Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Elbe hat heute einen Pegelstand von 7,25 Metern erreicht. Damit ist der Scheitelpunkt überschritten, und das Wasser weicht langsam zurück. Mit dem zurückweichenden Wasser bleiben aber nicht nur Schlamm und Unrat zurück, sondern auch die Frage, wie gut Sachsen wirklich auf dieses und auch auf kommende Hochwasser vorbereitet ist.
An einigen Stellen war das Krisenmanagement unzureichend, das muss man zugeben. Einige örtliche Krisenstäbe waren möglicherweise von der Situation überfordert. Allerdings bringen uns Schuldzuweisungen an dieser Stelle nicht weiter. Vielmehr sollten die notwendigen Schlussfolgerungen für die Verbesserung des Krisenmanagements auch auf kommunaler Ebene gezogen werden. Hierbei kann der Freistaat beratend zur Seite stehen.
Zunächst haben wir das Hochwasser aber noch gar nicht überstanden, und aller Voraussicht nach wird sich die Gefahrenlage nur langsam entspannen. Deshalb hat die Verteidigung der Deiche zurzeit oberste Priorität. Das wird noch einmal ein Kraftakt werden.
Auch ich möchte hier allen Einsatzkräften und freiwilligen Helfern für die Einsatzbereitschaft danken und zolle ihnen ausdrücklich meinen Respekt. Die Folgen der Flut sind zurzeit noch nicht absehbar, aber schon jetzt gilt allen Betroffenen unsere Solidarität. Der Freistaat muss helfen, wenn es darum geht, dass infolge der Flut Notsituationen entstanden sind. Dafür können etwa für Not leidende Unternehmen vorhandene Programme genutzt werden, bei denen diesen mit zinsgünstigen Krediten unter die Arme gegriffen wird. Für Angestellte betroffener Unternehmen kann Kurzarbeitergeld beantragt werden. Der Finanzminister hat darüber hinaus Steuererleichterungen für Flutopfer in Aussicht gestellt.
Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte noch einen ganz anderen Aspekt mit ins Spiel bringen, und zwar die Föderalismusreform. Die Entwicklung in den letzten Tagen und Monaten hat deutlich gemacht, dass Hochwasserschutz nicht von einem Land allein zu leisten ist. Sachsen hat seine Lektion bitter lernen müssen, aber die Elbe fließt durch fünf Bundesländer. Da herrscht nicht unbedingt Einigkeit, was den Ausbau der Elbe anbelangt. Insbesondere unter dem Gesichtspunkt des vorbeugenden Hochwasserschutzes muss die Elbe in einem derzeit relativ naturnahen Zustand erhalten bleiben. Unsere Forderung ist: keine Staustufen und kein Ausbau der Elbe!
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen Abgeordneten! Wir haben viel aus der Flutkatastrophe 2002 gelernt. Es wurden Hochwasserkonzepte
erarbeitet, Handlungsempfehlungen erstellt und es gibt sogar ein Hochwasserkonzept für die Elbe. Es wurde sicher auch schon viel getan in Sachen Hochwasserschutz.
Aber es gibt auch Fehler. An dem bereits genannten, als hoch sensibel eingeschätzten Elbabschnitt bei Gohlis im Landkreis Riesa-Großenhain wurde nichts getan.
Der Entwurf des Hochwasserschutzkonzeptes sah für das Gemeindegebiet Zeithain eine erhebliche Anzahl von Maßnahmen des vorbeugenden Hochwasserschutzes vor, so den vollständigen Rückbau des strategischen Gleises rechts der Elbe, der im IV. Quartal 2005 endlich beginnen sollte. Das hatte Priorität, aber bisher ist nichts geschehen. Dadurch hätte man 8 000 Kubikmeter Überflutungsraum gewinnen können.
Bei der Planung der Staatsstraße 88, die als Ortsumgehungs- und Evakuierungsstraße dient, wurden die zahlreichen Einwände der Bürgerinnen und Bürger in den Wind geschlagen. Der Straßenbau in diesem sensiblen Gebiet der Elbaue wurde nicht profilangepasst ausgeführt und ein Elbarm wurde verbaut – und zwar der, der viele Generationen vor uns vor extremen Hochwassern schützte. Die S 88 dient nicht nur als Evakuierungsstraße, sondern ist bei Hochwasser ein mächtiges Bollwerk und wesentliches Fließhindernis. Das Wasser der Elbe fließt in den Ort, aber nicht wieder heraus. Ein Rücklauf ist nicht ausreichend gesichert. Das hat man sehr wohl als Fehlplanung erkannt und wollte dem mit einem neuen Planungsverfahren entgegenwirken.
Warum dieses lange Planungsverfahren? Zum Tieferlegen einer Straße braucht man das nicht. Sollte es auf die lange Bank geschoben werden? Und warum hat man nicht die Erfahrungen der Menschen vor Ort genutzt, die das Gelände kennen? Die S 88 stand schon immer in der Kritik. Es hat sich dazu sogar eine Bürgerinitiative gegründet. Die Gefahrensituation wurde trotz der Erfahrungen wieder verkannt. Wir mussten in diesem Frühjahr mit einem extremen Hochwasser rechnen. Erst am Montag dieser Woche war Herr Milbradt bereit, einer Öffnung der Straße zuzustimmen,
wohl wissend, dass dies nicht in wenigen Stunden erfolgt sein kann – und das auch nur auf Druck der Bürgerinitiative. Diese Entscheidung hätte bereits am Sonnabend – also drei Tage früher – fallen müssen. Diese Straße ist nun seit Mittwoch offen. Das heißt, fünf Tage Hochwasser für Menschen und Eigentum – nur um eine fehl geplante Straße zu retten?
