Protocol of the Session on May 10, 2006

Der heutige Antrag ist dafür erneut ein sehr gutes Beispiel. Sinn des Kyoto-Protokolls von 1997 ist es, den weltweiten Ausstoß von CO2 gegenüber dem Vergleichsjahr 1990 zu verringern. Mit der Reduzierung des Aussto

ßes insbesondere durch die Industriestaaten soll der befürchteten Erderwärmung vorgebeugt werden. Die EU hat sich diese Reduktionsziele zu Eigen gemacht und den Nationalstaaten Obergrenzen vorgegeben. Jedes Land darf nur noch eine bestimmte Menge CO2 ausstoßen. Wie das genau gemacht wird, liegt im Ermessen der jeweiligen Regierungen. Im Fall von Deutschland, Herr Lichdi, lag es im Ermessen von Trittin. Er hat federführend das bürokratische Monstrum aus Treibhausemissionshandelsgesetz, Zuteilungsgesetz, Projektmechanismengesetz und einer weiteren Reihe von Verordnungen erschaffen, dessen Auswirkungen jetzt die GRÜNE-Fraktion beklagt. Die Stromerzeugungsunternehmen – ich will das für die Kollegen erklären, die sich nicht jeden Tag damit befassen – bekommen vom Staat eine Anzahl Gutscheine, so genannte Zertifikate, zugeteilt, also im Klartext: geschenkt.

Herr Lehmann, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Selbstverständlich, wenn ich Herrn Lichdi helfen kann.

Herr Lichdi.

Ich habe zwei Nachfragen; ich frage nachher noch einmal, ob ich beide stellen darf. – Herr Kollege Lehmann, ist Ihnen bekannt, dass die Einbringungsrede nicht ich gehalten habe, sondern mein Kollege Weichert, sodass es parlamentarischem Brauch entsprechen würde, jetzt ihn und nicht mich anzusprechen?

Herr Lichdi, wenn ich an Herrn Trittin denke, kommen Sie mir in den Sinn.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU und der NPD)

Bei Herrn Weichert hatte ich schon präventiv Abbitte geleistet.

Gestatten Sie eine zweite Zwischenfrage?

Wenn es denn hilft, bitte schön. Nur zu!

Um jetzt die Fachlichkeit etwas zu erhöhen: Sie haben gerade versucht, den von mir sehr hoch verehrten Herrn Trittin etwas ins Lächerliche zu ziehen

(Lachen bei der CDU)

und insbesondere kritisiert, dass er mit dem Treibhausgasemissionshandelsgesetz – so heißt es nämlich korrekt – ein bürokratisches Monstrum geschaffen habe. Ist Ihnen bekannt, dass es auf einer EU-Richtlinie beruht und Herr Trittin in der Umsetzungspflicht war?

Lieber Herr Lichdi, ich werde im Verlauf meiner Rede darauf zurückkommen.

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Das ist schön!)

Ich werfe Ihnen vor – das war auch der rot-grünen Regierung an manchen Stellen als Kritik anzuhängen –, dass auf die europäischen Limite immer noch das berühmte Schippchen oben drauf gelegt worden ist. Das fällt uns, Deutschland, komparativ auf die Füße.

Ich komme auf die Erläuterung des Systems zurück. Jeder Gutschein berechtigt zum Ausstoß von einer Tonne CO2 in die Atmosphäre. Im Normalfall reichen die ausgegebenen Gutscheine genau für eine Jahresproduktion Strom. Wem die Gutscheine nicht reichen, der kann sich auf dem freien Markt weitere dazukaufen. Alternativ könnte er für das laufende Jahr die Stromproduktion beenden oder schwarz weiterproduzieren. Damit ginge er, wie Sie wissen, ein hohes Risiko ein. Würde er dabei erwischt, wäre eine empfindliche Strafe fällig; gegenwärtig liegt sie bei etwa 100 Euro pro Tonne.

Wer auf der anderen Seite eine besonders effektive Verstromungstechnologie anwendet und deswegen die zugeteilten Gutscheine nicht aufbrauchen kann, der darf sie verkaufen, und zwar sogar über nationale Grenzen hinweg. Das nennt sich CO2-Zertifikate-Handel und geschieht unter anderem an der Leipziger Strombörse. Den Preis regeln Angebot und Nachfrage.

Vor zwei Wochen – ich habe hineingeschaut – lag der Preis je Gutschein bei 30 Euro; inzwischen ist er wieder auf unter 16 Euro gefallen. Gutscheine sind also auch Spekulationsobjekte – auf Kosten der Stromkunden, versteht sich.

