnlichem durchaus in die richtige Richtung unterwegs. Ich meine nur, das muss intensiviert werden.
Meine Damen und Herren! Summa summarum: Die Deutschen sind pessimistischer – leider. Sie haben Angst vor dem Scheitern, sie haben ein eher negatives Unternehmerbild. Unsere Kultur fördert die Bereitschaft zur Übernahme unternehmerischer Risiken leider nicht.
Ich sage: noch nicht! Die Ostdeutschen sind zwar weniger ängstlich, sehen aber leider Gottes ihre Chance seltener – auch das ist ein Ergebnis. Wenn sie jedoch die Chance ergreifen, dann entstehen bei uns im Osten wachstumsstarke Unternehmen. Das scheint mir durchaus erwähnenswert.
Wird von den Fraktionen weiter das Wort gewünscht? – Das sieht nicht so aus. Dann bitte ich die Staatsregierung; Herr Staatsminister Jurk, bitte.