Gleiches Schicksal erleben zurzeit auch die Bürger an der B 169 in Röderau und Bobersen. Hier wurden Dämme aufgeschüttet, um die Bundesstraße zu schützen. Und die Menschen im Wasser fühlen sich allein gelassen. Diesen Bürgern werden nun auch noch die Lasten dieser Fehlplanungen aufgebürdet, indem sie darauf hingewiesen
werden, dass diesmal keine Unterstützung zu erwarten ist. Diese Menschen sind mit ihrem Leid allein gelassen, sind nicht schuld an den Schäden an ihrem Eigentum. Aber sie sind die Leidtragenden.
Sehr geehrter Herr Ministerpräsident! Eine Staatsstraße heißt Staatsstraße, weil der Staat dafür Verantwortung trägt.
Deshalb fordere ich Sie auf, dringend die notwendige Absenkung der Straße zu veranlassen. Die Elbe muss bei Hochwasser in ihrem Nebenarm frei fließen können. Dann können auch die Bürgerinnen und Bürger in Gohlis und Umgebung wieder ruhig schlafen – und wir Parlamentarier auch.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehen Sie, es ist genauso gekommen, wie wir es am Anfang gesagt hatten,
nämlich es ist nichts passiert. Es ist geplappert worden, wir haben nichts Konkretes erfahren und ich halte es für eine Schande, was heute in diesem Hause passiert ist.
Nehmen wir das Beispiel Bad Schandau – ich war auch dort, weil ich da auch zu tun habe. Die ganze Innenstadt steht unter Wasser. Natürlich, Herr Günther, ist der Schaden heute noch nicht bezifferbar. Wir können noch nicht genau sagen, wie hoch die Schadenshöhe ist. Darum geht es auch gar nicht. Es geht darum, dass die Menschen wissen, dass sie Hilfe erhalten werden. Da geht es um keine konkreten Summen, aber sie müssen eine Perspektive haben.
Ich will ausdrücklich sagen: Ich übe keine Kritik an dem, was in den letzten dreieinhalb Jahren passiert ist. Natürlich kann man nicht alles innerhalb von drei Jahren machen, was vielleicht Jahrzehnte vorneweg im Hochwasserschutz versäumt worden ist. Darum geht es nicht. Es geht um die Perspektive für die Menschen jetzt, denen das Haus immer noch unter Wasser steht. Um nichts anderes ging und geht es uns.
Und – das ist ja das, was wir kritisieren – da stellt sich der Ministerpräsident hin und verhöhnt die Opfer und sagt, es ist gar keine Katastrophe. Ja, er hat sie verhöhnt!
Wir brauchen in Sachsen keinen Ministerpräsidenten, der die Opfer verhöhnt; wir brauchen einen, der Aufbruch verkörpert, der sagt: Los Sachsen, wir packen das, es geht los! Wir brauchen hier keine Schlaftablette. Irgendwie hat der Ministerpräsident ein falsches Zeitgefühl. Er weiß nicht, wann er die Gummistiefel anzuziehen hat – da muss man ihn fast noch zum Wasser tragen –, und dann weiß er nicht, wann er seinen Hut zu nehmen hat.
Heute ist der Tag gekommen – und deswegen sage ich es noch einmal: Ich fordere den Ministerpräsidenten auf, zurückzutreten und den Weg freizumachen für eine engagiertere Person!
(Beifall bei der NPD – Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Sie, Herr Leichsenring? – Uwe Leichsenring, NPD: Stehen Sie zur Verfügung, Herr Porsch? – Weitere Zurufe – Leichte Heiterkeit)
Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte noch einmal zum Thema Staustufen zurückkommen, Herr Tillich. Wir wissen ja alle – Frau Windisch hat es gesagt –, dass wir mit den Tschechen gut reden. Wir wissen auch – wir sind uns alle einig: Wir wollen keine Staustufen.
Jetzt berichte ich Ihnen einmal, was im Umweltausschuss der Stadt Dresden vor vier Wochen passiert ist. Da sollte nämlich die Landeshauptstadt Stellung nehmen zu den Staustufen innerhalb der grenzüberschreitenden UVP. Was haben wir mitgeteilt bekommen? Wir haben mitgeteilt bekommen, das sei nicht möglich, da die Unterlagen, die die Tschechen uns vorgelegt haben, keinerlei Auswirkungen auf das Hochwasser in der Landeshauptstadt Dresden erkennen lassen. Deswegen war die Landeshauptstadt noch nicht in der Lage, dazu Stellung zu nehmen. Da frage ich mich jetzt, wo Ihr Engagement ist. Vielleicht nehmen Sie ja noch einmal das Wort und können uns das erklären.
Zum Zweiten, Herr Jurk, die Sächsischen Binnenhäfen Oberelbe GmbH, eine hundertprozentige Tochter – wir wissen alle, das sind die größten Lobbyisten in der Tschechischen Republik, die für die Staustufen eintreten –, das sind Ihre Leute. Sie haben es schon des Öfteren angesprochen. Ich erwarte, dass Sie hier auch ein klares Wort sagen, endlich Ihren gesellschaftsrechtlichen Einfluss wahrnehmen und diesen Blödsinn dort in der Tschechischen Republik unterbinden.
Das sind die Sachen, die heute auch von Ihnen, Herr Tillich, und von Ihnen, Herr Ministerpräsident – vielleicht wollen Sie ja noch einmal das Wort ergreifen –, zu machen sind.