Mit der Gutscheinregelung soll erreicht werden, dass Stromerzeuger beständig an der Verbesserung ihrer Verstromungstechnologien arbeiten. Sie sollen investieren, um den Wirkungsgrad ihrer Kraftwerke zu erhöhen. Ferner sollen sie Maßnahmen zum Binden und Deponieren von CO2 nachschalten. Damit trotz allem technischen Fortschritt der Druck erhalten bleibt, wird die Summe der ausgegebenen Zertifikate bis 2012 für die großen Stromerzeuger in Schritten abgesenkt. Deutschland hat sich bis 2012 als Nation auf eine Reduzierung um 21 % festgelegt; für den gesamten Kyoto-Bereich gilt, wie Sie wissen, eine Reduktion um 8 %.

Die Zahl der CO2-Zertifikate ist begrenzt. Auf Deutschland entfallen durchschnittlich 495 Millionen im Jahr; für Sachsen sind es 33 Millionen.

In diesen Rahmen – jetzt muss ich Sie wieder anschauen, Herr Lichdi – muss sich auch das neue Kraftwerk in Boxberg einpassen. Reichen die bisher zugeteilten Zertifikate nicht aus, muss Vattenfall auf dem Weltmarkt weitere hinzukaufen. Insofern entsteht für den KyotoBereich überhaupt kein zusätzlicher Ausstoß von CO2. Das müsste auch Herr Lichdi nachvollziehen können. Insofern ist Ihre schnelle Pressemitteilung, auf die ich jetzt Bezug nehme, auch daneben.

Mit dem neuen Kraftwerk hingegen erreichen wir eine stabile Versorgung mit Strom aus einheimischen Energieträgern – in unserer turbulenten Welt ein nicht zu unter

schätzender Standortvorteil. Zusätzlich soll mit dem nationalen Allokationsplan die Transparenz der Stromerzeugung verbessert werden.

Es gibt eine wichtige Vorgabe: Die Wettbewerbsfähigkeit des Strompreises in Deutschland darf darunter nicht leiden. Genau das ist nicht gelungen. Schuld daran ist Trittin. Er hätte in seinen Allokationsplan und in sein Zuteilungsgesetz hineinschreiben können, dass die Aufwendungen für die Gutscheine nicht in die Kalkulation des Strompreises einbezogen werden dürfen. Er hätte sogar ein ungerechtfertigtes Einpreisen unter Strafe stellen können. Immerhin hat der Staat 90 % der Zertifikate verschenkt. Trittin hat das aber nicht getan, weil er, seiner grünen Ideologie folgend, auf den europäischen Rahmen noch draufsatteln wollte. Herr Lichdi, das ist das berühmte Schippchen top up – ich sprach davon –, nach dem grünen Motto „Nur teure Energie ist gute Energie“. Die besser verdienenden Wähler der GRÜNEN stört das natürlich nicht weiter – noch nicht! Trittin hat den Stromkonzernen das gesetzliche Türchen geöffnet, durch das Einpreisen der CO2-Zertifikate Zusatzgewinne einstreichen zu können, die durch keinerlei Mehraufwand gedeckt sind. Insofern stimme ich mit Herrn Kollegen Weichert überein.

Genau diese Monopolgewinne und Zusatzprofite sind es, die Ihre Fraktion in dem Antrag kritisiert – leider ohne daraus die richtigen Konsequenzen zu ziehen. Insofern ist die grüne Politik in meinen Augen inkonsistent. Sie fordern nicht das volkswirtschaftlich Sinnvolle, etwa die ungerechtfertigte Einpreisung der CO2-Zertifikate zu verbieten; Sie verlangen, dass der Ertrag aus der ungerechtfertigten Mehrbelastung der Stromkunden via Stromkonzerne in die Staatskasse umgeleitet wird. Zu den bekannten Mineralöl- und Ökosteuern hätten Sie dann noch eine CO2-Steuer. Wer Ihre Begründung richtig gelesen hat, weiß, dass Sie auch noch für eine Atomstromsteuer und eine Braunkohlenkraftwerkssondersteuer sind.

Meine Damen und Herren! Das ist der falsche Weg. Er verteuert die Strompreise künstlich und schadet dem Wirtschaftsstandort Deutschland. Auch die Wirtschaft des Exportweltmeisters kann nur schwer mit dem Handikap leben, dass die Kilowattstunde Strom in Straßburg – das ist in Elsass-Lothringen – 8 Cent kostet, in Freiburg in Breisgau, also unmittelbar daneben, 18 Cent und in Sachsen 21 Cent und mehr.

