Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren der demokratischen Fraktionen! Lieber Herr Lehmann, ich möchte den Herrn Lichdi etwas in Schutz nehmen. Sie tun ihm Unrecht. Er war im Unterschied zu Trittin, bevor dieser Minister wurde, kein Mitglied des Kommunistischen Bundes Norddeutschland. Also, das kann man Herrn Lichdi bestimmt nicht unterstellen.
Meine Damen und Herren! Ein Monat ist wieder vergangen und der Sächsische Landtag diskutiert erneut über die hohen Energiepreise, diesmal auf Antrag der GRÜNEN, ganz nach dem Motto: Es ist zwar schon alles gesagt worden, aber noch nicht von allen und auch noch nicht von jedem.
Ich glaube, wir sind uns alle einig, dass die hohen Energiepreise, die nur zum Teil auf einer Verknappung der
fossilen Energierohstoffe beruhen, ein Ärgernis sind für jeden Privathaushalt, für die öffentlichen Hände, aber auch für jedes Unternehmen. Das Protokoll von Kyoto zum globalen Klimaschutz ist wohl der wichtigste Schritt, um den fortschreitenden Treibhauseffekt und die damit einhergehende Erderwärmung wenigstens zu verlangsamen. Deutschland hat sich darin verpflichtet, den Ausstoß klimaschädlicher Treibhausgase bis 2012 um 21 % unter das Niveau von 1990 zu senken.
Um dies zu erreichen, werden Verschmutzungsrechte für den Ausstoß von Kohlendioxid begrenzt vergeben. Unbestritten ist der Handel dieser Verschmutzungsrechte – von denen hier schon die ganze Zeit die Rede war –, die den Marktakteuren vorher staatlicherseits zugeteilt wurden, ein marktkonformes Instrument. Aber eine entscheidende Bedingung wurde nicht beachtet: Wir haben nur noch vier große Energiekonzerne in Deutschland, die die Stromerzeugung und den ausschließlichen Transport zu den Abnehmern über ihre Netze kontrollieren.
Dass ein solches Oligopol stets problematisch ist, bestätigt auch die Energieexpertin des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung Frau Claudia Kempfert – ein Institut, das wahrlich kein Hort für Wirtschaftskritik ist.
Meine Damen und Herren, im Klartext: Wir haben keinen wirklichen Strommarkt. Die Stromoligopole können daher die kostenlos erhaltenen Zertifikate einpreisen und damit ihre Preise auch erhöhen, ohne dass sie einen Wechsel der Abnehmer zu anderen, günstigeren Stromlieferanten zu befürchten brauchen, die die Zertifikate nicht eingepreist haben. Denn es gibt diese anderen Anbieter nicht.
Dies aber ist die direkte Folge der Privatisierung bisheriger Staatsunternehmen, wie VEBA, heute E.on, RWE. Mit ihrer vorschnellen Privatisierung – und der Art, wie sie durchgeführt worden ist – haben wir uns keinen Gefallen getan, sondern nur die Illusion von einem Markt geschaffen, der von Oligopolen beherrscht wird. Tafelsilber aus Geldnot zu verkaufen bringt eben meist nur kurzfristigen Erfolg. Es ist so sinnvoll wie der Selbstmord aus Angst vor dem Tod. Längerfristig zahlen wir alle drauf.
Hinter diesen Privatisierungen von milliardenschweren, ehemals staatlich gelenkten Großunternehmen, meine Damen und Herren, stecken immer Lobbyinteressen, die sich quer durch alle Parteien ihre Gärtner suchen, um hoch dotierte Landschaftspflege zulasten der Allgemeinheit zu betreiben. Ob Wasser, Abwasser, Müll, Strom oder Gas – es sind immer auch ein paar Volksvertreter behilflich, was eine völlig neue Definition von Unschuldslamm entstehen lässt, wie uns der blamable Fall von Putins oberstem Gasangestellten aus Hannover zeigt.
(Beifall des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE – Dr. Jürgens Martens, FDP: Genossen beschimpfen, na so was!)
Ein Unschuldslamm, meine Damen und Herren, so sollten wir unseren Kindern ins Schulbuch schreiben, ist heute ein Lamm mit Wolfsohren und Wolfsklauen, das nur
mühsam seinen Wolfspelz verstecken kann, das aus der Gemeinnützigkeit seines Eides als Volksvertreter den gemeinen Eigennutz hat werden lassen.
