Protocol of the Session on December 10, 2004

Ich möchte nicht Subventionen das Wort reden. Ich meine gezielte Spritzen schnell und unbürokratisch und unterhalb der De-Minimis-Grenze von 100 000 Euro. Wenn wir in 100 Fällen mit 50 000 Euro helfen, sind das fünf Millionen. Damit kann man tausend Arbeitsplätze für eine längere Zeit sichern. Mit fünf Millionen Euro Arbeitslosigkeit zu finanzieren reicht für 1 000 Menschen gerade mal ein halbes Jahr.

Der Sächsische Landtag und die Staatsregierung sollten ihre regionale Nähe und regionale Kompetenz nutzen, um unsere sächsischen Unternehmen zu pflegen, zu schützen und ihnen in besonderer Form zu helfen. Wir sollten im Wirtschaftsministerium eine Task Force einrichten, in die auch der Rechnungshof des Freistaates eingebunden ist und die ohne bürokratische Hürden schnell helfen kann. Dann hätten wir nicht nur gute Leuchtturmpolitik, sondern auch gute Kirchturmpolitik. Ein zweiter Punkt. Die sächsischen Potenziale wie gut ausgebildete Fachkräfte, Erfindergeist, vielfältige Kulturlandschaft und gute Standorte können erst durch eine stärkere Regionalisierung – beispielsweise der Fördermittel – und eine bessere Vernetzung untereinander und mit Forschung und Wissenschaft genutzt werden. Regionale Wirtschaftskreisläufe schließen Lücken in den Wertschöpfungsketten und sichern und schaffen Arbeitsplätze.

Viel zu wenig wurde in der Vergangenheit die Bedeutung der Entwicklung neuer Technologien zur Gewinnung erneuerbarer Energien beachtet. Es gibt inzwischen hervorragende Beispiele für ein gewinnbringendes Zusammenspiel von Ökonomie und Ökologie. Der Solarverbund Ost mit dem Kompetenzzentrum in Freiberg hat gezeigt, wie man 500 neue und zukunftssichere Arbeitsplätze schaffen kann, indem traditioneller sächsischer Maschinenbau mit innovativer Solartechnologie verbunden und die weltweit erste automatische Fertigungsanlage für Solarzellen entwickelt wurde. In diesen und ähnlichen Bereichen liegen unsere sächsischen Potenziale. An uns liegt es, sie zu heben.

Ein dritter Gedanke. Meine Damen und Herren, für unsere Zukunft brauchen wir außer den Potenzialen und außer der finanziellen Unterstützung auch gut gebildete Menschen. Deswegen sind Investitionen in eine moderne Bildungspolitik Investitionen in den Wirtschaftsstandort Sachsen. Genauso wichtig ist es, dass für diese gut gebildeten Menschen Beruf, Familie und Ehrenamt vereinbar sind. Die Rahmenbedingungen dafür sind Aufgabe der Politik und damit unsere Hausaufgabe für die vor uns liegende Legislatur.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich bitte jetzt die Staatsregierung das Wort zu nehmen. Herr Staatsminister Jurk, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! In der jetzigen Stimmungslage in Deutschland sind gute Nachrichten selten und fast schon suspekt geworden. Wir neigen dazu, aus einzelnen schlechten Nachrichten ein düsteres Bild des Ganzen abzuleiten. Damit beginnt man, ob bewusst oder unbewusst, das Land schlechtzureden. Ich betone, das ist ein

verheerendes Signal für Investoren und für Handelspartner. (Beifall bei der CDU und der SPD)

Denn die sächsische Industrie wächst. Die Industrie wächst in Sachsen stärker als in Deutschland insgesamt und dynamischer als in jedem anderen Bundesland.