Die Koalitionsfraktionen haben im Antrag 4/4331 die Staatsregierung aufgefordert, sich für ein Verbot der ungerechtfertigten Einpreisung der CO2-Zertifikate stark zu machen. Zu diesem Beschluss des Hohen Hauses stehen wir noch heute. Mit der kurz bevorstehenden Verabschiedung des nationalen Allokationsplanes für die Jahre 2008 bis 2012 haben wir dafür einen sehr günstigen Zeitpunkt gewählt. Wir stehen zu Reduktionszielen für CO2, aber ohne künstliche Verteuerung des Strompreises.

Darum werden wir Ihren Antrag ablehnen.

(Beifall bei der CDU)

Für die Linksfraktion.PDS ist Frau Dr. Runge angemeldet. Bitte sehr.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zu später Stunde ein schwieriges Thema, das für viele Zuhörerinnen und Zuhörer wahrscheinlich nicht durchschaubar sein wird. Insofern möchte ich mir etwas Mühe geben, Herr Lehmann, und einiges vorwegnehmen. Weder das Verbot der Einpreisung noch der Weg, den BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vorgeschlagen haben, würde uns ein wirkungsvolles Instrument in die Hand geben, um dieser Preisspirale, die durch den CO2-Emissionshandel zusätzlich angetrieben worden ist, ein Ende zu bereiten. Ich möchte auch begründen, warum das so ist.

Im Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wird die Staatsregierung aufgefordert, sich dafür einzusetzen, dass die Monopolgewinne und Zusatzprofite aus dem CO2-Zertifikatehandel vom Staat abgeschöpft werden, und im Gegenzug auf die Mehrwertsteuererhöhung anteilig zu verzichten. Wenn die sächsische CDU-/SPDKoalition für die Zukunft ein Verbot der Einrechnung von Kosten aus dem CO2-Handel in die Strompreise fordert, wäre das für meine Begriffe nicht nur ein halbherziger Schritt, sondern würde sogar Sinn und Zweck des gesamten CO2-Handels infrage stellen.

Wie der Ökonom Axel Ockenfels begründet, haben Zertifikate einen Wert, da sie entweder zum Zertifikatspreis verkauft oder für die Stromproduktion eingesetzt werden können. Falls sie bei der Stromproduktion verbraucht werden, können sie nicht mehr gehandelt werden und verlieren ihren Wert. Die durch diesen Wertverlust entstehenden Kosten nennt man Grenzkosten. Sie entstehen unabhängig davon, ob die Zertifikate gekauft oder verschenkt wurden, denn der Wertverlust ist der gleiche, egal ob man bei der Produktion geschenkte oder gekaufte Zertifikate verbraucht. Genau diese Grenzkosten rechtfertigen höhere Preisforderungen an der Strombörse. Die Verteuerung des Stroms durch höhere Grenzkosten ist Bedingung für das Funktionieren des Emissionshandels. Der Emissionshandel würde ohne Kosten- und Preissignale wirkungslos verpuffen. Schließlich sollen mit diesem Instrument die Energiewirtschafts- und Industrieunternehmen stimuliert werden, CO2-Emissionen zu reduzieren.

Insofern würde ein gesetzliches Verbot der Einpreisung von Kosten aus dem CO2-Handel das gesamte Anliegen dieses Instrumentes aushebeln. Preise bilden sich bekanntlich im Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage, so auch am CO2-Handelsmarkt. Dass das so funktioniert, zeigt der Preisabsturz von 31 Euro je Tonne CO2 auf elf Euro in der letzten Aprilwoche. Ursache für diesen rasanten Preisverfall am CO2-Markt war die Veröffentlichung der Emissionsrechte innerhalb der EU. In der letzten Aprilwoche hatten nämlich Frankreich, Tschechien, die Niederlande, Estland und Teile Belgiens die

Emissionsrechte veröffentlicht, die sie vergeben haben, und stellten fest, dass weniger CO2 emittiert worden ist als Rechte ausgegeben wurden. Diese überschüssigen Emissionszertifikate trafen auf einen Markt mit unveränderter Nachfrage und drückten den Preis für CO2-Zertifikate. Insofern funktioniert dieser CO2-Markt. Kritisiert werden am bestehenden Handelssystem die Defizite, die vor allem in den ordnungsrechtlichen Rahmenbedingungen gesetzt wurden.