Wo Milliarden fließen, wie zum Beispiel auch in Dresden (dessen Oberbürgermeister übrigens seit heute beurlaubt ist, weil sein Verfahren vor Gericht kommt) , möchten ein paar Millionen übrig sein zum Bezahlen, zum Schmieren, Bestechen, Einkaufen und Einwickeln von Entscheidungsträgern. Diese Unterwanderungsstrategie findet vorausschauend über einige Jahre statt. Da wird mal diese Partei gefördert, mal jene. Da wird mal der Ratsherr oder der Abgeordnete, der Minister oder der Kanzler unterstützt, mal der eine, mal der andere, immer schön gleichmäßig verteilt, damit die schweren Gewissensentscheidungen quer zu allen Fraktionen leicht fallen, aber nicht leicht auffallen.
Meine Damen und Herren! Solche Privatisierungen können nur Erfolge für die Endverbraucher haben, wenn es sich um Bereiche handelt, in denen ein echter Wettbewerbsmarkt existiert und gesichert bleibt. Oder haben Sie schon einmal gehört, dass Industrieunternehmen mit dem Argument der Einpreisung von kostenlos zugeteilten Emissionszertifikaten die Preise ihrer Produkte erhöht haben?
Wenn meine Druckerei ein Zertifikat geschenkt bekäme und deshalb seine Preise erhöhen würde, wäre ich nicht mehr konkurrenzfähig und die Kunden würden zu anderen Anbietern wechseln. Wenn es aber in Deutschland nur vier große Druckereien gäbe und diese allesamt die Preise wegen der erhaltenen Zertifikate erhöhen würden, müssten die Kunden in den sauren Apfel beißen und zahlen, weil sie nicht zu einem anderen Anbieter wechseln könnten. Dies ist aber genau die Situation in unserem Stromsektor, meine Damen und Herren, und – das sei angemerkt – in größerem Maßstab auch auf dem internationalen Ölmarkt und auf anderen so genannten Märkten.
Meine Damen und Herren! Warum eigentlich können die großen deutschen Energieerzeuger den Wert der Zertifikate als Kosten verbuchen? Seitens der Energieerzeuger wird immer mit dem Opportunitätskostenansatz argumentiert. Das Konzept der Opportunitätskosten basiert auf der Vorstellung, dass die Kosten einer bestimmten Entscheidung – hier die Produktion von Strom – immer durch die entgangenen Erträge der nächstbesten Alternative – hier der gewinnbringende Verkauf der kostenlos zugeteilten Verschmutzungsrechte – bestimmt werden.
Betriebswirtschaftlich sind das die so genannten kalkulatorischen Kosten. Das sind Kosten, denen ein Aufwand in geringerer oder größerer Höhe oder in unserem Fall bei den kostenlos zugeteilten Verschmutzungsrechten sogar keinerlei Aufwand gegenübersteht. Da es keine gesetzlichen Vorgaben für den Ansatz von kalkulatorischen Kosten gibt, steht es jedem Unternehmer frei, für diese in
beliebiger Höhe Beträge anzusetzen. Das ist völlig legal. Die Kosten wiederum sind Grundlage für die Preisgestaltung des Unternehmers.
Normalerweise würde der Wettbewerb jetzt dazu führen, dass irgendein Unternehmen die Preise stabil hält, die Zertifikate also nicht einpreist. Aber wie schon gesagt: Der Strommarkt ist kein Wettbewerbsmarkt. Er ist ein durch Privatisierungspolitik entstandener regionaler Monopolmarkt. Im Übrigen wird diese Monopolstellung durch den Verkauf kommunaler Stadtwerke an die vier Gebietsmonopolisten noch weiter verschärft.
Meine Damen und Herren! Einfach ist es, wie die Fraktion GRÜNE fordert, die Abschöpfung von bisher erzielten Monopolgewinnen und Zusatzprofiten zu verlangen. Wenn diese aber legal erlangt wurden, sollten Sie mir einmal erklären, wie Sie die Zusatzgewinne bei den Unternehmen wieder abschöpfen wollen. Die Zielrichtung Ihres Antrages ist doch prima und bringt Punkte. Aber Sie sollten auch realistische Vorschläge machen, wie Sie dies rechtlich unanfechtbar erreichen wollen.
Diese Antwort bleiben Sie uns in Ihrem Antrag vollkommen schuldig. Deshalb lehnen wir Ihren Antrag in der vorliegenden Form ab.
Ihr Anliegen eines Verbots der zukünftigen Einrechnung kostenlos erteilter Zertifikate in die Strompreiskalkulation wird im Übrigen schon durch den Antrag der Koalition vom 15. Februar 2006 verfolgt, und er wird umgesetzt.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Ministerpräsident Georg Milbradt lobte auf der Fachtagung Energiemarkt Ostdeutschland am letzten Freitag die Preissteigerung bei der Energie mit der Begründung, dass es die steigenden Einnahmen der Energiewirtschaft erlauben würden, zusätzliche Rohstofflagerstätten zu erschließen, und sich dadurch die Zeit der Nutzbarkeit dieser Energieträger verlängern würde.