(Beifall bei der CDU)

Sie wächst stärker, weil das durchschnittliche jährliche Wachstum der Bruttowertschöpfung in den letzten Jahren um das Sechsfache über dem Bundesdurchschnitt liegt, und dynamischer, weil die sächsische Industrie mit einem Wachstum von 13 % im ersten Halbjahr 2004 einen neuen, bundesweit einmaligen Spitzenwert erzielt hat.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU – Beifall des Abg. Prof. Dr. Cornelius Weiss, SPD)

Diese Zahlen können sich sehen lassen. Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, weit wichtiger sind die Dinge, die sich hinter diesen Zahlen verbergen. Das sind zuallererst der Fleiß, die Innovationskraft und die Flexibilität der sächsischen Unternehmer und ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Sie haben diese Dynamik in Gang gesetzt und sie sind es vor allem, die auf diese Bilanz stolz sein können.

(Beifall des Abg. Prof. Dr. Cornelius Weiss, SPD)

Das sind zum Zweiten die Chancen, die aus dieser Entwicklung erwachsen; denn das verarbeitende Gewerbe ist der Motor unserer wirtschaftlichen Dynamik und erst dieser Motor verleiht Dienstleistungen, Handwerk und anderen Branchen den nötigen Schwung. Die überall konstatierte Entwicklung hin zur Wissensgesellschaft hat die Bedeutung der Industrie als Impulsgeber für die Gesamtwirtschaft keineswegs geschmälert.

Zum Dritten sind die erfreulichen Zahlen ein Auftrag an die Politik. Diese Zahlen sind für uns nicht Anlass zum Schulterklopfen, sondern eine Aufforderung, alles zu tun, damit Unternehmen überall in Sachsen auch in Zukunft beste Bedingungen vorfinden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir brauchen die Wachstumsdynamik der Industrie, damit wir unser ehrgeiziges Ziel erreichen, bis zum Jahre 2020 eine selbsttragende Wirtschaft in Sachsen zu haben, wie es im Koalitionsvertrag steht. Und wir brauchen diese Wirtschaftsdynamik, damit wir mehr Beschäftigung in Sachsen bekommen, also die Arbeitsplätze in den sächsischen Unternehmen, die wir uns alle so sehr wünschen, ob in Dresden oder Leipzig, ob im Erzgebirge oder in der Lausitz.

Sicherlich kann man trefflich darüber diskutieren, Wachstum schaffe keine oder nur wenige neue Arbeitsplätze, weil Rationalisierungseffekte diese immer wieder zunichte machen. Wie ist die Lage in Sachsen? In den letzten acht Jahren ist die Beschäftigung im verarbeitenden Gewerbe in Betrieben mit 20 und mehr Mitarbeitern um 11 % gestiegen, von 199 000 Beschäftigten im Jahre 1995 auf 220 000 im Jahre 2003. Sachsen konnte damit sogar entgegen dem gesamtdeutschen Trend zulegen.

Der Wachstumskurs der sächsischen Industrie ist also zugleich ein Kurs für mehr Beschäftigung. Diese Dynamik müssen wir verstärken, damit wieder mehr Menschen in Sachsen von ihrer Hände Arbeit leben können.

Wenn wir auch in Zukunft mehr Wachstum und Beschäftigung in der sächsischen Industrie ermöglichen wollen, dann müssen wir über die Herausforderungen der Gegenwart reden. Zu diesen Herausforderungen gehört, dass die industrielle Basis in Sachsen noch zu schmal ist. Die Industriedichte Sachsens erreicht mit 65 Beschäftigten je 1 000 Einwohner erst 70 % der Durchschnittswerte der alten Länder. Das ist zu wenig. Dazu gehört, dass viele Unternehmen auf unsicheren Beinen stehen und dass sie zu wenig für die Zukunft vorsorgen können. Wir alle wissen, dass dies vor allem an der zu geringen Eigenkapitalausstattung und an zu niedrigen Innovations- und Forschungskapazitäten liegt.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Minister?

Bitte.

Bitte, Herr Schmalfuß.