Ich nenne hier vier Defizite:

Das erste Defizit ist, dass die Bemessungsgrundlage für die freie Zuteilung von Zertifikaten im Rahmen der nationalen Allokationspläne nicht stimmig ist. Und zwar wurden diese Zertifikate in anderen Ländern teilweise inflationär vergeben. Erst eine Verknappung der CO2-Zertifikate würde Unternehmen stimulieren, CO2-intensive Brennstoffe durch andere zu ersetzen und damit CO2-Emissionen zu reduzieren.

Das zweite Defizit ist die Intransparenz dieser nationalen Allokationspläne.

Ein drittes Defizit ist die Nichtkoordinierung innerhalb der Europäischen Union.

Schließlich fehlt viertens eine permanente Veröffentlichung dieser Emissionsentwicklung. Die nun schon im vergangenen Jahr erzielten Windfall Profits in Höhe von fünf bis sieben Milliarden Euro aus dem CO2-Handel – was wir alle als Verbraucher durch die gestiegenen Preise bezahlen – wurden von den Wirtschaftsministern der Länder genehmigt, bis auf den hessischen Wirtschaftsminister, der den Mut hatte – es geht also –, die Preissteigerung nicht zu genehmigen.

Nun daran zu denken, diese zusätzlichen Gewinne wieder vom Staat zurückzuholen, halte ich nur mit einem sehr überhöhten bürokratischen Aufwand für möglich oder aber durch eine Sondersteuer auf die Zusatzgewinne. Das wiederum würde die Preisspirale weiter nach oben treiben, denn die entzogenen Gewinne würden wieder in die Energiepreise einfließen. Das heißt also, dieses Paradoxon einer unendlichen Preisspirale könnten wir logisch mit beiden Instrumenten überhaupt nicht bekämpfen. Ich bin froh, dass es wenigstens ein Wirtschaftsinstitut in der Bundesrepublik gibt, das eine effektivere Lösung des Problems darin sieht – und die Linksfraktion.PDS hat das auch seit längerer Zeit gefordert. Das Deutsche Wirtschaftsinstitut sagt, da der CO2-Markt ein abgeleiteter sekundärer Markt bei einem nicht funktionierenden Basismarkt im Energiesektor ist, kann dieses Paradoxon nur aufgelöst werden, indem man den Basisenergiemarkt zu einem wirklichen Markt macht. Das bedeutet Entflechtung, und zwar Herauslösung der Netze aus den Energiewirtschaftsunternehmen

(Beifall der Abg. Andrea Roth, Linksfraktion.PDS)

und einen freien Zugang aller Energieproduzenten zum Netz.

(Vereinzelt Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Diesen Weg sind bekanntlich Großbritannien und Dänemark mit gutem Erfolg gegangen. Der Netzbetreiber kann natürlich privatrechtlich organisiert sein, aber wir fordern, das Netz in die öffentlich-rechtliche Hand zu geben, weil von höheren Preisen das Gemeinwohl, die Bürgerinnen und Bürger im Lande profitieren sollten. Entscheidend ist die Entflechtung der Monopolstrukturen, die wir auf dem bundesdeutschen Markt haben, und EU-weit einen wirklichen Energiemarkt herzustellen. Dazu gab es zwar einen Gipfel in Brüssel, aber mit wenigen Konsequenzen, weil andere Länder, wie Frankreich und Spanien – siehe im Falle Endesa –, mauern.

Die Lösungsvorschläge können nur sein: Der Basismarkt muss mehr Wettbewerb zulassen. Das geht nur durch die Entflechtung dieser Monopole. Das natürlichste Monopol ist die Inhaberschaft des Netzes. Dies muss für den freien Zugang für alle Anbieter geöffnet werden. Nur dadurch ist das Paradoxon einer unendlichen Preisspirale nach oben logisch zu durchbrechen. Außerdem hat die Linksfraktion.PDS, als die Ökosteuer eingeführt worden ist, festgestellt, dass die ökologische Lenkungswirkung dieser Ökosteuer nicht so ist, wie man sich das vorstellt. Dafür haben wir von Anfang an eine CO2-Primärenergiebesteuerung gefordert, um damit an der Basis primär regulierend einzugreifen.

Kurz und gut: Ich verstehe den Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Er ist mit einer guten Absicht verbunden; wie auch die letzten Anträge, die wir von der CDU/SPD-Koalition während der vergangenen Landtagssitzung hier verabschiedet haben, indem sie das Verbot der Einpreisung gefordert hat. Beide Instrumente sind nicht geeignet, diesem Preissteigerungswettlauf ein Ende zu setzen.

Ich bedanke mich.