Protocol of the Session on December 10, 2004

(Staatsminister Thomas Jurk: Nehmen Sie einfach den letzten Satz!)

Wir Nationaldemokraten wollen hier in den nächsten fünf Jahren das detaillierte Konzept einer raumorientierten Volkswirtschaft herstellen, das in Deutschland endlich wieder für Wachstum und Beschäftigung sorgen wird. Wenn es einmal zum Zuge kommt, schaffen wir ein neues Wirtschaftswunder, einen nationalen Aufbruch Sachsens, der sich immer der Wahrheit bewusst bleibt, dass jede Nation, aber auch jede Region – –

Bitte zum Schluss kommen!

– nur mit ihrer eigenen spezifischen Erfolgstradition wirksam auf die existenziellen globalen und nationalen Herausforderungen antworten kann.

(Beifall bei der NPD)

Ich erteile der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort. – Entschuldigung, zuerst die FDP, Herr Morlok. Ich war schon einen Schritt weiter.

Herr Präsident! Sehr verehrte Damen und Herren! Es sind schon die Umfragen und die Analyse der „Wirtschaftswoche“ erwähnt worden. Das gibt mir Gelegenheit, noch einmal etwas intensiver darauf einzugehen. Herr Ministerpräsident, ich gönne Ihnen die Wahl zum Ministerpräsidenten des Jahres sehr wohl. Aber letztendlich hat die „Wirtschaftswoche“ zwei Faktoren benannt, die ausschlaggebend gewesen sein sollen: nämlich Arbeitslosigkeit und Steigerung des Bruttoinlandsprodukts pro Kopf.

(Ministerpräsident Prof. Dr. Georg Milbradt: Drei Indikatoren waren es!)

Aber das waren die wesentlichen, die Dynamikfaktoren. Und die Dynamikfaktoren waren Arbeitslosigkeit und Steigerung des Bruttoinlandsprodukts pro Kopf.

(Zuruf des Ministerpräsidenten Prof. Dr. Georg Milbradt)

Das muss man einfach einmal sagen, Herr Ministerpräsident: Wir haben zwar formal eine geringe Steigerung der Arbeitslosigkeit, aber wir haben auch einen Wanderungsverlust, und zwar einen Wanderungsverlust von Erwerbsbevölkerung.

(Prof. Dr. Peter Porsch, PDS: Sehr richtig!)

Wenn Sie den Wanderungsverlust der Erwerbsbevölkerung mal mit in die Zahlen einrechnen, dann stehen wir nicht mehr an der Spitze; wohlgemerkt auch nicht hinten, keine Frage, aber nicht mehr an der Spitze.

Gleiches gilt auch für das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf. Sie können sich alle daran erinnern: Wir hatten hier in Sachsen bedauerlicherweise die Flut. Aber die Folgen der Flut haben sich gerade auch in der Steigerung des BIP pro Kopf deutlich gemacht,

(Zuruf des Ministerpräsidenten Prof. Dr. Georg Milbradt)

aber im Zeitraum 2001 bis 2003, in dem das bewertet worden ist, Herr Ministerpräsident, und das müssen Sie sich hier auch einmal sagen lassen. Wenn Sie diese Faktoren herausrechnen, dann sind Sie auch dort nur im Mittelfeld.

Zusammengefasst kommen wir einfach zu dem Ergebnis: Ministerpräsident des Jahres dank Abwanderung und Flut – das hat schon einen fahlen Beigeschmack.

(Prof. Dr. Peter Porsch, PDS: Das haben wir schon im Mai gesagt! – Unruhe)

Die Staatsregierung hat dann Gelegenheit, hier das Wort zu nehmen.

Ich denke, Sie haben alle noch genug Redezeit, um Ihre Statements zu meinem Statement abzugeben.

(Ministerpräsident Prof. Dr. Georg Milbradt: Er redet wie der Blinde von der Farbe!)

Das können Sie dann tun. Wir werden sehen, was dabei herauskommt.

Ich will hier nicht alles schwarz malen. Wir erkennen sehr wohl an, dass im Bereich der Verschuldung wir in Sachsen gute Vorleistungen gemacht haben.

(Lachen bei der CDU)

Wir in Sachsen.

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, PDS)

Wir erkennen auch an, dass in Sachsen – im Gegensatz zu anderen Bundesländern – die Fördermittel zukunftsorientiert und richtlinienkonform eingesetzt wurden.

(Zuruf von der CDU: Sag bloß!?)