Wenn dies das Ziel sächsischer Energiepolitik sein soll, dass mit steigenden Preisen weitere Rohstoffe erschlossen werden, befinden wir uns in Sachsen energiepolitisch meiner Meinung nach weiterhin in einer Sackgasse. Theoretisch wäre es auch so: Wenn man die Energiepreise verzehnfachen würde, würden wir damit wahrscheinlich das Rohstoffproblem der Welt lösen, weil niemand mehr aus Kostengründen Energie verbrauchen kann. Auch die Äußerung des Ministerpräsidenten am letzten Freitag zur Verlagerung der Solarnutzung in die Sahara und der Biomassenutzung in die Tropen war wohl etwas fehl am Platz. Ich wusste bisher nicht, dass Sachsen in der Sahara liegt. Wir können ja unsere Technologien in alle Welt exportieren, dürfen dabei jedoch nicht vergessen, dass
Rein logisch gesehen gibt es im Kapitalismus kein Unternehmen, in dem man durch gesteigerte Effizienz noch mehr Kosten senken kann. Was soll dann dieses Modell eigentlich bringen? Wenn, dann können es nur einzelne Unternehmensteile sein, die absichtlich unrentabel arbeiten, um das Kartellrecht zu umgehen. Es gibt keinen Energiekonzern, der am Hungertuch nagt; also brauchen wir kein Anreizmodell, sondern ein verschärftes Kartellrecht und eine klare Kompetenzverteilung. Es muss endlich Schluss sein mit weiteren Geschenken an die Stromkonzerne und Beruhigungspillen für die Verbraucher.
diese Technik auch breitflächig in Deutschland zur Anwendung kommen muss; und Potenziale haben wir, denke ich, in unserem Lande und vor allem auch in Sachsen genug. Aber vielleicht werden demnächst sächsische Regierungsvertreter zur Erkundung der Vor-OrtGegebenheiten in die Wüste geschickt.
Die am Montag auf der Bilanzpressekonferenz von Vattenfall veröffentlichten Zahlen über die in Deutschland erzielten Gewinne sprechen, denke ich, eine äußerst deutliche Sprache. Im Geschäftsjahr 2005 erzielte der Vattenfall-Konzern in Deutschland einen Gewinn von 1,1 Milliarden Euro. Die anderen drei Stromriesen in Deutschland erzielten ebenfalls sehr hohe Gewinne. Gleichzeitig haben fast alle Energieversorger zu Beginn dieses Jahres Anträge auf Strompreiserhöhungen gestellt. Begründet wurde dies mit den stark gestiegenen Strombezugskosten. Aber ich frage mich immer wieder, wie so etwas funktionieren kann: einerseits Milliardengewinne bei den Unternehmen, andererseits werden die Preise für den Verbraucher erhöht.
Wir schließen uns der Forderung an, dass der Staat die nicht gerechtfertigten Gewinne aus der Vergangenheit zurückfordern soll. Doch wenn man dies fordert, müsste gleichzeitig gefordert werden, dass daraus resultierend keine weiteren Preissteigerungen stattfinden, so wie es vorhin vorgerechnet wurde. Es müsste jedoch normalerweise eine staatlich festgeschriebene Grenze für den Energiemarkt geben. Das läuft zwar einigen Verfechtern der so genannten sozialen Marktwirtschaft – sozial ist sie nicht – zuwider, würde aber wahrscheinlich dem gesamten Problem abhelfen.
Die Lösung ist wahrscheinlich ganz einfach: In Deutschland sind die herrschenden Politiker nicht in der Lage, solche Zustände zu verhindern. Einzelne Unternehmen erzielen exorbitante Gewinne auf Kosten der Allgemeinheit, und die Verantwortlichen schauen tatenlos zu. Immer und immer wieder wird gefordert, für mehr Wettbewerb auf dem Energiemarkt zu sorgen. Immer wieder wird gefordert, die Möglichkeiten der Regulierungs- und Kartellbehörden von Bund und Ländern auszuschöpfen, um den Profit Einzelner auf Kosten der Verbraucher zu verhindern. Es geschieht jedoch nichts. Immer wieder wird nur gefordert, aber am Ende passiert doch nichts.