Herr Staatsminister, Sie sprechen davon, dass Wachstum finanziert werden muss. Glauben Sie, dass der Mittelstandsfonds in Höhe von 30 Millionen Euro, den Sie geplant haben, ausreicht, die Eigenkapitalschwäche des sächsischen Mittelstandes zu beheben, wenn man insbesondere daran denkt, dass es 22 Landkreise gibt und dass es somit pro Landkreis 1,3 Millionen Euro sind?

Dieser mittelständische Wachstumsfonds ist ein Instrument, das wir wählen. Es gibt eine Reihe anderer Möglichkeiten. Ich werde mir in Zukunft sehr genau anschauen, mit welcher Effizienz gerade auch der Mittelstand gefördert werden kann. Aber unser Ziel ist es natürlich, insbesondere auch kleinen und mittelständischen Unternehmen zu helfen. Ich verweise in diesem Zusammenhang jedoch ausdrücklich darauf, dass es dabei nicht nur um staatliche Zuschüsse geht, sondern auch darum, dass die Unternehmen Aufträge haben. Sie wissen ja selbst, dass Sie als Mittelständler am besten davon leben, dass Sie Aufträge haben, dass Sie damit Wertschöpfung betreiben, selbst Gewinne erzielen und Menschen beschäftigen können. Das muss für uns vorrangig sein. Deshalb ist die Industrie – und darum geht es in dieser Debatte – besonders wichtig, damit sie als Auftraggeber für den Mittelstand aktiv werden kann.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Dazu gehört eben auch, dass im internationalen Standortwettbewerb andere Länder an Stärke gewinnen, insbesondere die neuen Mitgliedsstaaten der EU, aber auch Länder außerhalb Europas.

Die sächsische Industrie stellt sich diesen Herausforderungen. Sie kann dabei auf die Unterstützung der Sächsischen Staatsregierung bauen. Wir leisten diese Unter

stützung mit beträchtlichen finanziellen Mitteln. In dieser Debatte ist darauf bereits hingewiesen worden.

Welchen Aufgaben stellt sich die Staatsregierung nun im Besonderen?

Erstens. Wenn wir die industrielle Basis in Sachsen verbreitern wollen, dann brauchen wir neue Unternehmen. Deshalb wollen wir im internationalen Wettbewerb um Industrieansiedlungen weiterhin Erfolge erzielen. Deshalb werden wir mit Future Sax und anderen Instrumenten sächsischen Existenzgründern Starthilfe geben.

Zweitens. Wenn wir den sächsischen Mittelstand als tragende Säule unserer Wirtschaft stärken wollen, dann müssen wir ihn bei seinen Bemühungen unterstützen, auf internationalen Märkten noch stärker Fuß zu fassen. Auch dies werden wir tun; denn die positive Entwicklung im verarbeitenden Gewerbe hängt wesentlich vom Exportgeschäft ab.

Lassen Sie mich dies an zwei Zahlen verdeutlichen: Während der Gesamtumsatz der sächsischen Industrie seit 1995 um 90 % gestiegen ist, nahm der Auslandsumsatz im selben Zeitraum um 300 % zu. Inzwischen liegt der Anteil des Auslandsumsatzes bereits bei 29 %. Er hat sich damit seit 1995 etwa verdoppelt und diese Potenziale sind noch längst nicht ausgeschöpft.