Wir nehmen erfreut zur Kenntnis, dass wir jetzt ein Mittelstandsfinanzierungsprogramm von 30 Millionen Euro erhalten. Warum denn aber erst jetzt? Wir haben es schon lange gefordert, Herr Ministerpräsident. Sie hätten schon längst tätig werden können. Wir hoffen, dass die einzelnen Tranchen für die finanzierten Unternehmen so klein sind, dass sie auch tatsächlich dem sächsischen Mittelstand zugute kommen können.

Wir haben das Problem, dass die Arbeitskosten zu hoch sind. Wenn wir unser Wohlstandsniveau erhalten wollen, müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass es Bevölkerungsschichten geben wird, die dauerhaft ihren Lebensunterhalt nicht allein durch Erwerbseinkommen werden finanzieren können. Deswegen geht es hier nicht um Billiglohn, wie angesprochen, sondern es geht darum, dass wir als FDP Ihnen zur Lösung dieses Problems das System des Bürgergeldes vorschlagen, um zu verhindern, dass immer mehr Menschen aus dem Erwerbsleben ausscheiden.

Das ist unsere Antwort auf diese Entwicklung der steigenden Arbeitskosten insbesondere in den unteren Lohngruppen.

Unser Vorsitzender, Herr Zastrow, hat es gestern bereits angesprochen: Wir schlagen in dem Zusammenhang eine Sonderwirtschaftsregion vor, weil wir doch alle genau wissen – das wissen doch auch Sie, Herr Ministerpräsident –, dass wir an den Stellschrauben in Sachsen etwas ändern müssen. Wenn man in den alten Bundesländern die Zeichen der Zeit nicht erkannt hat, dann sollen die doch weitermachen, wie sie wollen. Aber wir wollen in Sachsen die Chance haben, Dinge anders und besser zu machen. Deswegen würden wir uns freuen, wenn Sie

sich auch in der Koalition für die Sonderwirtschaftsregion einsetzten.

(Ministerpräsident Prof. Dr. Georg Milbradt: Bei der FDP in Berlin?)

Bei der SPD in Berlin. Herr Jurk sitzt ja neben Ihnen.

(Zuruf des Ministerpräsidenten Prof. Dr. Georg Milbradt)

Er hat ja einen guten Kontakt, der soll sich einmal dafür einsetzen. Darüber würden wir uns sehr freuen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Ich erteile jetzt der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort. Herr Weichert, bitte.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! „Sächsische Industrie auf Wachstumskurs“ – in diesem Titel steckt schon eine Menge Brisanz. Ich möchte für meine Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN drei Aspekte beleuchten. Unbestritten ist Sachsen relativ erfolgreich und hat das höchste industrielle Wachstum der neuen Bundesländer. Mit knapp 10 % in diesem Bereich sind wir auch besser als der Bundesdurchschnitt.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Das ist ein Erfolg der Politik, aber auch ein Erfolg der sächsischen Menschen, die besonders aktiv und unternehmerisch sind.

(Heinz Lehmann, CDU: Auch richtig!)

Daher kommt wahrscheinlich die Bezeichnung „fischilante Sachsen“.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Schauen wir uns aber die gesamtwirtschaftliche Entwicklung an, sind wir weit weg von optimal. Dem sächsischen Mittelstand geht es nicht gut, meine Damen und Herren. Damit meine ich den typischen Mittelständler mit bis zu 15 Millionen Euro Umsatz und mehr als zehn Mitarbeitern. Gerade aber in diesem Bereich spielt die Musik zum Thema Arbeits- und Ausbildungsplätze.

(Heinz Lehmann, CDU: Zum Glück spielt sie da!)

Viele unserer Bestandsfirmen haben große Sorgen. Am Amtsgericht Leipzig ist gestern die Insolvenz mit der Nummer 3 403 in diesem Jahr eingereicht worden. Die Firmen sind im Markt positioniert und wenn sie ein Problem haben, brauchen sie auch keinen Berater, der ihnen sagt, dass sie ein Problem haben. In der Regel fehlt Eigenkapital, um auf aktuelle, eigentlich nicht bedrohliche Situationen reagieren zu können. Hier könnte der Freistaat viel besser und effektiver helfen, als er das bis heute getan hat.

Ich möchte nicht Subventionen das Wort reden. Ich meine gezielte Spritzen schnell und unbürokratisch und unterhalb der De-Minimis-Grenze von 100 000 Euro. Wenn wir in 100 Fällen mit 50 000 Euro helfen, sind das fünf Millionen. Damit kann man tausend Arbeitsplätze für eine längere Zeit sichern. Mit fünf Millionen Euro Arbeitslosigkeit zu finanzieren reicht für 1 000 Menschen gerade mal ein halbes Jahr.