Ein Umdenken in der Energiepolitik in Deutschland ist wahrscheinlich aufgrund der gegebenen Verhältnisse in Politik und Wirtschaft für die nächsten Jahre nicht zu erwarten. Es war nach Meinung der NPD-Fraktion ein riesengroßer Fehler, vor einigen Jahren den Energiesektor zu liberalisieren. Was dabei herausgekommen ist, erleben wir heute: Der Staat verkauft Eigentum; der Staat verkauft Grundversorgung, und daraus resultierend steigen die Kosten – nicht nur auf dem Energiemarkt. Das erleben wir überall, bei der Bahn und in anderen Bereichen. Wir erleben in Deutschland, dass die Energieriesen ein seltsames Kunststück vollbracht haben: Sie haben es geschafft, ihre Konzernstrukturen optimal an die Schwächen des bestehenden Kartellrechts anzupassen. Diese Konzerne sind heute so fein verästelt und zergliedert, dass sie in der Lage sind, die Regulierungs- und Kartellbehörden buchstäblich an der Nase herumzuführen. Nach dem jetzigen Stand ist zumindest für die nächste Zeit wahrscheinlich auch keine Besserung in Sicht. CO2-Zertikate werden weiterhin kostenlos zugeteilt und die Unternehmen werden diese Zertifikate auch weiter in die Kostenkalkulation einbeziehen, um den Verbraucher sprichwörtlich abzuzocken.
Die NPD hält nach wie vor daran fest, dass diese Bereiche der Grundversorgung – besonders auch im Bereich der Energie – normalerweise in staatliche Hand gehören würden. Der Staat braucht keine Gewinne einzufahren, der Staat muss für die Grundversorgung sorgen. Das ist das Grundprinzip, an dem wir festhalten werden.
Der neueste Vorstoß der Bundesnetzagentur zur Einführung einer so genannten Anreizregulierung in den Energiemärkten wird letztendlich, denken wir, wenig hilfreich sein. Durch die so genannte Anreizregulierung sollen Unternehmen, die ihre Effizienz steigern und Kosten senken, in den Genuss kommen, die daraus entstehenden Gewinne behalten zu dürfen. Zeigen Sie mir in der Welt des heutigen Raubtier-Kapitalismus noch ein einziges Unternehmen, das nicht versucht, durch größtmögliche Effizienz und geringste Kosten die maximalen Profite zu erwirtschaften.
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Dem Antrag der GRÜNEN kann ich einen gehörigen Schuss Populismus nicht absprechen. Aber auch an der Debatte, wie sie hier geführt wurde, ist erkennbar, dass erheblicher Populismus vorhanden war.
Frau Dr. Runge, Sie haben vollkommen zu Recht das Problem beschrieben: Es geht um den fehlenden Wettbewerb; das ist eigentlich das Kernproblem, das wir auf dem Strommarkt haben. Herr Nolle, Sie haben dies auch beklagt. Wenn Frau Dr. Runge das beklagt, kann ich es noch ernst nehmen. Wenn es aber ein Vertreter der SPD
beklagt, kann ich es nicht mehr ernst nehmen; denn war es nicht gerade die rot-grüne Bundesregierung, die die E.on-Ruhrgas-Fusion genehmigt hat? War es nicht Minister Müller von der SPD, der aus der Energiebranche kam, Minister wurde und in die Energiebranche zurückgekehrt ist? War es nicht so? War es nicht Staatssekretär Tacke, der erst die Ministererlaubnis erteilt und sich dann die fetten Tantiemen eines Vorstandes in der Energiewirtschaft eingeheimst hat? Tragen Sie nicht auch eine Verantwortung dafür, dass wir den Wettbewerb in der Energiebranche haben? Das, was Sie hier geboten haben, war schon ziemlich scheinheilig, Herr Nolle.
(Beifall bei der FDP – Karl Nolle, SPD: Lass dir mal eine Hörbrille verschreiben! – Zuruf des Abg. Mario Pecher, SPD)
Zum Antrag selbst. Auch dieser Antrag ist populistisch, da er zwei Dinge miteinander verknüpft, die eigentlich überhaupt nichts miteinander zu tun haben: CO2-Zertifikate und Mehrwertsteuer. Die Mehrwertsteuerdiskussion ist gerade in, also kommen die GRÜNEN auf die Idee: Wir könnten ja einmal hingehen, irgendetwas abschöpfen und die Mehrwertsteuer senken.
Wenn Sie konsequent wären, würden Sie sagen: Wenn wir schon abschöpfen, senken wir doch die Stromsteuer, da sie doch die Steuer ist, die die Stromverbraucher bezahlen. – Warum soll es denn die Mehrwertsteuer sein? Einfach deswegen, weil sie Ihnen gerade eingefallen und zurzeit in der Diskussion ist.
Natürlich, aber auch andere. – Der Effekt für die Stromverbraucher wäre doch viel, viel größer, wenn man diese Einnahmen voll und ganz in die Senkung der Stromsteuer stecken würde; dann würden diejenigen, die durch die Zertifikate, durch die erhöhten Kosten belastet werden, auch wieder maximal entlastet werden – und nicht alle anderen auch. Das wäre konsequent gewesen, und genau das haben Sie nicht beantragt.