Ein dritter Punkt, in dem wir die sächsische Industrie unterstützen werden, ist die Stärkung ihrer Innovationsfähigkeit. Sie hängt wesentlich von der besseren Vernetzung zwischen Unternehmen und Forschungseinrichtungen ab. Deshalb werden wir die Technologieund Netzwerkförderung auf hohem Niveau fortführen und die Arbeit der sächsischen Verbundinitiativen stärken. Schwerpunkt dabei muss der Aufbau von Forschungsund Entwicklungskapazitäten hier in Sachsen bei sächsischen Unternehmen sein.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Das ist nämlich der wesentliche Garant für eine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung in unserem Freistaat.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das vorrangige Ziel der Sächsischen Staatsregierung bleibt, alles dafür zu tun, Arbeitsplätze zu erhalten und neue zu schaffen.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Ich erteile der Fraktion der CDU das Wort. Herr Lehmann, bitte.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! In meiner früheren Eigenschaft als Vorsitzender des Wirtschaftsausschusses hatte ich erfreulich oft die Gelegenheit, mit Wirtschaftsvertretern aus aller Welt ins Gespräch zu kommen, die sich für unseren Freistaat interessierten. Um von Beginn an keine Missverständnisse aufkommen zu lassen, habe ich zuerst immer etwas zur Geschichte unseres Landes gesagt und daran das Bestreben unserer sächsischen Politik, insbesondere unserer sächsischen Wirtschaftspolitik, klar gemacht, in Sachsen wieder Spitze werden zu wollen. Weil in Sachsen die Wiege der deutschen Industrialisierung, die „Cradle of the German industrialization“, stand, wollen wir alles tun, um unser Land wieder zu

einem weltweit geachteten und leistungsfähigen Industriestandort zu machen. Auf die zugegeben skeptische Frage, wie wir das machen wollen, haben wir immer gesagt: Wir setzen zuerst auf den sprichwörtlichen und vielleicht sogar genetisch determinierten Fleiß und Erfindergeist der Sachsen, den wir mit einer intelligenten Bildungspolitik noch stärken wollen.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Wir favorisieren zweitens eine Haushaltspolitik, die die Staatsschulden tief und die Investitionsquote hoch halten soll. Drittens arbeiten wir daran, meine Damen und Herren von der PDS, die ererbte Infrastrukturlücke so rasch wie möglich zu schließen.

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, PDS)

Viertens orientieren wir unsere einzelbetriebliche Förderung zuallererst an der Qualität der vorgelegten Förderkonzepte. Fünftens sind wir für Investoren aus aller Welt jederzeit gesprächsbereit.

Unsere Wirtschaftspolitik ist darauf gerichtet, Neugründern ihren Start in die Selbständigkeit zu erleichtern, Wachstum und Innovationskraft der vorhandenen Firmen zu stärken und externe Investoren nach Sachsen zu holen.

(Beifall bei der CDU)

Klein- und Mittelbetriebe zu fördern, ohne die Ansiedlung global aktiver Großunternehmen zu vernachlässigen – das ist das eigentliche Konzept, mit dem wir hier in Sachsen erfolgreich sein wollen.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Die über die Jahre doch recht zahlreichen Besucher haben gesagt: „hm“ oder „interesno“ oder „remarkable“. – Richtig. Aber weil wir durchgehalten haben, was wir damals allen gesagt haben, beginnen sich heute die Erfolge einzustellen. Wenn das Sächsische Landesamt für Statistik mitteilt, dass unsere Zahlen besser sind als anderswo, dann ist das Anlass zum Stolz. Man kann diese Sätze durchaus noch einmal wiederholen und sich ins Stammbuch schreiben.

Der Industrieumsatz Sachsens erreichte im September einen neuen Spitzenwert unter den monatlich überhaupt registrierten Ergebnissen. Sowohl im Export als auch im Inland konnten Geschäfte bisher noch nicht erreichter Größenordnung realisiert werden. Um diese Zahlen beneiden uns sehr viele Länder. Wir sind stolz auf sie. Die Zahlen sind uns aber auch Mahnung. Sie mahnen uns, an unserem klaren wirtschaftspolitischen Kurs festzuhalten; denn der Weg zur absoluten Spitze – Herr Jurk, darin stimme ich mit Ihnen überein – ist noch weit. Die Grundlagen für die heutigen Ergebnisse haben wir vor zwölf, vor acht bzw. vor vier Jahren gelegt. Abgeordnete hatten ihre Hände im Spiel, die Staatsminister, Wirtschaftsförderer der Landkreise und Gemeinden ebenso wie manch tabakschnupfender Abteilungsleiter im Wirtschaftsministerium und natürlich die vielen Unternehmer mit ihren guten Ideen und motivierten Belegschaften.